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Laufberichte

Chicago Marathon 2007: Himmel und Hölle

07.10.07

Nach intensivem Sightseeing führte uns am Freitag der Weg auf die Expo, um die Startunterlagen in Empfang zu nehmen. Wir fuhren in einen der bekannten gelben Schulbusse in 20 Minuten zum größten Messegelände der Welt. Unsere Startunterlagen konnten wir ohne Hektik in wenigen Minuten entgegennehmen. Und was dann kam, ist eigentlich nur mit zwei Worten zu beschreiben: Wahnsinn und sensationell!

 

Ein Angebot wie hier an den über 160 Ständen hatten wir alle noch nie gesehen. Beinahe an jedem zweiten Stand konnte man sich irgendwas in die Taschen oder Rucksack stecken. Jeder von uns verließ die Halle mit einem prallgefüllten Säckchen an Eiweiß- und Energie-Riegeln, Elektrolyht-Getränken und irgendwelchen anderen Präsenten. Von den direkt vor Ort verkonsumierten Speisen und Getränken gar nicht zu reden. Sogar für die daheim geblieben Haustiere war gesorgt, denn an einem Stand wurden Katzen und Hundefutter-Spezialitäten verteilt.

 

Die Sponsoren hatten sich wahrhaft mächtig ins Zeug gelegt. Alle namhaften Sportartikelhersteller hatten große Stände und wer hier seinen Lieblingsschuh nicht zum Superpreis fand, dem konnte auch nicht mehr geholfen werden. Wir deckten uns alle reichhaltig mit neuen Accessoires, Kleidung und Schuhen ein. Bestens ausgerüstet, versorgt und eingekleidet verließen wir nach über 3 Stunden Aufenthalt die Halle.

 

War es am Donnerstag mit ca. 24 Grad noch angenehm, wurde es am Freitag jedoch bereits spürbar schwüler und wärmer. Aber es bestand Hoffnung auf einen Wetterumschwung. Allerdings waren sich die Wetterfrösche nicht ganz einig, der eine kündigte kühlere Temperaturen bereits für Sonntag an, ein anderer verschob dies auf die nachfolgende Woche.

 

Um 7:10 war Treffpunkt vor dem Hoteleingang. Unsere Hoffnung, dass der vorhergesagte Wetterumschwung pünktlich zum Rennbeginn eintrifft, erfüllte sich nicht, eigentlich hatten wir auch nicht mehr damit gerechnet. Es war jetzt bereits richtig warm und man musste sich wirklich ernsthafte Gedanken machen, wie so ein Lauf anzugehen ist.

 

Gerhard und Mario diskutierten noch, wollten aber trotzdem versuchen, ihre 3:15 durchzuziehen. Ich hatte mich schon gedanklich auf eine Zeit knapp unter 4 Stunden eingestellt, lieber ein paar Bildchen machen und nicht so durchhetzen wie sonst üblich.

 

Von unserem Hotel aus waren wir in 10 Minuten im Startkanal, das war schon mehr als ideal. Gerhard, Mario und ich hatten die Qualizeit für Start Corral B erfüllt und uns dort für Zeiten von 3:15 – 3:45 einteilen lassen. Die Kapazität in dieser Zone war auf 3000 Läufer beschränkt. Seine Zeit musste man bereits im Vorfeld nachweisen. Wir taten dies per Fax mit der Ergebnisliste vom Hamburg-Marathon. Vor uns waren noch die Läufer von Corral A mit 1500 Startern und die 100 Top-Elite-Läufer. So hatten wir nur ca. 50 Meter bis zur Startlinie. Insgesamt standen 35.867 Läufer am Start, die Ausfallquote der Angemeldeten beträgt damit 20 %. Eine ganze Menge.

 

Kurz vor dem Start saß oder stand man hier mit Singlet und kurzer Rennhose bekleidet auf der  Straße des Columbus Drive. Ohne sich zu bewegen war es schon sehr warm, und mehr Bekleidung hätte man jetzt schon gar nicht am Leibe tragen wollen. Manch einer zog jetzt bereits sein Hemd aus. 73 Degrees hatte es, das sind ein gutes Stück über 20 Grad. Glücklicherweise wurde die Sonne noch von Schäfchenwolken bedeckt. Ich glaube nicht,  dass viele Kleidungsstücke zum Warmhalten im Kleiderdepot abgegeben wurden.

