marathon4you.de

 

Laufberichte

An der Lahn die Seele baumeln lassen

15.07.06

Alle Höhenmeter (ca. 100 gefühlte) bereits vor dem Lauf bezwungen

 

Marburg ist allgemein bekannt durch seine berühmte Tochter, die Landgräfin Elisabeth von Thüringen, Tochter des Königs Andreas II. von Ungarn. 1221 wird sie im Alter von 12 Jahren mit Ludwig IV. von Thüringen verheiratet. Nach dessen Tod verlässt sie im Jahr 1228 die Wartburg und nimmt mit 21 Jahren in Marburg, am äußersten Rand der Landgrafschaft, ihren Witwenwohnsitz, errichtet dort ein Hospital, wo sie bis zu ihrem Tod im Alter von 24 Jahren Kranke pflegt. Zu ihren Ehren wird kurze Zeit später die Elisabethkirche errichtet, die früheste reingotische Kirche Deutschlands.

 

Diese Kirche und insbesondere das Landgrafenschloss, umrahmt von sommerlichem Grün, ergeben die malerische Kulisse, die inmitten eines farbenprächtigen Sonnenunterganges die Blicke der Marathonläufer/innen während des Nachtmarathons magisch anzieht. Schon dafür lohnt es sich in Marburg zu starten.

 

Und auch sonst lernt man Marburg von seiner historischen Seite kennen. Denn die Startnummernausgabe befindet sich im Jahnstadion, der Start traditionell aber auf dem gut einen Kilometer entfernten Marktplatz in der Oberstadt mit seinem spätgotischen Rathaus. Krumm, schief, buckelig, verwinkelt, steil und etwas geheimnisvoll, wie schon seit Generationen von Studenten beschrieben, liegt die Altstadt da mit ihren engen Gassen.

 

Ja, auch steil, aber die gute Nachricht zum Marathon in Marburg ist, dass der Teilnehmer alle Höhenmeter (ca. 100 gefühlte) bereits bezwungen hat, bevor der Lauf beginnt. Für denjenigen, der knapp timt, kann der Kilometer zum Start aber ein Sprint von bleibender Erinnerung werden. So wird sicher auch der Halbmarathon-Neuling gedacht haben, der 5 Minuten vor dem Start bei der Startnummernausgabe nach dem Weg zum Marktplatz fragte und mich etwas irritiert ansah, als ich sagte, dass wir noch rechtzeitig zum Start da sein werden, wenn wir Gas geben. Aber der erste Halbmarathon ist schließlich immer etwas Besonderes, so auch in Marburg. Es blieb dann sogar noch eine Minute zum Verschnaufen, bevor Marburgs Oberbürgermeister Vaupel die Strecke freigab.

 

Vom Marktplatz führt die Strecke Richtung Wilhelmsplatz, weiter Richtung Rudolphsplatz, von dort Richtung Elisabethkirche, vorbei am Museum Anatomicum Richtung Wehrda. Nach etwa  Kilometern wird die Lahn überquert und es geht über den Lahntalradweg zurück in die Stadt. In den Lahnauen wird gegrillt oder man relaxt einfach nur, von den Läufer/inne/n wird kaum Notiz genommen. Kurz vor dem Ziel, nach ca. 11 Kilometern, wird die Lahnseite über eine Holzbrücke wieder gewechselt, und es beginnt ein weiterer Rundkurs von gut 10 Kilometern Richtung Gisselberg, Steinmühle, Cappel und über den Lahntalradweg wieder zurück zum Stadion.

 

Drei Mal laufen die Marathonis diesen Rundkurs, aber langweilig wird es trotzdem nicht. Beim ersten Mal sind die Halbmarathonläufer noch dabei, es ist noch recht warm, doch die Temperaturen sinken von Runde zu Runde spürbar. Richtig angenehm ist es in der letzten Runde. Und jedes Mal werden die Läufer/innen von einem berauschenden Duft aus Klee, Sommerlinden und Korn begleitet. Auf der letzten Runde strahlt außerdem das Landgrafenschloss.

 

Wer keine Zuschauermassen benötigt, um auf Trab zu kommen, sondern eher die Sommerlandschaft genießen möchte, ist hier richtig. Der Lauf an der Lahn ist für mich - jedenfalls im Wohlfühltempo bei herrlichem Sommerwetter wie in diesem Jahr -  wie ein Kurzurlaub. Und das Schönste: Nach dem Lauf steht noch das ganze Wochenende zur Verfügung. Eine sehr angenehme Begleiterscheinung des Freitagstermins!

 

Viele Läufer/innen kommen aus der näheren Umgebung. Einer von ihnen ist Michael Miowitz aus Gießen, der dieses Mal nur den Halbmarathon läuft und in 1:41:43,8 finisht. Er erzählt von der Hitzeschlacht an der Loreley vor vier Wochen, die er ganz gut gemeistert hat. Aber heute reicht ein Halber. Er würde gern öfter Wettkämpfe laufen, aber seine beruflichen Einsätze in Fernost zur besten Monsunzeit erleichtern das Training nicht gerade.

