Der Edingburgh-Marathon wird als Alternative zum Stadtlauf von London, bei dem es bekanntermaßen recht schwierig ist Startplätze zu bekommen, beworben. So wird z. B. jedem London-Interessenten, der von dort eine Absage erhalten hat, ein Startplatz in Edinburgh garantiert. Da auch ich keinen Startplatz in London bekommen konnte, habe ich mich alternativ für den Marathon in Edinburgh entschieden.
Die Marathon-Veranstaltung bezeichnet sich als Marathon-Festival, wie anscheinend alles in Edinburgh als Festival bezeichnet wird. Insgesamt wurden an dem Wochenende 21./22. Mai 2011 samstags ein 10, 5, 3 und 1,5 Km-Lauf, und sonntags in getrennten Läufen ein Halbmarathon- und ein Marathon-Lauf angeboten. Damit es zu keinen Überlappungen der beiden Sonntagsläufe kam, wurden der Halbmarathon-Lauf um 08.00 Uhr und der Marathon-Lauf in zwei gleichgroßen Blöcken um 09.50 und 10.00 Uhr gestartet. Schon freitags war das Marathon-Zelt mit einer kleinen Marathon-Messe zur Ausgabe der Startnummern geöffnet. Für die ersten 300 ausländischen Anmelder wurde am Samstagmorgen ein Frühstückslauf durch die Innenstadt von circa 5 Km Länge organisiert.
Der Start erfolgt für die 5.000 schnelleren Läufer – eingeteilt aufgrund der erwarteten Endzeiten - um 09.50 Uhr auf der London Road und für etwas langsameren Läufer zehn Minuten später auf der Regent Road. Zum Marathon-Lauf waren auch Staffelläufer zugelassen, die sich zu viert die Strecke teilten. Leider war nicht in Erfahrung zu bringen, wie viele Läufer sich als Single-Läufer und als Staffeln für den Marathonlauf angemeldet hatten. Die Homepage weist 14.370 gestartete Läuferinnen und Läufer beim Marathon aus. Dabei gehe ich in Anbetracht der Finisher-Zahlen davon aus, dass diese Zahl sowohl die Staffel- als auch die Einzelläufer umfasst.
Nach dem Start geht es immer leicht bergab Richtung Hafen, der in dem ehemals selbständigen Vorort Leith liegt. Wer am Vortag den Frühstückslauf nicht mitgemacht hat, sieht während des Laufes nur wenig von der schönen Stadt, immerhin UNESCO Weltkulturerbe. Mit Erreichen des Vorortes Portobello, der nur namentlich an den schönen Ort im Norden Italiens erinnert, haben die Läufer bereits vier Meilen der Laufstrecke von gut 26 Meilen absolviert. Die Strecke ist meilengenau ausgezeichnet, Km-Angaben fehlen durchgängig. Die Zeitnahme erfolgt mittels in die Startnummer integrierte Chips. Eine Zeitmessung, welche nach dem Lauf auch im Internet nachzulesen ist, erfolgte bei der Halbmarathon-Marke und bei den Km-Marken 10 und 30. Bei Meile 9 wurde der Musselburgh Racecourse passiert, an dem der Zielpunkt für die Halbmarathon- und Marathonläufer liegt.
Nachdem die Strecke aus der Stadt an die Küste leicht bergab verlief, setzte an der Küste ein Rückenwind ein, der die Läuferinnen und Läufer beflügelte. Mit dieser Art der Unterstützung wurden sicherlich viele gute Halbmarathon-Endzeiten und Marathon-Zwischenzeiten erzielt. Der sich langsam steigernde Wind ließ aber schon für den dritten Teil der Strecke ab dem Wendepunkt zwischen der 17. und 18. Meile Schlimmes erahnen – und es sollte auch so kommen! Für den nächsten Tag gab es eine Sturmwarnung, so dass bereits sonntags der Wind an der Küste kontinuierlich an Stärke zunahm.
Das Wetter in Edinburgh ist wechselhaft und regnerisch. Ein Mitreisender sagte im Flugzeug bei der Anreise: In Edinburgh regnet es, und wenn es nicht regnet, dann kommt Regen! Wie das Wetter in Edinburgh, so auch das Wetter beim Lauf! Im viertelstündlichen Wechsel regnete es und es schien die Sonne. Die Laufstrecke führte ab Musselburgh größtenteils an der Küste entlang mit häufigen Aussichten auf das offene Meer. Nach dem Wendepunkt ging es teilweise ins landwirtschaftlich geprägte Landesinnere. Dann wurde es hart! Der spätere Gewinner Nicholls formulierte nach dem Rennen: „But when we turned round and went into the wind, it was horrendous“, wie er in der Tageszeitung „The Scotsman“ zitiert wurde. Die „Verpflegung“ während des Laufes war bescheiden: Wasser in Flaschen gab es circa alle vier Meilen, ebenso wie Energiegetränke. Zu Essen wie z. B. Bananen oder Energieriegel gab es bis ins Ziel nichts.