 

Über unseren Köpfen schwenkte ein riesiger Kran seinen Ausleger, vielleicht hatten sie dort ja ein Kamera installiert. Kurz darauf wurde uns die amerikanische Nationalhymne von Countrysängerin Jo Dee Messina präsentiert, auch wenn’s nicht unsere war, ich fand es sehr bewegend.

 

Um 7:55 wurde für die Rollis der Start freigegeben und kurz danach waren auch wir dran. Ziemlich unspektakulär setze sich das Feld in Bewegung, ich konnte auf alle Fälle keinen Startschuss vernehmen. Vorne ging es gleich mal ganz leicht bergauf,  vielleicht 10 Höhenmeter. Wenn man sich umdrehte, hatte man einen traumhaften Überblick über das gesamte Läuferfeld. Da seilte ich mich doch gleich einmal in die Mitte dieser (ich glaube 4 oder 5-spurigen) Straße ab und zückte auf der erhöhten Fahrbahntrennung meine Kamera.

 

Gleich links des Columbus Drive ging’s am Millennium Park vorbei, den besuchten wir in den vergangenen Tagen gleich mehrmals. Der zu erkennende Jay Pritzker Pavillon ist schon eine wirkliche Augenweide. Dann kam gleich ein Tunnel. Solche Schattenspender hätten wir uns im späteren Verlauf des Rennens noch mehrere gewünscht, war aber leider nicht so.


Nach einem Kilometer überquerten wir das erste Mal den Chicago River, kurz danach bogen wir links in die Grant Avenue ein. Wenn man einen Blick nach rechts warf, konnte man wieder das 15 Stockwerke hohe Ferris Wheel sehen. Bereits nach einer Meile hatte ich schon ein richtig schlechtes Gefühl in den Beinen. Ob das wohl an den 3 Tagen Sightseeing mit den vielen Fußmärschen gelegen hat oder jetzt schon an den Temperaturen? Hier zwischen den Skyscrapern von Downtown stand die Luft richtig, mir schnürte es regelrecht den Atem ab.

 

Kann man bei uns auf solche Bedingungen trainieren? Wahrscheinlich nur in der Sauna. Ich laufe ja des Öfteren meine langen Trainingsläufe in der Mittags- und Nachmittagssonne, aber dies hier war irgendwie heftiger.

 

Kurz darauf passierte man das wunderschöne, alte und filigrane Wrigley Building, das im Auftrag des gleichnamigen Kaugummikonzerns gebaut wurde und das wirklich einen tollen Kontrast zu den neuen glattflächigen Hochhäusern bot. Genau wie der etwas rechts davon stehende Chicago Tribune Tower mit seiner auffälligen gelben Kuppel, dessen Wände mit vielen berühmten Steinen besetzt sind, die von überall aus der ganzen Welt zusammen getragen wurden. So u.a. ein Felsbrocken vom Mond, Fragmente des Alamo, des Kolosseums und der Chinesischen Mauer.

 

Die Zuschauer standen hier dicht an dicht und machten ein riesiges Spektakel, das war schon wirklich begeisternd und lenkte mich etwas von der Saunaluft ab. Nach einem Linksknick ging es das zweite Mal über den Chicago River und nach einer Schleife durch die Wolkenkratzerschluchten überquerten wir ihn noch einmal. Rechts von der Brücke konnte man die Marina Bay sehen, zwei Hochhäuser im Maiskolben-Look. Unser höchstes Augsburger Gebäude wurde hiervon nachempfunden, aber natürlich nicht ganz so hoch.

 

Links und rechts der Straße standen die Zuschauer durch die gesamte Innenstadt dicht gedrängt und feuerten alle mit ohrenbetäubendem Lärm an. Ich drosselte bereits hier mein Tempo leicht und ob man es glaubt oder nicht, ich sah hier schon den ersten gehen.

 

Bei Meile 4 liegt rechts das John Hanckock Center, es ist mit 344 Metern das zweitgrößte Gebäude von Chicago. Neben den Meilentafeln war hier auch jeder Kilometer ausgeschildert. Ob das die ganze Strecke über war, kann ich nicht mehr sagen. Die könnten mir leicht entgangen sein, bei dem was sich noch abspielte.

