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Laufberichte

Maratona di Palermo: Pizza, Pasta und Marathon

18.11.18 Special Event
 

Wenn es bei uns kalt und grau wird, gönne ich mir mit Silke immer gerne noch ein paar sonnige Tage im Süden. Dass dabei noch ein Marathon herausspringt, ist selbstverständlich, da mir Silke die Planung ohne Einschränkungen überlässt. In diesem Jahr entscheide ich mich für sechs Tage in Palermo. Die Hauptstadt Siziliens bietet zu dieser Jahreszeit neben angenehmen Temperaturen auch viel Kultur und Geschichte, die man in Ruhe und ohne großen Touristenandrang genießen und erleben kann. Günstige Flüge findet man problemlos, allerdings nicht ohne einen kurzen Zwischenstopp in Rom. Auch die Hotels in der Altstadt von Palermo sind in der Nachsaison verhältnismäßig günstig.

Der Marathon in Palermo findet bereits in seiner 24. Auflage statt. Die Anmeldezahlen sind in den letzten Jahren konstant, aber überschaubar. Etwa 1100 Teilnehmer nehmen den Halbmarathon unter die Füße, gut 400 wagen sich an den Marathon. Die Strecke ist eine Mischung aus Stadtmarathon auf der ersten Hälfte und einem Landschaftslauf auf der zweiten Runde. Die Anmeldung erfolgt, wie bei den meisten Laufveranstaltungen in Italien über Endu. Das Anmeldeportal ist etwas unübersichtlich, aber mit etwas Geduld und Fantasie sehe ich irgendwann zwei grüne Haken und somit war die Anmeldung auch erfolgreich. Das erforderliche ärztliche Attest wurde also ebenfalls akzeptiert.

In Palermo angekommen, bleiben uns zwei Tage vor dem Marathon, um die Stadt selbst zu erkunden. Mein erster Eindruck von Palermo ist nicht gerade berauschend. Palermo ist laut, Palermo ist dreckig und Palermo ist chaotisch.  Man muss sich auf die Stadt einlassen, dann entdeckt man auch die wirklich schönen Seiten der Hauptstadt Siziliens. So gilt es unter anderem das Teatro Massimo, eines der schönsten und größten Opernhäuser Europas, zu bewundern. Die Cappella Palatina im Palazzo die Normanni ist einfach nur der Wahnsinn. In einem tollen, sich selbst überlassenen Botanischen Garten finden wir auch wieder etwas Ruhe. Auch die Cattedrale dei Palermo sollte man sich nicht entgehen lassen, genauso wie eine Pause in einem der vielen kleinen Cafés, die man überall finden kann. Mein zweiter Eindruck von Palermo ist nach ein paar Stunden ein ganz anderer. Palermo ist temperamentvoll. Palermo hat Charme. Palermo ist eine Stadt mit viel Licht und Schatten.

So freue ich mich schließlich auch auf den bevorstehenden Marathon, der dank einer Erkältung, die ich von zu Hause mitgebracht habe, erst noch auf etwas wackligen Füßen stand. Am Samstagnachmittag hole ich im Athletics Stadium „Vito Schifani“ meine Startunterlagen und bin zuversichtlich, dass ich – wenn auch nur gemütlich – den Marathon unter die Füße nehmen kann. Am Abend treffen wir uns noch mit den „Mering Runners“, einem kleinen Lauftreff aus meinem Heimatort, die zufällig auch beim Palermo Marathon am Start sind. Nach einem gemütlichen Abend gehen wir auseinander und verabreden uns gleich für den nächsten Morgen, um gemeinsam mit dem Bus zum Start zu fahren.

 

 

Eigentlich ist die Bushaltestelle direkt vor unserem Hotel, doch wie uns ein paar italienische Marathonis erklären, wird diese am Sonntagvormittag nicht angefahren. Also folgen wir den ortskundigen Italienern in Richtung Hafen und quetschen uns mit ihnen zusammen in den Bus. Es geht endlich los, wir sind auf dem Weg in Richtung „Vito Schifani“. Die Tribüne ist schon gut mit Teilnehmern gefüllt und überall herrscht hektisches Treiben. Von ein paar entspannten Minuten vor dem Marathon halten die Italiener üblicherweise gar nichts. Es wird gelacht, gesungen und natürlich unendlich viel geredet. Ich treffe mich nochmal mit den „Mering Runners“ für ein Gruppenfoto und gebe rechtzeitig meinen Kleiderbeutel ab.

