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Laufberichte

Bratislava Marathon: Der Hattrick

24.03.13

Während der Herrschaft von Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn, Kroatien und Böhmen, erreichte im 18. Jhdt. die damals ungarische Stadt Bratislava ihre größte Bedeutung. Die Stadt hat eine wechselvolle Geschichte. Seit 1993 ist Bratislava (410.000 Einwohner) Hauptstadt der Slowakei und liegt im äußersten Westen des Landes, unmittelbar an der Grenze zu Österreich. Gleich im Süden liegt Ungarn. Wegen dieser Lage und der Nähe zu Wien feiern hier viele Österreicher gerne ein Partywochenende. Man versteht sich.

Immer mehr Österreicher kommen auch zum Laufen hierher. Heuer findet der Marathon zum 8. Mal statt. Den Wind anlässlich des Bratislava-Marathons habe ich in der Vergangenheit kennen gelernt. Nie mehr wieder laufe ich hier, habe ich mir geschworen. Unvergessen, als 2012 der Wind mit einem Stoss die gesamte Labestelle abgeräumt hatte, just in dem Moment, als ich nach einem Becher greifen wollte. 2011 hatte es wenigstens nicht geschneit. Doch siehe da, nun gibt es eine neue Strecke. Nicht wegen mir, schon klar. Nein, bis km35 waren die schlanken Kenianer durchwegs auf Bestzeit unterwegs, bis ihnen der Nordwind etwaige Gedanken an eine richtig schnelle Zeit verblasen hatte. Man will eine bessere Siegerzeit in der Statistik stehen haben.

Wegen eines Unfalls auf der Autobahn kurz vor der Grenze und des damit verbundenen Staus 2012  komme ich heuer über die Bundesstraße ins Land. Nicht ohne vorher kurz Petronell-Carnuntum besucht zu haben. Ein höchst sehenswertes Freilichtmuseum aus der Römerzeit. Mehr Zeit dafür werde ich anlässlich des Schlössermarathons am 9. Juni haben.

2013 wird in Bratislava nun nicht mehr über die Donau gelaufen, nicht mehr am Windpark auf niederösterreichischer Seite vorbei, nicht mehr rund um die Hochhaussiedlung von Petržalka. Diesmal bleiben wir am „rive gauche“ der Donau. Die Strecke verläuft weitgehend im Windschatten der Häuser, so weit die Theorie. Auch noch etwas entlang der Donau. Was wir hier an Rückenwind haben, bekommen wir unmittelbar als Gegenwind wieder zurück.

Am Samstag scheint die Sonne, es hat ein paar Plusgrade, zum Laufen nicht schlecht. Einige Laufbewerbe finden schon am Samstag statt: Hobby, Kinder, 5km und 10km. Auf der Marathonmesse komme ich mit Einheimischen ins Gespräch, die machen heute die 5km, morgen den Marathon und werden zum Gegenbesuch am 21.4. nach Linz kommen. Viele Aussteller, aber nicht viele Leute auf der Marathonmesse, die meisten Startnummern sind wohl bereits abgeholt worden. 

Man muss also auch nicht lange warten, schnell ist man abgefertigt! Eine Bedingung für die Startnummer war, bei Abholung einen Krankenversicherungsnachweis vorzulegen, der prompt kopiert wurde. Was es nicht alles gibt! Ich vertreibe mir nachmittags die Zeit als Zuseher beim 5km-Bewerb. Abendessen mit Peter und Mike im „Rio“.

Am Palmsonntag sehe ich um  7 Uhr aus dem Fenster. Es schneit ganz ordentlich, der Rauch wird waagrecht von den Schornsteinen weggeweht. Selten hat der Wetterbericht so recht gehabt, demnach hat es auch -1°C. Abgesehen vom böigen Wind sind die Verhältnisse wie Anfang Februar, stelle ich fest, als ich mich kurz vor 9 Uhr auf den Weg zum Start mache. Stellenweise ist es in der Altstadt richtig eisig – in gut 2 Stunden führt hier der Marathon vorbei. 

Dichtes Schneetreiben am Startgelände. Wer nicht muss, ist nicht draußen. Was für ein Segen, dass das Einkaufszentrum am Sonntag geöffnet hat, so muss kein Läufer im Freien ausharren. Drinnen ist es angenehm. Hier kann man sich in Ruhe umziehen. Zur Kleiderbeutelabgabe dann muss man aber ins Freie.
Dorfi treffe ich im Sheraton-Hotel. Hier ist die Schaltstelle des Marathons. Wer hier wohnt, muss sich um die Kleiderbeutelabgabe nicht kümmern. Dorfi ist einer der Botschafter des Bratislava-Marathons und arbeitet wesentlich am Elite-Starterfeld mit. Er trägt viel dazu bei, dass in Europa abgenutzte Laufschuhe in Afrika  einer weiteren Nutzung zugeführt werden.

