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Laufberichte

San Marino Marathon – Rund um den Monte Titano

27.06.21 Special Event
 

Der Zwergstaat San Marino liegt in der Emilia Romagna gleich im Hinterland von Rimini. Das passt natürlich für einen Strandurlaub mit Marathon. Die Einreiseregeln für Italien sind erfüllbar: Eine Erklärung auf einer Internetseite mit Ort und Zeit des Grenzübertritts und ein negativer Corona-Test. In San Marino gelten ähnliche Gesundheitsregeln.

Und so kommen wir nach acht Monaten Zwangspause wieder mal zu einem Urlaub. Unser Hotel liegt im Standteil Miramare von Rimini, der mit seinen kleinen familiengeführten Hotels noch den Geist der 1960er Jahre verströmt. Schöne Zimmer inklusive Frühstück gibt es hier für 25 Euro pro Nacht – für zwei Personen. Sehr viele Italiener genießen den Sommerurlaub und die Corona-Regeln werden ganz gut eingehalten.

Bezüglich der Anmeldung arbeitet der San-Marino-Marathon wohl mit dem italienischen Leichtathletikverband FIDAL zusammen. Wir brauchen ein Gesundheitszeugnis und eine Runcard, so steht es in der Ausschreibung. Die 2019 vermeldete Aufhebung der Gesundheitszeugnispflicht für Ausländer war wohl doch nicht so endgültig.

 

Auf in den Zwergstaat San Marino

 

Von Rimini sind es 20 Kilometer nach San Marino auf einer Straße, die als Schnellstraße in den Karten verzeichnet, aber mit Ampelanlagen alle 500 Meter gespickt ist.  Da braucht man stahlharte Nerven.

San Marino bezeichnet sich als die älteste Republik der Welt. Sie wurde im Jahre 301 gegründet. Der Staat wurde nie von anderen Ländern besetzt. Heute leben hier 34.000 Marineser. Einen wichtigen Teil der Staatseinnahmen macht der Tourismus aus, samt Verkauf von Briefmarken und Euro-Münzen. Ansonsten gab es wohl früher auch viele Briefkästen in San Marino...

Die Grenze ist ca. 39 Kilometer lang. In der Mitte befindet sich ein langgezogener, über 700 Meter hoher Gebirgszug dem Monte Titano, auf dem drei Burgen und die Gemeinde San Marino liegen.

200 Meter tiefer in Borgo Maggiore befinden sich Start und Ziel des Marathons und dort in der Altstadt gibt es auch die Startunterlagen. Da Judith und ich uns nicht sicher sind, dass wir die Unterlagen am Sonntag ganz ohne Probleme bekommen, sind wir samstags schon da. Es geht aber alles recht schnell. Den Namen nennen, dann noch mündlich bestätigen, dass wir die Startgebühr schon überwiesen haben, die Covid-19-Erklärung abgeben und kurz danach halten wir die Startnummer mit Chip und ein Veranstaltungshemd in Händen. Auf Sightseeing haben wir keine große Lust, da wir erstens schon mal in San Marino waren und außerdem die Hitze viel zu groß ist. Also zurück ans Meer.

 

 

 

Marathontag

 

Startzeit ist 9:00 Uhr, sodass wir im Hotel noch ein Frühstück bekommen, bevor wir nach Borgo Maggiore aufbrechen. Der Parkplatz an der Seilbahn in den Ort San Marino ist fast voll. Überall sind Läufer zu sehen. Am Parkscheinautomat könnte man die 8 Euro auch mit Karte zahlen. Ich habe seit einigen Tagen Euro-Münzen gesammelt, die ich einwerfe. Im Start-/Zielbereich ist schon die Hölle los. Die Läufer der 5-er-Staffel dürfen sich vorne aufstellen, dahinter dann die Marathonis. Ansagen gibt es nur auf Italienisch. Kurz vor neun dann der Start für die Staffeln. Irgendwie laufen die Marathonis auch los. Wir sind natürlich dabei.

Ich bin gespannt, was uns auf der 6,0325-km-Runde so erwartet. Und natürlich auf die Verteilung der Höhenmeter. Es geht erst mal steil bergab, um die Seilbahnstation herum, die nach San Marino hinauf führt. Nach zwei Spitzkehren befinden wir uns in einem Eisenbahntunnel. Die Schmalspurbahn verband bis 1944 den Bahnhof Rimini mit San Marino. Im Krieg flüchtete man hier vor den Bomben in die Tunnel, einige Fotos erinnern daran. Obwohl San Marino neutral war und die Grenze mit großen weißen X markiert hatte, wurde es aufgrund eines Missverständnisses von den Briten bombardiert. Danach waren Teile der Bahnanlagen zerstört und die Bahn wurde auch nie mehr aufgebaut. Man liest, dass eine Reaktivierung im Gespräch ist. Für Touristen sicher eine wunderschöne Sache. Und Pendler könnten sich die vielen Ampeln sparen.

