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Laufberichte

Nicht zu (s)toppen

29.10.06

Landschafts- und Genussläufer kommen am Röntgenlauf nicht vorbei

 

Es war im Sommer beim Menden Marathon, wo ich nach der Dusche, bekleidet mit meiner Trophäe, dem Finisher-Shirt des diesjährigen Rensteiglaufes, mit einem Läufer ins Gespräch kam. Es stellte sich heraus, dass auch er beim Rennsteiglauf war, und er fing sofort an, von einem weiteren Landschaftsultralauf zu schwärmen. „Wer die Landschaftsläufe liebt, der sollte zum Röntgenlauf fahren“, waren seine Worte. Vorab: Er hatte recht.

 

Zuhause angekommen schaute ich sofort im Internet nach, um mich über diesen Lauf zu informieren, da ich vorher noch nichts darüber gehört hatte. Nachdem ich Laufberichte gelesen und das Streckenprofil gesehen hatte, war die Entscheidung gefallen: Röntgenlauf 2006, ich komme.

 

Schneller als ich glauben konnte, war auch schon die Woche vor dem Lauf da. Ich studierte noch mal die Fakten der Strecke:

 

- 63,3 km ( zusätzlich wird die klassische Marathondistanz sowie ein Halbmarathon, Staffel und Crossläufe angeboten )

- 1100 Höhenmeter auf der Ultrastrecke

 

Dann ging es Samstag mit der Bahn von Gladbeck nach Remscheid. Stimmt nicht. Ich musste nach Lennep. Auf diesen kleinen, aber feinen Unterschied  wurde ich sofort am Bahnhof beim Fragen nach der richtigen Bushaltestelle hingewiesen. Lennep ist der zweitgrößte Stadtbezirk Remscheids und besitzt eine wunderschöne, von alten Häuser mit  Schieferplattenverkleidung geprägte Altstadt, die zu Recht zu den 35 historischen Stadtkernen Nordrhein-Westfalens gehört.

 

Nach 9 Minuten mit dem Bus kamen mein Dad und ich an der Haltestelle des H2O Bades in Lennep an. In der Turnhalle befand sich die Startunterlagen- Ausgabe. Alles ist hier etwas kleiner als bei den großen Stadtmarathons, aber dafür umso herzlicher. Neben der Startnummer und der üblichen Sponsorenwerbung war auch ein Regenumhang enthalten. Der Veranstalter hatte wohl auch die Wetterprognosen gehört. Regen am Morgen und leicht besseres Wetter am Nachmittag war vorher gesagt. Keine besonders schönen Aussichten.

 

Aber daran wollte ich jetzt noch gar nichts denken. Wir Ultraläufer bekamen hier bei der Startnummernausgabe unser Langarm-Funktionsshirt, welches bereits in der Startgebühr von 30 Euro ( bzw. 35 Euro ) enthalten war. Ein tolles Angebot, das man bei so manch anderer, im Preis durchaus teureren Veranstaltung, vermisst. Bei den kürzeren Distanzen  gab es für die Läufer immerhin ein Kurzarmfunktionsshirt.

 

Weiterhin wurden auf einem Fragebogen Informationen für den Stadionsprecher abgefragt. So was hatte ich noch nie erlebt und empfand es als riesigen Service für die Zuschauer, die im Ziel nicht nur den Namen und den Verein zu hören bekommen sollten.

 

Von der kleinen Turnhalle gingen wir in die große Sporthalle, in der sich eine kleine Marathonmesse mit Ständen von Sportgeschäften sowie von den Sponsoren der Veranstaltung befanden. Auf einer Leinwand oberhalb der Bühne wurden Fotos von der Vorjahresveranstaltung gezeigt. Nebenbei bekam man hier für günstige 5 Euro seine Portion Nudeln, nein falsch, zwei Portionen Nudeln und 1 Getränk seiner Wahl. Man hatte sogar die Auswahl zwischen 2 verschiedenen Nudelsorten und verschiedenen Saucen. Als wir uns an einen Tisch setzten, verteilte ein hiesiger Sponsor Löffel für einen Früchtesalat, den man sich an seinem Stand kostenfrei abholen konnte.

