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Laufberichte

Bericht eines Chronisten

 

Bereits zum 52. Mal findet der Essen Marathon statt und damit ist er einer der ältesten Marathons in Deutschland. Der älteste kontinuierlich durchgeführte ist er allemal. Und er ist fast so alt wie ich.

Für michist es erst die sechste Teilnahme, die erste liegt 33 Jahre zurück. Viel hat sich nicht geändert, auch wenn die Strecke ab und zu leicht modifiziert  wurde. Aber in zwei Runden um den See ging es für mich immer schon. Für noch ältere Chronisten sei angemerkt, dass der Lauf erst seit meiner ersten Teilnahme im Jahre 1981 um den Baldeneysee geht. Das reicht jedoch nur für gut 37 km. Deshalb hat der Veranstalter, TUSEM Essen, in der ersten Runde eine Wendepunktstrecke auf der Wuppertaler Straße eingerichtet.

Auch wenn es um den See geht ist die Veranstaltung „unverwässert“, denn es gibt keine kürzeren Distanzen, was für mich bedeutet: Wenn ich überholt werde, dann sind es schnelle Marathonläufer und keine Halbmarathonis.

Bis 1988 fand der Lauf samstags statt. Samstags ist jetzt die Pastaparty, was einem die Möglichkeit gibt, sich die Startunterlagen schon am Vortag abzuholen und sich mit Freunden und Bekannten zu verabreden.

Also Strecke war klar, das Wetter jedoch ist Anfang Oktober immer mit einem Fragezeichen zu versehen – doch in diesem Jahr haben wir Glück. In einer recht wechselhaften Phase haben wir tatsächlich ein kurzes Sonnenfenster erwischt. Morgens war es mit 11 Grad schon ganz angenehm, später stieg das Thermometer auf bis zu 20 Grad.

Seit 2006 fungiert der Hauptsponsor RWE auch als Namensgeber. Dennoch bleibt, wie schon seit den Anfängen 1963, die Organisation der Veranstaltung mit über 2500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in den bewährten Händen des TUSEM Essen. Dank langjähriger Erfahrung, ehrenamtlichem Engagement und sportlichem Enthusiasmus unter der Regie von Gerd Zachäus ist diese hochkarätige Laufveranstaltung, die trotz der Größe ihren familiären Charakter behalten hat und auf jeden Schnickschnack verzichtet, immer wieder ein Erlebnis.

Der Weg  zur Startunterlagenausgabe ist länger als früher. Da waren es halt noch weniger Teilnehmer und es gab mehr Fahrgemeinschaften. Im Vergleich dazu haben sich die  Teilnehmerzahlen doppelt und die Zahl der Autos vervierfacht. Daher habe ich gut 2 km Fußweg. Das erspart mir natürlich das „Warmlaufen“.

Auch wenn Essen eine Metropole im Ruhrgebiet ist –  der Marathon „Rund um den Baldeneysee“ ist alles andere als ein City-Marathon. Die landschaftlich reizvolle Strecke gilt als eine der schönsten in Europa und bietet neben Natur pur auch eine Menge industriekultureller Highlights. Sie ist für Marathonneulinge, Breitensportler und Hobbyläufer bestens geeignet. Aber nicht nur sie kommen voll auf ihre Kosten: besonders die flache, schnelle Strecke lockt seit jeher Spitzenläufer an den Baldeneysee. Keine Weltrekorde – aber nicht zufällig wurden hier 2003 und 2006 von Carsten Schütz und Mario Kröckert jeweils Deutsche Jahresbestzeiten im Marathon gelaufen.

Der Name Baldeneysee stammt übrigens daher, dass erste Planungen das Stauwehr in Höhe des Schlosses Baldeney im Ortsteil Baldeney vorsahen (wir kommen übrigens bei km 23 an der Ruine vorbei). Da sich dieses Vorhaben wegen zu geringen Gefälles und daher zu geringer Stromausbeute als unwirtschaftlich herausstellte, entschied man sich, das Stauwehr weiter flussabwärts bei Werden zu errichten. Dort entstand zwischen Juli 1931 und März 1933 in Werden das Ruhr-Stauwehr. Von dort erstreckt sich der Stausee heute bis zur Kampmannbrücke.

Also ideale Voraussetzung auch für mich, mal etwas zügiger zu laufen. 1981 lief ich hier noch deutlich unter 4 Stunden, aber das ist lange her. Naja, mal schauen wie’s „läuft“.

Mehr als 1500 Starter freuen sich, als es pünktlich losgeht. Der Essens Oberbürgermeister und der Vorstandsvorsitzende der RWE geben gemeinsam den Startschuss. 15 Minuten später starten an gleicher Stelle knapp 220 Staffeln. Essen richtet in diesem Jahr auch wieder die Westdeutschen Marathonmeisterschaften aus, was natürlich schnelle Läuferinnen und Läufer anzieht. Das Feld ist daher nach knapp 3 km in Essen-Werden am Westende des Sees schon recht weit auseinander gezogen. Am Stauwehr haben wir dann erstmals schöne Aussichten auf und über den See. Die Strecke ist vollkommen asphaltiert, was dem Ruf als schnelle Strecke entgegenkommt. Weniger ambitionierte Läufer kommen durch die herrlichen Ausblicke, alte Industriebauten und viele Wasservögel, wie Haubentaucher, Schwäne, Graugänse und jede Menge Enten, auf ihre Kosten. Und das mitten im Ruhrgebiet.
In Werden fallen besonders die Kirchen (z.B. die Luciuskirche) auf und auch das Haus Heck, ein ehemaliger größerer Wohnbau mit Turm aus dem 11. Jahrhundert, der im 16 Jhr. zerstört und 200 Jahre später in seiner heutigen Form wieder aufgebaut wurde. Heute gehört er der evangelischen Kirche.

