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Laufberichte

Nr. 100: Läuft bei mir

 

Über eine Staustufe wechseln wir auf die andere Lechseite und haben kurze Zeit darauf Halbzeit. Meine Idee, hier in zwei Stunden durchzukommen, gerät zur Punktlandung. Magic als 4 Stunden-Pacer ist weit voraus und nicht zu sehen, hat also wohl schon einen sicheren Vorsprung herausgelaufen. Ganz nah an unserer Unterkunft im Schwangauer Ortsteil Horn sind wir jetzt und passieren etliche wunderschöne Hotels und Ferienwohnungen. Wieder in unmittelbarer Ufernähe muß ich aufpassen, daß ich mich nicht hinlege, denn ich kann kaum den Blick vom Wasser lassen, es ist ein Traum. An der hübschen Waltenhofener Kirche laufen wir leider zu dicht vorbei, daher klappt’s mit dem Fotografieren nicht und ich muß mich mit den Fans vor der Kirchhofmauer begnügen, deren Begeisterung aber allemal ein Bild verdient hat.

Als wir den Forggensee bei km 27 verlassen, blitzt am Horizont erneut Neuschwanstein auf und wieder meine ich, daß es kaum jemand bemerkt. Mit Riesenschritten nähern wir uns dem optischen Höhepunkt dieser Veranstaltung, dem wunderbaren Ensemble aus St. Coloman mittig im Vordergrund und Neuschwanstein sowie Hohenschwangau links und rechts davon, leicht erhöht, im Hintergrund. Die zu Ehren des heiligen Koloman errichtete barocke Wallfahrtskirche bei km 30 ist eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Bayerns. Der irische Pilger soll im Sommer 1012 bei seiner Pilgerreise ins Heilige Land an dieser Stelle gerastet haben. Wenn man mir auf sämtlichen Rastplätzen meiner bisherigen 99 marathonalen Pilgerreisen Kirchen errichtet hätte…

Mittlerweile habe ich Magic wieder eingeholt, sein anfänglicher Haufen von zwanzig bis dreißig Begleitern ist auf zwei Mädels arg dezimiert. Etwa anderthalb Minuten haben sie auf die vier Stunden herausgelaufen, da geht bei mir heute doch was! Es nähert sich km 32, ein Abschnitt, an dem es einem bekanntermaßen schlecht gehen soll. Der Mann mit dem Hammer, Ihr wißt schon. Klar werde auch ich jetzt langsam müde, bin aber weit entfernt von einem Einbruch. Offensichtlich habe ich mit meinem jährlichen Pensum von mittlerweile 10 – 12 Marathons und Ultras die für mich richtige Dosis gefunden. Und wenn der Doc bei der Vorsorge von einem Blutdruck 120 zu 80, Puls 51 sowie blitzblanken Arterien spricht und es einem dabei blendend geht, ist doch alles bestens.

Über diese zumindest für mich erfreulichen Gedanken ist es Zeit geworden, mich wieder den optischen Genüssen zu widmen: Neuschwanstein und Hohenschwangau, die beiden Traumschlösser, stehen nur gute 500 m Luftlinie voneinander entfernt und bilden mit St. Coloman in der Mitte eine wirklich schöne Einheit. König Ludwig II. von Bayern, der „Kini“, ließ das heute von jährlich 1,3 Mio. Touristen (davon jede Menge Chinesen, einige davon heute auch auf der Strecke!) besuchte „Märchenschloß“ Neuschwanstein ab 1869 als idealisierte Vorstellung einer Ritterburg aus der Zeit des Mittelalters errichten, lebte aber selbst nur wenige Monate im Schloß und starb noch vor der Fertigstellung der Anlage. Nur einen Katzensprung entfernt liegt das im Kern mittelalterliche Schloß Hohenschwangau, in dem er aufwuchs. Leider kommen wir nicht ganz nahe an beide Sehenswürdigkeiten heran, daher habe ich zwei Aufnahmen vom Vortag unter die Laufbilder geschmuggelt, Ihr werdet es mir nachsehen.

Den putzigen asiatischen Dreikäsehoch, der, besser die, mir die nächste Wasserration reicht, hätte ich glatt mitnehmen können und das nicht nur auf dem Weg zum Schwansee, dem dritten heutigen See. Ja, es ist wirklich ein Wasserlauf, wie ich eingangs schon erwähnte. In Kombination mit der faszinierenden Bergwelt und den Schlössern eine einzigartige Mischung, die diesen Lauf zu etwas ganz Besonderem macht. Teilweise im Uferbewuchs verborgen erspechte ich auf dem Rundweg zwischen den km 35 und 37 immer wieder das Wasser. Stellt Euch die Szenerie vor: Durch das Grün hört Ihr übers Wasser kommend zum zweiten Mal die Alphornbläser, die mit ihren getragenen Weisen dem Ganzen ein fast unwirkliches Flair verleihen. Als ich später davon erzähle, habe ich einen Kloß im Hals, so schön ist das.

