marathon4you.de

 

Laufberichte

Brescia Marathon: Run this race

10.03.19 Special Event
 

Die lombardische Provinzhauptstadt liegt rund 30 km südwestlich des Gardasees und hat rund 200.000 Einwohner. Nicht zuletzt wegen ihrer zahlreichen Kulturschätze ist die Universitätsstadt und Wirtschaftsmetropole einen Besuch wert. Antike Bauwerke wie den Capitolium-Tempel und das römische Theater aus dem 1.-3. Jahrhundert n. Chr. findet man hier ebenso wie frühchristliche Sakralkunst, Kirchen von Romanik bis Barock oder bemerkenswerte Plätze und Paläste. Von der Burg des Adelsgeschlechts Visconti auf dem zentral gelegenen Cidneo-Hügel hat man einen eindrucksvollen Ausblick über die Altstadt mit ihren zahlreichen Kuppeln und Türmen. Hier herrscht ein milderes Klima als bei uns, wovon auch die vielen Palmen zeugen.

Brescia ist mit dem Auto gut über die Brennerautobahn oder über die Gotthardroute aus der Schweiz zu erreichen. Die Stadt liegt an der Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke Verona-Turin. Und unsere Lauffreunde aus Frankfurt kommen für wenig Geld mit dem Flieger im nahegelegenen Bergamo an.

Preiswerte Hotelangebote gibt es zur Genüge. Noch günstiger als unsere Unterkunft wäre das Angebot auf der Veranstalterseite gewesen, samt Late Check-Out.

Der international besetzte Brescia Art Marathon findet in diesem Jahr zum 17. Mal statt, kombiniert mit einem 10-km-Lauf und einem Halbmarathon. Die Startunterlagen gibt es im Stadtzentrum auf der Piazza del Mercato. Die Teilnahmegebühr beträgt je nach Zeitpunkt der Anmeldung zwischen 28 und 60 €, für ausländische Starter gibt es im Verbund damit die erforderliche Runcard mit einjähriger Gültigkeit für 7 Euro. Die gut gefüllte Startertüte enthält ein Funktionshemd, Laufsocken in der richtigen Größe, einen Schwamm, Proben von Grana-Padano-Käse, Energy-Gel, Marmelade und bei Judith sogar einer Tafel Ritter Sport Schokolade.

 

 

Während unsere Frankfurter Bekannten Manu und Herbert mit Richard aus Südtirol zu einer Spritztour an den nahen Gardasee aufbrechen, steht für uns ein ausgiebiges Sightseeing auf dem Programm. Zu besichtigen gibt es Ausgrabungen aus vielen Jahrhunderten im Keller des Palazzo Martinengo. Dort erfahren wir auch, dass in Brescia viele deutsche Bischöfe wirkten.

Eine private deutsch/südtirolerische Pasta-Party beendet den schönen Samstag.

Relativ früh müssen wir am Sonntag aufstehen, um per Auto den Startpunkt am Piazzale Vivanti zu erreichen. Dort stehen am Stadion auch unzählige Parkplätze zur Verfügung. Optimal für viele Teilnehmer, die erst heute anreisen. Auch die seit 2013 existierende Metrolinie fährt dorthin. Ausstieg ist bei der Haltestelle Mompiano. Im Vereinsheim am Sportplatz neben dem Stadion gibt es nach dem Lauf auch warme Duschen.

 

 

Um 8:30 Uhr ist auf der Piazza schon viel los: Mehr als 3500 Sportlerinnen und Sportler starten über Marathon, Halbmarathon und 10 km. Den zusätzlich angebotenen Easy-Ten, einen 10-km-Lauf ohne Wertung, darf jeder auch ohne ärztliches Attest bestreiten. Die Startnummernausgabe ist dicht umlagert.

Es ist mit 6 Grad noch sehr frisch, sodass die Taschenabgabe bei den vielen Lastwagen  natürlich länger herausgezögert wird. Dann schlendern wir in den ersten wärmenden Sonnenstrahlen zu den Startblöcken. Kontrollen beim Eingang zu den Blöcken gibt es keine, Judith, Herbert und ich gesellen uns zu den 4-Stunden-Pacern.

Um 9:15 Uhr geht es vor uns los, ohne Nationalhymne oder hörbaren Startschuss. Die breite Straße ist rappelvoll und natürlich sind viele langsame Läufer vor uns. Wir drei, heute mal alle mit irgendwelchen Wehwehchen, lassen es gemütlich angehen und freuen uns über die gelegentlichen Anfeuerungen vom Straßenrand.

