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Laufberichte

Jubiläumslauf im Weltkulturerbe

 

Über die nach dem hingerichteten Domprediger benannte Dr.-Johann-Maier-Straße (an der die Ostdeutsche Galerie mit ihren roten Säulen auffällt, wenn man nach rechts hinten schaut) erreichen wir das Jakobstor, welches das westliche Ende der mittelalterlichen Stadt markiert. Außen mit runden Säulen, von innen eckig. Der Torbogen fiel der Straßenbahn zum Opfer, die bis 1964 umweltfreundlich durch die Stadt fuhr. Ebenso mussten für die kurzen Wagen einige Gebäudeecken in der Altstadt abgeflacht werden. Rechts die Schottenkirche St. Jakob, ein hochromanischer Bau mit einem berühmten Portal, das die "zwölf Ausgestoßenen" darstellt, darunter Verbrecher, Tänzer, Prasser und Faule. Ok, da gehören wir nicht dazu: Wer am Regensburg Marathon teilnimmt, muss nicht viel Geld ausgeben und faul sind wir auch nicht, wenn wir 42, 2 km bewältigen. Tanzen? Bei dem schönen Wetter wäre das schon eine Idee. Aber ich vermute, der Aufnahme ins Himmelreich steht nichts im Wege.

 

 

Der Bismarckplatz mit dem klassizisistischen Stadttheater und der ehemaligen Landespolizeidirektion macht viel her. Und dann geht’s so richtig in die mittelalterlichen Straßen und Gassen. Die sind bei Weitem nicht so ausgestorben, wie man das an einem Sonntagmorgen erwarten würde. Ich liebe dieses Rasen durch die Sträßlein. Über den Neupfarrplatz, dann links in die Speichergasse. Kirchen gibt es hier in großer Zahl. Die Mohrenapotheke vor uns am Kornmarkt musste nach 499 Jahren den Betrieb einstellen. Der Strukturwandel hat auch dieses Unternehmen erwischt. Links hinter einem Wohnturm taucht der majestätische Dom auf. Hinter dem Tor das Reiterstandbild König Ludwigs I, der nicht weit donauabwärts die Walhalla errichten ließ, "zum Ruhme bedeutender Persönlichkeiten deutscher Zunge". Von Regensburg aus kann man per Schiff hinfahren.

Über den Krauterermarkt geht es ruckzuck zur Donau. Kurz an den beiden Museumsschiffen vorbei. Wieder Kirchen, schöne Wohnhäuser und dann weiter Richtung Osten. Am Minoritenweg eine Verpflegungsstelle mit bester Musik vom Sonnendeck-Quintett. Die Bruderwörthstraße bringt mich zum Schwärmen. Vor der AOK steht eine Boygroup gesetzteren Alters, "Die Ruam" genannt, und macht Musik mit bayerischen Texten, die irgendwie vom Marathon handeln. Dann diese Mädels am Streckenrand, die hier viel Spaß beim Kuchenfrühstück haben. Gegenüber viele Kinder, die ungestört auf ihren Trommeln herumhauen dürfen.

Zurück auf die vierspurige Straubinger Straße. Hier hat sich manches verändert in den letzten zwölf Jahren: viele neue Wohnungen auf der rechten Seite, ein Seniorenwohnheim mit dem süßen Namen Candis. Dahinter die Reste der Fabrik Südzucker – aha, da besteht wohl ein Zusammenhang. An der Irler Höhe noch mal durch Wohngebiete. Dann fordert die Industrie ihren Tribut. Junge Mädchen bauen Menschenpyramiden. Das dazugehörige Percussion-Ensemble hat sich in den Schatten verzogen.