 

Wir befanden uns auf dem La Salle Boulevard. Hier in Chicago’s Financial District wurden auch die Aufnahmen zu „Batman Begins“ gedreht, für uns auch der Beginn eines überaus harten Workouts. Nach 8 Km/Mile 5 erreichten wir außerhalb von Downtown den Lincoln Park, den größten Park der Stadt. Hier gibt es mit dem Lincoln Park Zoo den größten eintrittsfreien Zoo der Welt. Rechts der Laufstrecke konnte man einen Yachthafen sehen, nicht weit von Chicagos Gold Coast, dem Stadtteil mit den meisten Sandstränden am Michigansee. Hierhin verschlägt es die Einwohner im Sommer zum Sonnenbaden und Schwimmen. Im Grünen war die Luft deutlich besser, aber die Wolken lösten sich auf und es wurde immer wärmer.

 

Im Stadtteil Wrigleyville macht der Kurs eine Wende. Hier, weit außerhalb, war dann auch eines der ruhigsten Viertel des gesamten Laufes. Es gab aber absolut keinen Punkt, wo man alleine war. Im Vergleich zum NYC-Marathon vor 2 Jahren kann ich nicht sagen, wo mehr Leute an den Straßen stehen. Vielleicht sind die New Yorker eine Spur lauter.

 

Ab Meile 10 beginnt Old Town, ein charmantes Viertel mit viktorianischen Häusern. Ursprünglich war es Mittelpunkt einer deutschen Gemeinde. An diesem Tag hatte ich den Eindruck, dass alle an die Marathonstrecke gekommen waren. Wir wurden wieder richtig angepeitscht. Ab hier gab es dann Sonne pur, nur manchmal konnten wir noch geschützt von Hochhäusern im Schatten laufen. Meine Beine wurden auch immer schwerer und mein Lauftempo verringerte sich langsam aber stetig. Die Marschierer wurden immer mehr, obwohl sie ursprünglich eine Finisherzeit von 3:30 und 3:40 im Auge hatten. Man konnte das an den Rückenschildchen erkennen, die man bekam, wenn man sich einem Pacemaker anschloss.

 

Von Km 15 bis kurz vor der Halbmarathon-Marke hatte man fast immer den Blick auf den Sears Tower, einem Koloss aus 76.000 Tonnen Stahl und einst das höchste Gebäude der Welt. Mehr als 16.000 bronzefarbene Fenster wurden eingebaut. Er wurde 1973 erbaut und hat 110 Stockwerke. Die Höhe beträgt insgesamt 443 Meter, ohne Antenne. 


Bei Km 20 stand Gabi im gelben Team TOMJ-Shirt und machte Fotos von uns. Wunderschöne Hasenohren vom Sponsor Energizer hatte sie sich aufgesetzt. Obwohl ich wusste, dass sie hier irgendwo stand, konnte ich sie bei der Menschenmenge nicht erspähen.

 

Die Halbmarathonmarke konnte ich gerade noch unter 2 Stunden passieren, hier war mir aber längst klar, dass die 4 Stunden nicht annähernd zu schaffen sind. Gerhard und Mario waren bis hier mit 1:39 noch einigermaßen im Zeitplan.

 

Um 10 Uhr wurden bereits 89 C Fahrenheit/32 Grad C gemessen, dieselbe Temperatur wie zeitgleich in der Wüste in Las Vegas und in Miami/Südflorida. Der Tag wird als wärmster 7. Oktober und der Abschnitt als wärmster Indian Summer der Geschichte eingehen. Ob die globale Erderwärmung daran Schuld ist, keine Ahnung.  1984 wurden auch schon mal 84 C Fahrenheit gemessen, aber die  Durchschnittswerte liegen im Oktober bei 6 C - max. 18 C. Ich hatte eigentlich im Vorfeld noch die fröstelnden Kenianer vom Vorjahr mit ihren weißen Handschuhen bei 4 Grad C im Kopf und hoffte, dass dies heuer nicht so der Fall sein würde. Von den berüchtigten kalten Winden, die hier des Öfteren durch die Hochhäuser ziehen, war auch nicht ansatzweise etwas zu spüren. Wie sehr sehnten wir uns so ein Lüftchen herbei.

 

Die Teilnehmer weiter hinten im Feld stiegen bereits aus Wassermangel in Brunnen, um sich zu abzukühlen. Manche gingen auch in Tankstellen und kauften sich Getränke, andere verständigten über Handy Angehörige, damit sie ihnen Wasser an die Strecke bringen. Weiter vorne bekamen wir das gar nicht mit, für uns war reichlich da und man kostete es auch übermäßig aus. Mit 3 – 4 Bechern pro Versorgungsstelle kam man einigermaßen durch. Wenn man so sagen will, wir soffen ihnen vorne alles weg.