Der Start wird um 09:15 Uhr auf der Tartanbahn des Stadions erfolgen. Der Zutritt dorthin wird uns aber aus unerklärlichen Gründen bis kurz vor dem Start verwehrt. Lediglich die beiden Kenianer, die sicherlich den Sieg beim Palermo Marathon unter sich ausmachen werden, können die Bahn zum Warmlaufen nutzen. Als sich die Tore zum Startbereich öffnen, strömen gut 1.500 Athleten auf die Bahn und es ertönt die italienische Nationalhymne „Il Canto degli italiani“. Die Italiener sind eine stolze Nation und singen natürlich lautstark mit. Ich suche derweil nach dem richtigen Platz in der Startaufstellung und der ist heute ziemlich weit hinten. Die Halbmarathonis werden mir natürlich von Beginn an enteilen und auch in dem überschaubaren Feld an Marathonläufern sehe ich mich heute eher weit hinten.

 Als der Startschuss ertönt, wird nicht nur unter den Teilnehmern lautstark gejubelt, auch auf der Tribüne brandet Jubel auf. Es geht also los. Der Palermo Marathon ist gestartet. Noch ehe ich an der Startlinie ankomme, sind die beiden Kenianer nach einer Runde auf der Tartanbahn schon aus dem Stadion enteilt. Die Bahn ist nun gefüllt mit Läufern und bietet ein herrliches Bild. Während vorne die Schar ihre Runde dreht, erhebt sich im Hintergrund der Monte Pellegrino. Der imposante „Pilgerberg“ hat eine maximale Höhe von 606 Metern. Er ist seit dem 17. Jahrhundert ein bedeutender Wallfahrtsort. In einer tiefen Höhle wurde 1625 der nicht verweste Leichnam der Heiligen Rosalia gefunden und nach Palermo verbracht. Mit ihrer Ankunft endete eine Pestepidemie und man erklärte die Heilige Rosalie somit zur Schutzpatronin von Palermo. Im Jahr 1996 wurde das Gebiet rund um den Monte Pellegrino zum Naturschutzgebiet Riserva Naturale Monte Pellegrino erklärt.

Schließlich verlasse auch ich das Stadion und wir drehen eine kleine Runde unterhalb des Monte Pellegrino und werden in Richtung Altstadt geführt. Für mich ist es an der Zeit, mein Wohlfühltempo zu finden das aufgrund der Erkältung noch etwas langsamer als sonst sein wird. Da man bis zum Zielschluss sechs Stunden Zeit hat, sehe ich dem Ganzen gelassen entgegen und trabe gemütlich vor mich hin. Vorbei an der Friedensäule „Statua della Liberta“ kommen wir wenig später in der Neustadt von Palermo an. 

 

 

Die breite Viale della Leberta wird uns nun auf den kommenden Kilometern immer gerade aus in das historische Zentrum führen. Dabei kann man schon gut erkennen, dass das Streckenprofil durchaus anspruchsvoll ist, auch wenn sich die zu erlaufenden Höhenmeter in Grenzen halten. Stetig und oft über mehrere Kilometer geht es leicht bergan und wieder bergab. Dadurch habe ich einen guten Blick über die Strecke, die gerade vor mir liegt. Eine große Läuferschar kann ich in der Ferne erkennen und sie enteilt mir langsam aber sicher. Bei einem Blick nach hinten wird es übersichtlicher. Ich erreiche die erste Verpflegungsstelle nach fünf Kilometern und gönne mir einen Becher Iso, bevor ich mich wieder in Richtung Altstadt aufmache.

Noch vor dem Teatro Massimo fliegen mir die beiden Kenianer schon wieder entgegen. Nach ihnen kommt erst mal lange Zeit niemand mehr. Das Teatro Massimo ist das größte Opernhaus in Italien. Es wurde 1897 nach über zwanzig Jahren Bauzeit fertiggestellt und mit der Aufführung von Verdis Falstaff eröffnet. 1974 musste es aufgrund baulicher Mängel vorübergehend geschlossen werden. Korruption und mafiöse Baupolitik führten dazu, dass es auch über zwanzig Jahre geschlossen blieb. In Francis Ford Coppolas Film „Der Pate III“ diente die Oper als Schauplatz für die Schlussszenen der Mafia-Trilogie. Heute ist das Teatro ein Symbol für Palermos Kampf gegen die Mafia.