 

Nachdem wir lecker gegessen hatten, machten wir uns auf den Heimweg. Natürlich nicht ohne vorher die in allen Berichten gelobte Marathonschnecke beim Bäcker zu kaufen.

 

Nach einer, durch die Zeitumstellung etwas längeren, schlaflosen Nacht, stand ich am Sonntag um 5 Uhr auf. Schnell noch ein Weißbrot mit Honig und schon brausten wir gegen 6 Uhr mit dem Auto Richtung Lennep. Als wir gegen 7:15 Uhr wieder auf dem Parkplatz des Schwimmbades angekommen waren, konnte man nur sehr wenig von der Großveranstaltung sehen. Kein Startbogen, keine Lautsprecher und - kein Regen. Zum Teil konnte man sogar hellblauen Himmel sehen.

 

Hatten wir uns mit dem Datum vertan? Nein, der Veranstalter hatte alles optimal getimt. So wurde in nur einer Stunde alles Nötige aufgebaut, und der Startbogen auf der Straße vor dem Bad markierte für die nun zahlreich vertretenden Läufer den Start. Mit einer kleinen Verspätung, die mit der noch nicht erteilten Freigabe einiger Straßen begründet wurde, gab die Oberbürgermeisterin auch schon den Startschuss ab. Es konnte losgehen.

 

Schon nach wenigen Metern führte eine Straße mit starker Steigung Richtung Altstadt. Vorbei am Geburtshaus des Namensgebers Conrad Röntgen, Entdecker der nach ihm benannten Strahlen. Hier befindet sich der offizielle Startpunkt des Röntgenwegs, den es heute von uns Läufern nonstop zu bewältigen galt. Gekennzeichnet ist dieser mit einem weißen R.

 

Nach dieser kleinen Sightseeing-Runde lief man wieder zurück Richtung Start, um nach ca. 6 Kilometern das erste Mal Waldboden unter den Füßen zu spüren. Mich wunderte sehr, dass die ersten 5 Kilometer einzeln angezeigt wurden. Top Service, welcher bei den Langdistanzen nicht selbstverständlich ist.

 

Bei km 6 konnte man die erste ordentliche Steigung spüren, aber auch die erste Verpflegung entgegennehmen. Insgesamt säumten 15 liebevoll betreute Verpflegungsstände die Strecke. Das Sortiment reichte von isotonischen Getränken, Wasser, Tee und Bananen über Müsliriegeln und Cola bis hin zu Schmalzstullen. Es fehlte also von den Rahmenbedingungen her an nichts. Das Wetter hielt sich gut und man hatte das Gefühl, dass es heute noch ein sonniger Tag werden würde.

 

Durch den Wechsel von Waldwanderwegen und kleinen Landstraßen merkte man gar nicht, wie die Kilometer purzelten. Als ich im Gespräche mit einem Läufer feststellte, dass wir Kilometer 10 - kurz vor einer Autobahnbrücke - bereits hinter uns gelassen hatten, war ich voller Zuversicht, dass ich heute einen guten Tag erwischt hatte.

 

Nach dem wir Lüttringhausen passiert hatten, verlief der Weg nun zwischen herrlich in Herbstfarben leuchtenden Bäumen. Genau das ist es, was man von so einem Landschaftslauf erwartet: eine abwechslungsreiche Strecke und Wetter zum Genießen.

 

Doch auch dieser Teil der Strecke hatte schon kleine Kraftproben im Programm. Immer wieder zog sich der Weg mit teils geringer, teils ganz ordentlicher Steigung durch das Bergische Land. Dieser Begriff leitet sich übrigens, wie mir ein Läufer aus Remscheid während des Laufes berichtete, nicht direkt von der Topografie ab, sondern vielmehr von den  Grafen von Berg, die hier bis ins 16. Jahrhundert in der Burg an der Wupper residierten.

