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Laufberichte

Silesia Marathon Katowice: Dein Lauf. Dein Sieg

06.10.24 Special Event
 

Manchmal ist es ein sehr schönes Veranstaltungshemd, das den Wunsch weckt, einen bestimmten Marathon zu laufen. Mir waren bei Events in den letzten Monaten öfter Läufer in einem dunkelblauen Shirt mit goldenem Aufdruck aufgefallen, das sich sehr positiv vom Rest der Trikots abhob. Es war das Shirt des Silesia Marathons im polnischen Katowice.

Schlesien (lateinisch „silesia“) zieht sich von Wroclaw (Breslau) im Nordosten Polens bis hinunter nach Katowice (Kattowitz) im Südosten. Kleinere Teile liegen in Deutschland und in Tschechien. Die Woiwodschaft Schlesien ist der mit 4,5 Millionen Einwohnern am dichtesten besiedelte Verwaltungsbezirk Polens. Die Hauptstadt Katowice markiert das Zentrum eines großen Industriegebiets, in dem immer noch große Vorkommen von Steinkohle und Eisenerz abgebaut werden.

Für die Anreise aus München ist es am bequemsten, das Flugzeug zu nutzen. Per Bahn würde es bis zu 11 Stunden dauern. Aus dem Osten Deutschlands geht es sicher schneller. Es gibt zwar einen Flughafen in Kattowitz, aber für uns ist der Flug ins nahe Krakau (Krakow) mit anschließender einstündiger Bahnfahrt günstiger.

 

 

Die Marathonmesse, Start und Ziel liegen im neuen Stadion Śląski (dt. „schlesisches Stadion“). Sein Bau wurde mit Blick auf die Fußball-EM 2012 begonnen, aber es wurde fünf Jahre zu spät fertig. Im Besucherbereich erhalten wir die Startnummer, ein Veranstaltungsshirt in Blau mit dem Aufdruck „Twój bieg. Twóje zwyciestwo“ („Dein Lauf. Dein Sieg“) und einen Beutel mit einer Packung Nudeln, Kaffee, einer Creme gegen Hautabschürfungen (made in Ulm) und einer Flasche Wasser. Außerdem befinden sich hier Stände mit Laufartikeln. Leider fehlen Anbieter von anderen polnischen Marathons. Unser Hotel liegt gleich beim Stadion. Wir sind hier streng genommen schon in der Nachbarstadt Chorzow. in deren Zentrum es auch einige nette Restaurants gibt.

Der Start des Marathons ist auf 8:00 Uhr angesetzt, für den langsameren Block B auf 8:05 Uhr. Leider haben wir Pech mit dem Wetter. Es ist kühl, nicht windig und recht diesig, aber immerhin regnet es nicht. Zwar perfekt für einen schnellen Lauf, aber eher nicht so schön für das Sightseeing. Um 7:30 Uhr sind die Läuferinnen und Läufer des 50-km-Ultralaufs gestartet. Sie legen 8 Kilometer auf zwei Runden um das Stadion zurück und treffen dann mit uns zusammen. Man kann sie gut an den grauen Rückennummern erkennen.

Die Taschenabgabe befindet sich unter dem Stadionumlauf. Dort gibt es auch geheizte Toilettenanlagen plus Häuschen am Startbereich neben dem Stadion. Er liegt leicht abschüssig, sodass man einen perfekten Blick auf das 1.800 Personen große Teilnehmerfeld hat. Der Startbogen besteht aus elektrischen Anzeigetafeln. Dort zählen die Sekunden hinunter. Ein blau-rotes Feuerwerk, dann ist Block A auf der Strecke. Sehr schön.

 

 

Für Judith und mich in Block B gibt es dann wieder einen Countdown, aber ohne Feuerwerk. Und los geht´s. Wir sind im Śląski Park, einer großen und sehr gepflegten Grünanlage. Wer das Ganze von oben sehen will, kann zwei Seilbahnlinien nutzen. Ich passe auf, dass ich einigen Pfützen ausweiche, ohne umgerannt zu werden. Auch einen Zoo und einen Freizeitpark gibt es hier.

Wir verlassen das Gelände. Links hinter einer Tankstelle taucht der erste Förderturm auf. Oben angebracht ist ein großes farbiges SC-Emblem, welches auf das riesige Einkaufszentrum „Silesia City Center“ hinweist. Früher befand sich an dieser Stelle das Steinkohlebergwerk Eminenz / Gottwald / Kleofas.

