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Laufberichte

20. Fellbacher 6/12-Stundenlauf in Fellbach-Schmiden

09.06.13

Morgens um 7 Uhr zeigt das Thermometer bereits angenehme 15 °C. Zum ersten Mal in diesem Jahr braucht man sich über die richtige Laufkleidung keine Gedanken zu machen: so wenig wie möglich.

Fellbach liegt vor den Toren Stuttgarts. Was viele nicht mehr wissen ist, dass der Teilort Schmiden eine lange Ultramarathon-Geschichte hat. Anfangs gab es neben dem 6- und dem 12- auch einen 24-Stundenlauf. 1996 und 2001 wurden hier sogar die Deutschen Meisterschaften in dieser Disziplin ausgetragen. Heuer ist zum ersten Mal ein 3-Stundenlauf im Angebot. Insgesamt haben sich 122 Starter vorangemeldet. Vor allem die Staffeln werden für volles Haus sorgen. Aber auch über 30 Teilnehmer für den 12-Stundenlauf sind ganz beachtlich.

Der Austragungsort ist wie immer das Sportgelände mit Stadion außerhalb von Schmiden. Für die Einzelläufer der 6- bzw. 12-Stundenläufe sind die Parkplätze direkt am Stadion reserviert. Deshalb macht es auch nichts aus, dass Norbert und ich etwas spät dran sind. Hier gibt es keine langen Wege. Die Startunterlagen werden auf der Tribüne verteilt. Toiletten sind um die Ecke.

Die Atmosphäre ist entspannt. Helfer legen letzte Hand an, Ultras haben es sich auf der Tribüne bequem gemacht. Einige erzählen, dass Sie während der Sintflut am letzten Wochenende bei einem Wettkampf unterwegs waren. Im wärmenden Sonnenschein erscheinen ihre Geschichten wie Gruselmärchen aus vergangener Zeit.

Immerhin 2 Staffeln werden über 12 Stunden starten. Das Team vom Sportclub EK Schwaikheim wird gegen die Spendensammler der Katzenhilfe Stuttgart mit seiner Prominenten Vertreterin Tatjana Gessler antreten.

Helmut Bürkle, Veranstaltungsleiter, gibt vor dem Start noch eine kurze Einführung. Dabei erklärt er auch die Zeitmessung. Bei dem neuen System braucht man nur noch in kurzer Entfernung mit dem Transponder am Handgelenk an der Zeitnahme vorbei zu laufen. Wenn es piepst ist die Rundenzeit erfasst. Kontrollieren kann man es dann am 5 m entfernten Monitor, der die gespeicherten Ergebnisse anzeigt.

Der Bürgermeister von Schmiden ergreift kurz das Wort: Schmidens Partnerstadt Meißen ist stark vom aktuellen Elbhochwasser betroffen. Jeder gelaufene Staffelkilometer wird in Euro als Spende der Partnerstadt zu Gute kommen.
Nun ist es soweit: 8 Uhr, der Startschuss ertönt.

Nach einem kurzen Stück im Stadion geht es an der Verpflegungsstelle vorbei Richtung K1855. Scharf links müssen wir auf dem Gehweg diese Straße ca. 200 m entlang. Nach der Brücke über die L1197 laufen wir links und gleich wieder rechts eine kurze Rampe hinunter. Hier steht der erste Streckenposten und auf dem Feld ist der Grünspargel zum Ernten bereit. An der stark befahrenen Straße geht es weiter, die jetzt aber durch einen Grünstreifen mit hohen Büschen abgeschirmt ist. Nach ca. 300 m scharf links und wir sind auf den Feldern. Ich kann mich noch gut an das riesige Erdbeerfeld erinnern. Letztes Jahr waren die Erdbeeren reif und der schwere Erdbeerduft lag in einer Wolke über diesem Streckenabschnitt. In diesem Jahr sind wir 2 Wochen früher dran, und das Wetter war bisher wenig erdbeerfreundlich. Im Vorbeilaufen kann ich noch keine Früchte erkennen. Über die flachen Felder hinweg hat man einen "idyllischen" Blick auf die Wohnsiedlungen von Neugereut, Steinhaldenfeld und den Kamin des Heizkraftwerks von Münster. Über allem thront in der Ferne der Stuttgarter Fernsehturm.

Nach ca. 500 m müssen wir scharf links und dann wieder rechts an verblühten Rapsfeldern entlang. Es geht ein Stück geradeaus bis zum zweiten Streckenposten. Von dort führt die Strecke zurück nach Schmiden. Nach weiteren 300 m kommt die einzige Steigung: die zweite Brücke über die L1197; danach geht es auf der anderen Seite wieder hinunter.  Gleich können wir das Stadion sehen. Dort ist noch eine halbe Runde zu laufen, vorbei an der Zeitmessung - piep - und dann beginnen die 2091 m wieder von vorne. Die Strecke ist zwar nicht abgesperrt, aber zur Straße hin mit Absperrband gesichert und durch Streckenposten markiert, die auch Spaziergänger und Radfahrer zur Rücksicht mahnen.