 

Ich hatte zwar schon ein paar Körner auf den Steigungen gelassen, doch voller Lust an dieser herrlichen Strecke lief ich durch das Halbmarathon-Ziel im Stadtteil Remscheid-Hasten. Hier drängelten sich die Zuschauer dicht am Straßenrand und der Sprecher gab uns Ultras laut noch ein „Haltet durch – nur noch 2/3“ mit auf den Weg.

 

Dieser führte schon kurz nach dem Zieleinlauf der Halbmarathonis wieder bergauf. Man konnte eindeutig feststellen, dass das Feld jetzt viel kleiner war als noch vor Kilometer 21. Immer mehr Läufer hatten die blau unterlegten Startnummern, als Kennzeichnung für die Ultrastrecke, auf ihrer Brust. Die Strecke bot wunderschöne Blicke durch die Wälder auf die Wupper, in der sich die Herbstfärbung und mittlerweile auch die konstant haltenden Sonnenstrahlen spiegelten.

 

„Gibt es ein schöneres Hobby als Laufen,“ dachte ich, bis ich zu einem weiteren steilen Anstieg, beginnend im Wald, weiterziehend auf einer Straße und endend im Wald, stoß. Es war erst Kilometer 29 und ich hatte erste kleine Zweifel, ob diese Strecke für jemanden aus dem Ruhrgebiet, wo die höchsten Erhebungen Kohlehalden sind, das Richtige ist. Aber nein, die Strecke war zu schön, um sich mit solchen Gedanken zu beschäftigen. Außerdem war es wie bei jedem anderen Berg: wo es hoch geht, geht es auch wieder runter.

 

An den Verpflegungsständen wurde auch schon deutlich, dass es  keiner in meiner Leistungsklasse auf jede Sekunde abgesehen hatte. Man blieb kurz stehen und unterhielt sich, bevor man sich weiter auf den Weg machte. Das kannte ich noch vom Rennsteig und es macht zusätzlich einen besonderen Reiz aus. Mal nicht, wie auf der Straße, auf jede Sekunde achten und nur die neue Bestzeit im Kopf haben. Laufen um die Strecke, die Landschaft und das Gefühl, was Besonderes zu leisten, zu genießen. Das war es, was man von den anderen Läufern immer wieder hörte.

 

Die Strecke bot noch mehr als nur bunte Bäume und Landschaft. So lief man unter der höchsten Stahl-Eisenbahnbrücke Deutschlands, der Münstener Brücke, her. Die riesigen Stahlträger, die 107 m hoch in die Luft ragen, stehen direkt an der Strecke. Im Vorbeilaufen hörte ich noch das Pfeifen einer alten Dampflokomotive, die zum Bahnhofsfest der Region über die Brücke zwischen Remscheid und Solingen fuhr.

 

Der Weg verlief nun direkt an der Wupper entlang, Richtung Eschbachtalsperre. Auf einmal mitten im Wald sehe ich Personen mit Funkgeräten im Wald und stellte fest, dass ich kurz vor dem Marathonziel im Freibad Eschenbachtal war. Ich fühlte mich gut, war nicht zu stoppen und wunderte mich, dass sich meine Beine nach der einen oder anderen Steigung wieder erholt hatten. Meine Euphorie wurde jedoch von einem alten Hasen (Teilnehmer an allen Röntgenläufen) etwas gebremst als er mir erzählte, dass der steigungsintensivste Teil der Strecke noch vor uns läge.

 

Als ich ins Freibad einlief und die Zuschauer tosende Beifall spendeten, waren diese Worte jedoch bereits vergessen. Ein kurzer Blick auf die Uhr, Durchgangszeit für den Marathon 3:59:44 h.. Nur nicht zu schnell sein, das ging mir am Vorabend noch durch den Kopf. Mit ca. 4:15h hatte ich eigentlich gerechnet. Aber was soll’s, ich fühlte mich gut.