Eine frostige Angelegenheit heute, denn es schneit weiterhin ganz ordentlich. Schlimm macht es vor allem der Wind! Wenn der Start einmal erfolgt ist, wird einem schon warm werden. Niemand hat es eilig in die Startaufstellung zu kommen. Erst wenige Minuten vorm Start setzt eine Völkerwanderung ein, etwa 3.500 LäuferInnen sind es. Aufgrund der geographischen Lage natürlich Slowaken, Ungarn, Österreicher und Tschechen. Und wegen der Billigflieger relativ viele Schotten und Engländer. Die Preise hier, verglichen mit denen in London oder Edinburgh, fühlen sich an wie Freibier! Da kann man sich locker den Flug leisten.

Wegen der neuen Strecke eine neue Startaufstellung. Voriges Jahr waren wir voll im Wind, nun stehen wir im Windschatten des neuen „Slovenské Národné  Divadlo“, des Slowakischen Nationaltheaters. Ich komme mit einem Steirer ins Gespräch. Es ist Hannes Kranixfeld, der Sieger des Down-Syndrom-Marathons in Fürth vor einer Woche. Gestern hat er einen 3 Std-Lauf in Lassee gemacht, heute hat er es nicht so eilig. Viel langsamer als in Fürth war er dann aber auch nicht. 

10:00h Es wird runter gezählt – Start. Anderthalb Minuten nach dem Startsignal laufe ich über die Startlinie. Bald ein Rechtsknick und vor uns liegt eine 1,5km lange Gerade. Vorbei an der Apollo-Brücke und an wartenden Autofahrern laufen wir Richtung Osten. Kalte Finger habe ich, trotz der Handschuhe, aber sonst passt es. Nach wenigen Minuten ein Vorausfahrzeug des Veranstalters, die Führenden kommen bald. Ich warte und warte, dann kommen sie doch. Ich mache ein Foto und weiter. Derweil hat mich der 4-Std-Ballon überholt.

Wir biegen nach links ein, und noch einmal. Die Finger werden warm, Wohlfühltemperatur stellt sich ein. Die erste Wasserstelle und wir laufen Richtung Start. Hier sind dann auch viele Zuseher und suchen ihre Helden im Feld. Bei km4 vor mir zwei Läufer, der eine führt seinen blinden Partner am Gummiband. Kurz vor km5 geht es rechts in eine 4km lange Gerade. Nun gibt es außer Wasser auch warmen Tee, Iso, Bananen, Zitronen und Salz.  Steinharte, bei minus 1°C im Freien gelagerte Schokolade tu ich mir nicht an. Klar ist das Wasser klirrend kalt, ich trinke es ganz vorsichtig.    

Erst noch im verbauten Gebiet, geht es an einer Straßenbahntrasse entlang. Bei km6 der erste Staffelwechsel, die 4 Staffelläufer laufen miteinander einen Halbmarathon. Halbmarathonis sind 3x so viele wie Marathonis, daher ist wohl die Schrift der Kilometrierung für die erste Runde groß, die zweite Runde machen eh nur die wenigsten.

Die Führenden brausen auf der Gegenfahrbahn vorbei. Sie sind demnach 5km vor mir und damit fast doppelt so schnell. Von einer leichten Anhöhe sieht man nun etwas weiter – die Gerade scheint fast endlos. Wir laufen unter einer Umfahrungsstraße durch, die dichte Verbauung lässt nach, es wird zugig. Ich achte auf die Läufer die uns nun entgegen kommen, ein paar Bekannte von mir sind unterwegs. Nach einem Fotostopp läuft der 4-Std-Ballon mit seiner Gefolgschaft an mir vorbei. Wieder einmal. Ich bleibe dran.     

Km9 – Wir umkurven die Endhaltestelle der Straßenbahn, nun geht es wieder stadteinwärts. Km10, knapp 56min netto, die erste Zwischenzeit wird genommen. Und es gibt wieder Verpflegung. Als wir zum Staffelwechsel von B auf C kommen, ist wieder etwas Stimmung. Jedes C hält Ausschau nach B, 300 Staffeln sind angemeldet.

Mittlerweile hat es ganz aufgehört zu schneien. Vor einer Kirche findet gerade die Palmweihe statt. Bemerkenswert, meine Erfahrung ist: Überall, wo wegen eines Marathons für einige Zeit die Straße für den Autoverkehr gesperrt ist, wird mehr oder weniger viel gehupt. Hier? Nichts. Nicht ein einziges Mal. Ein paar drehen um, aber niemand hupt. Man hat Respekt vor der Polizei.