Kurz danach ist die Schleuse Neukirchen erreicht, von der aus wir schon das Stauwehr sehen können. Ein kleiner Anstieg, dann am Stauwehr vorbei und wir sind am Baldeneysee. Bei km 7 erkennt man die Strecke der Hespertalbahn, die eine historische Normalspurbahn mit Dampflokbetrieb zwischen dem Alten Bahnhof Kupferdreh und Haus Scheppen ist. Früher war sie eine Schmalspurbahn mit Pferdebetrieb und erschloss zunächst diverse Erzgruben, ab 1877 die Zeche Pörtingsiepen. Der Ausbau eines Teils der Strecke zur Normalspur erfolgte 1918. Seit 1973 ist sie geschlossen, der Verein zur Erhaltung der Hespertalbahn betreibt sie als Museumsbahn. Die Höchstgeschwindigkeit der Bahn beträgt 15 km/h. Das ist genau das Tempo, das ich bei meinem ersten Marathon hier an dieser Stelle lief. Heute sind Lok und ich älter und nur die Lok hat ihr Tempo gehalten.

Bei km 8 am VP passieren wir das Haus Scheppen. Es  ist ein ehemaliger, adliger Lehnshof der Abtei Werden im Essener Stadtteil Fischlaken. Mit vielen Unterhöfen gehörte der Hof im Mittelalter zu den größten Werdener Lehnsgütern. Seine Namensgeber waren die Herren von Scheppen. Hier mündet auch der an Hesperbachs in die Ruhr, bzw. heute den Baldeneysee.

Die Verpflegungsstellen sind hervorragend organisiert und mit Wasser, Tee, Iso, Cola und Bananen sehr gut und reichhaltig ausgestattet. Viele Musikkapellen, Percussion- und Trommelvereine sorgten für zusätzlichen Ansporn.

Hervorragend geregelt sind auch die vielen Brems- und Zugläufer, die mit jeweils 15-minütigen Zielzeitintervallen auf der Strecke sind sich über großen Zuspruch freuen. Unter ihnen sind auch Conny Bullig, mehrfache Weltrekordhalterin in Ihrer Altersklasse im 48 Stundenlauf und Peter Wasser, der Organisator vom Kevelaer Marathon. Und ganz viele andere Bekannte.

Am östlichen Seeende bei Km 12 (und später wieder bei km 35) überqueren wir die 1951 erbaute Kampmannbrücke. Heute ist sie baufällig und nur noch einspurig befahrbar und deshalb auch nicht mehr als eine Nebenstrecke zwischen den beiden Stadtteilen Heisingen und Kupferdreh.

Hier geht es in der ersten Runde auf das 3 km lange Wendepunktstück, also hin und zurück 6 km mit Begegnungsverkehr. Man grüßt sich und klatscht sich ab. Man kennt sich eben. Am Halbmarathonpunkt überrundet mich der spätere der Sieger Daniel Schmidt. Daniel ist übrigens bei mir im Orgateam des Röntgenlaufes engagiert.
Bei km 23 passieren wir den Seaside Beach Club, das ehemalige Freibad, das bei meinem ersten Baldeneysee Marathon noch offen war, 1984 aber geschlossen wurde. Dort gibt es jetzt einen Sandstrand, Palmen, Wiesen, Beach-Volleyballfeldern, eine Surfschule und eine Cocktailbar. Das Baden im Baldeneysee verbieten europäischen Qualitätsnormen für Badegewässer. Deshalb laufen wir ja auch drum herum und nehmen nicht die Abkürzung durch den See. Der misst an der breitesten Stelle nur 355 m.

Die zweite Runde kann man noch mehr genießen, denn es ist etwas ruhiger geworden. Nur der Wind hat etwas zulegt. Die Verpflegungsstände nutze ich ewas intensiver, man weiss ja nie.  Ich erinnere mich an meinen ersten Essen Marathon, als ich trotz meiner guten Zeit am Schluss vor abgebauten Verpflegungsstellen stand. Keine Angst, dass passiert heute nicht mehr, obwohl man den Läufern viel längere Zeiten einräumt.  Es gibt immer mehr Genussläufer, wie mich.  Auf der breiten Trasse und dem flachen Profil lässt es sich gut quasseln. Oder Fachsimpeln. Anstrengend ist ein Marathon trotzdem, aber Spaß macht er so eben auch.

Der letzte Kilometer weicht von der Runde ab und führt uns direkt ins „Regatta-Stadium“, wo auch das Ziel ist. Jährlich werden seit 1935 auf dem See Segelregatten mit zum Teil internationaler Bedeutung veranstaltet, darüber hinaus gibt es eine Regattastrecke für den Ruder- und Kanusport mit Zuschauertribüne. Für die Marathonis ist sie heute die Zielgerade. Der Baldeneysee verfügt über einen Regattaturm, der durch seine hohe Bauweise den Verantwortlichen einen guten Blick über den See ermöglicht. Das städtische Regattahaus beheimatet das Landesleistungszentrum für Kanurennsport, in dem zahlreiche Olympiasieger und Weltmeister trainieren.

Von der Tribüne aus werden die Läuferinnen und Läufer von den zahlreichen Zuschauern angefeuert und gefeiert. Nach dem Zieleinlauf bekommt am als Finisher die Medaille, Verpflegung und alkoholfreies Bier.

Mein 249. Marathon ist geschafft. Meinen 250ster werde ich in Kürze in Remscheid beim Röntgenlauf absolvieren, wo ich trotz Orga-Aufgaben traditionell  auf der Strecke bin.

 

 

 

Informationen: Westenergie Marathon Rund um den Baldeneysee
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