Und weiter geht es gen Süden. Tolle Stimmung erwartet uns vor dem modernen ÖAMTC-Gebäude bei km 27.
Kein Wunder: Hier wird eines von drei Stadtteilfesten entlang der Strecke veranstaltet. Ein launiger Streckmoderator kommentiert zu fetziger Musik das Geschehen, flotte Cheerleader-Girls zeigen viel Bein, am Verpflegungsstand herrscht Hochbetrieb. Es ist immer wieder ein tolles Gefühl, nach längeren Abschnitten relativer Ruhe auf einmal so enthusiastisch empfangen zu werden, und das nicht nur im Zentrum, sondern auch in den Randbezirken. Man spürt förmlich: Die Linzer stehen hinter ihrem Marathon. Sie lassen ihn nicht bloß über sich ergehen, sondern feiern mit. Dies ist vielleicht auch eines der Geheimnisse, warum gerade der Linz Marathon läuferisch so viel Zuspruch erhält.
Die motivierende Anfeuerung können wir gebrauchen, denn gleich danach kommt der relativ längste und steilste Brückenanstieg - nichts wirklich Schlimmes, aber doch merklich.
Ab km 28,5 wandelt sich unsere Umgebung: Die Natur löst auf den nächsten 5 km den versiegelten Stadtraum. Unsere Strecke führt durch den Wasserwald oder zumindest an ihm entlang. Ich genieße das auf den Bäumen sprießende und im Sonnenlicht leuchtende frische Grün, den Wechsel von Licht und Schatten, die entspannende Ruhe. Nur einmal wird sie durchbrochen: Beim nächsten Stadtteilfest in Kleinmünchen am südlichsten Punkt der Strecke. Aber das fällt wiederum in die Kategorie “willkommene Abwechslung”.
Mitten im Wald darf ich bei km 33 die einsamste, aber gleichzeitig gefühlvollste Music Mile erleben: Die “Movie Mile”. Auf einer Distanz von etwa einem halben Kilometer sind zahlreiche Lautsprecherboxen in regelmäßigen Abständen aufgebaut. Als wäre es vorbestellt, ertönt eine meiner höchstpersönlichen Laufhymnen: “Chariots of Fire” von Vangelis. Unwillkürlich muss ich an den Comrades Marathon in Südafrika denken, wo dieses Lied traditionell den Start einleitet. Wer diesen Start einmal erlebt hat, wird diese Stimmung nie vergessen .... Ungern lasse ich dieses wunderbare Wegstück hinter mir und kehre ins Hier und Jetzt eines City Marathons zurück.
Kurz darauf ist unsere Runde durch den Wasserwald beendet. Es geht zurück in Richtung Innenstadt. Bei km 35 dürfen wir ein weiteres Mal die Brücke überqueren, mit der wir schon bei km 27 das Vergnügen hatten, nur jetzt in umgekehrter Richtung. Ist sie in der Zwischenzeit tatsächlich höher und länger geworden? Dahinter erwartet uns nochmals das schon bekannte Straßenfest, verstärkt durch den Pulk der wartenden Schlussläufer der Marathonstaffeln.
Mir fällt auf, dass die Staffelläufer nun eindeutig das Läuferfeld dominieren. Man merkt es nicht nur an der andersartigen Startnummer, sondern auch am frischeren Antritt. Nicht wenige Jugendliche sind dabei. Ein kleiner Steppke mit “Messi”-Shirt fällt mir auf. Er läuft eine ganze Weile vor mir her. Alle Achtung, denke ich mir noch, dass so ein Kleiner hier in der Staffel mitläuft und mithalten kann. Als ich langsam an ihm vorbei ziehe, traue ich meinen Augen nicht: Er trägt auf der Brust eine grüne Marathonnummer. Das kann nicht sein, denke ich nur, da hat sich wohl jemand einen Gag erlaubt - und ziehe weiter. Später im Ziel werde ich eines Besseren belehrt werden: der 12-jährige Christian Slawiczek finisht in 3:35:07. Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll: Es ist einfach unglaublich und bewundernswert - einerseits. Andererseits denke ich mir: Sind die Eltern ganz bei Trost, ein Kind Marathon laufen zu lassen?
Mit dem km 36 treten wir erneut in die Strecke ein, die wir bereits von der ersten Streckenhälfte ab km 15 kennen. Das ist nicht von Nachteil. Noch einmal legen wir den abwechslungsreichen Zickzackkurs durch die Innenstadt zurück. Am abgesperrten Pfarrplatz bei km 40 ist nun die Hölle los: Hierhin werden die Läufer nach dem in Luftlinie gerade einmal 150 m entfernten Einlauf zur Zielverpflegung geleitet. Ich muss mich allerdings noch ein wenig gedulden und erst einmal die Schlusskilometer bewältigen.
Kilometer 41: Wieder biegen wir ein in die lange Zielgerade auf der Landstraße. Noch einmal lassen wir uns von der anhaltend fantastischen Stimmung tragen, die zunimmt, je näher das Ziel rückt. Der letzte Kilometer wird dem Läufer in Linz leicht gemacht. Man wird förmlich ins Ziel getragen. Selten habe ich bei einem Marathon einen dermaßen emotionsgeladenen Schlusskilometer erlebt. Wie oft habe ich das Ende des letzten Marathonkilometers herbei gesehnt. Hier nicht. Fast schon bedauere ich, als sich auf einmal der Linzer Hauptplatz vor mir öffnet. Pastelfarbene Barock- und Rokokofassaden säumen den repräsentativen, langgezogenen Platz, in seinem Zentrum überragt durch die riesige Dreifaltigkeitssäule. Zum Marathonfinale sind hohe Tribünen für die Zuschauer beidseits des Zieleinlaufs errichtet worden, zudem eine große Bühne mit public viewing-Leinwand, diverse Zelte. Tausende bevölkern den Platz und feiern die Ankömmlinge. Was für eine Szenerie! Ich fliege ins Ziel ....
Medaillendekoriert werden wir zum nahen Pfarrplatz dirigiert, wo in einem für die Läufer abgesperrten Areal die Zielverpflegung u.a. Leckereien wie kühles Bier, kalten Milchkaffee, Kuchen und heißen Tee bereit hält. Ein fesches Finisher-“Leiberl” gibt es obendrein. Lange hält es mich hier aber nicht. Mich zieht es zum Stimmungtanken zurück auf den Hauptplatz. Aus der Zuschauerperspektive lasse ich das Ziel und das letzte Streckenstück nochmals auf mich einwirken. Bezeichnenderweise wird auch den später Eintrudelnden ein stimmungsvoller Empfang bereitet. Das vergessen die Läufer nicht - und kommen gerne wieder zum Lauf durch Linz.
Männer
1 Machichim Nixon KEN Top Sport 2:09:37
2 Keiyo Josephat KEN Top Sport 2:11:45
3 Pröll Martin AUT SK VÖEST 2:20:14
Frauen
1 Stublic Lisa-Christina HRV Athletic Club Zagreb 2:30:46
2 Vilisova Tatiana RUS Top Sport 2:40:41
3 Mravlje Neza SVN 3iron 2:44:00
1006 Finisher