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Laufberichte

Chiang Mai Marathon: Thailand bei Nacht

22.12.19 Special Event
 

Thailand ist seit vielen Jahren eine Top-Adresse für einen Asienurlaub. Das Land lockt mit vielen wunderbaren Traumstränden an den Küsten und auf Inseln wie Phuket und Koh Samui. Viele Europäer reisen besonders gerne in unserem Winter nach Thailand, da dort ewiger Sommer herrscht. Das Meer hat Temperaturen um die 30 Grad.

Wem Strandurlaub nicht reicht, der wird sicher auch die Hauptstadt Bangkok besuchen. Eine Megacity, in der es auch mehrere Marathons gibt (Berichte auf M4Y). Kulturreisende buchen eine Tour von Bangkok in den Norden Thailands bis zum „Goldenen Dreieck“ mit den Nachbarländern Laos und Myanmar am großen Fluss Mekong. Viele Königsstädte und Tempel gibt es auf dieser Reise zu besichtigen. Thailand rühmt sich, eine der ältesten Monarchien überhaupt zu sein. Der 2016 verstorbene König Bhumibol Adulyadej war seit 1946 König und seinerzeit das am längsten amtierende Staatsoberhaupt der Welt.

Das Schwellenland liegt im Index der menschlichen Entwicklung auf Platz 83 und eignet sich somit auch als Einstiegsland für Besucher, die noch nie in Asien waren. Allzu große „Überraschungen“  und Kulturschocks sind dort nicht zu erwarten.

Judith und ich waren vor 21 Jahren das erste Mal in Thailand und haben natürlich auch schon die Standardrundreisen absolviert. Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit in Südindien bot sich unlängst ein kleiner Abstecher nach Chiang Mai im Norden Thailands an. Meine Kollegen haben inzwischen auch schon bemerkt, dass Dienstreisen oft mit Marathons einhergehen. So ein Zufall.

 

 

Chiang Mai ist eine Großstadt mit 135.000 Einwohnern im bergigen Norden Thailands. Wegen der landschaftlichen Schönheit wird sie auch „Rose des Nordens“ genannt. Sie wurde 1296 durch den König Mangrai als Hauptstadt seinen Reichs Lan Na (Land der Millionen Reisfelder) gegründet.

Die Altstadt war von einer quadratisch angelegten Stadtmauer samt Wassergraben von sechs Kilometern Länge umgeben. Innerhalb dieses Areals liegen unzählige buddhistische Tempelanlagen, „Wat“ genannt, die auch von Touristen besucht werden können. Dort gibt es viele nette kleine Hotels und Restaurants. Ob das authentisch für Thailand ist, lässt sich bezweifeln, aber den Travellern und uns gefällt es.

Wurde noch vor 20 Jahren gewitzelt, dass Thailänder keinen Sport treiben, hat sich das Bild inzwischen sehr stark gewandelt. Laufen ist „in“. Und auch wenn 65 Nationen am 14. Chiang Mai- Marathon teilnehmen, kommt doch die große Mehrheit aus heimischen Gefilden. Allerdings versucht das zuständige Ministerium verstärkt, den Sporttourismus zu fördern. Während es im Süden um Phuket und in Bangkok sehr schwül und heiß ist, passt das Wetter in Chiang Mai. Hier liegen die Temperaturen im Dezember zwischen 14 und 30 Grad.

 

 

Im Normalfall fliegt man von Bangkok ins 600 km entfernte Chiang Mai. Unser kurzer Nachtflug von Chennai in Indien und das lange Anstehen an der Immigration in Bangkok bringt mich völlig aus dem Gleichgewicht, so dass ich den ersten Tag erst mal im Bett verbringe und versuche, Schlaf nachzuholen.

Samstags holen wir die Startunterlagen am Tha Phae-Tor. Ich freue mich, als ich endlich etwas Offizielles in Händen halte. Die Anmeldung im Internet war nicht gerade als einfach zu bezeichnen. Und immer noch fehlen unsere Namen auf der Startliste. Aber bei der Chipprüfung wird uns versichert, dass alles noch eingefügt wird. Zusätzlich gibt es ein schönes Singlet und eine Stofftasche in traditionellem Design sowie einen Energiegel aus japanischer Produktion.

Am Sonntag klingelt der Wecker um 1.00 Uhr in der Nacht. Von unserem Hotel sind wir schnell zu Fuß am Tha Phae-Tor. Dort ist schon viel los. Zwei Sprecher machen auf Thai und Englisch Stimmung und geben nützliche Infos. Startunterlagen könnten auch noch abgeholt werden. Eine ganze Reihe von Toilettenhäuschen stehen bereit, ebenso können WCs in benachbarten Hotels benutzt werden. Die Gäste der Hotels sind hoffentlich auch Läufer, denn an Schlaf ist hier ab zwei Uhr nicht mehr zu denken. ich interessieren die Häuschen: Wie in Asien üblich ist auch hier eine Brause installiert und die Beleuchtung ist super. First class, wenn auch ohne Toilettenpapier.

