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Laufberichte

Gratwanderung

 

Über die Brunnenauscharte führt der letzte Aufstieg unserer ersten Rennhälfte hinauf zum höchsten Punkt der Strecke, dem Hochgratgipfel auf 1834 Meter. Der komplette Abschnitt ab Buralpkopf ist stark frequentiert, viele Ausflügler sind bei heute idealen Wetterbedingungen von der naheliegenden Hochgratbahn her unterwegs. Aber die meisten machen schnell bereitwillig Platz und sparen auch nicht mit Anfeuerungen. Sicherlich muss man sich an besonders exponierten Stellen manchmal etwas arrangieren und auch einmal warten, da einfach nur einer durch kann. Ich habe damit eh kein Problem, wie die Spitzenläufer das empfinden, kann ich nicht beurteilen.

Im Übrigen gibt es ab Einstieg in die Nagelfluhkette keine Beschilderungen mehr vom Veranstalter des Gebirgsmarathons, unsere Laufstrecke führt ganz normal über die Wanderroute. Ist man erstmal auf den Wegen der Höhenwanderung, ist ein Verlaufen aber auch kaum mehr möglich. Abzweigungen sind auch nicht vorhanden, außer mal ein kurzer Abstecher zum Gipfelkreuz.

An den Brotzeittischen für Ausflügler vor der Bergstation der Hochgratbahn befindet sich unser Wendepunkt und auch eine Versorgungsstation. 20 km sollten hier in etwa absolviert sein. Cola, Wasser und Melonen sind im Angebot. Leider hat der Betreuer der Station keine Ahnung, wie viele Läufer sich noch auf der Strecke hinter uns befinden und beschäftigt sich bereits mit dem Einpacken seiner Getränke. Eine Strichliste, wer bereits durchgekommen ist, oder auch einen Besenläufer, gibt es nicht. Einer meint, es sei nur noch mit einem zu rechnen. Es ist zu befürchten, dass die Station abgebaut wird, obwohl noch einige Läufer unterwegs sind.

Den kurzen Rückweg zum Hochgratgipfel kann man alternativ auch auf einem etwas unterhalb des Grates befindlichen Weg in Angriff nehmen. Dieser ist leichter zu laufen und weniger besucht als der direkte Weg am Kamm entlang. Man lässt uns freie Wahl, eine Abkürzung ist es nicht.

Wer meint, der Weg retour über die gleiche Strecke ist langweilig, den kann ich eines Besseren belehren. Der Blick in die entgegengesetzte Richtung ergibt völlig neue Perspektiven. Mehr als einmal bin ich mir unsicher, ob ich überhaupt auf dem richtigen Trail bin oder mich nicht vielleicht doch verlaufen habe. Und da bin ich im Übrigen auch nicht der einzige, wie ich später erfahre.

Nachdem ich mich lange Zeit mit Fotografieren etwas zurückhalten musste, weil gleich zwei Akkus meiner Kamera ihren Dienst verweigerten, kann ich unerwarteter weise einen bei einem Aussichtsstopp wieder zum Leben erwecken. Was sich auf meine Laufzeit natürlich sofort negativ auswirkt.

Der Ausblick in die neue Richtung ist fast noch grandioser als beim Herweg. Immer wieder kommen neue Fotomotive hinzu, wie die abgestorbenen Baumskelette. Ja, ich weiß, ich bin nicht auf einer Fotosafari sondern bei einem Wettrennen, aber wenn’s doch so schön hier ist. Bis nach Vorarlberg kann man den Verlauf der Nagelfluhkette verfolgen. Er ist damit auch der erste grenzübergreifende Naturpark zwischen Deutschland und Österreich. Insgesamt hat die komplette Gratwanderung über alle 13 Gipfel eine Länge von etwa 20 Kilometer.

Apropos Grat: Ein kurzer Abstieg vom Gündleskopf benötigt meine volle Aufmerksamkeit. Was beim Herweg schon ein sehr eindrucksvoller Aufstieg war, ist beim Rückweg eine äußerst spektakuläre Angelegenheit nach unten. Hier heißt es wieder, alle Teile sichern und danach den genauen Tritt in die Tiefe richtig planen. Ich bin kein Bergsteiger oder besonders guter Bergkenner, glaube aber, der Kammabschnitt zählt zum eindrucksvollstenm was das Allgäu zu bieten hat.