 

Kurz danach überholte mich Otto. Er war noch gut drauf und optimistisch, die 4 Stunden zu packen. Seine Aufforderung mit ihm zu laufen, konnte und wollte ich aber nur kurz folgen, um ihn zu fotografieren. Zu diesem Zeitpunkt war mir die Zeit auch gar nicht mehr wichtig, ich dachte nur noch daran, irgendwie das Ziel zu erreichen. So viele Geher hatte ich noch nie gesehen. Bei Km 23 war auch Mario und Gerhard das Tempo zu hoch, sie gaben ihren Zeitplan auf.

 

Nach 25 Kilometern, als es mit einem U-Turn in den Jackson Boulevard ging, musste ich meine ersten Walking-Meter in meiner Marathonkarriere einlegen. Entlang der kompletten Strecke standen auch immer wieder Anwohner mit Schläuchen an der Straße und versorgten die Läufer mit einer Wasserdusche. Der Veranstalter hatte auch zusätzliche Eisstationen eingerichtet und 205.000 Becher mit Getränken mehr als im Vorjahr ausgegeben. All dies war nicht genug.

Nach 27 km erreichte man Little Italy, den Stadtteil, der in den 1920er und 1930er Jahren als Synonym für die Mafia in den USA geworden war. Heute war alles friedlich. Die Menschen machten lieber Rabatz am Marathonkurs.


Race over

Genau um 11:30 Uhr bei Meile 18 hieß es dann für fast 11.000 Läufer: „Stop running, walk, Race over“. Alle, die diesen Punkt nach 3 ½ Stunden noch nicht überschritten hatten, wurden auf direktem Weg zum Zieleinlauf zurück geleitet. Per Helikopter und Polizei wurden sie zusätzlich aufgefordert, nur noch zu gehen. Günther war hier auch dabei. Es war ihm aber nicht ganz klar, was da passierte. Er folgte einfach nur der Menge. Ein Muskelfaseranriss in der Wade ließ aber sowieso kein richtiges Laufrennen mehr für ihn zu. Trotzdem hätte er das Rennen lieber komplett und gehend beendet.

 

Ich hatte diesen Zeitpunkt glücklicherweise schon 45 Minuten früher passiert. Die Wasservorräte sollen an diesem Punkt verbraucht gewesen sein, dafür wurden hier in der Straße von der Feuerwehr die Hydranten geöffnet, damit sich die Läufer abkühlen konnten. Am Straßenrand konnte ich auch schon mal Läufer unter ärztlicher Betreuung liegen sehen. 315 Notfälle gab es insgesamt, davon mussten 195 ins Hospital gebracht werden, bei Meile 19 verstarb leider ein 35 jähriger Police Officer. Es hieß, er war in einem sehr guten körperlichen Zustand und schon mehrere Marathons gelaufen.

 

Für mich wurde es wieder richtig laut. Ich erreichte bei Meile 19 Pilsen, es wurde mal ursprünglich von Einwanderern der böhmischen Hauptstadt gegründet, aber mittlerweile ist es das größte mexikanische Viertel, was unübersehbar war. Die typischen Mexican Street Art-Malereien an den Hauswänden waren nett anzuschauen und mir mehrere Fotostopps wert. Die Mexikaner feuerten ihre Landsleute vehement mit begeistertem „Mechico, Mechico“ an.  Mario entdeckte sogar einen Tequila-Stand, den lehnte er aber doch dankend ab. Schatten gab es kaum mehr, höchsten Mal nah an den Häusern. Meine Gehpausen wurden immer länger und meine Laufeinheiten immer kürzer und langsamer. Irgendwo entdeckte ich dann auch ein Thermometer, auf dem 32 Grad angezeigt wurden. Wir hätten hier auch locker irgendwo in Mexiko sein können.

