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Laufberichte

"Doppeldecker" Nürnberg-Kandel

13.03.05

Laufbericht vom  "Doppeldecker" 12.3.2005 6h-Selbsttranszendenzlauf in Nürnberg und 13.3.2005 Bienwald-Marathon in Kandel

 

Es ist jetzt schon das 2. Mal, dass ich diese Marathon-Kombination durchführen will. Schon in 2004 wurde sie in Vorbereitung für den Isar-Lauf absolviert und soll dieses Jahr denselben Zweck erfüllen, da das Rennen an der Isar im Mai wieder ansteht.

 

Vergangenes Jahr bin ich schon am Freitagabend losgefahren, um in der Turnhalle der Volks- schule „Insel Schütt“ zu übernachten. Mehrere Stunden verbrachte ich im Stau bei Sinsheim- Steinfurt und vor Heilbronn. Dieses Mal wollte ich es mir leichter machen und beschloß, in den frühen Morgenstunden nach Nürnberg zu starten und so die freitags abends immer wieder- kehrenden Staus zu vermeiden.

 

Um 3 Uhr stehe ich auf und packe meine Sportsachen, wobei mein lieber Schäferhund Cora mich misstrauisch beäugt. Er kennt diese Prozedur und weiß, dass dann seine Bezugsperson für einen ganzen langen Tag das Haus verlässt und er es dann mutterseelenallein hüten muß. Ich schaue ihm in die Augen und sage:“ Du darfst mitkommen!“ Coras Mimik verändert sich sekundenbruch- teilig und mit freudigem Gebell springt er an mir hoch und bekundet somit seinen Dank im voraus.

 

So gegen 3.40 h trete ich vor die Tür und stelle verwundert fest, dass mindestens 10 cm Neu- schnee gefallen ist. Da mein Wagen über gute Winterreifen verfügt, stellt das für mich kein allzu großes Problem dar und ich starte wohlgemut. Nachdem ich den Hunsrück hinter mich gelassen und die Pfalz erreicht habe, ist es mit der Schneedecke nicht mehr weit her und ich komme schnell voran. Die gefürchteten freitagsabendlichen Staustrecken Sinsheim-Steinfurt und Untereisesheim sind jetzt am frühen Samstagmorgen völlig unproblematisch zu befahren.

 

Aber jetzt beginnt es wieder sehr heftig zu schneien, bin momentan schon im Frankenland und die Schneedecke wird höher und höher. Ich passe meine Fahrgeschwindigkeit den extremen Witterungsverhältnissen an und fahre nicht über 80 km/h und werde jetzt von vielen rücksichts- losen und gefahrenblinden Zeitgenossen – es sind viele LKW-Fahrer dabei – überholt. Die Schneedecke auf der Straße wird immer dicker und nur ganz selten kommen Streufahrzeuge. Wie durch ein Wunder erreiche ich die Ausfahrt Nürnberg, ohne einen witterungsbedingten Unfall gesehen zu haben. Ich habe großes Glück, denn wenig später entstehen auf dieser von mir zurückgelegten Strecke schlimme Staus, die durch quer stehende LKW’s verursacht werden. So gegen 8.00 h erreiche ich Nürnberg.

 

Schnell bin ich an unserem Laufparcours „Wöhrder Wiese“ angelangt und parke mein Auto unmittelbar am Zugang zum Park. Alles ist tief verschneit und die Landschaft gleicht einem Wintermärchen. Im Moment wäre die Strecke für Skilanglauf ideal geeignet.


Den Hund lasse ich im Auto und begebe mich zur Turnhalle, die einige 100 m entfernt steht und wo manche Laufkameraden genächtigt hatten. Gerade sehe ich einen Jünger Sri Chinmoy’s beim Frühsport. Es sind Freiübungen, die schon mehr mit Akrobatik zu tun haben.