Nach dem Sederer darf endlich wieder richtig gelaufen werden. Über die Getränkestation an der Mittelalpe geht es über fast 8 Kilometer meist in angenehmem Gefälle nach unten. An der Abzweigung zur Mittelstation der Mittagbahn werden wir erneut mit Getränken versorgt. Ab hier geht es wieder aufwärts. Bis zur Liftstation führt der Weg über eine schmale Teerstraße in Serpentinen etwa 2 km steil nach oben.
An der Mittelstation kann Wasser und Cola aufgenommen werden. Mein Blick richtet sich nach oben. Die Bergstation zum finalen Schlussanstieg liegt ab hier im Visier. Schwieriges Terrain muss nicht mehr bewältigt werden, abwechselnd auf Asphalt- und Schotterpisten geht es auf den letzten zwei Kilometern nach oben.

Ich bin heute nach 7:30 Stunden einer der Letzten im Ziel. Willi Hiemer empfängt mich vor dem Zielportal. Eine Tombola ist bereits im Gange. Man weißt mich darauf hin, meine Startnummer noch in die Kiste zu werfen, aus der die Gewinner gezogen werden.

78 Finisher kann der Gebirgsmarathon heuer aufweisen, einige mussten leider die Segel streichen. Ich kenne keine Zahlen aus früheren Jahren, denke aber, oft wird’s das noch nicht gegeben haben. Jede Startnummer in der Kiste wird auch in der Tombola gezogen und bekommt einen kleinen Gewinn überreicht. Da sind durchaus praktische Dinge, wie Duschgel, Sonnenschutz oder Müsli.

Direkt im Anschluss findet die Siegerehrung statt. Die Gewinner sind mit Gitti Schiebel und Manuel Heller keine Unbekannten, allesamt aus dem Ällgäu. Jeder Altersklassensieger bekommt einen Pokal, der Rest der Finisher eine Medaille bei der Ehrung überreicht. Mit unserer wieder zurückerhaltenen Startnummer dürfen wir mit der Mittagbahn kostenfrei nach unten fahren. Pünktlich zur Talfahrt verziehen sich alle Wolken und es wird gleich brütend heiß.

Ein Wort noch zu den Distanzen. Laut Ausschreibung sind 42 km und 2500 Höhenmeter zu absolvieren. Auf die Goldwaage sollte man diese Werte nicht legen. Die persönlichen Messungen vieler Teilnehmer weisen große Unterschiede auf. Von einem zu wenig, dafür beim anderen etwas mehr. Also nichts für Erbsenzähler.
Ich möchte hier auch kein großes Fass aufmachen. Seit ich auch mit GPS am Handgelenk unterwegs bin, musste ich feststellen, dass meine und auch andere Uhren bei Kilometerangaben in den Bergen und vor allem bei Strecken mit vielen steilen Auf- und Abstiegen große Differenzen zu den Veranstaltervorgaben aufweisen und 10 % Abweichung durchaus keine Seltenheit sind.

In diesem Fall sieht es ganz danach aus, dass 42 km nicht erreicht worden sind. Anders ist das bei den Höhenmetern. Die lagen bei den meisten nur wenig unter 3000 Hm. So gleicht sich das dann irgendwie auch wieder aus.

Wer am Immenstädter Gebirgsmarathon teilnehmen will, sollte schon einiges an alpiner Erfahrung mitbringen. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit auf zum Teil nicht ganz ungefährlichen Teilabschnitten sind erforderlich. Dafür bekommt man aber auch einen Lauf über einen Höhenweg mit einem Panorama der Extraklasse geboten.
Bleibt zu hoffen, dass die Hiemers noch lange Freude an Ihrem Baby haben und jährlich genügend Sponsoren auftreiben können, die den Fortbestand dieses aufregenden Laufes sichern. Kleinere Versäumnisse sollte man aber bei dieser familiären Veranstaltung in Kauf nehmen.

Sieger
Herren

1. Heller, Manuel 4:08:46
2. Philipp, Anton, 4:10:46
3. Schouren, Frank 4:19:01
Damen
1. Schiebel, Gitti 5:02:19
2. Schultealbert, Susanne 5:14:57
3. Ott, Gerti 5:16:17

 

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Informationen: Gebirgsmarathon Immenstadt
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