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Laufberichte

Good Vibrations

28.04.13

Als ich mich im letzten Jahr für den Big Sur Marathon anmeldete, dachte ich am ehesten an den Song im  typischen Sound der Beach Boys. Doch seit den Anschlägen auf den Boston Marathon ist vieles anders.

Von Freunden und Bekannten werde ich nicht auf Sommer, Sonne, Strand und schöne Mädchen angesprochen, vielmehr lautet die besorgte Frage, ob ich es mir gut überlegt habe, an die kalifornischen Pazifikküste zu reisen. Eine Frage, die ich ohne zu zögern, wenn auch mit einem mulmigen Gefühl, mit ja beantworte. Schon alleine damit die Attentäter nicht ihr Ziel erreichen, Angst und Misstrauen unter uns zu säen, möchte ich mir die Freiheit nicht nehmen lassen, dort mit über 4.900 anderen Läuferinnen und Läufern ein friedliches Miteinander zu demonstrieren.

So fliegen Silke und ich im Bewusstsein dieser neuen Gefahr am 25.04.2013 nach San Francisco. Die Kontrollen bei der Einreise sind gründlich, aber nicht langwierig oder schwierig. Da habe ich in letzter Zeit schon von größeren Schwierigkeiten gehört. Wir werden freundlich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten empfangen. Problemlos erreichen wir am Abend unser Quartier bei meiner Cousine Gundula und ihrer Familie. Auf halbem Weg zwischen San Francisco und Monterey wohnen wir damit verkehrstechnisch günstig. So bleibt uns am Freitag Zeit zum Eingewöhnen bei einem Bummel am Pier 39 und einer Fahrt mit dem Cablecar.

Am Samstag geht es als Familienausflug zur Startnummernausgabe nach Monterey. Dank der per Mail zugesendeten Informationen ist das Monterey Conference Center leicht zu finden. Nur die Rolltreppe hoch und schon stehen wir vor den Schaltern. Obwohl um die Mittagszeit bereits viel Betrieb herrscht, bekomme ich meine Startnummer praktisch sofort. Bei diesem Lauf enthält sie auch den Chip für die Zeitnahme. Gegenüber erhalte ich mein Ticket für die Busfahrt zum Start. Von dort geht es die nächste Treppe wieder hinunter und ich bekomme mein im Startpreis enthaltenes Marathon-T-Shirt. Ein Finisher-Shirt kann ich im Zielbereich zusätzlich erwerben. Im Saal gegenüber befindet sich die Marathonmesse. Hier wird heute unter anderem für die Opfer des Boston Marathons gesammelt. 6.000 $ kommen dabei zusammen. Michael Martinez bietet eine CD an. Eine schöne Erinnerung vorab und gleichzeitig eine Einstimmung auf sein Klavierspiel, das mich morgen an der Halbmarathonmarke erwarten wird.

Anschließend fahren wir über den 17 Miles Drive nach Carmel, den Zielort des Marathons. Der Drive ist zwar kostenpflichtig, aber man sollte sich diesen spektakulären Küstenabschnitt trotzdem nicht entgehen lassen. Zumal man von dort kommend, Richtung Ziel, durch den sehenswerten Kern von Carmel fährt. Nach einer Stärkung schließen wir den Tag mit dem Befahren der Strecke ab. So bekommt auch meine Familie einen kleinen Eindruck vom Weg, den ich am Sonntag zurücklegen werde. Am Marathontag selber haben sie dazu keine Möglichkeit, da die Straße uns Läufern vorbehalten bleibt.

Nach einem stärkenden Nudelauflauf verschwinde ich frühzeitig im Bett. Der Jetlag fordert seinen Tribut und früh aus den Federn muss ich ja auch noch. Nach Monterey, von wo die Busse bereits um 3.30 Uhr die ersten Teilnehmer zum Start am Pfeiffer State Park bringen, habe ich noch eine Anfahrt von etwa einer Stunde. So muss ich bereits gegen 2.00 Uhr wieder aufstehen. Dank noch nicht bewältigten Jetlag aber auch kein Problem und so erreiche ich nach ruhiger Fahrt Monterey. Ich werde gleich ins Parkhaus gewunken, welches für die Läufer heute kostenlos zur Verfügung steht. Nur noch raus, zweimal links abgebogen und schon kann nichts mehr schief gehen. Die Karawane der wartenden Schulbusse weist den Weg. An ihrer Spitze ist für mich noch ein Plätzchen im ersten Bus frei. Trotz früher Stunde nutzen nur wenige Teilnehmer die Fahrt, um noch eine Mütze Schlaf nachzuholen. Meist werden diverse Lauferlebnisse ausgetauscht.

