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Laufberichte

Bunte Socken und rote Köpfe

 

Um auf Deutschlands einziger Hochseeinsel Marathon laufen zu können, ist eine gute Planung notwendig. Mal eben am frühen Morgen anreisen ist nicht, weshalb ich mit Silke bereits am Freitag vom Festland übergesetzt bin. Und das bei etwas rauer See. Für die normale Fähren kein Problem, nur für die Katamaranfähre, die ausfällt, weshalb etwa 20 Läuferinnen und Läufer heute nicht antreten können.

Mit der Fähre erreichen wir mittags das Eiland in der deutschen Bucht. Nach Bezug unseres Zimmers haben wir noch Zeit für eine erste in Augenscheinnahme der Insel. Die Startnummernausgabe ist von 15 bis 17 Uhr in der Nordseehalle. Auch wenn sich bereits am Eingang eine lange Schlange gebildet hat, bleibt es ruhig. Jeder hat Zeit und nach kurzem Warten seine Startunterlagen inklusive Shirt in den Händen. Danach geht es an die Streckenbesichtigung. Da die Insel nicht besonders groß ist, werden 8 Runde á 5,25 Kilometer gelaufen zzgl. 200 Meter Vorlauf, um die Marathonstrecke zu erreichen.

Wir folgen den gelben Pfeilen, die uns sicher um die Insel leiten. Zum ersten Mal geht es gleich zu Anfang den sogenannten Düsenjäger hinauf, 30 Höhenmeter sind auf kurzer Distanz zu überwinden. Wird morgen eine große Herausforderung. Nach Erklimmen der Hummerklippen führt die Strecke entlang des Klippenrundweges. Höhepunkt ist die Aussicht auf die lange Anna und die zahlreich nistenden Basstölpel und Lummen.

Zurück im Ort unterhalb der Klippe bleibt Zeit zum Ausruhen, um am Morgen frisch gestärkt den Marathon in Angriff zu nehmen. Der Start ist nicht weit entfernt und ich habe Gelegenheit, den Start des Laufes über eine Runde zu erleben, ehe ich mit Silke zum Marathonstart schlendere. Es herrscht ein großes Hallo, denn mit mir unterwegs ist heute Gerd Junker, der seinen 1.000 Marathon unter die Füße und auch finishen wird. Da sind natürlich viele Freunde und Bekannte mit unterwegs, die dieses live miterleben wollen, als Eskorte. Um 9.15 Uhr geht es los.

 

 

Die Strecke führt mich entlang der Kurpromenade in Richtung Ost-Nordost. Rechts abbiegend für eine Schleife um das James-Krüss-Museum laufe ich kurzfristig am Strand, ehe es zurück in Richtung Ort geht. Bevor ich diesen erreiche, gilt es erstmals den Düsenjäger zu erklimmen. Am oberen Ende erwartet mich der Lauftreff meines Heimatvereins und wundert sich, dass ich gehe und mir Zeit für Bilder nehme. Aber ich muss die Steigung sieben weitere Male meistern, da muss ich nicht gleich zu Beginn des Laufes meine Kraft verschwenden. Ein paar weitere Höhenmeter warten auf dieser Runde schließlich auch noch, wenn auch sanft verteilt. Bei KM 2 der Runde wartet bereits die zweite von 3 Verpflegungsstationen an der Schule. Ich bin oben angekommen und setze meinen Weg auf dem Klippenrundweg fort. Ich laufe zu Jürgen und Rolf auf. Ihre Shirts weisen sie als Teilnehmer des Medoc-Marathon aus. Auf den dort kredenzten süffigen Traubensaft müssen sie heute verzichten, aber es geht auch so.

Gemeinsam laufen wir über das Oberland zur langen Anna. Bis 1860 verband sie noch eine Natursteinbrücke mit der Insel. Heute grüßt sie deutlich spektakulärer als einsamer Fels. Nach einer scharfen Linkskurve bläst uns der Wind von Süden entgegen. Bei bedecktem Himmel hält sich seine Stärke jedoch in Grenzen. Nach leichtem Auf und Ab erreichen wir am Ende des Klippenweges die dritte Verpflegungsstation, bevor uns der Weg steil nach unten vorbei an der örtlichen Klinik zurück zur Kurpromenade führt. Kurzweilig endet die erste Runde. Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich.