Die erste Marathonhälfte führt in die westlichen Vorstädte, abwechslungsreich beginnend über nette Sträßchen an malerischen Häusern vorbei, Gedränge inklusive. Das Museo del Ferro (Eisenmuseum), an einem romantischen Bach gelegen, lässt ahnen, dass wir in einem wichtigen Industriegebiet Italiens sind – obwohl hier alles wunderschön grün ist. Die ganze Laufstrecke werden wir gerade von Mandel- und Kirschblüten in sämtlichen Weiß- und Rottönen begleitet.

 

 

Die Zehner machen Dampf. Für italienische Verhältnisse sind viele Zuschauer an der Strecke. Das Wetter mit Sonnenschein macht es ihnen leicht, uns zuzusehen. Inzwischen bin ich froh, ganz locker gekleidet zu sein. 20 Grad mit Sonnenschein sind angesagt – während in Deutschland und Österreich gerade Winterstürme toben.

Die Caserma Vigili del Fuoco (Feuerwehr) liegt am Streckenrand. Einige Vigili sehen uns zu. Kurz danach verlassen uns die Zehn-Kilometer-Läufer, es bleibt aber immer noch voll. Den Zehnern ist  auch ein interessantes Streckenstück vorbehalten: Sie dürfen durch den 434 m Meter langen, nach dem in Brescia geborenen Freiheitskämpfer Tito Speri benannten Tunnel unter dem Castello hindurch laufen. Das hätte mir auch gut gefallen.

Es geht an den Iveco-Werksanlagen vorbei. "OM" intoniert hier der Autofreund in einem Anfall von Nostalgie. Die Officine Meccaniche (abgekürzt OM) stellten einst auch PKWs her, Rennwagen inklusive, später Nutzfahrzeuge. Inzwischen sind sie im Unternehmen Iveco aufgegangen.

Erste Steigung bei der Überquerung der Tangenziale (Umgehungsstraße). Kurz nach Kilometer 8 wird es dann wunderschön: Vor uns an einem Hügel liegt ein großes Landgut. Ein paar Meter geht es nun sanft bergauf und dann mit Blick auf die Bassa (Ebene) wieder hinunter. Zwischen Feldern und Kleinbetrieben laufen wir gemütlich dahin. Das Villaggio Badia besteht aus vielen kleinen Einfamilienhäusern mit wenig Garten drum herum. Die Chiesa Sant' Antonio di Padova auf dem Hügel lädt inmitten von Weinreben zu Spiritualität und Besinnung ein. Das monströse Anwesen in den Weinterrassen trägt den Namen Cascina Badia Piccola.

Herbert hat sich schon vor einiger Zeit abgesetzt. Ich habe jetzt Betriebstemperatur und hänge mich an die 4-Stunden-Pacer. Sandro ist der aktivste von ihnen. Er lässt sich oft zurückfallen, um Nachzügler einzusammeln und zu motivieren. Monika hält vorne das Tempo. Der dritte Pacer ist, für Italien ungewohnt, eher von der ruhigen Sorte. Sandro erkennt mich an meiner Actioncam wieder. Er war vor drei Jahren an gleicher Stelle auch mit von der Partie. Wir halten ein Schwätzchen, so gut das geht.

 

 

Die Verpflegungsstellen alle 5 Kilometer sind italientypisch ausgestattet: Wasser, Iso, Bananen, Orangen, Kekse, Kuchen, Zucker, Toilettenhäuschen. Dazwischen gibt es Schwammstationen und außerdem gelegentlich Busse für den Rücktransport. In der Via Cucca wieder mal viel Stau. Der Linienbus fährt nach Violino – Geigen werden wir heute nicht zu hören bekommen und leider auch keine andere Musik an der Strecke. Gut erinnere ich mich an die sieben Stellen, an denen vor drei Jahren noch Musikanten standen. Sehr schade.

Auf der Brücke über die Tangenziale geht es wieder zurück. Mir fällt erst später auf, dass wir hier schon am Anfang waren. Wir laufen an einer Friedhofsmauer entlang,  gelegentlich kann man den oberen Teil riesiger Grabmäler sehen.