Wir schwenken auf die breite Verkehrsachse Chorzowska. Autogerechte Stadt, auch wenn hier noch eine Straßenbahn verkehrt. Nagelneue Hochhäuser. Dann rechts das Wohnhochhaus Superjednostka. Das 1972 fertiggestellte Gebäude im Stil Le Corbusiers beherbergt in 762 kleinen Wohnungen 1.300 Menschen. Links von uns der „Spodek“  (deutsch „Untertasse“), eine an ein Ufo erinnernde Mehrzweckhalle aus dem Jahre 1971. Das schlicht gehaltene Gebäude des nationalen polnischen Symphonieorchesters aus dem Jahr 2014 gleich danach.

Links folgt die aufgelassene Zeche Katowice, in die 2011-2014 das neue Schlesische Museum integriert wurde. Einige Ausstellungsräume liegen in der alten Grubenanlage in 14 Meter Tiefe. Das Oberschlesische Museum befindet sich im nahen Bytom (Beuthen). Das Motto von Katowice ist: „Gemeinsam arbeiten wir für ein grünes, wettbewerbsfähiges und integratives Europa“.

Was wir bis jetzt nicht gesehen haben und leider auch nicht sehen werden, ist der innerstädtische Teil von Katowice. Den berühren wir hier nun kurz. Wir sehen die Rückseite der Marienkirche. Die Mariacka-Straße davor hat sich zu einem recht lebendigen Restaurant- und Kneipenbereich entwickelt. Nach der Kirche unterqueren wir die Bahn und sehen das schöne rote Backsteingebäude der Musikakademie Katowice aus dem Jahr 1929. Danach ein Gebäude der Politechnika Śląska.

 

 

Hier in Kattowitz befinden sich die Fakultäten für Material- und Werkstofftechnik und für Verkehrs- und Luftfahrttechnik. Judith und ich werden am Abend einen hiesigen Studenten kennenlernen, der nebenbei in einem thailändischen Lokal kellnert. Er stammt aus Bangladesch und hat sich für Katowice entschieden, da hier sein Studiengang in Englisch angeboten wird, die Studiengebühren überschaubar und die Lebenshaltungskosten sehr günstig sind. Lediglich das Erlernen der polnischen Sprache ist für ihn sehr schwer. Sie wird aber außerhalb der Uni oft vorausgesetzt. Wir kommen das ganze Wochenende mit Englisch sehr gut durch, da die jungen Einheimischen ein oft sehr gutes Englisch sprechen.

Weiter in ein Plattenbaugebiet, das auch gut irgendwo bei uns stehen könnte, wäre da nicht das Denkmal des polnischen Soldaten, aus 80 Tonnen Bronze gegossen und am 6.10.1978 eingeweiht.

Kurz danach ein weiteres Denkmal mit einem hohen Turm, davor der PTG Skatepark, der für den absolut glatten Untergrund berühmt ist. Pomnik Trudu Górniczego, das Denkmal der Bergarbeiterbewegung, wurde 1985 errichtet.

Am 16.12.1981 kam es im Rahmen der Solidarność-Bewegung zur Ausrufung des Kriegsrechts und zu einem Massaker an Bergarbeitern der Grube Wujek. Dabei wurden neun Streikende getötet. Im Juni 1983 sprach Papst Johannes Paul II. auf dem nahe gelegenen Flughafen in Muchowiec während eines Gottesdienstes, an dem Tausende von Gläubigen aus ganz Schlesien teilnahmen, über das Wesen menschlicher Arbeit. Dabei wurde die Idee für das Denkmal geboren. Die Aufarbeitung der Vorgänge dauerte bis 2011.

Parallel dazu bekämpfte eine internationale Skaterbewegung den Plan, das Denkmal zu versetzen, um an dieser Stelle Wohnhäuser zu bauen, da man Angst hatte, dann auch den Skateplatz zu verlieren. Der Plan wurde fallen gelassen und die Anlage für Skater optimiert.

Für uns geht es nun in ein dichtes Laubwäldchen. Hier nebenan liegen noch Teile des Flughafens. Ich freue mich auf die 10-Kilometer-Markierung, samt Zeitnahme.

 

 

Idyllische Tümpel liegen nun an der Laufstrecke. Es folgt ein Badesee mit Sandstrand und Blick auf die Skyline von Kattowitz. Unter der Autobahn hindurch und an der Ponderosa-Ranch vorbei. Fehlen nur noch die Cartwrights aus der Western-Fernsehserie „Bonanza“. Der folgende VP liegt quasi neben der Autobahn. Es gibt Wasser aus Tanklastern mit der Aufschrift „Woda“. Judith klärt mich auf, dass es sich dabei nicht um Wodka handelt. Iso, Bananen, gute Kekse. Und farbenfrohe Gelbonbons. Lecker.

