Bereits im letzten Jahr konnten Silke und ich uns die frische Meeresluft auf der einzigen deutschen Hochseeinsel um die Ohren wehen lassen. Die kann süchtig machen und deshalb ist bereits in diesem Jahr die Zeit erneut reif für eine Wiederholung, zumal auch noch das 25er Jubiläum des Helgoland Marathons ansteht. Eine Gelegenheit, die wir uns auf keinen Fall entgehen lassen wollen. Silke nimmt am Minimarathon über eine Inselrunde teil.
Die Aussichten sind gut, als wir uns am Freitag in Cuxhaven einschiffen. Die See liegt ruhig im strahlenden Sonnenschein. Sogar eine problemlose Anreise mit einem Katamaran wäre möglich gewesen. Wir sind lieber auf Nummer sicher gegangen, denn im letzten Jahr war diese Alternative nicht möglich. Mit der Ankunft um die Mittagszeit bleibt genügend Zeit, um stressfrei einzuchecken, bevor es am Nachmittag zur Startnummernausgabe in der Nordseehalle geht. Die Atmosphäre ist entspannt, man hat Zeit, auch um sich anschließend noch etwas auszuruhen für den Lauf am morgigen Tag. Abends persönliche Nudelparty mit am Ende leeren Tellern. Gutes Wetter für den Marathon.
Ein sonniger Tag kündigt sich am Morgen an. Ein Schritt vor die Tür lässt noch kleine Zweifel an der Laufkleidung aufkommen. Noch ist die Temperatur frisch, doch die Erfahrung lässt mich die Situation richtig einschätzen, nicht zu viel anzuziehen. Der Weg zum Startbereich ist kurz, auf dem Franz-Schensky-Platz versammeln sich um kurz vor Neun bereits zahlreiche Läuferinnen und Läufer für den Minimarathon, der neben der Königsstrecke angeboten wird. Das ändert sich auch bei der 25. Auflage nicht, denn wer sich die 42 Kilometer nicht zutraut, soll trotzdem den Zauber der Insel genießen können. 239 werden sich schließlich in der Ergebnisliste wiederfinden. Bei den Marathonis werden es 153 sein. Bei allen Austragungen haben damit insgesamt 8.695 Läuferinnen und Läufer das Ziel auf dem roten Felsen erreicht.
Nach dem geglückten Start der Kurzstreckler wird es auf dem Platz deutlich lichter. Die Marathonis müssen noch ein paar Meter in entgegengesetzter Richtung gehen, um zum Start zu kommen. Die Atmosphäre ist aufgelockert, große Anspannung kann ich um mich herum nicht spüren. Alles routinierte alte Hasen? Klar, von einigen weiß ich das, wie von Gerd, der letztes Jahr hier zum 1.000 mal einen Marathon gefinisht hat, oder Rainer, der heute locker zum 500. Mal mindestens die 42,195 KM meistern wird. Aber wie sieht es mit Philipp und Christian aus, die für den NDR berichten werden? Zugegeben, ein Marathon wird am Ende des Tages nicht in ihrer Vita stehen, dafür sammeln sie hautnah die besten Eindrücke der Strecke.
Übrigens, nicht die erste Berichterstattung, denn schon zur Premiere wollten zahlreiche Sendeanstalten wissen, wie man einen Marathon auf einer so kleinen Insel ausrichten kann. Damals hätte ich nichts dazu beisteuern können, denn meine Marathonlaufbahn sollte erst später beginnen. Dafür kann ich das heute nachholen. Vor lauter netten Gesprächen hätte ich den Start glatt verpassen können, aber wie gewohnt folge ich den antrabenden Läuferschar. Ich bin heute wieder gemeinsam mit HaWe unterwegs, da ich nach glücklich überstandener Thrombose immer noch Vorsicht walten lasse. Bei einem vorsorglichen ärztlichen Check habe ich grünes Licht für den Lauf bekommen. So kann ich unbeschwert in Richtung Nordosten loslaufen.
