marathon4you.de

 

Laufberichte

Extraklasse

22.05.05
Autor: Klaus Duwe

Wo das Sauerland am Schönsten ist

 

„Wo läufst Du am Wochenende?“, werde ich gefragt. „Ich starte beim Rothaarsteiglauf“, meine Antwort. „He? Du meinst sicher den Rennsteiglauf“, so die Reaktion.

 

Zu solchen Missverständnissen wird es nicht mehr kommen. Erstens, wird der zweite Rothaarsteiglauf nicht mehr am „Rennsteig-Wochenende“ stattfinden und zweitens wird sich herumsprechen, um welche Perle unter den Landschaftsläufen es sich da handelt.

 

Über 154 Kilometer zieht sich der Rothaarsteig von Dillenburg im Westerwald durchs Sauerland bis Brilon, meist auf einer Höhe von 600 bis 800 Meter. Höchster Punkt ist der Kahle Asten (841 m). Auf dem Abschnitt ab Winterberg verläuft die Marathonstrecke mit einem Gesamtanstieg von annähernd 1.100 Metern und über 1.300 Metern Gefälle.

 

Ausgangspunkt der Veranstaltung ist Brilon im Hochsauerland. Im Nu bin ich auf dem historischen Marktplatz mit den alten Fachwerkhäusern, dem Rathaus und der Propsteikirche (beide um 1250) im Hintergrund. In dem modernen Gebäude der Sparkasse gibt es die Startunterlagen und den Kleiderbeutel. Letzte Informationen und Abfahrtzeiten der Busse nach Winterberg (Marathon) und Bruchhausen (18 km-Lauf) werden persönlich übermittelt. So viel Zeit hat man, der Andrang hält sich in Grenzen. Den ausgehängten Starterlisten entnehme ich, dass am Marathon ca. 150 Läuferinnen und Läufer teilnehmen werden, die meisten aus der Region oder dem Ruhrgebiet. Gäbe es einen Pokal für die weiteste Anreise, ich wäre heute Favorit.

 

Mich stört das kein Stück. Im Gegenteil, ich will dem großen Andrang etwas entgehen und habe mich deshalb ganz bewusst für den Rothaarsteig entschieden. Der viele Regen auf der Herfahrt hat mich allerdings doch sehr ins Grübeln gebracht. Anders als bei den Citymarathons ist das Wetter bei Landschaftsläufen schon wegen der Wegverhältnisse nicht ganz unwichtig. Zumindest sehe ich das so, aber ich bin sowieso eher ein „Schönwetterläufer“. Der Wetterbericht sagt dann auch für den Sonntagvormittag weitere Regenfälle vorher.

 

Den Wecker stelle ich mir auf  5.00 Uhr. Um 6.00 soll es für Frühstück geben und um 7.00 Uhr ist in Brilon Abfahrt nach Winterberg. Ein Blick aus dem Fenster genügt nicht. Ich muss zweimal schauen: nur ein paar Wolken am Himmel. Gute Aussichten.

 

Ein  komplettes Buffet ist zum Frühstück aufgebaut: Rühreier mit Speck, Schinken, Käse, Wurst, frischer Obstsalat usw. Kompliment, die Dame. Trotzdem bleibe ich bei meinem üblichen Marmeladebrötchen. In Brilon finde ich problemlos in unmittelbarer Nähe des Marktplatzes einen Parkplatz und treffe auch gleich Thomas, der gestern mit seiner Claudia am Rennsteig die 72 Kilometer gelaufen ist.

 

Nach kurzer Wartezeit sitzen wir im Bus nach Winterberg. Dort ist man gerade dabei, das Startgelände herzurichten. Ansonsten ist der bekannte Wintersportort noch am Schlafen. Wer will, kann ein zweites Frühstück einnehmen: es gibt Bananen und Tee. Ich vertrete mir die Beine und schaue mich etwas um. Dann kommt etwas Leben auf den Platz, die Elektronik ist installiert, Durchsagen werden gemacht und Musik gespielt. Der zweite Bürgermeister begrüßt die Aktiven und endlich, um 9.00 Uhr gibt die Bobweltmeisterin Sandra Prokoff den Startschuß.