Die Pfade sind bekannt, einen Verlaufen jetzt nicht mehr möglich. So kann ich mich meinen Gesprächspartnern widmen, solange ich immer wieder aufschließen kann. Der Düsenjäger zum zweiten wird laufend bewältigt. Kurz vor dem Verpflegungspunkt an der Schule wartet eine Privatinitiative mit frischen Stücken Melone. Da greife ich doch gerne zu.

Jürgen und Rolf muss ich derweil langsam ziehen lassen. Vor und hinter mir bekomme ich Elke und Mike mehrfach vor die Linse. Für seine Jacke wird es Mike langsam zu warm, obwohl sich die Sonne erst langsam durchsetzt. Jetzt kann ich auf der Rückseite ihrer Shirts ihre Laufvita studieren. Beeindruckend und Anlass für ausgedehnte Gespräche. Gemeinsam beginnen wir die dritte Runde. Beim Abbiegen von der Promenade zum Strand trötet ein treuer Zuschauer. Wie ich erfahre, feuert er schon seit Jahren die Läuferschar an und wird auch heute bis zum Schluss nicht nachlassen.

 

 

Zum dritten Mal erklimme ich den Düsenjäger, wobei ich mich an Elke und Mike halte. „Bunte Socken und rote Köpfe“, wird uns zugerufen. Wir müssen schmunzeln. So lässt es sich locker weiter laufen, auch über das wellige Profil des Oberlandes. Nach dem Richtungswechsel an der langen Anna erwartet uns erneut frischer Wind. Voraus der Leuchtturm, der im letzten Weltkrieg als Flakturm diente und als einziges Gebäude auf Helgoland die Bombardements vom April 1945 überstanden hat. Kurz umrundet fliegen wir erneut den Weg zum Hafen hinunter.

Das Ziel ist nah, aber doch noch fern. 5 weitere Runden warten. Die Driburger erspähe ich auf Runde 4 vor meinem Hotel und ja, laufen kann ich noch, auch wenn ich Elke und Mike langsam ziehen lassen muss. Der Düsenjäger wird auch nicht leichter. Gemeinsam mit Holger geht es hinauf. Zumindest die ersten beiden Runden wollte er hier hoch laufen, jetzt hat er es bereits zum 4. Mal geschafft. Nun gut, er hat ja auch reichlich Erfahrung, denn seit der ersten Ausgabe ist er ununterbrochen mit dabei Helgoland zu umrunden. Die Strecke hat derweil immer mal wieder leicht variiert. Unter Einbeziehung der Mole war sogar ein 4-Runden-Kurs möglich, was zumindest die zu bewältigenden Höhenmeter deutlich reduziert hat.

Ich nehme es, wie es kommt, auch wenn ich auf der zweiten Hälfte kürzer treten muss und einige Gehpausen einlege. Auch Holger setzt sich nach und nach etwas nach vorne ab. In meinem eigenwilligen Tempo kommen nur noch wenige Gespräche zustande. Dafür kann ich umso genauer hinschauen, wenn mich die Sauerlandrakete André überholt, der den Marathon als Zweiter beenden wird. Vermehrt lese ich den Schriftzug VfB Fallersleben. Ich weiß zwar nicht, wo der beheimatet ist, erinnere mich aber gerne an August Heinrich Hoffmann von Fallersleben der vor Ort 1841 den Text unserer Nationalhymne verfasste.

Vereinzelt überrunde ich Teile der Eskorte für Gerd anlässlich seines 1.000ten Marathons, nur der Jubilar kommt mir erst im Ziel wieder vor Augen. Entweder bin ich zu langsam, oder er zu schnell für mich.  Nur aufhalten lasse ich mich nicht. Kurz vor der Herausforderung Düsenjäger zum 6ten wartet Silke. Problem mit dem Akku ihrer Kamera, schnell geklärt, so dass sie auch heute zahlreiche Bilder vom Zieleinlauf beisteuern kann. Für mich wird es nicht einfacher.

