Heutzutage ist es ja kein Problem mehr einen Marathon irgendwo auf der Welt zu finden. Als ich eine Geschäftsreise nach Michigan/USA antreten sollte, war mit Hilfe http://www.marathonguide.com schnell etwas in der Nähe gefunden: der North Country Trail Run in Manistee (http://www.stridersrun.com). Angeboten werden Marathon und 50 Meilen. Obwohl man bei der Einschreibung die Strecke wählt, kann man bei Meile 24,8 entscheiden, ob man Marathon oder die Ultradistanz absolvieren will.
Die Anfahrtsbeschreibung im Internet ist ausreichend genau um den Parkplatz (Startnummernausgabe, Start und Ziel) mitten im Wald im Manistee National Forest am Big M Trailhead zu finden. Ich komme am Freitag abend an und melde mich gleich an. Wenn ich schon mal da bin, schreibe ich mich für die 50M ein. Das Zeitlimit liegt bei 12½h. Damit ergibt sich bei einer Startzeit 7:30h der Zielschluss um 20h, gerade solange ist es hell.
Ich werde gleich begrüßt mit: „hey, another German guy!“. Vor mir hatte sich schon jemand hier her verirrt. Gar nicht so leicht, wenn man bedenkt, dass insgesamt vielleicht 100 Läufer an den Start gehen. Leider ist mein Landsmann nicht mehr anwesend, morgen werde ich ihn sicher treffen. Nach der Einschreibung kann man für 4$ Nudeln essen soviel man will und das Freibier vom Fass selbst zapfen.
Ca. 18M vom Big M Trail liegt mein Hotel in Manistee, einem kleinen Ort am Lake Michigan. Am Abend noch ein paar Vorbereitungen für das Rennen am nächsten Tag, danach früh zu Bett. Den jetlag habe ich nach einer Woche in den USA bereits überwunden. Ab 5:30h gibt es continental breakfeast im Hotel. Papiergeschirr und Plastikbesteck, bagel und cream cheese, cereal (Korn- oder Vollkornflakes), dazu Kaffee und Orangensaft. Breakfeast in America eben. Um 7h bin ich am Parkplatz. Keine Hektik, alles cool. Das lange Funktionsshirt, dass ich gestern bei der Einschreibung bekommen habe, ist jetzt bei ca. 10° gerade richtig. Die Empfehlung, Wasser mit zu nehmen habe ich auch befolgt. Es soll warm werden ab Mittag.
Nach einem kurzen Briefing erfolgt der Start. Die Strecke verläuft ausschließlich im Wald, fast immer nur einspurig belaufbar. Am Anfang bildet sich sofort eine lange Schlange von Läufern. So wird man zur Zurückhaltung auf den ersten Meilen gezwungen. Das Tempo ist trotzdem flott zu laufen, da anders als bei den großen Städtemarathons wie New York oder Chicago durchweg nur gut trainierte Läufertypen am Start sind.
Zunächst keine größeren Steigungen und kaum Bodenwellen, kommt man relativ schnell in einen angenehmen Rhythmus. Sofern man der englischen Sprache mächtig ist, findet man auch sofort Gesprächspartner, da jeder, der einem näher kommt, mindestens ein „How are you doing?“ übrig hat. Plötzlich erfahre ich einem schmerzhaften Stich im Knöchel. Irgendwas hat mich gestochen, aber im ersten Moment weiß ich nicht, was es eigentlich war. Als mehrere Mitläufer von Bienenstichen erzählen, ist mir’s klar. Fast bin ich erleichtert, dass es nichts anderes war, aber die Einstichstelle schwillt schnell einen Zentimeter dick an. Bis zur ersten Verpflegung ist es noch etwa 5km, dort kann ich etwas kühlen.
Die Verpflegung ist ausgezeichnet, allerdings kann die Distanz von einer Station zur nächsten bis zu 7km betragen. Daher empfiehlt der Veranstalter selbst eine Wasserflasche mit zu nehmen. Bei Cross-Country-Läufen habe ich mir einen kleinen Trinkrucksack ohnehin zur Gewohnheit gemacht.