Mitten im Wald dann ein gut gesichertes Gebäude, ein Rechenzentrum. Die sind immer dort, wo es billigen Strom gibt. Und kurz danach sehen wir die Schlote eines Kohlekraftwerks.

 

 

Was nun folgt, haut mich aber fast um: Ich beschäftige mich vor einem Marathon zwar immer mit der Laufstrecke, aber hier ist mir etwas entgangen: Wir laufen durch die Bergbausiedlung Nikiszowiec (Nickisch-Schacht), von 1908 bis 1924 nach Plänen der Charlottenburger Architekten Emil und Georg Zillmann gebaut. Eine Siedlung für 1000 Bergleute der Gieschegrube mit ihren Familien, inklusive Schule, Krankenhaus, Schwimmbad und der neubarocken St.-Anna-Kirche.

Ich bin begeistert, und da der Straßenbelag neu verlegt ist, kann man auch viel umherschauen, ohne allzu sehr auf den Untergrund zu achten.  Auf dem Hauptplatz einige Zuschauer. Diese stehen oft auf den großen Plätzen der durchlaufenen Ortschaften. Auch Musik- und Trommelgruppen gibt es einige. Und ganz viele Streckenposten, die auch sehr oft anfeuern.

 

 

Wir biegen auf eine vierspurige Straße mit Gegenverkehr ein. Anhand der Markierungen kann man sehen, dass es nun 2 Kilometer hin und zurück geht. Zeit, um das Lauffeld mal genauer anzusehen.

Wir sind jetzt in der Ortschaft Mysłowice mit 75.000 EinwohnerInnen. Ich habe viel über die Geschichte gelesen, aber das kann man nicht so leicht zusammenfassen. Wie ich das verstanden habe, laufen wir heute nur durch oberschlesische Städte, die 1921vom Völkerbund nach einer Volksabstimmung Polen zugesprochen wurden. Vor dem ersten Weltkrieg muss das hier eine richtig europäische Gegend gewesen sein, in der Polen und Deutsche zusammenlebten und unterschiedliche Sprachen gesprochen wurden. Neben Polnisch und Deutsch gab es einen polnischen schlesischen Dialekt (Wasserpolnisch) und das deutsche Schlesisch. Wen das genauer interessiert, dem sei wie immer Wikipedia empfohlen und ein Besuch von Oberschlesien samt dem Marathon.

Dann Wendestelle mit Halbmarathonmarke. Die Teilnehmenden des Halbmarathonwettbewerbs (Polmaraton) sind um 9:45 Uhr gestartet und werden ab Kilometer 6 mit den Marathonis zusammengeführt, die bereits 29 Kilometer in den Beinen haben.  In Janów sitzen doch glatt zwei Herren mit einer Magnumflasche Fürst Metternich an der Strecke und dann kommt die Produktionsanlage von Lipton-Tee. Dort werden noch PraktikantInnen gesucht.

Im Kattowitzer Stadtteil Szopienice (Schoppinitz) ein schönes Schulgebäude aus dem Jahr 1905 und gegenüber die 1878 erbaute Kirche der Heiligen Hedwig von Schlesien.

Gelegentlich stehen Regennebelduschen an der Strecke, die aber heute eher nicht so begehrt sind. Links von uns ein Technikmuseum in einem alten Werksgebäude. Wir schwenken auf eine Straße mit Trambahn auf dem Seitenstreifen ein. Eine neue Tram mit Lego-Werbung schwankt so dahin. Die Gleise sehen sehr verbogen aus. Erst später wird mir klar, dass daran wohl Bodensenkungen schuld sind, verursacht durch die Bergwerke. Nagelneu der große Trambahnumsteigepunkt im aufstrebenden Kattowitzer Geschäftsbezirk Zawodzie.

Dann Musik von Polskie Radio Katowice. Der deutschsprachige Internetauftritt von Polskie Radio bietet eine gute Möglichkeit, sich über Themen, die Polen bewegt, zu informieren. Und seitdem die PIS-Partei nicht mehr an der Regierung ist, sind die Informationen auch wieder objektiver.

Über die Straße Bohaterów Monte Cassino (Helden von Monte Cassino) weiter. Großer VP bei Kilometer 30. Ich verabschiede mich von Judith und nutze ein wenig meine Energie, um davonzuziehen. Eine Zuschauerin mit neuseeländischer Fahne wartet wohl auf die beiden Teilnehmer aus ihrem Heimatland. Ich hole die beiden musikbegeisterten Spanier wieder ein, die ich schon öfter gesehen habe. Wobei ich feststelle, dass es sich um Polen handelt, die sich mit spanischen Klängen bei Laune und beim Laufen halten.