Ich komme wieder in die Innenstadt und dabei in vertrautes Gebiet, das ich von den Marathons 2011 und 2012 her kenne. Hier ist der Asphalt etwas löchrig, zudem sollte man die Straßenbahnschienen nicht missachten. Hoch das Bein! Ein leichter Anstieg, vorbei am „Platz des slowakischen Nationalaufstands“, wo eine Rockband rockt. Oben angelangt geht es an der Dreifaltigkeitskirche bergab durch das Michaelertor und somit in die Altstadt mit den schönen Häusern. In einigen davon sind Botschaften untergebracht. Und natürlich Restaurants und Pubs.   

11:27h Km15, die Schwammstationen braucht heute, glaube ich, keiner. Wohl aber den warmen Tee. In freudiger Erwartung leere ich den Becher in einem Zug. Es schnürt mir die Kehle zu, das schmerzt. Der Tee ist eiskalt! Es dauert etwas, bis ich mich erfange. Kurz darauf steht der letzte Staffelwechsel an. Hier war heute früh noch alles verschneit und rutschig. Jetzt nicht mehr. 

Raus zur Donau und ab nach Osten. Unter der der nach Nový Most durch, km17, unterhalb der Burg vorbei stadtauswärts. Ein Thermometer zeigt -1°C. Wenige Meter links von mir läuft der Gegenverkehr stadteinwärts. Vorm Kempinski Hotel gibt es etwas zu trinken, der Rolls Royce des Hotels wird gerade nicht gebraucht. Ich laufe bei km18 um das Hotel rum an die Donau und bekomme den Wind voll von vorne. Wie im Windkanal, es beißt richtig gehend im Gesicht. Am Oberkörper trage ich vier Shirts. Diese verschwitzten Shirts werden mir an den Leib gepresst. Furchtbar kalt. Nicht einmal die monströse Frauenskulptur kann mich erwärmen. Wie bin ich froh, als es nach 2km wieder richtig warmen Tee gibt! Tee bitte! Prosím čaj!  Die eifrigen HelferInnen schenken nach Bedarf ein, so gibt es keinen kalten Tee. Bravo! Kurz vor Ende des ersten Umlaufs verlasse ich das Donauufer, gleich ist es nicht mehr so arg.

Am Beginn des Zieleinlaufs für den Halbmarathon läuft vor mir ein Pärchen, das sich an der Hand hält. Die Hände werden immer länger, bis sich ihre Wege ganz idyllisch trennen. Wahrscheinlich lacht deshalb das Mädchen mit den Hinweisschildern so freundlich.

12:05h Halbmarathon ist das Ende vom Anfang, jetzt geht es erst richtig los! Schlagartig fehlen 80% der Teilnehmer. Ab nun sind die Marathonis unter sich. Windschatten hat es am Beginn des Rennens gegeben, jetzt nicht mehr. Ich habe schon fast ein schlechtes Gewissen, dass wegen mir und noch ein paar anderer der Straßenverkehr in der slowakischen Hauptstadt nahezu zum Erliegen kommt. Andrerseits hat man einen guten Überblick über das restliche Feld. Nach km22 geht es links ab und ich bin für einige Zeit aus dem Wind. Problem gelöst. Nach und nach wird der Autoverkehr wieder flüssiger, denn für die letzten paar Teilnehmer muss man nicht mehr die gesamte Straßenbreite sperren. Und schubweise dürfen die Autofahrer die „Rennstrecke“ queren. Das funktioniert sehr gut. Ganz anders als in Marrakesch.

Km26, ich nehme ein paar Schluck Wasser. Da spricht mich von hinten Mike an. Er ist etwa 8km vor mir und hat die lange Gerade hin und zurück bereits hinter sich. Ihm ist kalt, er warnt mich vor dem Wind da draußen, liegt aber noch vorm 3:15-Ballon. Wir müssen weiter. Ein Stück weiter rockt sich eine Rockband warm. Zuhörer haben sie nur die paar vorbeitrabenden LäuferInnen. Viel Applaus bekommen sie nicht, wir auch nicht. Immer den Schienen entlang. Ganz so arg ist der Wind hier nicht, zumindest nicht dauerhaft. Die Straßenbahn hat inzwischen den Fahrbetrieb wieder aufgenommen. Hey – die fährt genau meine Richtung!  Schließlich bin ich auch an der Endhaltestelle angekommen, nun geht es zurück.

Km30 und drei Stunden sind vorbei. Auf der anderen Straßenseite kommt mir Susanne entgegen, wir kennen uns von diversen Marathons und grüßen uns. Bald wird die nächste Zwischenzeit genommen und es gibt zu trinken. Iso, Wasser, warmen Tee, in der Reihenfolge. Mit dem warmen Tee spüle ich das kalte Bananenstück runter, tut gut. Die Helferinnen sind noch immer freundlich, das tut auch gut. Ein Fotograf sitzt da, dick vermummt und knippst.