Wir geben unseren Beutel an einem der kleinen Songthaew genannten Sammeltaxis ab und bekommen eine Nummer auf unsere Startnummer geschrieben.  Die gleiche Nummer kommt auf einen Plastikbeutel, in dem unser Stoffbeutel verschwindet. Dann geht’s zum Startkanal. Dort bekommen wir einen Haken auf die Startnummer. Andere Länder, andere Sitten.

Einige westliche Gesichter sind zu erkennen. Ein deutsches Paar steht vor uns, ansonsten hauptsächlich Asiaten. Die Festlandchinesen sind leicht auszumachen: Ohne rote Fahne ist nicht an einen Start zu denken. Ansonsten helfen die Schriftzeichen zur Einordnung: Koreanische Kringel kann man gut erkennen. Zusätzlich sind die Flagge des Herkunftslandes und der Name auf der Startnummer angebracht.

Schnell verfliegen die Minuten und ohne viel Aufhebens geht es auf die Strecke. Verschlafene Gesichter hinter den Scheiben des Hotels am Startbogen. Nach zwei Minuten sind wir auf der Startmatte, dann laufen wir hinauf auf die zweispurige Straße.

 

 

Wir erkennen schnell, dass wir uns zu weit hinten eingeordnet haben. Lockeres Traben ist angesagt, Ruhe bewahren und vorsichtig vorarbeiten. Aber Obacht: Noch haben wir wenig Erfahrung mit der Straßenbeschaffenheit. Die ist übrigens über die gesamte Strecke hinweg 1a. Nur am Straßenrand bei den großen Gullys ist etwas Vorsicht geboten. Die Beleuchtung ist ebenfalls perfekt: Weiße LED-Lampen wechseln sich mit aus Deutschland bekannten gelben Quecksilberheißdampflampen ab.

In den Gasthäusern am Wegesrand wird noch fleißig gefeiert und auch die Garküchen sind noch gut besucht. Samt freundlicher Thailänderinnen, die allein reisenden Herren den Barbesuch versüßen. Einige mit tiefen Stimmen kann man wohl neuerdings als „divers“ bezeichnen. Früher hießen sie Ladyboys. Wir sind im Ausgehviertel Chiang Mais. Dahinter liegt der recht berühmte Nachtmarkt mit allerlei Krimskrams hauptsächlich für Touristen. Wir laufen ein Viertel des Altstadtrings ab, wechseln dann auf die andere Seite des Kanals und erreichen nach vier Kilometern wieder den Startbereich. Dort feuern uns die Halbmarathonis an, die um vier Uhr starten werden.

Viele Teile der Stadtmauer sind noch erhalten, besonders die Ecken (Corner) sehen ganz nett aus. Letztendlich umrunden wir sieben Achtel des Quadrats. Auf den Gegenspuren sind schon einige Fahrzeuge unterwegs. Auch Mopedfahrer schlängeln sich durch die noch kompakte Läuferschar.

Wir drehen nach Südwesten ab eine Allee entlang. Es ist vier Uhr morgens, da blinken auch keine Leuchtreklamen mehr. Tagsüber ist das eine schöne Allee mit schicken neuen Wohngebäuden und Geschäften. Im Dunkeln taucht ein nagelneues Einkaufszentrum auf,  davor ein dunkler Weihnachtsbaum und Walt-Disney-Figuren, dahinter ein kleiner Altar mit einer Figur des Elefantengotts Ganesha. Hindus gibt es doch hier keine?

Eine große Kreuzung weiter geht es links ab. An einem recht trockenen, tiefen Kanal im Betonbett geht es nun als Pendelstrecke sieben Kilometer nach Süden. Anfangs befindet sich hier noch unerwartet dichte Bebauung. Vor einem Hotel stehen Reisebusse in einem recht exotischen Design. Die geschwungenen Formen erinnern irgendwie an Drachen.

Hier gibt es nur wenig fürs Auge: links und rechts vom Betonkanal eine vierspurige Straße, mal Häuser, mal Hütten, neue schöne Hotels, die Werbung für Übernachtungen um 20€ machen. Aber will man hier draußen wirklich übernachten? Ich mache Witzchen mit Judith. Ansonsten ist es totenstill. Asiaten haben sich anscheinend nichts zu sagen. Oder sie kämpfen noch mit der Müdigkeit. Ich nenne so was einen Beerdigungslauf. Nur VP-Punkte bringen etwas Abwechslung. Es gibt Wasser in Bechern und Iso. Das ist eiskalt. Ein Becher und man glaubt, dass einem die Brust zerreißt. Gelegentlich gibt es Wassermelonenstückchen.