Am Startplatz erwartet uns dichter Nebel. Die feuchte Luft lässt die kühle Temperatur noch kälter erscheinen. Da kommt es gerade recht, dass noch Kaffee und Bagels angeboten werden, um sich aufzuwärmen. Hier treffe ich auf Deborah und David. Beide, wie heute 400 andere auch, haben die Möglichkeit des B2B genutzt. Seit 2010 gibt es die Kooperation zwischen Big Sur und Boston, die beiden Marathons im Paket zu buchen. Beide waren am 15.04.2013 unter 4 Stunden im Ziel. Verstehen kann diese Anschläge hier keiner und doch, sie machen nachdenklich. Es ist deutlich zu spüren, dass dieses Ereignis unseren schönen Sport für immer verändert hat.

Doch heute wollen wir diesem mulmigen Gefühl trotzen. Abgelenkt werde ich vom Zittern meiner Muskeln. Noch ganz schön frisch heute Morgen. Da wird die Abgabe seiner Sachen möglichst lange hinausgezögert.  Um kurz nach sechs wird es hell. Nur noch eine knappe halbe Stunde Zittern und dann soll es endlich losgehen. Nach der Gepäckabgabe geht es zum Startbereich. Kontrollen gibt es nicht, obwohl jeder eine Zeit vorgemeldet hat.

„Here comes the sun“ erklingt. Ja, gerne würden wir schon die ersten Strahlen genießen, aber sie schaffen es noch nicht durch den dichten Nebel. Der Racedirektor von Boston begrüßt uns. Alle gedenken schweigend der Opfer vom 15.04.2013. Anschließend erklingt die amerikanische Nationalhymne, da ist die Stimmung wieder gehoben. Das Starterfeld jubelt. Weiße Tauben fliegen auf. Wir alle hoffen auf ein friedliches Rennen. Und so begeben wir uns um 6.45 Uhr auf die Strecke.

Am Ende der 1. Meile erblicke ich einen verschreckten Frühaufsteher, er ist das Motiv des ersten Schildes. Die Schilder, die die einzelnen Meilen markieren, gehören seit Jahren zum Big Sur Marathon und haben verschiedene Themen. Dieses erste Schild erinnert eben an das frühe Aufstehen heute Morgen. Dabei darf es durchaus auch als Hinweis auf den Beginn der Anmeldung verstanden werden. Eröffnet wurde diese im Internet nämlich am 15.07.2012 um 7.00 Uhr Ortszeit. Eine sofortige Anmeldung war durchaus ein Vorteil, denn wie ich an meiner Startnummer feststellen konnte, waren nach wenigen Stunden bereits über 2.000 der 4.500 offiziellen Startplätze vergeben und nach knapp 26 Stunden musste die Teilnehmerliste geschlossen werden.

Doch nicht zu lange aufhalten, denn noch ist es kühl und ich möchte schnell warm werden. Da bewundere ich schon die ersten Zuschauer. Auch wenn die Straße heute eigentlich gesperrt ist, kommen wir an ein paar kleinen Ortschaften wie hier im Bereich des Big Sur Village vorbei, deren Einwohner es sich nicht nehmen lassen, uns bereits in dieser kühlen Morgenstunde anzufeuern. Und schon ist auch die zweite Meile Geschichte, wo mir Bill Burleigh auf dem Schild entgegen strahlt. Passenderweise als Dirigent, hat er doch den Big Sur Marathon in der 1980er Jahren ins Leben gerufen.

Bei Meile 3 gilt mein erster Blick meiner Laufuhr. Es gilt nämlich eine Höchstgeschwindigkeit von 6 Meilen pro Stunde. Aber eigentlich ist der Blick in diesem Fall überflüssig, denn trotz des gefälligen Profils der Strecke bin ich beim Marathon noch nie so schnell unterwegs gewesen. Oder habe ich die Meilen nicht richtig in Kilometer umgerechnet? Eine Mahnung ist es allemal, sein Tempo besser richtig einzuschätzen. Gar nicht so einfach, sich zurück zu halten, denn schon spielen uns die ersten Bands auf. Im Takt ihrer Musik fällt das Laufen eben leicht.

So ist es nicht weit bis Meile 4. Schon manch einer hat einem gewissen Drang nachgegeben  eines der abgebildeten Toilettenhäuschen genutzt. So viele stille Örtchen habe ich bei einem Lauf noch nicht gesehen.

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