 

Es geht kurz durch den Ort, dann über die Hauptstraße und schon haben wir die erste Steigung hinauf zu einem Neubaugebiet mit herrlichem Blick über Winterberg. Es ist wolkig, aber die Sonne kommt immer mehr durch und ich bin froh, dass ich meine Regenjacke im Kleiderbeutel zurück nach Brilon geschickt habe. Die Teerstraße führt nach 15 Minuten in den Wald und nach einem kurzen Stück geht’s links ziemlich steil aufwärts auf einem unbefestigten Weg, dann etwas bergab und schon passieren wir die Ruhrquelle.

 

Ich habe mir heute keine bestimmte Zeit vorgenommen. Vielmehr sehe ich den Lauf als Vorbereitung für den Zermatt- und Swiss-Alpine-Marathon im Juli und will versuchen, komplett durchzulaufen, ohne Gehpausen auf den Steigungen.

 

Die Strecke führt an einem Ortsrand vorbei und dann links hoch auf einer Teerstraße Richtung Hillenkopf, den ich nach ungefähr 10 Kilometer erreiche. Genau 1:05 Stunden bin ich bis dahin unterwegs. Die Strecke ist ein permanenter Wechsel von Auf und Ab und flachen Passagen. Das Laufen macht keinem Probleme, ich habe noch niemand gehen sehen. Alle sind sie anscheinend gut trainiert, wie zum Beispiel Miss Squeezy, der ich wegen ihres Shirts diesen Namen gebe und die gleichmäßig bergauf, bergab ihr Tempo läuft. Gleich verliere ich sie aus den Augen.

 

Es geht immer noch bergauf, der bisher längste Anstieg. Ich trabe mein Tempo und lasse mich durch nichts treiben oder bremsen. Gleich kommt eine Verpflegungsstelle, dann geht es noch etwas bergauf und der höchste Punkt ist erreicht. Genauso steil wie der Aufstieg ist jetzt der Abstieg. Aber nicht lange, dann erreiche ich im Naturschutzgebiet Neuer Hagen die Hochheide. Wie der Name schon sagt, es ist eine Hochfläche, dicht bewachsen mit Erika und Heidelbeersträuchern und die erste etwas längere flache Passage. Ein wunderschönes Plätzchen ist das hier mit herrlichen Ausblicken. Viele Wanderer mit schweren Rücksäcken sind unterwegs. Kilometer 15 ist erreicht, meine Zeit 1:36 Stunden. Nach weiteren 2 Kilometer bin ich wieder an einer Verpflegungsstelle und habe mit 843 Metern den höchsten Punkt der Strecke erreicht.

 

Es geht wieder abwärts, meist mit nur ganz leichtem Gefälle. „Jetzt kannst Du’s 6 Kilometer rollen lassen“, gibt mir ein entgegenkommender Biker bescheid. Soll mir recht sein. Ich genieße die herrliche Landschaft, den dunklen Fichtenwald, aus dem sich vereinzelt in leuchtendem Grün die Buchen hervorheben. Immer wieder bieten sich phantastische Ausblicke auf  die Berge des Sauerlandes. Genusslauf pur, fast werde ich euphorisch.

 

Ich bereue es keinen Augenblick, den weiten Weg gemacht zu haben. Dann der Schild „20 Kilometer“, ich kann es kaum glauben, wie im Flug ist die Zeit vergangen: 2:03 Stunden. Ich mache weiter Tempo. Nicht, dass ich es plötzlich eilig hätte. Aber es läuft so gut und ich habe Spaß daran.

 

Links unten sehe ich weiße Häuser mit den typischen schwarzen Schieferdächern, das muss Bruchhausen sein. Nach genau 2:30 Stunden bin ich bei Kilometer 25. Einen Kilometer weiter ist die nächste Verpflegungsstelle, wo ich freudig begrüßt werde. Hier kommt die 18 km-Strecke dazu. Die anschließende Steigung schmerzt in den Beinen, trotzdem gebe ich nicht nach und verfolge weiter mein Ziel: jede Steigung im Laufschritt.

 

Jetzt sehe ich eine Hinweistafel zu den Bruchhausener Steinen in entgegen gesetzter Richtung. Schade, offensichtlich habe ich das bekannte Naturdenkmal verpasst. Jetzt bin ich auf einem langen, schnurgeraden Weg, der nur ganz leicht ansteigt. Vor mir sehe ich eine junge Frau mit Hund, die mir schon am Start aufgefallen ist. Gleich habe ich sie eingeholt und bin vorbei. Vom Dorf herauf höre ich das 12-Uhr-Läuten und jetzt sehe ich auch die Bruchsteine, wie sie aus dem Wald herausragen. Herrlich.