 

 

Und noch einmal eine neue Ortschaft: Siemianowice Śląskie (Siemianowitz). Ursprünglich mal ein Fischerdorf, wie man auf dem Wappen sieht. Dann kam das Eisenwerk Laurahütte. Ich höre das Dröhnen der Bässe von Rammsteins „Waidmanns Heil“. Zu sehen gibt es an einer Mauer Malereien mit historischen Szenen vom Krieg und wehrhaften Polen und davor Verkleidete in bunten Tierkostümen. Über eventuelle Zusammenhänge könnte man jetzt lange sinnieren - oder sich einfach über die fröhliche Stimmung an der Marathonstrecke freuen.

Eines hatte ich mir gemerkt: Bei Kilometer 38 befindet sich der höchste Punkt der Strecke und fürwahr, es geht sehr steil nach oben. Es wird fleißig gegangen und ich schlurfe vorbei. Oben erwartet uns der Fernsehturm Telewizja Polska. Kurz danach in den Park Slaskie und natürlich schön bergab.

Stopp, da sehe ich was. Eine Markierung zum Meridian 19. Grad Ost. Foto und weiter. Die etwas zu schnellen 4:45-Pacerinnen habe ich schon länger überholt. Unter 4:40 wäre doch noch besser. Dann auf eine breite Allee. Das Stadion ist schon zu sehen. Dummerweise etwas weiter oben. Wo wird wohl das Marathontor kommen? Ein Viertel um das Stadion herum, dann bergab Richtung Rasen.

 

 

Auf die Wände des Tunnels werden geometrische Muster projiziert, auf dem Foto bleiben davon nur Striche übrig. Ich sehe den Zielbogen, immer noch fehlen 300 Meter. Viele Zuschauer auf den unteren Rängen der Tribüne. Auf einer blauen Laufbahn, die an das Berliner Olympiastadion erinnert, Richtung Ziel. Ein Konkurrent überholt links auf der Innenspur. Etwas rabiat. Nicht mit mir. Im Schlusssprint habe ich die Nase vorn und komme zufrieden in 4:38 ins Ziel.

Viele von unterwegs bekannte MitläuferInnen folgen. Dann kommt Judith ins Ziel. Es ist frisch und wir machen uns auf den Weg aus dem Stadion. Es gibt Wasser, Iso-Getränke, Bier, belegte Brote, Riegel, Äpfel, Nüsse. Dann noch mal außen um das halbe Stadion zu den Kleiderbeuteln. Ein wirklich schöner Lauf. Dziękuję bardzo - Vielen Dank!

 

Fazit

 

Eine sehr interessante Marathonreise. Der Silesia Marathon führt durch viele Städte und Orte Oberschlesiens und dazwischen durch grüne Parks und Wälder.  Die Veranstaltung ist gut organisiert, die Streckenabsperrung perfekt. Es gibt viele gut ausgestattete VPs und freundliche Streckenposten. Einige Zuschauer, einige Hotspots mit viel Stimmung.

Das Preis-/Leistungsverhältnis ist sehr günstig und beinhaltet auch das Laufshirt und einige nützliche Geschenke. Informationen auf Englisch gibt es im Internet, außerdem ein schönes Infoheft, leider weitgehend auf Polnisch. Gute Auswertungen des Zeitnehmers.

 

Weitere Tipps zur Reise:
 

In Polen kommt man sehr gut mit Englisch zurecht. Übersetzungen von Polnischen Texten erhält man sehr einfach per Foto mit der passenden Handy app. Zahlen kann man mit Karte, wobei man immer den Betrag in polnischen Zloty wählen sollte. Eine Umrechnung auf Euro am Terminal bringt einen schlechteren Wechselkurs. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind sehr günstig, leider gibt es nur wenige Fahrkartenautomaten. Meistens hat hier die Kartenzahlung nicht funktioniert. Die Hotels und Restaurantpreise liegen in Schlesien weit unter deutschem Niveau. Wer Zeit hat, kann noch einen Tag in Krakau anhängen.

 

Siegerinnen Marathon

1 TARNOWSKA ALEKSANDRA  POL 02:45:08
2 PAWLIKOWSKA ANNA             POL 02:54:47
3 GRIMAN JOANNA                      POL 02:55:37

 

Sieger Marathon

1 CHERUIYOT LABAN                  KEN 02:16:32
2 GŁOGOWSKI ADAM                  POL 02:16:48
3 TRESKA PIOTR                            POL 02:37:50

 

Finisher

Ultra (50km)   250     
Marathon        1.851
Halbmarathon 2.958

 

Nationen Marathon

POL 1.791
D         10
CZE    6
UKR   5
SVK    5         

dann viele Nationen mit 1-3 Teilnehmern

Frauenanteil 13%

 


 
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