Zu den Kosten: Da ich die Fahrt selber organisiert habe, konnte ich auch die Kosten selbst bestimmen. Wie z. B. in New York City müssen Ausländer (in Edinburgh overseas genannt) mit 60,00 GBP (für Frühmelder, später 70,00 GBP) ein höheres Startgeld zahlen als Einheimische (45,00 GBP). Warum eigentlich? Der „Betreuungsaufwand“ ist für beide Gruppen der gleiche, da die gesamte Kommunikation per email erfolgt, und den overseas die Startnummer auch nicht zugesendet, sondern vor Ort ausgehändigt wird. Für den Flug (mit Germanwings) von Köln/Bonn nach Edinburgh und zurück habe ich 142,00 Euro und für insgesamt fünf Übernachtungen in einem einfachen Hotel (ohne Frühstück) circa drei Km von der Innenstadt entfernt habe ich 204,00 GBP gezahlt.
Normalerweise ist zu beobachten, dass die Teilnehmerzahlen bei Marathonläufen stagnieren oder zurück gehen, insbesondere dann, wenn auch ein Halbmarathon-Lauf angeboten wird. In Edinburgh hat der Marathon-Lauf mit 9.654 Finishern (6.741 Männer und 2.913 Frauen) die meisten Teilnehmer vor dem Halbmarathon-Lauf (4.519 Finisher) mit fast identisch viel Frauen (2.262) wie Männern (2.257) und den deutlich schwächer besetzten kürzeren Läufen. Zusätzlich zu den Einzelläufern finishten beim Marathonlauf noch 641 Staffeln mit insgesamt 2.564 Läuferinnen und Läufern. Somit ist der Marathonlauf der Hauptlauf, der auch die meiste Beachtung findet.
Trotzdem bleibt das Zuschauerinteresse im Vergleich zu typischen Stadtläufen relativ gering. Nur in dem kleinen Stück innerhalb von Edinburgh finden sich Zuschauer und dann im größeren Umfang in Musselburgh und hier insbesondere beim Zieleinlauf. Diese Zuschauer dürften aber sicherlich eher den Angehörigen der Läuferinnen und Läufer zuzuordnen sein und weniger allgemein sportbegeisterten Personen. Einen dominanten Hauptsponsor hat das Marathon-Festival in Edinburgh nicht, jedoch mehrere zumindest von ihrem Auftritt gleichberechtigte Sponsoren. Hierzu gehört auch die Tageszeitung „Daily Record“, die in einer Extrabeilage zwei Tage nach dem Lauf die Finisher aller Läufe mit vollem Namen und Zielzeiten auflistet. Für den Gewinner bei den Männern als auch für die Gewinnerin bei den Frauen war dieser Marathon übrigens das Debüt über diese Strecke!
Im Sportstadium von Musselburgh findet nach dem Lauf eine Art kleines Volksfest mit Verpflegungsständen und insbesondere den Zelten der zahlreichen gemeinnützigen Organisationen, die von vielen Läufern unterstützt werden, statt. Vorher gilt es jedoch, nach dem Zieleinlauf die Medaille und das Finisher-TShirt in Empfang zu nehmen. Etwas nervend ist das Anstehen für die Kleiderbeutel, die in Edinburgh abgegeben und mittels mehrerer Lkw nach Musselburgh gebracht wurden. Der Transport von Musselburgh nach Edinburg erfolgt mit öffentlichen Bussen (Fahrpreis im Startgeld enthalten), wobei sich aber lange Schlangen an den Bushaltestellen bilden, die die Geduld der Läuferinnen und Läufer und deren mitgereisten Angehörigen doch stark strapaziert. Ich selber bin mit meiner gelaufenen Zeit recht zufrieden, ist sie doch nur eine Minute langsamer als meine im letzten Jahr in Berlin gelaufene Marathon-Zeit – und das bei den Windverhältnissen dieses Jahr in Edinburgh.
Mein Fazit: Ein Marathonlauf, der mit Sicherheit nicht als Citylauf einzuordnen ist, auch wenn er damit wirbt, der bei „normalen“ Wetterverhältnissen insbesondere auf der ersten Hälfte wegen des leichten Gefälles und tendenziell eher Rückenwindes gute Zeiten ermöglicht und ansonsten viele Meeransichten bietet!
Siegerliste
Männer
1 Phil Nicholls 02:19:21
2 Martin Williams 02:20:21
3 Ross Houston 02:23:16
Frauen
1 Sarah Harris 02:42:59
2 Nicola Duncan 02:49:53
3 Angela Hibbs 02:51:50
9654 Finisher