 

 

Es folgt ein von manchen sicher als schnöde empfundener Streckenabschnitt. Man kann hier aber auch beeindruckende Industriegebäude aus alten Zeiten sehen und dazwischen viel moderne Zweckarchitektur. Irgendwo müssen ja die Unternehmen der Sparten Automobil- und Maschinenbau sowie Elektrotechnik und Mikorelektronik hin, die in Regensburg für Arbeitsplätze sorgen. Wir besuchen jetzt erst einmal den Sponsor Continental, der hier neben Versuchslaboren auch eine Reifenteststrecke betreibt. Diese 1,3 Kilometer stehen heute uns zur Verfügung. In der Ferne kann man die Kräne am Osthafen erkennen. Die hier getesteten Reifen sind sicher nur für die Verwendung im Inland vorgesehen. Um beispielsweise italienische Straßen zu simulieren, fehlen hier eindeutig die Schlaglöcher. Spannend die Frage, ob dieser Lauf mein Konsumverhalten ändert. Aber bis zum nächsten Reifenkauf ist es hoffentlich noch einige Jahre hin. Dass ich aber endlich die Winterreifen wechsele, nehme ich mir an dieser Stelle fest vor.

Der Westen wartet. Zurück auf die Straubinger Straße. Am alten Schlachthof ein großes Neubaugebiet. Regensburg boomt. Die Preissteigerungen bei Immobilien sind noch heftiger als in München. Da ist es nur folgerichtig, dass das Immobilienzentrum  als Titelsponsor des Marathons auftritt. Das große Ostentor markiert den Beginn der mittelalterlichen Stadt. Ein gotischer Turm mit zwei achteckigen Flankentürmen. Gäbe es jetzt noch eine Zugbrücke, so wäre der Anblick perfekt.

 

 

Eines Tages kam auf diesem Wege ein Wanderzirkus in die Stadt, zu dem auch ein Tanzbär gehörte, und bezog im heutigen Brandl Bräu in der Ostengasse Quartier. Der Bär wurde im Stall untergebracht, wo üblicherweise zwei Kälber auf den Metzger warteten. In der Nacht schlich sich ein Dieb in den Hof und wollte ein Kälbchen stibitzen. Er griff in der Dunkelheit nach etwas Zotteligem und wurde kurz danach vom Bären in den Schwitzkasten genommen. Ein Zirkusmann befreite schließlich den laut Schreienden. Der Wirt war so glücklich, dass er das Tier dem Zirkus abkaufte, an die Kette legte und vom Wanderleben befreite. Was sicher auch seinem Umsatz zugute kam, denn die Geschichte sprach sich in Windeseile herum und jeder Regensburger wollte den  Bären sehen. Seitdem hieß die Gastwirtschaft werbewirksam „Zum Bären an der Kette“. Ein großes Fassadenbild aus dem Jahr 1758 erinnert noch heute an das Ereignis.

Wir kommen bei der Baustelle für das geplante „Haus der Bayerischen Geschichte" wieder an die Donau. Menschenmassen erwarten uns. Unter den Bäumen kann man die eingerüstete Steinerne Brücke sehen, Zeichen des Wohlstands der mittelalterlichen Stadt und hoffentlich nach dem Ende der Renovierung wieder Teil der Marathon-Laufstrecke. Davor die Wurstküche, der Überlieferung nach die älteste Wurstbraterei der Welt. Seit 850 Jahren versorgt sie Einheimische und Fremde mit herzhaften Spezialitäten (Läufer heute jedoch nicht).

 

 

Rechts der Brückenturm. Vor uns spielt das Duo Barthel & Kalley orientalische Weisen und dann geht es links durch ein Gässchen zurück ins sommerliche Stadtgetümmel. Vor uns eine riesige Wandmalerei. Sinnigerweise heißt die folgende Straße Goliathstraße. Rechts in einer Seitenstraße das Denkmal des Ritters Don Juan de Austria, 1547 in Regensburg geboren, außerehelicher Sohn Kaiser Karls V. und der bürgerlichen Regensburger Gürtlerstochter Barbara Blomberg. Mit drei Jahren auf Befehl des Vaters von seiner Mutter getrennt und in Spanien fremderzogen, führte er in der Schlacht von Lepanto die siegreiche Flotte der Heiligen Liga gegen die Osmanen an. Er starb mit 31 Jahren.

Vor uns das Alte Rathaus. Die vorher mobilen Reichstage fanden von 1594 bis 1806 immerwährend in Regensburg statt, so begeistert waren die Tagenden von der Stadt und dem Reichssaal. Ich freue mich da viel mehr über die fünfköpfige Kapelle "Ohne Franz", bevor es leicht bergab über den wichtigsten Platz der Stadt, den Haidplatz, geht. Auch hier einige Geschlechtertürme. Der Keyborder von "Eden Project" fordert mich freundlich auf, hier nicht rumzufotografieren, sondern endlich weiterzulaufen. Das nenne ich mal Anfeuerung.