 

 

Im Tunnel herrscht Stimmung. Hinter uns läuft ein Spaßmacher, der den schönen Hall dazu nutzt, hier laut zu singen und zu scherzen. Nach ein paar hundert Metern kommen wir aus dem Tunnel.  Zwei Güterloren erinnern an alte Zeiten. Auch einen Trinkbrunnen gibt es hier. Gleich danach in den nächsten Tunnel. Recht frisch hier drinnen und es geht merklich bergauf. Hinter dem Tunnel dann Kilometer 1, vor dem Friedhof. Der Kurs bleibt wellig: Ein kurzer giftiger Anstieg, dann auf einer breiten Straße mit Mittelstreifen zügig bergab. Kurz nach Kilometer zwei auf einem Parkplatz eine Begegnungstelle mit Startnummernkontrolle.

Der langgezogene Hügel liegt immer links von uns, wir sind gegen den Uhrzeigersinn unterwegs. Im Moment halten wir uns nach Süden. Bei Kilometer drei sind wir in der Ortschaft Murata. Hier gibt es einen VP mit Wasser. Den werden wir später sicher dringend brauchen.

Vor mir glitzert die Sonne auf dem Asphalt. An einem Straßenkreisel sichern zwei Polizisten, dann ein wunderschöner Blick auf die 500 Meter tiefer liegende Küste. Man kann die Hochhäuser von Rimini und Cesenatico im Norden erkennen.

Wir rasen nun auf der Panoramica bergab. Kilometer vier unter einem Felsenturm, oben die erste Festungsanlage von San Marino. Nach dieser Kuhle geht es jetzt einen Kilometer schnurgerade nach oben. Rechts können die Autos fahren. Aber es sind nicht viele und sie sind recht langsam unterwegs. Die ganze Strecke ist perfekt gesichert. Der Anstieg ist ganz gut zu laufen, zieht sich aber doch beträchtlich hin. Schön, mal wieder ein Läuferfeld vor und hinter sich zu haben.

Kilometer fünf markiert wieder den oberen Teil der Welle, dann geht es bergab, an einem Fußballfeld vorbei. Kurz vor dem Ziel kommen wir nach Borgo Maggiore und sehen uns mit einer Schikane konfrontiert: In einem Gässchen geht es sehr steil etwa 20 Höhenmeter nach oben. Aber auch die sind zu schaffen. Der Zielbogen erwartet uns kurz danach. Ein Verantwortlicher schreit mich an, dass ich mit meiner Kamera die Startnummer verdecke. Auch hier wird anscheinend wie an mehreren Stellen die Startnummer aufgeschrieben, dann über die Zeitmessmatte. Die wartenden Staffelteilnehmer feuern uns an. Auch ein paar Zuschauer, ansonsten dünn gesät, haben sich hier eingefunden. Spaziergänger sehen wir zwar hin und wieder an der Strecke, aber die nehmen uns Sportler nicht zur Kenntnis. Sammarinesi sind wohl nicht so sportbegeistert.

Nun werden wir oft von Staffelläufern überholt. Die nehmen das sehr ernst und sind auch sehr knapp bekleidet, was besonders bei den Läuferinnen auffällt. Ich habe ein Hemd mit Ärmeln an, um mich vor der Sonne zu schützen, und ein Halstuch, welches ich auch als Maske verwenden könnte. Ich halte mein Tempo und setze mich von Judith ab. Theoretisch hätte ich auf diesem Kurs die Möglichkeit, sie zu überholen. Diese Idee erscheint allerdings etwas gewagt. Mal abwarten.

Runde zwei und drei fliegen so dahin. Mir fällt auf, dass es zwischen km 1 und 3 viele Toilettenhäuschen gibt und dass es unter den davor aufgestellten Zelten leicht „regnet“. Leider ist wohl der Wasserdruck viel zu schwach für eine erfrischende Brause.

 

 

An der Wechselstelle gebe ich mir nun mit stolz geschwellter Brust viel Mühe, dem Offiziellen einen guten Blick auf meine Nummer zu gewähren. Kurz nach dem Startbereich befindet sich auch die Hauptverpflegungsstelle. Dort gibt es „sali“, also ISO, mit sehr wenig Salz, Wasser in Bechern und auch in 0,5-l-Flaschen, Bananenstücke und Kekse. Ich schnappe mir eine Flasche, man weiß ja nie, wie lange die Becher noch reichen.

In den Tunneln ist es ziemlich warm geworden. Ich halte den Kopf unter den dazwischen liegenden Wasserspender. Ein starker Krampf im Bauch zwingt mich zu gehen. Bei dem Blumenstand vor dem Friedhof, der heute sicher nicht viel verdient, frage ich nach einer Toilette und bekomme den Weg in den Friedhof gewiesen. Glück gehabt. Zwei Minuten später bin ich ohne weitere Probleme wieder auf dem Asphalt.

