marathon4you.de

 

Laufberichte

„Angezogen wird, was auf dem Thermometer steht“

29.10.06

Meine Landschaftsmarathon-Premiere

 

So wirklich geglaubt hatte ich nicht daran, dass ich am letzten Sonntag im Oktober hier in Remscheid-Lennep an der Startlinie stehe. Eine nur 5-wöchige Vorbereitungszeit erlaubte mir gerade einmal zwei längere Läufe zur Vorbereitung auf diesen Marathon. Wirklich schwer gefallen ist mir seinerzeit die Entscheidung, fort von der geplanten Verbesserung meiner Halbmarathonzeit, hin zu meinem ersten Landschaftsmarathon, allerdings nicht.

 

Wie sich herausstellte, hat der Roentgenlauf seinen guten Ruf im 6. Jahr seiner Existenz tatsächlich nicht umsonst aufrechterhalten können. Eine rundum gut geplante Organisationsmaschinerie der veranstaltenden vier Vereine sorgte sich ab dem Eintreffen auf dem Kirmesparkplatz um die Läufer und deren Begleiter. Von der sonst relativ schnell aufkommenden Hektik war hier nichts zu spüren. Freundlich und kompetent versahen die Helfer ihren Dienst. Man merkte, dass hier mit Herzblut und Geschick eine Veranstaltung von Läufern für Läufer aufgezogen wird.

 

Dies spiegelt sich auch im durchaus moderaten Startgeld von 35,- Euro nieder. Bedenkt man, dass darin auch die Kosten für den stundenlangen Einsatz der vielen Shuttlebusse und ein schickes Funktionsshirt enthalten sind, frage ich mich wieder einmal warum andere Veranstalter bei ihrer Kalkulation weit jenseits der 50,- Euro-Marke liegen.

 

Für mich selbst und einige andere stellt sich in der Umkleidekabine erst einmal die Schicksalsfrage „Was ziehe ich an?“. Eine Entscheidung, die wirklich schwierig ist. Die Wettervorhersagen sind sich einig, dass es heute Vormittag regnen wird. Letztendlich gibt einer der Ultramarathonis den Ausschlag: „Angezogen wird, was auf dem Thermometer steht“. Also gut,  kurze Hose, kurzärmliges T-Shirt. Die Regenjacke bleibt im Kleidersack. Als Tribut an die raue Landschaft um uns herum kommt noch eine ärmellose Weste drüber.

 

Nachdem ich die längere Schlange vor der Toilette hinter mich gebracht habe ist es schon an der Zeit, den Kleidersack – der übrigens aus wirklich gutem Material besteht und ein schickes Logo trägt – abzugeben und zum Start zu schlendern. Schön, wenn alles das mit kurzen Wegen erledigt werden kann.

 

Aufgrund meiner nicht gerade üppigen Vorbereitung reihe ich mich im vordern Bereich des letzten Drittels der Startaufstellung ein. Dabei übersehe ich dummerweise, dass etliche Gruppen von Nordic-Walkern weit vor mir stehen. Die ersten Kilometer nach dem Start bin ich damit beschäftigt an diesen wild stöckelnden Gruppen vorbeizukommen.

 

Bereits kurz nach dem Start bekommt man einen ungefähren Eindruck, welchen Charakter die Strecke haben wird. Nach dem Durchlaufen der Hackenberger Straße geht es rechts ab und direkt eine kleine Steigung hinauf.

 

In der Lenneper Altstadt ist das Auf und Ab der Strecke schnell vergessen. Pitoreske Häuser säumen das Kopfsteinpflaster der Straßen. Die grau verschieferten Hausfassaden werden durch grüne Fensterläden aufgehellt.

 

Nachdem wir Lennep und Hackenberg verlassen haben, geht es erstmals hinaus in die Natur. Von einem lang gezogenen Gefällstück aus können wir über die Felder hinweg weit entfernt von uns die Läufer sehen, die bereits im Anstieg kurz vor der Verpflegungsstelle bei Kilometer 7 sind. Dort angekommen erlebe ich eine angenehme Überraschung. Der Lüttringhausener Turnverein hat sich tatsächlich die Mühe gemacht und das ansonsten meist eiskalte Trinkwasser auf angenehme Trinktemperatur aufgewärmt.


Bis hier hin und vielleicht noch 2 oder 3 Kilometer weiter haben wir nur Asphalt unter den Sohlen gehabt.

 

Erst nachdem wir die Schwelmer Straße überquert haben, geht es auf einem etwas ausgespülten Wanderweg ein kurzes Stück über Waldboden. Danach – wie soll es auch anders sein hier im Bergischen – kommt erst einmal wieder eine Steigung bis zu einer Fußgängerbrücke über die Autobahn. Unter uns rauschen die Autos vorbei, vereinzelte Fahrer hupen, im Gegenzug winken wir herunter, bevor wir auf der anderen Seite im Wald verschwinden.

 

Hier geht es erst einmal angenehm lange auf gut zu laufendem Waldboden herunter. Ich nütze die Passage als Erholungsphase und wundere mich, dass ich trotzdem noch Läufer überhole. Ein Blick auf deren Startnummer lässt mich erkennen, dass alle mit der „6“ beginnen. Die Ultraläufer sind demnach noch vorsichtiger als ich. Verständlich, haben sie doch noch nicht einmal ein Drittel ihres Pensums absolviert.