 

Bei den Halbmarathonis fällt in der AK M45 ein Verein auf: Der SV Dodenhausen, Ausrichter des winterlichen Drei-Berge-Laufes durch den Naturpark Kellerwald in Nordhessen (über 900 HM, ca. 28 km). Rang 1 belegt Werner Aue mit 1:20:54,2, Rang 2 Ernst-Ludwig Engelmohr mit 1:22:01,2, Rang 3 Dieter Kotte mit 1:22:44,5. Und auch Rang 4 geht an einen Läufer aus Dodenhausen: Klaus Kirchner finisht in 1:22:01,2.

 

Highlight auf der Halbmarathonstrecke ist der packende Zweikampf zwischen Lea Bäuscher aus Gießen und Meike Wallow aus Marburg. Durch optimale Laufeinteilung gelingt es der bisherigen Streckenrekordhalterin Lea Bäuscher ihren alten Rekord um mehr als 5 Minuten auf 1:26:13,9 zu verbessern und Platz 1 mit etwas mehr als einer Minute Vorsprung zu sichern.

 

Seinen ersten Marathon bestreitet Waldemar Wiesner aus Treysa. Wenn er in einer Zeit unter 4:30 h ins Ziel kommt, wartet auf ihn eine neue Laufausrüstung. Er finisht in 3:49:02. Gratulation! Leider habe ich vergessen, nach dem Namen des Sponsors zu fragen.

 

Sichtlich zufrieden präsentierte sich auch der Marathon-Sieger, Kai-Uwe Bodenstein aus Meinerzhagen, der in 2:49:46,8 finishte. Er war von Anfang an vorn und hat keinen Mitstreiter gesehen. Eigentlich ist er eher ein 100 km-Läufer, er hat sich „heruntergearbeitet“ bis zum Marathon. Seinen nächsten Marathon wird er in Köln laufen, allerdings als Fun-Lauf und nicht allein: Er wird als Kopf einer fünfgliedrigen Raupe starten. Alle 5 Läufer werden die ganze Strecke laufen und wollen die Raupe in 3:20 h ins Ziel bringen.

 

Michael Peters, der Drittplatzierte, kommt aus Köln und freut sich, nach über einem Jahr mal wieder einen Marathon unter 3 h gelaufen zu sein. Er konnte während des Laufes noch an drei Läufern vorbeiziehen.

 

Bei der Siegerehrung fällt Karl-Heinz Weil aus Staufenberg auf. Nach langer Zeit ist er wieder aktiv dabei und wird als 62jähriger mit einer Zeit von 3:33:10,9 Erster in der AK M60. Letztes Jahr lief er in Berlin den Marathon in 3:25 h. Und davor? 20 Jahre Pause. Er ist vielfältig sportlich aktiv und hat jetzt die Zeit zu trainieren, die ihm im Berufsleben fehlte. 81 Laufkilometer kommen im Durchschnitt in der Woche zusammen. Seinen ersten Marathon hat er 1978 in Gießen in einer Zeit von 3:11 h bestritten, seine Marathon-Bestzeit erzielte er 1981 in Kandel mit 2:44. Insgesamt lief er 22 Mal unter 3 h und 12 Mal unter 2:50 h. 100 km legte er in 7:46 h (Winschoten NL 1981) und 8:05 h (Biel 1982) zurück. Und in Arolsen finishte er 1982 in 2:56 h.

 

Dann zeigt er stolz seine Startkarte für den Ironman  auf Hawaii von 1984, die er immer bei sich trägt. Den Zieleinlauf hat er hier nach 12:45 h geschafft, es sollte der letzte große Auftritt für lange Zeit sein. Aber jetzt ist er wieder dabei, nicht verbissen sondern mit Spaß. Und bei den diesjährigen Deutschen Meisterschaften im 100 km-Lauf in Hanau hat er sich auch schon sehen lassen, wenn auch nur als Zuschauer. Es juckt ihm in den Fingern. Man darf gespannt sein.

 

Und dann gibt es einen, der alles irgendwie noch toppt: Horst Preisler aus Hamburg lief mit fast 71 Jahren seinen 1.430sten Marathon. Die Zeit (4:43:29,6) spielt für ihn eigentlich keine Rolle. Er ist bescheiden geblieben. Laufen ist einfach seine Berufung. Er läuft nicht nur, er macht etwas daraus: Er möchte jeder/jedem mit auf den Weg geben: „Lauf 5 mal in der Woche 5 Kilometer, und du tust aktiv etwas für deine Gesundheit!“ Er nutzt seine Popularität in Läuferkreisen für karitative Zwecke. Und mit voller Überzeugung spricht er vom Laufen als der größten Friedensbewegung auf der Welt. Er hat einen Traum: Dass die Präsidenten Bush und Putin mal zusammen Marathon laufen. 

 

Fazit: Der Marburger Nachtmarathon ist ein gut organisierter Marathon, an dem es nichts zu beanstanden gibt. Er hat mehr als 145 Finisher verdient.

 

Informationen: Nachtmarathon Marburg
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024