Norbert läuft noch mit mir. Aber was ist denn hier los? Die Ersten rennen los, als gelte es einen 10 km Lauf zu gewinnen. Auch Carmen Hamm und Steffi Praher, beide erfahrenen Ultraläuferinnen, sind schon auf und davon. Wir laufen 6er Schnitt, also viel zu schnell. Erst mal runter mit der Geschwindigkeit! Nach einer Runde verabschiedet sich Norbert und forciert sein Tempo. Wir sehen uns ja eh regelmäßig, wenn er mich überholt.

Im Stadion ist nun schon mehr los. Die 6-Stundenläufer kommen an und die 6Stunden-Staffeln bauen ihre Basiscamps in Form von Partyzelten oder Schirmen auf. Um 9 Uhr erfolgen der Start der 55 Einzelläufer und 12 Staffeln für den 6-Stundenlauf. Ruck Zuck belebt sich die Strecke.

Es wird bereits warm. Konnte ich in den ersten Runden noch auf Kappe und Sonnenbrille verzichten, muss ich nun aufrüsten. Diesmal hatten wir wenigstens vorher an Sonnencreme gedacht. Auf der Strecke vor der Brücke steht eine Wanne mit Wasser. Ich fülle meine Mütze und klatsche mir das kalte Wasser direkt auf den Kopf. Das hält dann eine Runde kühl.

Auch Trinken ist wichtig. Die Verpflegung lässt keine Wünsche offen. Es gibt Wasser aus der Schmidener Quelle und Wasser mit wenig und normal Kohlensäure, Iso, Karamalz, Cola, Apfelsaft, Apfelschorle, Zitronentee, Brühe, Äpfel, Bananen, Erdbeeren, Wasser- und Honigmelone, Kiwi, Salzstangen, gesalzene Erdnüsse, Cracker, Rosinen, Trockenfrüchte, Brot mit Butter und Kartoffeln.

Seit einiger Zeit laufe ich mit Albert. Schnell vergehen so die ersten 15 km. Norbert kommt von hinten, auch Carmen und Steffi sind auch schon mal vorbei. Bei so kurzen Runden ist es normal, dass man oft überholt wird. Die Staffeln sind sowieso schneller, da sie ständig die Läufer wechseln. Am Staffelholz sind sie gut zu erkennen. Ich hab mittlerweile auch schon langsamere Mitstreiter überrundet.

Um die Mittagszeit werden für die Läufer Nudeln zubereitet. Wie im letzten Jahr mache ich Pause. Ich hab jetzt so um die 35 km und mir tun die Füße weh. Es gibt wieder Spaghetti mit leckerer Bologneser Soße. Diesmal benutze ich eine Tupperdose, die ich wieder verschließen kann. Norbert kommt vorbei. Er braucht keine Pause. Von den Ultras bin ich die Erste beim Essen. Horst, heute verletzt, ist als Zuschauer da. Da er scheinbar nichts Besseres zu tun hat, rekrutiere ich ihn, ohne dass er es merkt, als Helfer. Bis andere Ultras kommen, bin ich schon fertig mit Essen und Schuhe wechseln. Es geht wieder auf die Strecke.

Mittlerweile ist es unangenehm heiß. Die meisten Läufer legen kürzere oder längere Gehpausen ein. Einige müssen sogar aussteigen. Nur die Staffeln ziehen unermüdlich ihre Kreise. Ich muss ganz schön kämpfen. Die Kilometer ziehen sich wie Kaugummi. Meine Pausen an der VP werden immer länger.
Um 15 Uhr ist das 6-Stundenrennen beendet. Viola Stras, Siegerin des 12-Stundenlaufs vom letzten Jahr, ist auch auf der kürzeren Strecke erfolgreich. Sie hat vor Petra Schläfer und Karin Zimmermann mit 3 Runden Vorsprung den Lauf gewonnen.

Bei den Männern liefern sich in der ersten Hälfte des Rennens Bernhard Munz und Ralf Schmäding ein spannendes Duell. Als Bernhard in der zweiten Hälfte einen katastrophalen Einbruch erlebt, ergreift Ralf die Chance zum Sieg. Bernhard erholt sich wieder und schafft es noch, den 2. Platz vor dem gleichmäßig durchlaufenden Schauläufer Klaus Mantel, zu halten.

