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Laufberichte

Schon cool, die Österreicher

 

Ich bin meinem großen Ziel, einhundert gelaufene Marathons, sehr nahe  und will bis dahin meiner Sammlung noch ein paar Marathons hinzufügen, die ich bisher nicht gelaufen bin.  So zum Beispiel den Donau Marathon in der oberösterreichischen Hauptstadt Linz, der in den vergangenen Jahren von M4Y-Leserinnen und Lesern regelmäßig zum beliebtesten Marathon Österreichs gewählt wurde.

Die Geschichte von Linz geht zurück bis in die Römerzeit. Um die Verbindung über die Donau abzusichern, legten die Römer schon Mitte des ersten Jahrhunderts hier ein Kastell an. Lentia, so nannte man damals Linz, wurde nach dem zweiten Jahrhundert mehrere Male durch Einfälle der Germanen zerstört. Ab dem Mittelalter wurde Linz immer bedeutsamer. Der Hauptplatz, das Ziel des Linz Marathons, wurde 1230 angelegt. 1490 wurde Linz schließlich erstmals als oberösterreichische Hauptstadt bezeichnet und der Stadtrat erhielt das Recht einen Bürgermeister, sowie einen Stadtrichter zu wählen. Kaiser Maximilian I schließlich erlaubte den Bau einer Brücke über die Donau, die seinerzeit nach Wien und Krems erst die dritte Donaubrücke in Österreich war.

Heute ist Linz mit 205.000 Einwohnern nach Wien und Graz die drittgrößte Stadt Österreichs. Seit 2002 gibt es den Donau Marathon. Etwas über 1500 Finisher konnte die Marathonpremiere aufweisen. Beim Halbmarathon waren es gut 2600. Die Zahlen haben sich bis heute beim Marathon bei 900 und bei 4000 beim Halbmarathon eingependelt. Dank der zusätzlich hinzugekommenen Wettbewerbe im Staffelmarathon, Viertelmarathon, einem Inline-Wettbewerb und natürlich eines Kinder- bzw. Jugendlaufs zählt man inzwischen rund 20.000 Teilnehmer beim Oberbank Linz Donau Marathon, wie er offiziell heißt.

 

 

Nicht nur aufgrund der Entfernung mache ich mich schon am Samstag gemeinsam mit Charly und Iris auf den Weg nach Linz. Die Abholung der Startunterlagen ist aus organisatorischen Gründen nur am Freitag und Samstag möglich. Daher führt uns unser erster Weg auch direkt zur Tipsarena, einer Indoor-Sporthalle direkt neben dem Linzer Stadion. Die Anfahrt verläuft reibungslos, lediglich die Parkplatzsuche gestaltet sich am Ende etwas schwierig. Der Parkplatz der Tipsarena ist wegen Überfüllung bereits gesperrt, weshalb wir uns im näheren Umkreis einen Stellplatz suchen müssen. Schließlich werden wir fündig und begeben uns in die Halle. Eine große Marathonmesse ist aufgebaut und lädt zum Bummeln ein. Die Startnummern und das gut bestückte „Startersackerl“ haben wir schnell in Händen.

Dann erkunden wir etwas die Stadt und schauen uns schon mal einige Plätze an, die am Marathontag wichtig sind, um unnötigen Stress zu vermeiden. Die Abgabemöglichkeit für die Wechselkleidung finden wir im Brucknerhaus und die Duschmöglichkeiten im benachbarten Parkbad. Auch den Ziel- und Verpflegungsbereich können wir ausmachen. Der Marathon kann kommen. Nach einem gemeinsamen Abendessen verziehen wir uns rechtzeitig auf unsere Zimmer, um möglichst ausgeruht an den Start gehen zu können.

 

 

Es ist so weit, im Brucknerhaus kämpfen wir uns durch das Gewühl der Teilnehmer und können unsere Wechselklamotten abgeben. Alles wirkt etwas chaotisch, weil sich wegen der fast winterlichen Temperaturen kaum jemand nach draußen traut.

Der nächste Weg führt uns zur VOEST-Brücke. Dort werden um 09:30 Uhr der Marathon, die Staffel, sowie der Halbmarathon gestartet. Für mich ist das schon jetzt ein Highlight, denn die Lokation ist einzigartig. Es handelt sich um eine Autobahnbrücke, von der aus man tatsächlich auf die Autobahn bis zur nächsten Abfahrt läuft. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, dass die Bundesautobahn A7 zwischen zwei Anschlussstellen für mehrere Stunden komplett gesperrt werden muss. Schon cool, die Österreicher.