Kopf rein und weiter, ein leichter Anstieg in dichter verbautes Gebiet. Die Labestellen gegenüber werden abgebaut. Da kommt keiner mehr. Zwei Mädchen kommen mir trötend entgegen. Vor einer Stunde habe ich schon einmal gesehen, sie verbreiten gute Laune. Da kommt von hinten Leopold heran. Gestern ist er bei einem 6-Stunden-Lauf 63km gelaufen, heute will er mindestens 10km/h-Schnitt laufen. Und er wird es schaffen.

Es geht wieder in altbekanntes Gebiet, am Palais Pálffy vorbei Richtung Altstadt. War der BMW mit der Parkkralle vorher auch schon da? Der schönste Streckenabschnitt liegt vor mir und ein Ende ist in Sicht. Km37  3h50min habe ich bis hierher gebraucht.

Kurz darauf bin ich wieder unterwegs nach Osten Richtung Hotel Kempinski. Ich lege ein paar Gehpausen ein, denn die letzen 3km fürchte ich wegen des Ostwinds, die will ich durchlaufen können. Da sehe ich, dass im Gegenverkehr, 1km vor mir, zwei Sanitäter einen Läufer in silberne Folie hüllen. Der steht und will mit seinem „Windbreaker“ weiter machen.

Letzte Wende für mich, es geht stadteinwärts, noch 3km. Ob kalt oder nicht, jetzt mache ich fertig. Hier am Donauufer liegen 2 Hotelschiffe vor Anker. Sehen etwas unförmig aus.  Ein letztes Mal unter der Nový Most durch. Die Brücke ist bekannt für ihr UFO-artiges Restaurant am tragenden Pylon.

Noch 1km, noch einmal warmen Tee. Jetzt kein Foto mehr bis ins Ziel. Doch eines muss sein, Werbung für einen Marathon am 1. September, da ist es sicher wärmer. Ein leichter Anstieg ins Ziel. Ich werde angefeuert! Oder gewarnt, weil mir einer auf den Fersen ist. Jedenfalls werde ich auf der Ziellinie noch überholt. Egal. Geschafft! 4h 22min 15sec netto. Die Zeit des Siegers aus Kenya, Issac Chesiny  2h 18min 32sec, Streckenrekord.

Ich bekomme eine wunderschöne Medaille und schieße ein paar Fotos. Leopold ist seit 10min da. Nun in gelber Folie wartet er auf Susanne. Ich muss aber das nasse Zeug loswerden. Es gibt Wasser und heißen Tee. Über eine Gerüstbrücke gelange ich zu einer Schleuse, wo ich „entchippt“ werde, der Chip wird mir vom Knöchel genommen.  700 Marathonis waren angemeldet, 600 kamen ins Ziel. Viele sind erst gar nicht gestartet.

Kleiderbeutel ausgefasst und ab in die Garderobe. Das Zelt wird mit einer Heizkanone beheizt. Die Duschen sind leider kalt. Für warmes Wasser bin ich auch heuer zu langsam gewesen.

Hinterher gab es heißen Tee, alkoholfreies Bier, Cola, Croissants, Äpfel so viel man wollte. Gut, dass das Heizschwammerl schon erfunden worden ist. Richtig erwärmt habe ich mich aber erst im Einkaufszentrum. Bis Wien hatte ich noch nette Beifahrer aus Vorarlberg. Flo hatte seinen ersten Auslandsmarathon erfolgreich absolviert und kann zufrieden sein.

Eigentlich wollte ich nicht vom Wetter schreiben. Es hat sich aber dermaßen in den Vordergrund gedrängt, das konnte ich nicht ausklammern. Der Marathon ist tipp-topp organisiert und absolut empfehlenswert. Dafür, dass wir den kältesten März seit 1958 und 1883 haben, kann keiner was. Der Statistik nach wird es 2014 mit Sicherheit wärmer.

Das Startgeld betrug € 35. Man bekommt

Sport-Rucksack mit dem Lauf-Logo 

2 Startnummern für  vorne + hinten, 

Chip-Zeitnehmung (kostet nicht extra)

eine ziemlich schöne Finishermedaille am goldenen Band,                                                                               

reichlich Labestellen mit fast immer warmem Tee, Iso, Wasser,  Bananen, Zitronen, Salz

eifrige und viele HelferInnen

Vergünstigte Museumseintritte,

Benutzung der Öffis, Pastaparty

Duschen + Ziellabe

 

 


 
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