Wendepunkt „in the middle of nowhere“, eine Damengruppe macht Stimmung und  junge Mädels verteilen irgendetwas Grünes. Ah, ein Bändchen als Beweis, dass man die Stelle passiert hat - obwohl ja es auch eine Zeitmessung gibt. Auf der linken Seite zurück. Der Strom der entgegenkommenden Sportler reißt nicht ab. 5:30-Pacer, 6:00-Pacer mit sichtlich stolzem Gefolge nach dem Motto „Dabeisein ist alles“ und Teilnehmer, die sich von Haus aus aufs Wandern verlegt haben.

Endlich eine Tankstelle: Viele Läufer rennen zur Toilette. Diese Einrichtungen sind ganz offiziell zur gefälligen Benutzung im Infozettel aufgeführt. Ich schlage mich lieber hinter einen Strauch. Ein Krankenwagen steht an der Strecke.

Halbzeit ist nach 2:10 h. Wie das? An der Temperatur kann es nicht liegen. Die beträgt 14 Grad bei leichtem Wind und nicht zu hoher Luftfeuchtigkeit. Vielleicht ist die Naht schuld oder der Umstand, dass wir nur vier Stunden geschlafen haben?  6:00 Uhr und noch immer ist es stockdunkel. Die Sichel des abnehmenden Mondes liegt am unteren Rand. Ein sicheres Zeichen, dass wir hier in der Nähe des Äquators sind. Wir überholen eine vermeintliche Pacergruppe. Statt einer Zeit steht ein S für sweeper auf der Fahne. Das sind wohl die Besenläufer für die kürzeren Strecken.

Ich bin gut drauf, Judith gibt mir das ok davonzuziehen. An der großen Kreuzung kommen die Halbmarathonis,  wir laufen vorerst nicht mit ihnen zusammen, sondern drehen auf die nächste Pendelstrecke. Das ist wieder diese Geschäftsstraße von vorhin. Vogelgezwitscher kündet vom nahen Tagesanbruch. Hier liegt ein botanischer Garten, dahinter kommt gleich der Zoo. Sogar Pandas gibt es dort, momentan allerdings nur noch einen. Der männliche Part des Panda-Pärchens ist unlängst gestorben, die gemeinsame Tochter, in Chiang Mai geboren, wurde inzwischen nach China gebracht und nur die Mutter Lin Hui ist übrig geblieben.

Wendepunkt ist vor einer der Universitäten. Gut, dass die großen Hinweistafeln am Eingang auch immer einen englischen Titel enthalten. Und natürlich ein Bild des Königs. Gelb/weiß ist die Farbe des Königshauses und hat bei aller Ähnlichkeit nichts mit dem Vatikan zu tun. Thailändische Schriftzeichen sind zwar schön anzusehen, helfen aber nicht weiter. Judith befindet sich knapp hinter mir.

An der großen Kreuzung geht’s nach links und immer noch gesellen sich Halbmarathonis hinzu. Die sind hier bei km 10. Die Uhr steht auf 5:30 Uhr. Sie sind also schon 1,5 Stunden unterwegs.

Gleiches Kanalbild, nur nun mit zügigem Überholen. An einem Universitätsgelände verlassen wir die Hauptstraße und werden in die Dunkelheit geleitet. Die Straße ist eben und gut. Natürlich kommt jetzt ein unbeleuchtetes Moped entgegen. Wenige Minuten später dann die Erlösung: Ein  fast zu perfekt beleuchteter Radweg wartet auf uns. In Europa würde ich jetzt annehmen, dass ein Finanzbudget aufgebraucht werden musste. Leider ist der Weg recht schmal, manchmal muss man sich etwas vorsichtig durch die langsamen Halbmarathonis schlängeln.

Links im Berg liegt 600 Meter höher der Tempel Wat Phra That Doi Suthep. Ein königlicher Tempel zweiter Klasse, Wahrzeichen Chiang Mais schlechthin und ein Besichtigungs-Muss für Besucher. Obligatorisch ist auch ein Besuch eines der Elefantenparks. Hier werden ehemalige Arbeitselefanten versorgt und man kann für einen Tag Elefantenführer spielen und mit den Dickhäutern baden gehen. Offenbar gibt es auch einen Ultra-Lauf durch den Dschungel und die Möglichkeit zu Mountainbike-Touren sämtlicher Leistungsklassen.