Wenig später biegen wir an Palermos schönster Kreuzung „Quattro Canti“ nach rechts ab. Die konkaven Fassaden von vier Gebäuden, die im Stil der Spätrenaissance Roms errichtet wurden, bilden einen nahezu perfekten Kreis. Da die Fassaden im Verlauf des Tages abwechselnd ins Sonnenlicht eingetaucht werden, nennen die Einheimischen diese Kreuzung auch „Il Teatro del Sole“, also Sonnentheater. Auch heute strahlt über Palermo die Sonne und da sie morgens noch etwas zu tief steht, biege ich leicht geblendet in die Corso Vittorio Emanuele ab. Hier haben wir wieder Begegnungsverkehr und ich suche das entgegenkommende Läuferfeld nach bekannten Gesichtern ab. Gerade noch kann ich Fossy erkennen und auch Werner kommt mir schon entgegen. Ich vergesse trotzdem nicht, nach rechts zu schauen, wir passieren nämlich die Cattedrale di Palermo. Die Kathedrale ist eine wahre Augenweide und ein meisterhaftes Beispiel des arabisch-normannischen Baustils, der nur auf Sizilien zu finden ist. Von der beeindruckenden Größe des Innenraums haben wir uns schon am Vortrag überzeugt.

In der historischen Altstadt geht es nun wirklich Schlag auf Schlag, eine Sehenswürdigkeit jagt die nächste. Was mir allerdings in diesem Moment auffällt, ist das Fehlen von Zuschauern oder gar Livebands, wie es bei anderen Stadtmarathons üblich ist. Es ist ruhig in Palermo, der Marathon wird, wenn überhaupt, höchstens von ein paar Spaziergängern und Touristen wahrgenommen.

Mich stört das Fehlen von sogenannten Hotspots nicht wirklich. Dafür gibt es Highlights genug.  Direkt vor mir sehe ich den Palazzo dei Normanni“, den königlichen Palast,  mit Sicherheit der absolute Höhepunkt beim Palermo Marathon. Heute Vormittag ist er für Besucher geschlossen und so  ist es uns Läufern möglich, ihn nicht nur umrunden, sondern sogar hindurchzulaufen. Klar, wir laufen nicht durch den gesamten Palast, aber durch den Maqueda-Innenhof. Dieser wurde 1600 mit drei übereinander angeordneten Säulengängen durch Siziliens Vizekönig Marqueda Bernardino de Cardenas errichtet. Im ersten Stock des Palazzos befindet sich die „Capella Palatina“, die man sich als Palermo-Besucher auf keinen Fall entgehen lassen darf. Jeden Quadratmeter des dreischiffigen Innenraums der Kapelle zieren goldene Mosaike und kostbare Marmorintarsien. Die geschnitzte Holzdecke im arabischen Stil ist ebenfalls einzigartig.

 

 

Für mich geht es nun zurück in Richtung Quattro Canti und ich habe die Möglichkeit, mir einen Überblick zu verschaffen, wo ich denn im Feld so ungefähr liege. Naja, die Zahl der hinter mir laufenden Teilnehmer ist ziemlich übersichtlich. Da viele von ihnen nur den Halbmarathon laufen, kann ich mir nun schon ausmalen, dass es auf der zweiten Hälfte mehr als einsam wird. Doch daran will ich erst noch mal gar nicht denken und genieße noch die weiteren Kilometer durch Palermos historische Altstadt. Über die Via Roma erreiche ich ungefähr bei Kilometer 12 den Piazza San Domenico mit dem gleichnamigen Dominikanerkloster. Vor ihm wartet Silke auf mich und winkt mir zu. Ich gebe ihr zu verstehen, dass ich noch ganz gut drauf bin und hole mir zur Motivation einen Kuss ab.