 

 

Es gibt zwei Zugangsbereiche. Die Halbmarathonis stellen  sich auf der Auffahrtspur zur Autobahn auf, wir Marathonis und die Staffelläufer auf der Ausfahrtsspur, beide getrennt durch die Mittelleitplanke. Vor dem Startbogen wird schon mal ordentlich Stimmung gemacht und die Läuferschar für den bevorstehenden Lauf aufgewärmt. Ruhiger wird es erst gut fünf Minuten vor dem Start, als die österreichische Nationalhymne erklingt. Dann brandet Applaus auf und die Spitzenläufer, nahezu allesamt aus Kenia, Äthiopien und Eritrea, werden vorgestellt. Ein Olympiasieger ist auch dabei: Brimin Kiprop Kipruto aus Kenia, der 2008 in Beijing Gold über die 3000 Meter Hindernis holte, will sich heute erstmals im Marathon versuchen und liebäugelt mit einem Sieg. Schon mal vorweg: Daraus wird nichts, die Konkurrenz ist zu stark. Und nur nicht vergessen: Heute ist Linz zum ersten Mal Austragungsort der  Österreichischen Staatsmeisterschaften  im Marathon.

Jetzt aber los. Auf der Autobahn geht es für uns erst mal in Richtung Prag, wie ich auf einem Hinweisschild über der A7 erkennen kann. Das Läuferfeld setzt sich zügig in Bewegung. Klar, eine Autobahn nimmt das Läuferfeld locker auf. Mein Blick schweift immer wieder durch das Teilnehmerfeld. Mal schauen, ob ich jemanden erkenne. Und siehe da, es sind einige Bekannte am Start, unter denen der Pumuckl der vielleicht prominenteste ist. Er ist in Linz Stammgast und hat heute eine große Truppe an Kostümierten um sich geschart, um wieder für Stimmung auf der Strecke zu sorgen. Als wir ganz „zufällig“ auch noch Michel (mit dem Klapprad) treffen, gibt es ein lautes Hallo. „Greppi! Ich brauch ein Gruppenbild!“ Der Wunsch von Dietmar „Pumuckl“ Mücke ist mir Befehl. Ich treffe Dietmar heute noch öfters und jedes Mal revanchiert er sich mit einem Bier. Er ist bekannt in Linz und wird gut versorgt.

 

 

Ich trabe weiter, bis wir die Autobahn nach zweieinhalb Kilometern verlassen.  Auf der Freistädter Straße werden Marathonis und Halbe zusammengeführt. Das Läuferfeld ist dicht, aber nicht eng.  Man kann gut sein Tempo laufen. Erste Zuschauer haben sich eingefunden und applaudieren uns. Ich laufe hinter vier vielleicht zwölfjährigen Mädels her. Ok, es sind Staffelläuferinnen. Trotzdem finde ich es bemerkenswert. Vielleicht macht es ihnen so viel Freude, dass sie dem Laufsport treu bleiben und irgendwann einen ganzen Marathon laufen.  

Weiter geht es über die Nibelungenstraße, hier wartet ein kleiner Anstieg auf uns. Die Strecke ist unspektakulär, trotzdem macht es mir Spaß, in einem so großen Feld zu laufen. Die Stimmung unter den Läufern ist prächtig und Publikum, das für jeden Spaß zu haben ist, gibt es auch. Wir laufen über  die Nibelungenbrücke und lassen die nördliche Donauseite und somit den Stadtteil Urfahr hinter uns. Links von uns ist die VOEST-Brücke zu sehen. Auf der Unteren Donaulände geht es nun weiter, wir sind bei Kilometer 10. Die Umgebung hier mir vertraut, wir passieren das Bucknerhaus, wo sich mein „Sackerl“ bis zur Abholung noch etwas gedulden muss.

 

 

Wir laufen durch typische Wohngebiete, immer wieder von Zuschauergruppen angefeuert. Die Zeit wie im Fluge. Ich bin bei Kilometer 18, Hubschrauber rattert über mir. Nein, an mir hat das ORF kein Interesse, eher schon an der Spitzengruppe, die uns gleich überrunden wird. Zunächst passiert ein Polizeimotorrad den Läufertross, gefolgt von einem Streifenwagen. Wir werden aufgefordert, links zu laufen. Irrsinn, ich bin wie gesagt, gerade mal bei Kilometer 18 und die Jungs da vorne folglich bei Kilometer 39. Kurz darauf fliegen die beiden Führenden auch schon an mir vorbei. Nur kurz kann ich ihren genialen Laufstil und die scheinbare Leichtigkeit bewundern, mit der sie einer Zielzeit von unter 2:10 Stunden entgegenlaufen. Gleich bin ich bei km 20 und ebenfalls auf der Zielgeraden in der Fußgängerzone. Allerdings geht es für michgleich links ab auf eine weitere 21km-Schleife.