Bei Km 33 die nächste Trennung. Für uns steht ein Abstecher ins Grüne an. Inzwischen kann man schon recht gut die Umgebung erkennen und es wird spürbar welliger. Schön ist es hier und mir geht es immer noch blendend, wobei die Kilometermarkierungen überhaupt nicht mehr zu stimmen scheinen. Leider kann ich meiner Uhr heute auch nicht so recht trauen. Beim letzten Trainingslauf hatte sie total gesponnen. Nicht nachdenken, einfach dahin schießen.

Am Wendepunkt steht ein Kassenhäuschen. Hier befindet sich ein künstlicher See, Huang Tung Thao genannt, samt Erholungsgebiet. Leider sehen wir das Gewässer nicht. Dazu fehlen einige Meter. Zurück geht es hauptsächlich bergab. Ich habe einen mordsmäßigen Kohldampf. Salze müsste ich eigentlich mit dem Gatorade-Getränk genug zu mir genommen haben. Judith kommt mir entgegen. Ich rufe ihr zu, dass bei der Kilometermarkierung 36 die Wendestelle ist.

Der Film „Die Brücke am Kwai“ wurde in Thailand gedreht. Das betreffende Bauwerk, in Richtung Bangkok gelegen, ist längst ein Touristenmagnet. Für uns geht es nun über eine ähnliche Brückenkonstruktion. km39, noch mal etwas trinken. Ich bin zu flott unterwegs. Der Sonnenaufgang steht kurz bevor, aber ich arbeite an einer Fabelzeit für die zweite Hälfte. Warten lohnt nicht.

 

 

Linkskurve, zwei Kilometer auf dem Standstreifen einer autobahnähnlichen Straße. Endlich ist es richtig hell und dann so was Ödes und Lautes. Judith wird berichten, dass sie das nicht so schlimm fand. Es ist nicht mehr weit. Man kann den Zielsprecher hören. Es geht an der Kaserne der 7. Infanteriedivision vorbei. Und dann noch mal eine Wegetrennung: Die  „Halben“ dürfen direkt ins Ziel. Wir müssen den Platz großräumig umlaufen. „1 km to go“ heißt es plötzlich. Jetzt wird mir klar, dass seit einigen Kilometern alle Schilder einen Kilometer zu früh standen. Die Hoffnung auf eine Fabelzeit ist dahin. Ich versuche noch mal zuzulegen, werde trotzdem erstmalig seit langem von einem blonden Hünen überholt. Ich bleibe dran und will ihn mir im Zielkanal schnappen. Dummerweise blickt er sich um und spurtet uneinholbar davon. Ich genieße trotzdem den Zieleinlauf. Eine um vier Minuten schnellere zweite Hälfte hatte ich noch nie. Das war erst mein vierter negativer Split.

Vor dem Reiterstandbild des Königs Naresuan the Great (Mae Rim) erwarte ich Judith, die über die irreführende km-Markierung ziemlich sauer ist. Im Zielbereich gibt es einen Bon mit  Zwischenzeiten und Platzierung. Judith ist unter den Top 100 Frauen und darf sich einen Stoffelefanten aussuchen. Ich habe ganz knapp das erste Fünftel der Männer verfehlt, der Blonde ist schuld. Im Zielbereich gibt es alles, was das Herz begehrt, auch Fischsuppe und McDonald’s-Burger. Nur Bier fehlt. Massagen gibt es auch. An einem Stand dürfen sich Marathonis ihr Finisher-Shirt abholen. Mit den thailändischen Mustern ist es ein echter Hingucker. Per roten Songthaew-Taxis geht es zurück ins Zentrum.

 

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Der Chiang Mai Marathon bietet einen schnellen Kurs bei angenehmen Temperaturen. Hier sind Thailands beste Läufer am Start. Im relativ hohen Preis von ca. 50 Euro für Ausländer sind zwei schicke Laufshirts enthalten. Der Aufbau der Internetseite ist recht veraltet, ansonsten ist die Organisation gut. Die Streckenverpflegung alle paar Kilometer bietet eine eher geringe Auswahl. Bananen z. B. gibt es erst im Ziel. Die Strecke selbst ist ohne Höhepunkte. Ich habe einen einzigen Zuschauer gesehen, Entertainment fehlt ganz. Trotzdem ist die Veranstaltung in Kombination mit einer Thailandtour eine bequeme Möglichkeit für einen Marathon bei angenehmen Temperaturen in einer schönen Stadt.

 

Sieger Marathon
1. Kindu Tiruneh    2:29:03
2. Boothung Srirung    2:29:17
3. Mooges Tefera    2:31:24

Siegerinnen Marthon
1. Faya Ogato        3:06:24
2. Zummi Lee         3:13:16
3. Yajing Zhang    3:14:26


Finisher
Marathon        2075
Halbmarathon        1792
10K            2069

65 Nationen

 


 
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