Mit Blick auf den Eisernen Steg geht es wieder an die Donau. Die Boote der Wassersportler wiegen sich im kühlen Nass. Die Donau fließt hier durch drei Arme, wobei der nördlichste mit der Schleuse die Frachtschifffahrt aufnimmt und die Verbindung nach Kelheim zum Rhein-Main-Donau-Kanal herstellt. Wir kommen zum Weinweg, der an der Donau leicht linksgekrümmt entlang führt. Ja, nicht nur in Franken, sondern auch in Altbayern wird seit Jahrhunderten Wein angebaut. Der sogenannte Baierwein war einst wegen seiner Säure berüchtigt und wurde auch scherzhaft als "Dreimännerwein" bezeichnet: Ein Mann trinkt, schüttelt sich ob des Essiggeschmacks und muss daher von zwei weiteren Männern festgehalten werden. So stand es zumindest auf einer Infotafel. Im 17. Jahrhundert lief das Bier dem einheimischen Wein den Rang ab. Heute wird der Baierwein in Regensburg und Umgebung auf der mit 20 km kürzesten Weinstraße Deutschlands angebaut, mit schmackhafteren Rebsorten als früher und bei steigender Nachfrage. Wie es aktuell um den Säuregehalt bestellt ist, müssen wir bei einem nächsten Besuch einmal testen.

 

 

Zwei Musikgruppen weiter kommen wir zum Zielgelände. Krissi entschuldigt sich bei mir, weil sie ins Bild läuft. Keine Ursache, ich habe ein super Foto mit Marathoni und Sängerin im Kasten. Viele biegen nach rechts auf die letzten 100 Meter. Ich halte mich links für die nächste Runde und freue mich auf den zweiten Durchgang, bei dem man die schöne Stadtdurchquerung noch mal richtig genießen kann. Außerdem startet nun mein Projekt Aufholen.

Viele Zuschauer harren an der Strecke aus und alle Bands sind noch bei der Sache. Die Cafés haben sich inzwischen gefüllt. Der Gutenbergplatz soll ein kaffeetechnischer Hotspot sein. Frühstück ist angesagt. Der Kleidung der Zuschauer nach muss das heute ein sehr heißer Tag sein – nicht nur für uns, die wir ohnehin vor Anstrengung schwitzen. Eine kleine Überraschung: Am Kolpinghotel verläuft die Strecke jetzt durch einen Durchlass in der alten Stadtmauer.

Am Ostentor dann ein freundlicher Helfer, der mir die Möglichkeit offeriert, auf den Dreiviertelmarathon umzusteigen. Am Beginn meiner Laufkarriere habe ich solche Strecken geliebt, wie sie beispielsweise auch in Lienz/Osttirol angeboten wurden, da man leichter durchhält und sich die Begegnung mit dem "Hammermann" erspart. 269 Teilnehmer haben sich für diese Variante entschieden. Der Läufer mit der großen 42 auf dem Shirt, der mit mir die Tempoverschärfung mitgegangen ist, biegt auch hier ab. Ein Downgrade vom Marathon zum ¾ oder Halben ist möglich.

Im Industriegebiet feuert uns die nach eigener Aussage letzte Zuschauergruppe vor der Autobahn an. Stimmt: Die Wendestelle liegt jetzt etwas weiter hinten. Mein GPS hat einen schlechten Tag erwischt und ist schon einen Kilometer voraus. Mal sehen, wie sich das das europäsche Projekt Galileo schlägt: 2008 sollte es nach der ersten Planung funktionieren. Jetzt liest man von 2020. Wertarbeit eben, gut Ding will Weile haben.