Am Ende des Zielbereiches einschwenken auf die Kurpromenade, bis zum Nordosthafen, abbiegen nach rechts in Richtung Nord-Ost-Bohlwerk. Diesem folge ich nach Nordwesten für ein paar hundert Meter. Immer dabei im Blick: die Nordsee. Das Ende des Bohlwerks ist noch lange nicht erreicht, als ich nach links auf den Deich abbiege. Es wartet die erste Streckenänderung im Vergleich zum Vorjahr. Statt geradeaus führt die Strecke nach rechts auf den Deich. Sehr schmal hier, aber da das Feld schon auseinandergezogen ist, ist der Kamm problemlos zu laufen. Kurz darauf erreiche ich an der Jugendherberge die erste von insgesamt 4 Verpflegungsstellen pro Runde. Ich umrunde die Jugendberge und folge dem Weg zurück in Richtung Kurpromenade. Rechts leuchtet der rote Buntsandstein in der Sonne. Oben an der Kante genießen bereits zahlreiche Läuferinnen und Läufer die Aussicht. Ich darf mich schon darauf freuen.
Dieses Vergnügen will erarbeitet werden. In diesem Fall ist es der Millstädter Weg, auf den ich kurz darauf einbiege. Die größte Herausforderung der Runde. In Läuferkreisen auch bekannt unter dem Namen Düsenjäger. Aufgrund der Streckenänderung zum Jubiläum habe ich diese Herausforderung nur 5 statt 8mal anzunehmen. Dankbar und bereits jetzt gehend nehme ich sie gerne an. Oberhalb der Steigung warten zahlreiche Zuschauer, um uns nach rechts weiter durch den Ort zu schicken. In weitem Bogen zieht sich die Strecke zwischen den Häuser nach links, immer noch aufwärts. Am Ende der Straße gibt es an der Schule der Insel zum zweiten Mal Verpflegung. Neben Wasser, Iso und Cola auch Banane.
Benannt ist die Schule nach einem der größten Söhne Helgolands: James Krüss. Seine zahlreichen Kinderbücher wurden in über 30 Sprachen übersetzt. In den anregenden Gesprächen findet sich davon heute aber keines wider. Dazu ist die Natur Klippenrandweg zu schön. Auf über 2 Kilometern darf ich ihm ab hier folgen. Immer leicht wellig liegt er vor mir. Bis 1947 lag er noch vollkommen flach über 20 Meter höher. Dann versuchten die Briten mit der größten nichtnuklearen Sprengung Helgoland von der Landkarte zu tilgen. Doch der Felsen widerstand der Explosion und übrig blieb die Landschaft, wie wir sie heute vorfinden.
Jetzt bestimmen die Läufer das Bild auf dem Plateau. Die Strecke windet sich bis zur Nordspitze, um dann dem Klippenrand zurück nach Südosten zu folgen. Nur die nördlichste Biegung mit dem Prachtblick auf die lange Anna steht heute nicht auf dem Programm. Intensiv im Gespräch mit Marina und HaWe, fällt mir das kaum auf. Gleißendes Licht überflutet die Strecke. Voraus der markante Sendemast, nach dessen Umrundung ich das Ende des Klippenrandweges erreicht habe und bereits 5 Kilometer hinter mir liegen.
Dann darf ich die zuvor gewonnenen Höhenmeter wieder abgeben, hinab auf der Frachtstraße, bis zum Binnenhafen. Entstanden ist dieser Weg durch die eben erwähnte Sprengung. An dieser Stelle hat die Insel am wenigsten widerstanden. Im Gegensatz zum letzten Jahr biegen wir am Binnenhafen nach rechts ab. Vorbei an den Hummerbuden kommen die Läufer entgegen, die die Zusatzschleife bereits hinter sich haben. Uns führt die Strecke vorerst nach rechts in Richtung Küste. In einem weiten Bogen führt die Strecke zu einem Wendepunkt. Nach und nach laufen wir immer weiter am Fuß des roten Felsens entlang.
Die lange Anna kommt in Sicht, markant und einsam steht sie links des Felsens. Nicht zu übersehen ist die lange Reihe der Tetrapoden. Tetra... was? Das sind ca. 7 to schwere Betonelemente, die dem Künstenschutz dienen. Wellenbrecher nennt man die Kolosse auch. Dann ist der Wendepunkt inklusive Verpflegungspunkt erreicht. Frisch gestärkt liegt das letzte Viertel der Runde vor uns. Auf dem Beton der Stützmauer lässt es sich leicht laufen. Am Ende des Bogens, noch bevor wir die Hummerbuden wieder erreichen, biegen wir nach rechts ab und folgen ein gutes Stück dem Weg Richtung Südwestmole. In früheren Veranstaltungen war diese bis zur Spitze zu belaufen, was eine 4 Rundenstrecke ermöglichte. Heute darf sie nicht mehr belaufen werden, weshalb wir vorher nach links zur Kläranlage abbiegen und den Hubschrauberlandeplatz umrunden.