Man kann sich nun in Betrachtungen ergehen, wie der Stand der Sonne die Schattenstellen verändert. Und man muss sich entscheiden zwischen der oft sonnenbeschienenen Ideallinie und – so vorhanden - einem schattigeren, langwierigeren Abschnitt.

Besonders die Panoramica ist mörderisch. Hier gibt es nur noch pralle Sonne. Gelegentlich ist es windstill und ich habe das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Aber meist folgt bald wieder ein kühler Bergwind. Mir fehlt auch eine Sonnenbrille. Ich laufe fast immer ohne, aber nun habe ich Probleme mit dem hellen Asphalt. Wieder was für den nächsten Sommerlauf gelernt: Sonnenbrille mitnehmen.

Die Temperatur liegt heute bei über 30 Grad – im Schatten. Dafür verströmen die Mittelmeerkiefern einen wunderbaren Duft.

Runde fünf wird die härteste  für mich. Der führende Marathoni hat mich schon zwei Mal überholt. Er läuft für die Gruppo Forestale und trägt die Abbildung eines Bergbewohners auf seinem Hemd. Viele von den Schnellen haben offenbar den Drang, ganz knapp an einem vorbeizulaufen, auch wenn ich auf der breiten Straße nicht auf der Ideallinie unterwegs bin. Aber das kenne ich ja schon von anderen Läufen, muss wohl eine magische Anziehung sein. Einige Überholende freuen sich, wenn ich ihnen ein „Forza“ hinterherrufe. Ein Luigi dreht sich dreimal nach mir um, fragt sich vermutlich, woher ich ihn kenne. Aber sein Name steht hinten auf dem Shirt.

Dann überholt mich auch noch Leszek, einer von drei Teilnehmern aus Polen. Die beiden anderen habe ich hinter mir gelassen, keiner hat auf meine polnischen Grüße reagiert. Ansonsten bilden erwartungsgemäß die Italiener die größte ausländische Teilnehmergruppe. Judith und ich sind die einzigen Vertreter aus Deutschland. Was mich ein wenig wundert, da es unter deutschen Marathonis ja viele Ländersammler gibt. Aber entweder sind die hier schon gelaufen bzw. trauen sich noch nicht ins Ausland - oder sie sehen San Marino als zu unbedeutend an.

Der VP bei km 33 hat keine Becher mehr. Aber man kann seine kleinen Flaschen nachfüllen. Noch anderthalb Runden oder „lockere“ neun Kilometer. Ein Läufer hängt sich an mich dran. Wir wechseln uns mit der Führung ab. Kurz vor dem Zielbogen dann seine Frage, ob ich auch fertig bin. Leider nein. Eine Runde fehlt noch.

Die letzten 100 Höhenmeter rauf und runter. Ich muss aufpassen, nicht zu viel von dem nicht sehr mineralhaltigen Wasser zu trinken. Gut, dass ich noch ein Gel dabei habe. Ich fühle mich so, als ob mir Salz fehlt.

Die letzten sechs Kilometer fallen mir trotzdem leichter. Ich musste zwar mein Ziel von 4,5  Stunden korrigieren, weiß aber nun, dass ich immerhin unter fünf Stunden bleiben werde.

 

 

Der Zieleinlauf ist recht unspektakulär. Die Staffeln sind längst weg. Die Siegerehrung ist gerade vorbei und dazwischen ein einsames Läuferlein. So geht also mein erster Auslandsmarathon nach 16 Monaten zu Ende. Eine kleine Medaille gibt es an einer Kiste am Zielbogen.

Ich gehe noch mal zum Verpflegungsstand. Viel ist nicht mehr da, da möchte ich den Folgenden nichts wegessen. Die Sonne auf der Piazza Maggiore brennt fürchterlich. Ich suche ein Schattenplätzchen mit Blick auf den Zieleinlauf. Im Minutentakt kommen Sportler ins Ziel. Viele haben aber noch eine weitere Runde vor sich. Einige reißen glücklich die Arme hoch.

Dann kommt Judith als Führende einer größeren Gruppe ins Ziel. Das ist doch mal was, zumal darunter auch viele Läuferinnen vom Club Supermarathon Italia sind. Im Auto wartet Eigenverpflegung auf uns. Als wir nach einer halben Stunde die Rückfahrt antreten, laufen immer noch Marathonis auf ihrer hoffentlich letzten Runde an uns vorbei.

 

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Zurück in Rimini genieße ich den Spätnachmittag im Meer. Wir waren ja schon mehrmals wegen Marathons hier, aber meist im Frühling und Spätherbst. Ich wusste gar nicht, dass die Adria so warm werden kann. Das ist noch schöner als im Winter das Thermalwasser von Bad Füssing. Aber vielleicht kann man das nicht so ganz vergleichen.

 

 


 
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