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Laufberichte

Charleston Marathon: Den Charleston gelaufen

17.01.15

Eine Geschäftsreise führt mich nach Florida. Ich habe einen Tag frei und was liegt näher, als sich einen Marathon in der Nähe zu suchen. Gesagt, getan. Wobei Nähe relativ ist. Ich bin in Orlando und Charlston liegt in South Carolina. Also abends losfahren, nach 5 Stunden Fahrt ein Zimmer suchen, kurz hinlegen und morgens zur Anmeldung und zum Lauf. Alles kein Problem, wir sind ja in den Südstaaten, wo das Leben easy ist. Ich wollte diesen „way of life“ immer schon mal erleben.

Die Stadt wurde 1670 gegründet und nach dem englischen König Karl II. Charles Town benannt. Sie war 1690 mit 1200 Einwohnern die fünftgrößte Stadt in Nordamerika und Drehscheibe des Sklavenhandels. Abends wird mir im Film „Django unchained“ dieser schrecklicher Teil der Historie direkt vor Augen geführt. Nach dem Unabhängigkeitskrieg bekam die Stadt 1783 ihren heutigen Namen.

Charleston wurde beim Erdbeben von 1886 weitgehend zerstört, aber in den vier darauf folgenden Jahren von ihren Einwohnern wieder aufgebaut. Sie gilt heute als ein nordamerikanisches Architektur-Juwel, da viele Gebäude im Greek Revival-Stil des 19. Jahrhunderts erhalten geblieben sind. Ein Grund mehr, hier zu Laufen und sich umzusehen. Apropos Laufen: Der in den 1920er Jahren populär gewordene Tanz Charleston ist nach dieser Stadt benannt. Getanzt wurde aber wenig entlang der Strecke. Der Lauf dient der Unterstützung der vielen örtlichen Kunst-, Musik- und Theaterschulen, deren Schülerinnen und Schüler sich zahlreich bei den Teilnehmern bedanken.

Start ist daher auch an einer dieser Schulen, der Burk Middle High Scholl im Süden von Charlston. Auf der kleinen Marathonmesse kann ich mich noch mit den letzten notwendigen Textilien und Utensilien eindecken, da ich zwar gut in Florida angekommen bin, mein Koffer aber leider nicht. Die Anmeldung geht wirklich zügig und ich bekomme auch ein langärmeliges Funktionsshirt mit dem gemalten Lauf-Motiv von Tate Nation, einem bekannten lokalen Künstler. Das Shirt kann ich auch gut gebrauchen, denn es ist kalt, ich muss sogar das Eis vom Autor kratzen. Am Start sind es dann schon 5 Grad, die langsam auf 15 Grad ansteigen. Die Sonne dazu sorgt für ideale Laufbedingungen.

Die Strecke geht zuerst direkt nach Süden bis an die Küste und dort 1 km auf dem Murray Boulevard am Wasser und an den schon erwähnten typischen Häusern in Antebellum Architektur. Wunderschön anzusehen, diese Szenerie. Wie immer sollte man nicht nur schauen, sondern auch aufpassen, wo man läuft. Schon bei km 2 bin ich unachtsam, stolpere über eine Unebenheit und ziehe mir blutige Schrammen zu. Sieht schlimmer aus, als es ist, bringt mir aber viel Mitgefühl ein und sorgt für nette Gespräche.

Wir laufen jetzt rund 6 Meilen Richtung Norden durch die historische Altstadt von Charleston mit der Kingstreet als Zentrum.  Viele historische Gebäude und Geschäfte und das lebhafte Treiben zeugen von der Bedeutung von Charleston, das heute knapp 120.000 Einwohner zählt.

Bisher haben sich die 1.230 Marathonläufer die Strecke mit gut 3.000 Halbmarathonis geteilt. Bei Meile 10 trennen sich dann die Wege und die Marathonis laufen nun wieder nach Süden auf die nächste Landzunge, zunächst auf der Tidewater Road. Wie der Name schon andeutet, kann es bei der Gezeitenwende, auf norddeutsch wie im Englischen „Tide“, schon mal nasse Füße geben.

Ganz im Süden angekommen, gibt es den Wendepunkt bei Meile 12 auf einem Bootssteg mit guter Aussicht auf einen kleinen Hafen und breite Schilfgürtel. Dann geht es wieder 2 Meilen zurück und man sieht die Läufer, die noch hinter einem sind. Und das sind, wie immer in Amerika, viele! Ohne vorzugreifen: Ich laufe in recht langsamen Tempo immer noch in der ersten Hälfte.

Dieser Teil der Strecke ist übrigens Militärischer Schutzbereich, ausnahmsweise braucht man sich heute nicht auszuweisen. Die Homeland Security, dessen Übungsplatz das ist,  hatte aber trotzdem alles im Auge. Interessant ist schon das Schild am Eingang: Keine Schusswaffen erlaubt! Im Umkehrschluss heißt das nichts anderes, als dass man ansonsten welche tragen darf.  Naja, lieber nicht nachdenken, sondern laufen.

Eine Läuferin im traditionellen  Südstaatenkostüm, natürlich mit Sonnenschirm, zeigt echten Einsatz. Bei 14,5 Meilen kommen wir wieder auf die Halbmarthonstrecke und sehen tatsächlich auch noch Halbmarathonies, trotz unsere Extra-Schleife von 4 Meilen (ca. 6 km). Eine Dudelsackpfeiferin gibt musikalische Unterstützung. Ich finde anschließend auch nach langer Recherche keine Verbindung zwischen South Carolina und dem Dudelsack und fühle mich einfach nur  an den Jungfrau Marathon erinnert. Meines Wissens nach gehört auch die Schweiz nicht zu den schottischen Highlands.

Von dort geht es nun erneut Richtung North Charleston, wo wir in einigen kleinen Schleifen so ziemlich alle Ortsteile durchlaufen, auch die Battery mit ihren Kanonen und Denkmählern, die an die kriegerische Geschichte von Charleston erinnern.
Die letzten 3 Meilen geht es dann noch durch wunderschone Parks und entlang der Küste. Überraschend ist bereits 500 Meter weiter dann das Ziel. Auch hier Musik, diesmal in Form einer der berühmten Blaskapellen. Meile 26  - nur noch 200 yards bis zum Ziel. Nach 4.46 Std ist es geschafft. Jetzt schnell den Kleidersack holen und zum Duschen in die North Charleston High School. Das ist deshalb erwähnenswert, weil das erste Mal bei meinen amerikanischen Läufen  eine Dusche gibt.

Im Zielbereich gibt es Shrimp & Grib, eine Südstaatenspezialität aus scharf gewürztem Griesbrei, Shrimps und Würstchen. Schmeckt super.

Mit dem Shuttlebus, natürlich wie immer in den USA ein Schulbus, bringt uns in 40 Minuten zurück zum Startbereich, wo mein Auto steht. Ich fahre zurück nach Orlando und bin am Sonntagmorgen topfit bei meinem nächsten Geschäftsmeeting.

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Fazit: Schöner Lauf in einzigartiger Südstaaten-Atmosphäre.

Sieger: Ethan Coffey aus Knoxville in 2.34 std
Siegerin: Ashley Casavort aus Nashville in 2.58 std.

Übrigens: Die Fauenquote lag bei 59,8%

 

 


 
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