 

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Impressionen

(Silke Pitz)

 

 

Aufgrund meiner bunten Socken werde ich bei der langen Anna freundlich weiter auf die Reise geschickt. Die Zuschauerin, die von einer Liege den Lauf beobachtet,  beendet ihre Mission. Der Wind ist wohl zu frisch. Das Publikum wechselt, die Fähre ist angekommen und die Tagestouristen füllen die Strecke. Artig machen sie den Läufern Platz, so dass ich weiter ungehindert vorankomme. Angenehm flach ist die Runde am Hafen und über die Kurpromenade. Ich schließe zu Beginn der vorletzten Runde zu Doris und Sylvia auf. Gerade als ich an unserem Hotel vorbeikomme, in Gedanken bei Silke bin, stolpere ich und lege eine gekonnte Flugrolle auf den Beton. Leicht besorgte Nachfragen meiner Mitläuferinnen kann ich beruhigend beantworten, alles gut gegangen. Nur meine Kamera hat einen leichten Schlag abbekommen, weshalb ich sie jetzt endgültig einstecke.

Konzentration ist für die letzten Kilometer gefragt und ich möchte mich nicht weiter ablenken lassen. Obwohl, kurz hinter dem Deich, bei KM 1 der Runde wartet die nächste Verpflegungsstation. Die motivierten Helfer strecken mir unablässig die Getränke entgegen, feuern enthusiastisch an.. Aufmerksam werden die zurückgelegten Runden registriert und ja, einmal komme ich noch vorbei. Hinauf geht es den Düsenjäger, während sich auch die Sonne jetzt blicken lässt. Vorbei an den Kleingärten im Oberland am Rande der Klippen. Wenn auch nicht so schnell, doch dankbar erreiche ich die letzte Verpflegungsstation der Runde. Bevor es hinunter zum Hafen geht, werde diesmal ich als Revanche vom Helfer abgelichtet.

Auf der Promenade wird es langsam eng, doch sie ist breit genug, um immer eine Lücke zu finden. Silke kann ich im Zielbereich nicht ausmachen. Ohne Ablenkung nehme ich die finale Runde unter die Füße. Ein letztes Mal Tröten neben dem Seemann mit der Meerjungfrau. Verabschiedung an den Verpflegungsstationen von den Helfern. Einmal noch den Düsenjäger hinauf, werde ich ihn vermissen? Wahrscheinlich. Lächelnd vorbei an der James-Krüss-Schule. Ein Lächeln im Gesicht, das ich nicht verkauft habe, wie einst Tim Thaler. Nun gut, Wetten habe ich heute auch nicht nötig, denn der Zieleinlauf ist mir sicher. Darauf muss ich nicht setzen, um zu gewinnen.

Ich genieße den Wind in den Haaren, lasse mir noch Zeit, ein paar  Lauferfahrungen auszutauschen. An der letzten Verpflegungsstation gönne ich mir jetzt ein Bleifreies, denn zum Ziel habe ich nicht einmal mehr einen Kilometer zurück zu legen. Locker ein letztes Mal die Beine in die Hand nehmen, vorbei an den bunten Hummerbuden. Der Zielbogen kommt in den Blick, Silke wartet dahinter und schon habe ich den Lauf erfolgreich beendet.

Ich habe Zeit für die Zielverpflegung und den prompten Ausdruck meiner verdienten Urkunde. Die Medaille, geschmückt mit der Insel und der heutigen Strecke, habe ich da längst am Hals baumeln. Nur auf Gerd muss ich noch ein paar Minuten warten. Trotz auffrischendem Wind mache ich das gerne, denn so ein Jubiläum erlebt man selten. Da nutze ich die Gelegenheit, gleich nach Gerds Zieleinlauf zu gratulieren, nicht ohne entsprechend beeindruckt von seiner Leistung zu sein. Nicht nur deswegen hat der heutige Lauf einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Die gute Organisation und das Ambiente laden dazu ein, wiederzukommen, wahrscheinlich schon zum Silberjubiläum im nächsten Jahr.

 

Informationen: Helgoland-Marathon
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