Als Kilometerschilder dienen hier modifizierte Sicherheitsbaken. Auch ganz nett. Am Beginn der Continental-Schleife sehe ich Judith. 12 Minuten liegt sie vor mir. Die große Trommelgruppe Sarara steht jetzt direkt bei der Verpflegungsstelle. Aber bis dahin sind es ja noch 1,3 Kilometer. Dann endlich Getränke. Was gäbe ich jetzt für Eisgekühltes. Aber warmes Iso und Bananen sind ja auch nicht zu verachten. Mir kann man es einfach nicht recht machen: Vor zwei Wochen in Zürich war mir alles zu kalt.

Mein Projekt Aufholen kann ich mir abschminken. Heute ist nicht mein Tag. Ich falle in einen 7- Minuten-Schnitt. Beim Marathon ist alles möglich. Klar, dass einem da die paar Kilometer auf der langen Straubinger Straße viel länger vorkommen. Aber es gibt ja noch Verpflegungsstellen, auf die man sich freuen kann. Und man sieht wieder dieselben Zuschauergesichter. Irgendwann stelle ich mich auch mal an eine Marathonstrecke und klatsche vier Stunden lang.

Die Boygroup bei der AOK ist inzwischen in einer anderen mentalen Ebene angekommen. Wahnsinn.  Hoffentlich sagt denen jemand Bescheid, wenn der Besenwagen vorbei kommt, sonst spielen die noch am Abend.

Am Ostentor gesellen sich jetzt die Viertelmarathonis zu uns. Oder besser gesellten. Um 11:30 Uhr gestartet, ist hier 50 Minuten später bei Kilometer fünf keiner mehr unterwegs. Aber einige wenige werde ich bis ins Ziel noch einsammeln. Judith berichtet, dass sie 20 Minuten früher von den schnellere10-km-Läufern mitgezogen wurde. Super die Innenstadtdurchquerung. Jetzt fallen die unterschiedlichen Straßenbeläge auf. Richtig schlimmes Kopfsteinpflaster gibt es fast nirgends.

 

 

Keinerlei Ausfallerscheinungen bei der Musik. Und die Moderatoren haben nun Zeit, jeden Sportler einzeln vorzustellen – Marathon4you ist auch ihnen ein Begriff. An der 39-km- Verpflegungsstelle genehmige ich mir ein Kloster Weltenburger Alkoholfreies. Cola hätte es vorher gegeben. Die Besitzerin des Getränkemarkts meines Vertrauens schwört auf Weltenburger, das man ganz schwer nach München geliefert bekommt. Mit viel Schaum im Mund geht es für mich weiter. Zu guter Letzt überholt mich noch der österreichische Marathonchampion Gerhard Wally. Ja, ich freue mich wie er auch auf den Biergarten im Ziel. Und die Zuschauer warten auf mich. Ein grandioser Empfang wird mir bereitet.

Viel Platz bei der Zielverpflegung. Bier ist leider schon vergriffen. Dann halt Cola. Duschen im Westbad gleich nebenan. Warum habe ich keine Badehose dabei? Das Wasser glitzert so einladend.

Und dann ist Genießen im Biergarten neben dem Ziel angesagt. Es gibt viele Köstlichkeiten zu guten Preisen. Eine große Portion Pasta erhalten Teilnehmer am Samstag oder Sonntag umsonst. Doch leider auch hier: alkoholfreies Weltenburger ist "aus". Wir begrüßen den letzten Finisher und machen uns dann zufrieden auf die Heimfahrt. Ich komme wieder, meine 4:19 Stunden aus dem Jahr 2004 wollen unterboten werden.

 

 

Fazit:


Ein super Marathon mit viel Musik durch eine schöne Stadt. Organisatorisch nach 25 Veranstaltungen top. Der Langlaufclub Regensburg weiß, was Marathonis brauchen.


Ergebnisse:

Marathon Männer

 

1 Mittag, Thomas (GER)    02:37:25    
2 Ehrhardt, Sven (GER)    02:37:44    
3 Mayerhöfer, Felix (GER)    02:39:03

 

Frauen

 

1 Heiß, Monika (Mikki) (GER)    02:47:37    
2 Veliscu, Maria Magdalena (ROU)    03:06:28    
3 Lindholz, Stephanie (GER)        03:15:45


Finisher:

 

Marathon:         613
3/4 Marathon:        226
Halbmarathon:    2652
Viertelmarathon:    1109

12
 
 

Informationen: Regensburg Marathon
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