Und immer noch ist alles gut, unser Vorsprung auf zweieinhalb Minuten angewachsen, kein Anlaß zur Beunruhigung also. Nach km 40 haben wir wieder die Füssener Stadtgrenze erreicht. Den Lech über einen festen Steg überquerend, zeigt uns das tolle Panorama von Stadtmauer, Hohem Schloß und darunterliegendem Kloster St. Mang, daß sich das Ziel in Riesenschritten nähert. Die letzte Verpflegung lasse ich aus, denn was ich jetzt einwerfe, kommt eh nicht mehr an und wirkt nur als Placebo, das ich erfreulicherweise nicht brauche. Klar auf Sub 4 Stunden-Kurs erklimme ich den Weg in die hochgelegene Altstadt. Selbst diese späten Höhenmeter nehme ich locker, es geht doch nichts über eine gute Motivation, gepaart mit genügend Kraft in den Beinen. Km 41, 42, viel Vorsprung, sagt Magic. Ich lasse mir Zeit, genieße die letzten Meter durch die Morisse, höre schon den Zieltrubel, schieße noch etliche Fotos und bin ganz auf den Zieleinlauf konzentriert. Magic und seine letzte verbliebene Begleiterin stürmen voran, ich lasse sie ziehen, denn ich habe ja Zeit. Und dann passiert etwas, das ich noch nie erlebt habe und hoffentlich auch nie wieder erleben werde.

Als ich um die letzte Rechtskurve komme und auf die Zielgerade einbiege, fallen mir fast die Augen aus dem Kopf, denn die Uhr ist bereits auf 4 Stunden umgesprungen. Damit kann ich im Augenblick gar nichts anfangen und mir schon gar keinen Reim machen, zu groß ist die Überraschung. Erst einmal jedoch freue ich mich über meinen erfolgreichen hundertsten Marathon- und Ultramarathonlauf, lasse mich von meinen Lieben gebührend beglückwünschen und von den beiden adretten Mädels (Mutter und Tochter?) die glänzende Medaille umhängen. Noch klammere ich mich an einen wie auch immer gearteten Irrtum, zumal ich den Zielsprecher noch etwas von „unter vier Stunden“ habe sprechen hören. Aber ist der Unterschied zwischen Brutto und Netto groß genug? Nein, es ist eine 4:00:06. Der Abgleich mehrerer GPS-gestützter Uhren zeigt, daß die letzten 195 Meter etwa 880 lang waren. Stellt Euch vor, Ihr hättet die PB Eures Lebens vor Augen und würdet über diese Geschichte daran scheitern! Mein Ärger ist verhalten, aber durchaus vorhanden. Auch Magic kann es nicht gewusst haben, sonst hätte er ein noch größeres Polster herausgelaufen. Offensichtlich hat er den Fauxpas im Gegensatz zu mir aber gerade noch rechtzeitig bemerkt und Gas gegeben (jetzt weiß ich auch warum).

Nun gut, meinerseits besteht kein Grund, es zu dramatisieren, ich kann mir eh nichts dafür kaufen. Sensationell ist die Zielverpflegung und dabei vor allem die nicht leer werdende Batterie an leckerem, gut gekühltem Blonden vom Bierwagen, dem ich sehr reichlich zuspreche. Dann habe ich, zunächst auf Klaus, dann auf Markus wartend (nochmals vielen Dank für das schöne Jubiläumsshirt!) reichlich Muße und kann in der Wärme viele schöne Szenen ablichten, die sich während des Zieleinlaufs und dahinter abspielen. Als dann auch Wolfgang Kieselbach vom 100 Marathon Club Deutschland eingelaufen ist, bekomme ich von ihm als Vertreter des Vorstands die offizielle Anerkennungsurkunde überreicht, mit der ich ab sofort Vollmitglied bin und mich somit als neuer Kreisteilnehmer im 100 MC melde.

Glücklicherweise haben wir jetzt noch zwei Tage, um die Gegend weiter unsicher zu machen und viele schöne Sachen zu sehen und Dinge zu erleben. Mein Dank gilt den zahlreichen lieben Menschen, die mich in den vergangenen Jahren auf vielen Strecken begleitet haben. Insbesondere auch der M4Y-Gemeinde, ohne die ich vermutlich nicht so konsequent bei der Stange geblieben wäre. Wer mich kennt, weiß, daß ich in Anbetracht der zahlreichen attraktiven Veranstaltungen in Nah und Fern grundsätzlich kein zweites Mal erscheine. Zu dieser hervorragenden Veranstaltung jedoch mit absoluter Sicherheit, habe die Ehre.

Streckenbeschreibung:
Fast völlig flacher (80 Höhenmeter) Einrundenkurs.

Startgebühr:
Je nach Anmeldezeitraum 39 bis 60 € (bei Nachmeldung).

Weitere Veranstaltungen:
Kinderlauf, 10 km und Halbmarathon am Vortag, Staffelmarathon für 3 Personen.

Leistungen/Auszeichnung:
Nudelparty, Medaille, den Voranmeldern (M, HM) garantiertes Erinnerungsshirt Zeitnahme mit davengo easychip, Teilnahmemöglichkeit an der Tombola, Urkundendruck im Internet, persönliches Finisher-Video (kostenpflichtig).

Logistik:
Optimal bei sehr kurzen Wegen.

Verpflegung:
Alle 5 km Verpflegungsstellen und ab km 17,5 alle 2,5 km Wasserstellen.

Zuschauer:
Viele im Start- und Zielbereich sowie unterwegs immer wieder mal einige. Sehr viele motivierte und freundliche Helfer.

 

Marathonsieger

 

Männer

1 Paul Schmidt Fitness First Berlin 02:27:30 
2 Marco Diehl DVAG-Marathon-Team 02:52:20 
3 Frank Merrbach 02:53:51

Frauen

1 Doris Marquardt LAV Bonn Bad Godesberg 03:03:06 
2 Maria Magdalena Veliscu RO 03:18:06
3 Karen Sobrino ZA  03:18:43

480 Finisher

123
 
 

Informationen: Königsschlösser Marathon
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