 

Bei Kilometer 15 liege ich mit meinen 1:30 Stunden perfekt im Zeitplan. Langsam verstehe ich, warum nur die ersten 5 Kilometer einzeln ausgewiesen sind. Die Beschilderung aller folgenden 5 Kilometer ist völlig ausreichend. Bei dem ständigen Auf und Ab machte die Ausschilderung einzelner Kilometer wirklich wenig Sinn.

 

Der erste wirkliche Hammer kommt dann bei Kilometer 17. Ein enger, mit knorrigen Wurzeln durchsetzter Waldweg schlängelt sich steil zwischen den Bäumen hindurch aufwärts. Überholen ist hier nicht möglich, so dass sich eine teils heftig keuchende Schlange aus Läufern den Berg hinauf schiebt.

 

Oben angekommen, geht es erst einmal ein paar hundert Meter eben auf Asphalt weiter, bevor der Weg die eben noch mühsam erkämpften Höhenmeter mit starkem Gefälle wieder zunichte macht.

 

Die folgenden 3 Kilometer bieten ständig ein welliges Profil, das aber bis zum Halbmarathonziel gut laufbar ist. Am Clemenshammer trennen sich die Wege. Gut ausgeschildert biegen die Halbmarathonläufer hier nach links ab und beenden das Rennen. Für uns Marathonläufer und die Ultras gibt es nach dem Durchlaufen des Zielbogens erst einmal die nächste Verpflegungsstation.

 

Ab hier ist es merklich ruhiger auf der Strecke. Ich bin froh, dass Christoph irgendwann aufgetaucht ist. Er kommt aus Köln und läuft dieses Jahr zu zweiten Mal den Ultra in Remscheid. Die nächsten 20 Kilometer verbringen wir beide plaudernd und die Natur genießend gemeinsam.

 

Wenn ich mich recht erinnere, sind die Asphaltstrecken auf der zweiten Hälfte wesentlich seltener geworden. Da sich entgegen aller Ankündigungen die Sonne endgültig ihre Bahn gebrochen hat, laufen wir meist auf  Waldwegen durch herbstlich bunt eingefärbte Wälder.

 

Herrliche Panoramen und malerische Winkel verströmen ihren Charme.Bei solchen Aussichten kann mir auch die kurze aber heftige Serpentine irgendwo bei Kilometer 25 nicht die Stimmung verderben.

 

Einsam und mitten im Wald gelegen taucht plötzlich die nächste Verpflegungsstelle auf. Ein kurzer Plausch mit den gut gelaunten Mädels hinter den Tischen, eine Cola, ein Stück Banane und schon geht es weiter. Christian war bei seinem Plausch erfolgreicher als ich. Er hat zusätzlich noch einen Keks aus den Privatbeständen der Mädels ergattert.

 

Unmittelbar in der Nähe der Müngsterner Eisenbahnbrücke steht das 30-Kilometer-Schild. Dort angekommen ernten wir bei einigen Spaziergängern ungläubiges Staunen. „Wie bitte, sie sind bis hier her 30 Kilometer gelaufen? An einem Stück?“. Als sie erfahren, dass Christoph noch nicht einmal die Hälfte seines Weges hinter sich hat fehlen ihnen die Worte.

 

Sechs Kilometer und eine Verpflegungstelle weiter wird es für mich wirklich hart. Hier bei Kilometer 36 stehen etliche Hinweisschilder, die nicht umsonst den Hinweis auf ein folgendes starkes Gefälle tragen. Eng, steil und rutschig windet sich der Weg hier über längere Distanz hinab, bis er an einem Bachlauf im Tal ankommt. Mir schmerzen die Knie und die Waden.

 

Weiter führt der Weg am Bach entlang. In der Nahe einer alten Mühle sitzen zwei Kinder am Bach und spielen. Zwischendurch winken sie uns gut gelaunt und fröhlich zu.

 


Knapp 250 Minuten nach meinem Start taucht am rechten Wegesrand ein zunächst merkwürdiges Gebilde auf. Hat es zunächst den Eindruck, als hätte ein verwirrter Riese den darunter gelegenen Teich als Entwicklerbad für seine überdimensionierten Fotos genommen, so wird schnell klar, dass es sich bei dem Arrangement um ein Kunstobjekt handelt. Dutzende von Roentgenbildern zeigen von einem Baum herabhängend eine menschliche Lunge und tragen den Titel „Atemfluss“. Ein schöner Bezug zu unserem Lauf, der ab hier keine bösen Überraschungen mehr birgt, sondern so bleibt, wie er zuvor gewesen ist: Rundum eine schöne, abwechselungsreiche Strecke durch üppige Natur. Ich hätte mir für meine Premiere schwerlich eine bessere Veranstaltung suchen können.

 

Schon von weitem höre ich die Stimme des Sprechers aus dem städtischen Freibad heraus durch das Tal schallen. Für mich kündigt sich das Ende eines schönen Marathons fern von jeglichem Stress an. Erst aus hundert Metern Entfernung erkenne ich durch die Bäume hindurch den Zielbogen, den ich bald durchlaufen werde. Ich biege nach rechts ab, für die Ultras beginnt das letzte Drittel.

 

Wettbewerbe:

Halbmarathon, Marathon, Ultramarathon (63km)
Walking, Nordic Walking


Diverse Jugend- und Crossläufe

 

Zeitnahme:

Championchip


Auszeichnung - Leistungen:

Guter Kleiderbeutel, Medaille, Funktionsshirt


Pendelbusverkehr zu Parkplätzen, sowie vom HM- und Marathonziel zurück zum Start

 

Informationen: Röntgenlauf
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteFotodienst HotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024