 

Jetzt wird es steiler und ich sehe vor mir Miss Squeezy. Sie hält den Laufschritt durch und ich auch. Alle anderen gehen hier. Kilometer 30 wird angezeigt, 3:08 Stunden bin ich unterwegs. Ich habe keine Probleme. Der Weg ist recht sonnig und die Temperaturen mittlerweile so, dass ich den frischen Wind hier oben als sehr angenehm empfinde. Wieder erreiche ich einen Scheitelpunkt und eine Tafel kündigt die nächste Verpflegungsstelle nach einem Kilometer an. Ich komme an einem Rastplatz vorbei, an dem  sich eine Wandergruppe niedergelassen hat. „Na, Klaus, Schnäpsken?“ wird mir zugerufen. „Danke, muss noch Auto fahren“, meine Antwort. Der Kilometer bis zur Verpflegungsstelle ist so wie die gesamte Strecke: rauf und runter, steil, weniger steil, flach.

 

An der Verpflegungsstelle habe ich Miss Squeezy eingeholt. Ich spreche sie an und erfahre ihren richtigen Namen: Andrea, aus Frankfurt. Sie bereitet sich auf den Frankfurter Triathlon vor und erzählt mir von ihrem Training. Wir laufen ein ganzen Stück zusammen, dann muss sie sich einen Stein aus dem Schuh entfernen. Langsam trabe ich weiter und komme nach einem weiteren steilen, steinigen Anstieg zur nächsten Verpflegungsstelle und gleich darauf wird Kilometer 35 angezeigt. 3:38 Stunden. Ich kann es kaum glauben, 6er Schnitt für die letzten 5 km, und das bei dem Gelände. Drei Kilometer weiter hat mich Andrea wieder eingeholt, wir erfrischen uns an der letzten Verpflegungsstelle und laufen weiter. Gleich kommt ein (letzter?) steiler Anstieg auf einer Teerstraße. Andrea macht Dampf und ich lasse auch nicht nach.

 

Als es dann abwärts geht, sehe ich unten die ersten Häuser von Brilon. Andrea ist nicht mehr zu halten, sie kann neue persönlich Bestzeit schaffen. Ich halte mich zurück, die Knie tun weh beim Abwärtslaufen. Fast bin ich froh, dass es noch einmal ansteigt. Dann geht es durch das Stadttor und schließlich durch den Zielbogen. Der Marktplatz ist gefüllt mit Menschen, die begeistert jeden Finisher begrüßen. Ein herrlicher Lauf ist zu Ende. 4:20 Stunden, für mich eine tolle Zeit.  Noch nie bin ich so gut über die Berge gekommen.

 

Es gibt Kuchen und Tee, Wasser , Obst und Säfte. Im Bistro neben der Sparkasse gibt es für die Marathonis vier verschiedene Nudelgerichte. Ich kann mich nicht entscheiden. Da packt mir die junge Dame von jeder Sorte was auf den Teller. Hat toll geschmeckt, vielen Dank.

 

Jetzt noch einen Espresso und dann sage ich tschüss Brilon, tschüss Sauerland. Das war Klasse.

 

Fotos: Josef Vogt und Klaus Duwe


Streckenbeschreibung:

Punkt-zu-Punkt-Kurs mit über 1000 HM, fast ausschließlich Waldwege. Landschaftlich überaus reizvoll und abwechslungsreich.

 

Rahmenprogramm:

nach dem Lauf für Marathonis kostenloses Nudelessen im Bistro oder im Foyer der Sparkasse.

Unterhaltungsprogramm mit Live-Musik auf dem Marktplatz.

 

Zeitnahme:

Champion-Chip

 

Verpflegung:

ungefähr alle 4 - 5 Kilometer Verpflegungsstellen mit Wasser, Tee und Obst

 

Auszeichnung:

Urkunde

 

Logistik:

Startnummernausgabe in Brilon im Gebäude der Sparkasse auf dem Marktplatz.

Von dort Busse zum Start nach Winterberg. Parkplätze und Parkhäuser in unmittelbarer Nähe.

In Winterberg Abgabe der Kleiderbeutel. Alles völlig problemlos.

 

 

Informationen: Rothaarsteig-Lauf
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024