Ich mach mal wieder Pause. Die Spaghetti sind zwar jetzt kalt; dafür ist mein Bier warm. Horst meint, es handle sich um Hopfentee. Na lecker! Wo ist eigentlich Norbert? Den hab ich die letzten 4 Stunden nicht gesehen. Um 16 Uhr erfolgt der Start der 3-Stundenläufer. Das bedeutet eine willkommene Abwechslung. Die Sonne brennt immer noch vom Himmel. Wolken, die aufkommen,  verziehen sich gleich wieder. Was tue ich eigentlich hier? Die ersten beiden Plätze in der Frauenwertung sind vergeben und Ingrid, die hinter mir ist, muss aufgeben. Die anderen Frauen walken - haben also nicht so viele Kilometer. Ich könnte aufhören und wäre immer noch Dritte. Aber wenigstens 80 km will ich voll machen.

Um 19 Uhr sind die 3-Stundenläufer fertig. Während sie auf ihre Siegerehrung warten, machen sie Stimmung im Stadion. Jeder Durchlaufende wird bejubelt. Auch der Biergarten neben der VP ist voll. Das mobilisiert nochmal extra Kräfte bei den müden Läufern. An der Verpflegungsstelle gibt es frische Erdbeeren. Sie wurden extra für die letzte Stunde der Ultras zur Seite gestellt. Danke! Ich hab die 80 km auch geschafft. Plötzlich platzt der Knoten und ich kann wieder locker laufen. Ob der Kaffee an der VP dafür verantwortlich ist? Oder wird es nun doch endlich kühler? Na egal - Hauptsache es läuft wieder und ich hab Spaß!

Um 19 Uhr 30 an der VP beschließe ich, noch zwei Runden zu versuchen. Dann wäre ich so weit wie im letzten Jahr. Jetzt heißt es locker bleiben und keinen Ausfall riskieren. Ein Krampf wäre blöd. Auf der Strecke verteilen sich bereits die Streckenvermesser um nach Zielschluss die Restmeter aufzunehmen. Als sie sehen, dass ich noch zügig laufe, feuern sie mich an. Im Stadion lasse ich die VP liegen. Das muss jetzt auch so reichen.

19 Uhr 46 gehe ich zum letzten Mal auf die Strecke. Wenigstens bis zum 2. Streckenposten will ich kommen. Als ich dort bin, verkünden die Helfer, dass ich noch 6 Minuten Zeit habe. Also weiter. Es geht über die Brücke, da kann ich den Stadionsprecher hören. Noch eine Minute. Ich biege auf den Weg zum Stadion ein; noch 30 Sekunden. Ich renne was das Zeug hält. 3-2-1 fertig. Vor dem Stadiontor bleibe ich stehen. Das sind ca. 5 m weniger als im letzten Jahr. Wow, damit hätte ich nicht mehr gerechnet.

Im Stadion wird bereits aufgeräumt. Ich lasse meine Startnummer an Ort und Stelle und bitte um einen Sitzplatz auf dem Wagen, wo eben die Absperrungen verladen werden. Bis die Frau kommt, die mit Kreide meine Position festhält, hab ich nette Unterhaltung mit den Helfern. Mein Standpunkt wird markiert und mit meiner Startnummer versehen. So können die Streckenvermesser später die Restmeter aufnehmen.

An der VP treffe ich Norbert. Ihm ging es gar nicht gut. Er ist die Hälfte der Zeit nur gewalkt. So hatten wir annähernd dasselbe Tempo und konnten uns nicht treffen. Nach der verdienten Dusche und einem kräftigen Vesper treffen wir alle wieder bei der Siegerehrung: Überragender Sieger ist Stefan Daum. Mit 64 Runden also 134,2 km konnte er dem ebenfalls pfeilschnellen Zahoran Adam am Ende 5 Runden abnehmen. Dritter wurde Rainer Lid.

Bei den Frauen hat Carmen Hamm in gewohnter Weise das Feld dominiert. Steffi Praher konnte lange Zeit mithalten, musste die Siegerin des Tages aber dann doch ziehen lassen. Meine Geschichte kennt Ihr ja.

Ich bin froh, so einen schönen Lauf in unserer Nähe zu haben. Es wäre der Veranstaltung angemessen, wenn noch mehr Läufer den Weg nach Fellbach finden würden. Das Angebot eines 3-Stundenlaufs ist da sicher ein Ansatz, der noch ausbaufähig ist. Die gute Infrastruktur und die perfekte Organisation hätten es verdient noch mehr Zuspruch zu erhalten. Vielen Dank an das Heer der Helfer, das so einen Lauf erst möglich macht. Weiter so!

 


 
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