Szenenwechsel: Zwischen verfallenen Werkshallen hindurch laufen wir auf ein nagelneues Hochhaus bei einem Einkaufszentrum zu. Die Mauern der Hallen sind gut abgestützt. Da wird sicher noch renoviert. Die Trennung von den Halbmarathonis steht an. Wir sind recht nah beim Zentrum. Für mich bleibt es interessant: Das Grüppchen der 4-Stunden-Aspiranten ist noch recht groß. Für die Läufer ist nur ein Fahrstreifen gesperrt. Minutenlang bekomme ich den Ballon des introvertierten Pacers um die Ohren gehauen, dann lasse ich mich etwas zurückfallen. Bei der Halbmarathonmarke liege ich mit 1:57 Stunden gut im Rennen.

Wir sind jetzt im Südwesten und dürfen mal testen, wie stark eine Glasschutzwand den Lärm von Autobahn und Tangenziale abhält. Beim Durchqueren mehrerer Fußgängertunnel wird es noch mal eng. Unser Grüppchen überholt jetzt oft langsamere Gestalten. Drei neue Hochhäuser (Tre torri) liegen in einem Neubaugebiet. Hier bei Kilometer 23 sind wir in der südlichen Vorstadt. Kleinere Wohnstraßen, dann noch mal auf eine breite Allee mit Autoverkehr. In einer Unterführung die 25- km-Verpflegungsstelle, dann geht es auf netten Wegen in die Felder. Rechts taucht die Metro aus dem Untergrund auf und wird auf eine Brücke geleitet. Links die Ausläufer der Alpen. Die Sonne scheint, die Frühlingsblumen leuchten. Auch wenn es nicht so aussieht, müssen hier viele Menschen leben, da rechts von uns die Metrolinie verläuft. Das große Wohngebiet tangieren wir bei km 29, ich muss abreißen lassen. Schade.

 

 

Es folgen Reitställe und ein langer Anstieg auf eine Brücke über die Eisenbahn. Für die Anstrengung wird man mit Ausblicken auf viele Steinbrüche in den Bergen belohnt. Hier gibt es auch Marmor, der den Steinbrüchen in Carrara Konkurrenz macht. Den Carrara-Marathon haben wir letztes Jahr bestritten und uns dieses Jahr für den zeitgleich stattfindenden Malta-Marathon entschieden. Und wenn Lauffreund Henry am Tag vor dem Event seinen Teller leergegessen hätte, wäre der furchtbare Sturm nicht gekommen, der dann zur Absage geführt hat. In Carrara herrschte am selben Tag eitel Sonnenschein, so wie heute hier. Nur ein aufkommender Gegenwind macht die Sache etwas anstrengend. Demonstrativ bin ich heute im Malta-Shirt unterwegs.

In Caionvico bei km 35 geht es durch einen kleinen Ortskern mit einem spürbaren Auf und Ab. Ich kenne nun viele Mitstreiter, wir überholen uns immer mal wieder gegenseitig. In Sant' Eufemia della Fonte wieder ganz nette Häuschen, aber stimmungsmäßig ist es mau. Highlight für die Autofans ist das rote Tor am rechten Wegrand: In Brescia startet und endet das bekannte Oldtimerrennen Mille Miglia, von 1927 bis 1957 im italienischen Norden durchgeführt und 1977 wiederbelebt. Hier befindet sich das Museum dazu.

Wir sind auf der Viale Venezia, einer Einfallstraße nach Brescia. Drei lange Kilometer folgen, gefühlt geht es immer nur bergauf.  Aber nur gefühlt. Die größeren Anstiege haben wir am Anfang frisch und ohne viel Mühe genommen. Der Lauf ist mit zirka 150 Höhenmetern eher flach.

Kurz hinter km 40 betreten wir beim Denkmal für den mittelalterlichen Kirchenreformer Arnaldo da Brescia die Innenstadt. Es geht ins Weltkulturerbe "Die Langobarden in Italien",  vorbei am Kloster Santa Giulia, in dem sich heute das städtische Museum mit Zeugnissen aus keltischer, römischer und langobardischer Zeit befindet.  Danach sehen wir Reste des römischen Theaters, bevor der Blick auf den teilweise rekonstruierten Kapitolinischen Tempel fällt.