Den Abschluss der Runde durch die Altstadt bildet das Teatro Politeama Garibaldi. Beim Bau von 1867 bis 1874 ließ sich Giuseppe Damiani Almevda von Bauten aus Pompeji inspirieren. Das Theater wurde im Stil des Neoklassizismus erbaut. Der Eingang wurde als Triumphbogen gestaltet und wird von einer Quadriga von Mario Rutelli gekrönt. Ich lasse das Theater links liegen und mache mich auf den Weg zurück in Richtung Neustadt. Ab jetzt wird es etwas zäh. Es ist warm, die Straße ist breit und es geht über mehrere Kilometer nahezu nur bergan. Wir umrunden das Stadion auf ähnlichen Wegen, wie kurz nach dem Start und haben den Monte Pellegrino wieder neben uns liegen. Die Halbmarathonis sind kurz vor dem Ziel und ich kann noch Michi und Sylvia von den „Mering Runners“ überholen. Bei Kilometer 19 überholt mich hingegen der führende Kenianer, er hat also gut 20 Kilometer Vorsprung. Im Gegensatz zu mir sieht er aber noch recht locker aus und ich hätte wirklich nichts dagegen, auch bald ins Ziel einzulaufen.

 

 

Als ich ein paar Minuten später wieder eine Runde über die Tartanbahn drehe und mich geistig auf die zweite Hälfte des Marathons vorbereite, ist der Sieger bereits beim Dehnen. Ein Blick nach hinten zeigt mir, dass ich die zweite Runde tatsächlich allein laufen werde. Die Abstände sind groß, ich habe also keine Sorge Letzter zu werden, aber auch nach vorne wird sich nicht mehr viel machen lassen. Mein Ziel ist nun Mondello, ein beliebter Badeort, der gut 11 Kilometer außerhalb von Palermo liegt. Früher war Mondello ein schmuddeliger von Malaria gebeutelter Hafenort. Ab dem 19. Jahrhundert reisten jedoch immer mehr betuchte Städter an den Strand, so dass er sich nach und nach zum Treffpunkt der High Society mauserte.

Für mich heißt es heute auf der Ortsverbindungsstraße von Palermo nach Mondello hin- und natürlich auch wieder zurückzulaufen. Im Vergleich zur ersten Hälfte des Marathons sind jedoch die Steigungen noch länger und noch zäher und es wird daher keine einfache Aufgabe für mich. Als ich kurz vor Mondello über eine längere Strecke bergablaufen darf und ich mich etwas erholen kann, kommt mir Alex entgegen. Er hat mit Krämpfen zu kämpfen, kommt aber dennoch gut voran. Mir wird in diesem Moment klar, dass ich auf dem Rückweg alles was ich nun bergab laufe, auch wieder hinauf muss. Das wird dann ungefähr Kilometer 35 sein. Aber erst einmal genieße ich, in Mondello angekommen, den Blick auf`s Meer und schaue den zahlreichen Surfern zu, die sich im Wasser tummeln.

 

 

Gut zwei Kilometer geht es nun am Strand entlang, bevor ich wenden kann und mich auf den Rückweg nach Palermo machen darf. Wie schon befürchtet, wird es an den Anstiegen zäh, aber schon bald habe ich nur noch 10 Kilometer vor mir und damit auch das sichere Gefühl, dass ich den Marathon beenden kann. Erschöpft, aber glücklich laufe ich im Stadion über die Ziellinie. Nachdem ich den Zeitmesschip aus dem Schuh gepfriemelt habe, darf ich auch endlich meine Medaille in Empfang nehmen. Da im Stadion erwartungsgemäß nicht mehr viel los war, machte ich mich auf den Rückweg ins Hotel. Dass der Busfahrer beim Anblick meiner Finisher-Medaille auf das Fahrgeld verzichtete und mich gratis in die Stadt zurückbringt, ist für mich ein kleines Highlight und typisch für die Mentalität der Sizilianer.

 

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Am Abend treffen wir uns nochmal mit den „Mering Runners“ und erzählen uns von unseren Erfahrungen. Über eines sind wir uns alle einig. Auch wenn für den Palermo Marathon nur etwa 270 Höhenmeter ausgewiesen werden,  so haben es diese in sich. Aufgrund der stetigen Auf und Abs ist Palermo mit Sicherheit kein einfacher, aber trotzdem ein sehr schöner Marathon.

 


 
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