 

Dann ging’s in einer Unterführung unter dem mehrspurigen Kennedy Expressway hindurch, für uns Läufer bedeutete das wieder ein paar Meter Schatten. Bei KM 34 erreichten wir Chinatown. An einer Art Stadttor empfingen uns chinesische Drachen und führten ihre Jubel-Tänze auf. Alle Geschäftsschilder wechselten sehr farbenfroh auf Chinesisch. Ein bisschen Abwechslung tat hier wirklich gut. Ein richtiges Mauerwerk an Menschen stand an den Straßen und feuerte uns erbarmungslos an. Ich glaube, sie hatten auch etwas Mitleid mit uns. Sätze wie „Strong men“ u,ä. konnte ich des Öfteren vernehmen. Das Laufen wurde trotzdem immer mühevoller, ich konnte mich nur noch mit immer länger werdenden Gehpausen von einer Trinkstation zur nächsten retten. Meine Beine wollten einfach nicht laufen.

 

Die Helfer standen oft mit Wasserkanistern am Rand und schütteten die Flüssigkeit, wenn gewollt, den Läufern über den Kopf. Wasser gab es wenigstens noch reichlich. Meine Endzeit war mir unterdessen so was von egal, Hauptsache noch irgendwie ins Ziel kommen, ohne einen größeren Schaden zu nehmen.

 

Über eine Brücke kreuzten wir den riesigen Dan Ryan Expressway. und gelangten nach Bronzeville. Jetzt ging es fast nur mehr geradeaus auf der Michigan Avenue zurück bis ins Ziel. Schutz vor der Sonne gab es hier keinen mehr. Höchstens 30 Prozent liefen noch. Das ganze ähnelte bei diesen Temperaturen mehr einem Überlebenstraining als einem vernünftigen Marathonlauf. Durch die vielen Geheinlagen war meine Zeit natürlich jenseits von Gut und Böse und lief jetzt schon auf eine Endzeit über 4 ½ Stunden hinaus. Über uns kreisten immer wieder mal die Hubschrauber, fast wie die Geier, um zuzustoßen wenn einer am Boden liegt.

 

Bei Meile 23 passierte man das gewaltige U.S. Cellular Field, dem Baseball-Stadion der Chicago White Sox. Gerhard war hier dann auch am Ende seiner Kräfte und Mario, der mit ihm eigentlich gemeinsam ins Ziel laufen wollte, lief jetzt alleine weiter.  Er hatte noch ein paar Körner übrig und holte noch einmal alles aus sich raus. Er war dann auch der einzige von unserem Team, der bei diesem brutalem Wetter die 4 Stunden unterbieten konnte. Das Finisherfoto ließ er dann auch gleich mit Eisbeuteln auf dem Kopf machen.


Genau bei KM 40 lag rechterhand das riesige McCormick Messegelände und daneben das Soldier Field, Spielstätte der Chicago Bears in der NFL. Jetzt hatte ich es fast geschafft, es war noch eine kleine Steigung zu bewältigen mit Blick auf das Field Museum und Shedd Aquarium. Noch ein Linkskurve in den Grant Park hinein und wir waren auf der Zielgeraden.

 

Natürlich lief ich hier und ließ mir auch nichts anmerken von den Strapazen, denn hier stehen ja bekanntlich die meisten Fotografen. 4:41 standen im Ziel für mich zu Buche. Dieser Lauf  war ein ganz spezielles Abenteuer. Trotz der ungewöhnlich hohen Temperaturen bin ich der Meinung, dass an meinem Leistungseinbruch zum Großteil die vielen Sightseeing-Unternehmungen ausschlaggebend waren.

 

Besonderen und erwähnenswerten Sportsgeist bewiesen hier beim Zieleinlauf zwei Sportler, die bei einer Endzeit von immerhin knapp über 3 Stunden, einen Läufer, der 100 m vor dem Ziel einfach umfiel und selbst nicht mehr in der Lage war, allein durchs Ziel zu gehen, unter die Arme griffen und bis zur Ziellinie schleppten. Gabi hatte es beobachtet, während sie ungewöhnlich lange im Ziel auf mich warten musste. Insgesamt finishten den kompletten Marathon 24.933 Läufer.

 

Unser vereinbarter Treffpunkt im Ziel war am Buckingham Fountain. Eingefleischten Al Bundy Fans würde dieser Brunnen bekannt vorkommen, da er immer im Vorspann der Serie zu sehen ist. Hier war vom Veranstalter die Runner Reunite Area eingerichtet, der Treffpunkt zur Familienzusammenführung. Ich traf aber nur Mario an, Gerhard hatte sofort den Weg zurück ins Hotel zur Erholung gesucht und Otto hatten wir am Vorabend vergessen zu unterrichten. Kurz darauf kam auch Günther, erst hier erfuhren wir vom Rennabbruch, er machte sich aber auch bald auf den Weg ins Hotel.