 

Nun waren wir, die von vielen belächelten und mit „Warum-tut-man-sich-das-nur-an“ titulierten Ultras, alleine. Nicht ganz: der Veranstalter hatte auch eine Ultrastaffel im Programm. Dies merkte man spätestens an einem Streckenpunkt, an dem man erst Treppen herunter und dann Stufen bergauf laufen musste. Das Laufen konnten die Staffelläufer, die erst wenige Kilometer nach ihrem Start am Marathonziel in den Beinen hatten, noch bewerkstelligen. Wir, die wir mittlerweile gute 45 Kilometer in den Beinen hatten, wählten hier einen zügigen Wanderschritt.

 

Ich würde diesen Staffellauf als einzigen kleinen Nachteil der Veranstaltung sehen. Es ist es für den Veranstalter bestimmt attraktiv 63 Staffel zusätzlich über die Strecke zu schicken, aber es war es für uns Einzelkämpfer nicht so prickelnd, uns nach der Marathondistanz mit frischen Staffelläufern zu messen. Aber gut, wenn durch solche Rahmenprogramme ein solcher Lauf erst möglich wird, akzeptiert man auch es.

 

Mittlerweile meldeten sich meine Beine nun aber doch etwas stärker. Auch hätte ich vielleicht die Cola an der letzten Verpflegungsstelle noch nicht nehmen sollen. Mein Magen rebellierte und ich hatte meinen ersten richtigen Tiefpunkt. Wie gut, dass es nicht der erste lange Lauf war und ich genau wusste, dass so etwas vorbei geht. Als ich auf einem Weg zwischen Feldern das Piepen der Zwischenzeitmatte hörte, freute ich mich, dass ich schon bei Kilometer 50 angekommen war. Noch 13 km - die kann man immer laufen.

 

In diesem Abschnitt führte die Strecke durch kleine Dörfer, wo Zuschauer und Polizisten für gute Stimmung sorgten. Von hier aus ging es dann auf einer Landstraße relative lange geradeaus. Jedoch flach – nur der etwas aufkommende Wind machte mir etwas zu schaffen. Hinter einer kleinen Kurve sah ich dann schon wieder ein Schild mit der Aufschrift „Noch 200 Meter bis zur nächsten Verpflegungsstelle“. Hier war Kilometer 57 - also, nur noch 6 Kilometer.

 

Nach einem kleinen Anstieg verlief der Weg am Rande der Wuppertalsperre flach, bis ein Schild die letzten 1,6 Kilometer anzeigte. Nur was für welche! Es ging steil bergauf, an Laufen war hier nicht mehr zu denken! Nach dieser sehr steilen Passage ging es ein weiteres Mal bergauf, bis mir ein freundlicher Zuschauer sagte: „Nur noch bergab bis zu den Bäumen“. Und diese Bäume kannte ich schon von heute morgen. Ich hörte den Zielsprecher, bog links in den Weg Richtung Sportplatz und wurde vom Sprecher mit „Marcel Lorek, Marathon4you.de“ angepriesen. Sofort verspürte ich eine Gänsehaut und wusste wieder einmal,  warum ich laufe. Meine Uhr zeigte 06:20:23h. Besser als ich dachte, und doch so unwichtig.

 

Fazit:

Ich kann mich nur anschließen: Landschafts- und Genussläufer kommen am Röntgenlauf nicht vorbei. Alle Anderen lernen diese besondere Laufkategorie hier zu schätzen.

 

Strecke: topp,
Organisation: topp,
Preis-/Leistungsverhältnis: topp

 

Hier gibt es nichts zu meckern, außer vielleicht der Staffel.
Bis nächstes Jahr, Röntgenlauf.

 

Informationen: Röntgenlauf
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