Der Lauf macht wirklich Spass. Ich habe mir schon immer gewünscht, einmal einen Lauf nur durch den Wald zu machen. Heute geht dieser Traum in Erfüllung. Nachdem sich das Feld mehr und mehr auseinander gezogen hat, trifft man immer seltener auf andere Läufer. Viele laufen in kleinen Gruppen, ich gehe mein eigenes Tempo. Der Lohn aber auch der Preis dafür ist die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Meilenweit nur Bäume. Die Strecke wird im Laufe der Zeit immer welliger und auch Steigungen und Gefällpassagen häufen sich. Nicht hoch, nicht steil, nicht schwierig, aber ständig rauf und runter. Das zehrt an dem Kräften. Die entscheidende Ermüdung tritt jedoch im mentalen Bereich ein. Die absolute Natur, im immer gleichen Erscheinungsbild mit etwa im Meterabstand wachsenden Bäumen, wird zur eigentlichen Schwierigkeit. Wie oft habe ich mir gedacht, wieviel schöner wäre der Rennsteig, wenn er nur durch den Wald führte. Nun erlebe ich, wie schön es doch wäre, zur Abwechslung einmal aus dem Wald heraus zukommen.
Die letzten acht Meilen werden dann richtig anspruchsvoll mit wesentlich markanterem Profil. Ebene Abschnitte gibt es praktisch nicht mehr. Auch wird es immer wärmer. Ich werde merklich langsamer. Eigentlich wollte ich 50 Meilen laufen, aber noch eine Runde stehe ich heute nicht durch.
Wahrscheinlich würde man überhaupt keinen anderen Läufer mehr sehen, da die Marathonläufer nach einer Runde finishen. Der Knöchel ist geschwollen und schmerzt, einige Muskeln wollen nicht mehr so recht, die schwüle Wärme drückt... Man könnte an den Verpflegungsstellen Mittelchen bekommen. Die mir angebotenen Mineraltabletten lehne ich ab und auch Ibuprofen 200 brauche ich nicht. „Take it easy!“ sag mir einer der Helfer. „Sure.“ Mir wäre in diesem Moment noch viel mehr eingefallen, um einen guten Grund zu finden. Aber ich habe längst entschieden, bei der Weiche zur zweiten Runde die Abzweigung Richtung Marathonziel zu nehmen. Als ich dort bin, habe ich mein ursprünglich gesetztes Zeitlimit um 2 Minuten verfehlt. So habe ich auch noch eine objektive Begründung.
Im Ziel bin ich zufrieden. Der Lauf war außergewöhnlich. Kein Lauf, den ich bisher in Europa lief, war vergleichbar. Ein echtes Erlebnis! Im Ziel erhält jeder Teilnehmer eine Finisher - Porzellantasse. Die Party ist schon in vollem Gange. Burger (mit richtigen Fleisch vom Grill), Salat, Chili, dazu Bier und Coke warten auf alle Läufer. Kaffee und Kuchen gibt es natürlich auch. All inclusive. Bei der Siegerehrung erhalten die jeweils vier Erstplatzierten der Altersgruppen Sweatshirts und Sporttaschen. In vielen Klassen gibt es nicht einmal 4 Teilnehmer. Die weiteren Finisher und die 50 Meilenläufer erhalten ihre Ehrungen direkt nach dem Zieleinlauf. Als dann der erste Ultraläufer eintrifft, würde ich am liebsten auch noch meine zweite Runde absolvieren.
Ein steht fest, den Lauf würde ich sofort wieder mitmachen.
Anspruchsvoller Rundkurs von 25M im Manistee National Forest, 2x zu durchlaufen für den 50M Ultra, beim Marathon zusätzlich eine 1,2M Schleife.
Beim Marathon kein Zeitlimit, 50M 12½ h.
Startunterlagenausgabe und Nachmeldung am Freitag nachmittag und Samstag morgen. Freitag: Pasta-Party (4$) mit Nudeln, Salat und Freibier
Nach dem Lauf: Burger vom Grill, Salat und Freibier (natürlich auch Wasser und Coke) sowie Kaffee und Kuchen.
Langarm-Funktions-T-Shirt für alle Läufer, Für alle Finisher eine Porzellantasse, 50M zusätzlich ein Sweatshirt, für die Erstplatzierten der Altersklassen Sporttaschen.
7 Getränke- und Verpflegungsstellen mit Wasser, Gatorade, Cola, Gel und Riegel, Kartoffeln, Weißbrot mit Erdnußbutter, Fruchte, Salz
An einigen Stellen ist der Kurs für Zuschauer und crew members erreichbar. Da man nie viel weiter als 5 Meilen vom Parkplatz entfernt ist, können Zuschauer mehrfach ihre Läufer treffen.
Vormittags mit 10° recht frisch, am Nachmittag sommerlich warm um 27°. Da man sich unweit vom Lake Michigan befindet ist die Luftfeuchtigkeit höher als bei uns.