 

Mario und ich wollten noch etwas von der Atmosphäre genießen, nebenbei erzählte er mir was von einem eiskalten Bierchen. Seine neuen amerikanischen Freunde John und Bob hatten ihm gleich nach dem Zieleinlauf den Kühlwagen von Budweiser gezeigt, wo er auch gleich mal zwei Becher zwitscherte. Ich brauchte jetzt unbedingt auch eins. Wir hatten Glück und kamen ohne Probleme wieder in die Zieleinlaufzone rein. 3 Becher eiskaltes Michelob waren nach diesen Strapazen für uns Bayern fast wie die Erlösung. Der Rückweg ins Hotel war jetzt irgendwie schwebender und wir trafen auch noch unsere amerikanischen Heilsbringer.

 

Meine Kameraden waren am Nachmittag nicht mehr greifbar, so machte ich mich allein mit Gabi auf den Weg zur Post-Race Marathonparty in den Ballsaal des exklusiven Hilton. Dies war dann aber für mich auch die größte und einzige Enttäuschung dieser Tage. Als Läufer hatte man noch freien Eintritt, für Gabi musste ich aber 5 $ Eintritt bezahlen und man bekam dafür eigentlich nichts. Oder höchstens die Möglichkeit, an einem der aufgestellten Computer seine genaue Laufzeit nachzusehen oder auf der Videoleinwand die Fernsehaufzeichnung des Marathons anzuschauen. Warum dafür ein Begleiter eine Gebühr bezahlen soll, ist mir noch heute ein Rätsel. Vielleicht musste ja irgendeine Eskapade von Paris Hilton damit beglichen werden.

 

Es war zwar ein Büffet für Burger, Hot Dogs und ein paar Beilagen aufgebaut, man musste aber für alles extra bezahlen, nicht mal ein Getränk für die Sportler gab’s gratis. In einem Nebenraum spielte noch eine Band in unerträglicher Lautstärke und blecherner Qualität. Für eine in allen Ausschreibungen groß angekündigte After-Race-Party mit Gutschein doch ein bisschen wenig. Lange hielten wir uns da natürlich nicht auf, der Nepp war uns zu groß.


Ergebnisse:

Männer
1. Ivuti, Patrick (KEN) 2:11:11
2. Gharib, Jaouad (MAR) 2:11:11
3. Nienga, Daniel (KEN) 2:12:45

Frauen
1. Berhane, Adere (ETH) 2:33:49
2. Pirtea, Adriana (ROU) 2:33:52
3. O’Neill, Kate (USA) 2:36:15

 

Anmeldemöglichkeit:
Über Reiseveranstalter oder per Internet. 45.000 Startplätze werden vergeben, wer zuerst kommt, malt zuerst. Startgebühr 2007 130 US-Dollar.

 

Teilnehmer:
35.867 am Start; 24.933 Finisher, 10.934 wurde gestoppt.

 

Streckenbeschreibung:
Absolut ebene Strecke mit minimalen Steigungen, Kurs ist sternförmig angelegt und kehrt immer wieder in die Innenstadt zurück.

 

Zeitnahme:
Championchip

 

Verpflegung:
15 Verpflegungsstationen, immer mit Wasser und Gatorade, manchmal auch mit Eisbeuteln (evtl. nur 2007, wegen großer Hitze), 3 oder 4 Bananenstationen, 1 Powergelstation bei Meile 18. Im Ziel steht ein Budweiser Kühlwagen mit eiskaltem Michelob Light. Verpflegung ist hier reichhaltig.

 

Zuschauer:
Hunderttausende, die Stimmung ist typisch amerikanisch.

 

Anreise aus Deutschland:
Per Direktflug in ca. 10 Std. möglich

 

Drumherum:
An Sightseeing- und Shoppingmöglichkeiten ist wirklich für jeden irgendwas geboten, besonders für Kunstfans bietet der komplette Innenstadtbereich und der Millenniumpark Skulpturen und Kunstobjekte in Hülle und Fülle.

 

Fazit:
Eine tolle Veranstaltung in einer außergewöhnlich sauberen Großstadt, die dazu phantastische Trainingsmöglichkeiten an der Bayshore liefert. Die ungewöhlich hohen Temperaturen heuer, sollten keinesfalls als Maßstab herangezogen werden.

 


 
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