Mehr als 7 KM der Runde sind bereits bewältigt. Der letzte Rundenkilometer führt vorbei am Südhafen und Binnenreede. Hier schwenken wir nach Norden und haben das Ziel rechts vor uns. Nur noch vorbei an den bunten Hummerbuden und dem Familienstrand der Helgoländer und die erste Runde ist vollendet.
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(Silke Pitz)
Zu zweit lassen wir es weiter gemütlich angehen. Die Strecke ist inzwischen bekannt, ebenso die Gesichter vieler Zuschauer. Im weiteren Verlauf des Marathons werden es aber nach und nach weniger. Auf dem Deich Richtung Jugendherberge wartet ein Ersthelfer, er wird durchhalten und immer freundlich motivieren. Zum zweiten Mal ersteigen wir den Düsenjäger. Ein Zuschauer bietet Traubenzucker an. Stärkung für den Aufstieg.
Die Schule ist fast wieder erreicht, als HaWe Eli begrüßt. Im letzten Jahr hatte die Studentin mit einigen Kommilitonen hier Melone angeboten. Sehr erfrischend und motivierend. Heute ist sie den Minimarathon gelaufen und begleitet uns ab hier noch für eine weitere Runde. So lernt sie noch den Rest der neuen Marathonstreckenführung kennen. Der Schwenk zur langen Anna war in ihrer Runde nicht enthalten.
Unterhaltsam und kurzweilig ist eine weiter Runde schnell bewältigt. Schade, dass wir sie an der Schule zurücklassen müssen. Mit guten Wünschen schickt Eli uns weiter auf den Weg. Die Nordspitze ist erreicht. Hier warten sehr motivierte Zuschauer, die uns sogar Gegrilltes anbieten. Frisch gestärkt geht es weiter. Die Frachtstraße hinunter überholen wir unsere fleißigen NDR-Reporter. Sie sind schon weitergekommen, als gedacht.
Runde 3 ist beendet. Kurzes Gespräch mit René, dem Drittplatziertem. Er kann schon zum Duschen, wir dürfen noch zweimal die Insel umrunden. Die zahlreichen Zuschauer motivieren uns ausdauernd. Den Düsenjäger hinauf wird immer noch Traubenzucker angeboten. Auf dem Plateau kippt das Verhältnis der Läufer zugunsten der Tagestouristen. Bereitwillig machen sie uns Platz. Die Luft steht, von frischer Brise kann nicht die Rede sein. Laufen fällt gerade schwer, aber ab und zu einmal gehen ist auch keine Schande. Zudem liegt nur noch eine Runde vor mir.
Das Tempo ist mit HaWe abgestimmt, so dass wir gemeinsam die finale Runde angehen. Abschiedstour. Die Fangruppe am Nordosthafen ist auf eine Person geschrumpft. Trotzdem sind wir dankbar für die Unterstützung. An der Jugendherberge bekommen wir sogar nach eine La Ola. Der Zuschauer mit dem Traubenzucker ist derweil am Fuß des Düsenjäger angekommen. Mir ist es jetzt eindeutig zu warm, Schatten gibt es kaum. Das leicht wellige Profil zwingt mich zu einem Geh- und Laufrhythmus.
Ein letztes Mal stürze ich mich den Frachtweg hinab. Immer vorsichtig und kontrolliert, um nicht auf den letzten Metern noch zu stürzen. Noch einmal Wendepunkt mit dem letzten Blick auf die lange Anna. Keine 4 Kilometer bis zum Ziel. In der Sonne leuchten die Hummerbuden, zahlreiche Touristen applaudieren und tragen uns so ins Ziel. Dort bekomme ich die gelungene, schöne Medaille der Veranstaltung umgehängt. Was darf bei einer so tollen Veranstaltung nicht fehlen? Natürlich die Siegerehrung, die am Abend in der Nordseehalle im Rahmen einer stimmungsvollen Marathonparty vorgenommen wird.
Männer:
1. André Kraus, 2:51:07
2. Christian Freise, 3:02:41
3. René Kipper, 3:07:47
Frauen:
1. Janin Böhlken, 3:26:27
2. Marina Klein-Gässler, 3:30:52
3. Christina von der Brelie, 3:49:41