Nicht Kaiserstraße oder Königsallee heißt die Fußgängerzone in Linz, sondern ganz einfach Landstraße. Sie führt direkt zum Hauptplatz und ist mit ihren vielen historischen Gebäuden rechts und links ziemlich spektakulär.  Dazu kommen die vielen Zuschauer, die mächtig Stimmung machen.  Der Olympiasieger trabt in relativ gemütlichem Tempo an mir vorbei. Er hat sich offensichtlich übernommen und will seinen ersten Marathon in Ehren zu Ende bringen. Ich genieße die wenigen Sekunden, die ich an seiner Seite habe und biege dann, kurz bevor er ins Ziel einläuft, nach links ab.

 

 

Durch ein paar Gassen schlängeln wir uns nun wieder raus aus der Innenstadt.  Nur noch wenige Marathon- und Staffelläufer sind um mich rum. Wieder geht es durch Wohn- und Industriegebiete in Richtung Bahnhof. Gerhard Wally, mit über 650 Marathons Österreichischer Marathon-Rekordmann, kann ich vor mir erkennen. Nach einer Knieverletzung ist er offenbar wieder im Einsatz. Wir tauschen ein paar Worte, dann läuft wieder jeder seinen eigenen Trott.

Bei Kilometer 25 haben wir eine etwas längere Begegnungsstrecke vor uns. Charly kommt mir entgegen. Er ist noch deutlich vor dem 4:15h-Pacer, hat sich also etwas vorgenommen. Ich merke, dass es nun etwas zäh wird und laufe eine Zeitlang direkt vor dem 4:45h-Pacer. Als der Pumuckl vor einer Kneipe mit seinen „Edelfans“ mit einem Frischgezapften lockt, lasse ich den Pacer ziehen.

Bei 30 Kilometer komme ich mit dem jungen Robin aus Linz ins Gespräch. Er läuft seinen ersten Marathon, erzählt mir aber von einer 2400 km langen Wanderung durch den Grand Canyon und einer mehrtägigen Wanderung über den Mont Blanc. Ich bin beeindruckt. Gut sechs Kilometer laufen wir miteinander, dann setze ich mich etwas ab. Nur noch sechs Kilometer. Ich will das Ding jetzt zu Ende bringen.

Die letzten Kilometer sind mit denen der ersten Runde identisch. Ich kenne mich also aus und setze mir kleine Etappenziele. Das funktioniert ganz gut, ich komme schneller als gedacht voran. Als ich schließlich wieder in die Fußgängerzone einbiege, bin ich überrascht. Hier ist immer noch die Hölle los.  Ich bekomme jede Menge Applaus, lasse es nochmal richtig krachen und erreiche das Ziel auf dem Hauptplatz, der einer Arena gleicht. Es ist einer der größten Plätze in Österreich, und die Dreifaltigkeitssäule in seiner Mitte das Wahrzeichen von Linz. Große Tribünen, der gewaltige Zielbogen und eine riesige Videowand bilden am Marathontag den Mittelpunkt.  Der Zieleinlauf ist sehr beeindruckend, die Stimmung einfach gigantisch. Linz feiert seinen Marathon. Ich hole mir meine Finisher-Medaille ab. Die Goldene ist alleine den Marathon-Finishern vorenthalten.

Nachdem ich erst mal durchgeschnauft habe, begebe ich mir durch eine Seitenstraße auf den Pfarrplatz. Dort gibt es die Zielverpflegung. Zusammen mit Gerhard, der eben auch eingetroffen ist, will ich mir mein Finisher-Shirt holen.  „Gib dem Greppi bitte ein XL“, witzelt Gerhard. Die Dame fasst mir fachkundig an den Bauch und grinst: „Da duads a L, des basst scho …“  Und ausdiskutiert ist.  Eine Plastikfolie brauche ich aber nicht. Da gibt es Widerspruch: „Geh her, ich streiffs da üba und a Ruah is …“. So sind sie, die Oberösterreichischer. Gegen ihren Charme ist man machtlos. Mit meinem Finisher-Shirt Größe L, einem weißen Plastiksack und einem Gösser verziehe ich mich auf eine Sitzbank.

 

Informationen: Oberbank Linz Donau Marathon
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