Was das Sightseeing betrifft, so ziehen die Veranstalter jetzt alle Register. Leider ist das mit der geistigen Aufnahmefähigkeit nach über 40 km so eine Sache. Durch den Hof des Broletto, der zu den beachtenswertesten Kommunalpalästen der Gegend zählt, gelangen wir auf die Piazza Paolo VI,, früher Piazza del Duomo genannt. Papst Paul VI, im vergangenen Jahr heiliggesprochen, wurde in Brescia geboren. Ihm ist ein Seitenaltar im neuen Dom gewidmet. Dessen Kuppel ist übrigens die drittgrößte Italiens. Der alte Dom nebenan gilt als eines der eindrucksvollsten romanischen Kirchenbauwerke der Lombardei. Er ist quasi tiefergelegt, nach dem Betreten führen Stufen abwärts.

Auf die Läufer wartet jetzt noch eine kleine Schleife über den Corso Zarnadelli mit seinen Häusern samt Laubengängen, wo einige Flaneure unterwegs sind. Wir biegen auf die Piazza della Loggia ein, vor uns das Renaissancegebäude, errichtet 1484 von den Venezianern als Gegenstück zum mittelalterlichem Domplatz. Hinter uns die mittelalterliche Uhr mit den Figuren Macc dè lé ure (die Verrückten der Stunden), die ebensolche schlagen.

 

 

Kurz nach mir kommt auch Judith ins Ziel und lässt sich die Medaille mit dem Slogan "Run this race" umhängen. Auf der 1932 angelegten Piazza Vittoria mit den monumentalen Gebäuden gibt es eine bemerkenswerte Zielverpflegung, die nicht nur aus Wasser, Kuchen und Obst besteht. Der Sponsor Dimmidisi hat belegte Tramezzini und Salate zur Verfügung gestellt. Dazu gibt es Grissini und frischen Grana-Padano-Käse, gesunde Fruchtsaftgetränke und vieles mehr. Doch es fehlt das Bier. Dabei hat anno 1829 Franz Xaver Wührer die älteste Bierfabrik Italiens in Brescia gegründet.

Wir hören die erste Live-Musik des Tages, kurz darauf ist Siegerehrung. Bei den Altersklassen sahnen alle deutschen Teilnehmerinnen ab: Manuela wird 1. und Judith 2. ihrer Wertung. Es gibt je ein Laufshirt und drei Gläser Marmelade. Die deutschen Herren können dank großer Leistungsdichte nicht in gleicher Weise reüssieren. Nicht einmal der uns unbekannte fünfte Landsmann, obwohl wesentlich schneller als Herbert und ich, schafft es aufs Treppchen.

Mit der Metro geht es zurück zum Start. Die Einzelfahrt für 1,40 Euro gilt heute als Tageskarte für alle Verkehrsmittel. Nach einer warmen Dusche sind wir schon wieder auf dem Heimweg. Die Arbeit ruft – bis Mittwoch.

Brescia

Brescia ist bei uns Deutschen sicher nicht die bekannteste Stadt Italiens, aber aufgrund ihrer Bauwerke und Kunstschätze sicher einen Besuch wert. In den zahlreichen Kirchen ist das eine oder andere Gemälde von Tintoretto oder Tizian zu bewundern. Die Altstadt ist ca. 1 x  2 Kilometer groß, umschlossen von einer Ringstraße. Haupteinkaufsstraße ist der Corso Garibaldi. Ansonsten lohnt es sich, einfach herumzuspazieren.


Fazit:

Brescia liegt mit 820 Finishern unter den 15 größten Marathons in Italien. Meiner Meinung nach ist das Gesamtpaket sehr attraktiv. Die Strecke enthält alle Komponenten eines Stadtmarathons, hat einiges an Ecken und Kanten, ermöglicht aber trotzdem sehr gute Zeiten. Die Verpflegung ist abwechslungsreich. Die Stimmung war dieses Jahr leider durch das Fehlen von Musikgruppen an der Strecke nicht ganz so gut.

 

Die Sieger:

Männer:
 1 KIPLIMO PHILIP     UGANDA     UGA         02:19:02
 2 KORIR JAMES KIPLETING     KENIA     02:20:13
 3 ALEM MULU ALEMNEH     ETIOPIA     02:24:05

Frauen:
 1 KIBII VITALYNE JEMAIYO     KENIA    02:32:08
 2 MEGERSA MEGERTU TAFA     ETIOPIA     02:36:07
 3 KUMLIN HANNA          SWE        02:56:06

820 Fnisher
Österreich: 1
Deutschland: 5

 

 

 


 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024