 

Auch begegne ich sofort bekannten Gesichtern aus der Ultra-Laufszene wie Ryan Shakal und Jürgen Köllner, beide aus Berlin, die wie ich in der Welt des „Steppenhahns“ zu Hause sind. Jürgen ist so in meinem Lebensalter und hat physiognomisch eine große Ähnlichkeit mit seiner sympathischen Schwester Bärbel Krapp geb. 1959, der ich am vergangenen Samstag beim 6h- Lauf in Stein begegnet war, einige km mit ihr zusammen gelaufen bin und mich sehr angenehm mit ihr unterhalten hatte.Auch Sigrid Eichner, die härteste Marathonläuferin der Welt, sie wird im April in Hamburg ihren 1.000sten Marathon laufen, und mit der ich im Oktober auf Reunion war, kann ich umarmend begrüßen.

 

Ich nehme jetzt noch mein Frühstück ein, das ausnahmsweise aus Vollkornbrötchen mit Salami besteht – denn Wurst und Getreideerzeugnisse esse ich sonst äußerst selten – und mache mich auf den Weg zum Rennplatz, dem Park „Wöhrder Wiese“. Dort wird der Weg gerade vom Schnee geräumt. Der Renn-Infastruktur-Aufbau ist in vollem Gange; die Rundenzählerbuden entstehen und das Verpflegungszelt am anderen Ende des Parks wird errichtet. Die Laufrunde beträgt etwas mehr als 1,5 km und ist flach, zumindest für die ersten Stunden.

 

Nun begebe ich mich zurück zum Auto, schaue nach Cora, die schon aufgeregt ist und ahnt, was ihr bevorsteht und ziehe mich um. Gehe dann zurück zum Startplatz, wo die Rundenzähler- behausung mittlerweile komplett aufgebaut ist und hole dort meine Startnummer ab und mache mich bekannt mit meinem Zähler. Die Zähler und Zählerinnen sind Angehörige der Sri Chinmoy- Gemeinschaft und kommen zum größten Teil aus dem nahen östlich gelegenen Ausland, sie sind alle sehr freundlich und guter Dinge. Mittlerweile haben sich viele Läufer und Läuferinnen am Start eingefunden. Darunter sind auch Sabine Werle und Bernie Conradt, die ich in Arolsen im vergangenen November kennen gelernt habe. Sabine hat sich zu einer enthusiastischen Läuferin entwickelt und sieht dieses Rennen als Training für den Bieler 100er an. Beide könnten vom Lebensalter her meine Kinder sein.

 

Nach meinem Freund Eberhard Ostertag mit seinem Stammheimer Gefolge und meinem Grand-Raid de la Reunion-Kameraden Tom Wolter-Rössler schaue ich mich vergebens um. Ich denke, die verschneiten Autobahnen haben ein pünktliches Erscheinen nicht zugelassen.

 

Einige Minuten nach 10.00 beginnt das Rennen und schnell zieht sich die äußerst heterogene Läuferschar auseinander. Die zwei Geher vom letzten Jahr sind auch wieder dabei. Beide sind auf bayrisch gesagt „gut beinand“, der eine scheint aber ein paar Kilos verlustig geworden zu sein. Auch Kinder laufen mit. Gleich nach der ersten Runde hole ich Cora aus dem Auto. Der Hund schnaubt und bellt vor Freude, weiß er doch, dass jetzt wieder ein großer Lauf, den er so liebt, für ihn beginnt. Hyperaktiv wie er nun mal ist, läuft er vor und zurück und leider manchmal auch Läufern vor den Beinen herum, was leider zum Verdruss mancher führt. Da dieses Verhalten sich nach wenigen Runden aber legen wird und Cora ruhiger wird, hoffe ich, dass die Hundeteilnahmetoleranz der Zweibeiner sich durchsetzt.

 

Sabine schließt jetzt auf und bekundet, geschwindigkeitsmäßig sich an mir zu orientieren, da sie mich für einen erfahrenen Ultraläufer hält. Es ist mir sehr recht, kann man sich doch wirklich gut mit diesem netten Mädchen unterhalten. Ich erfahre, dass sie von Hoppstädten-Weiersbach stammt, aber schon über ein Jahrzehnt im Rhein-Main-Gebiet wohnt. Hoppstädten-Weiersbach ist, so habe ich im Sesterheim-Familien-Stammbaum gelesen, der Ursprung der Familie Sesterhenn, so wie meine Vorfahren bis zur Franz. Revolution hießen. Ende des 18. Jahrhunderts wurde dann wahrscheinlich durch die liederliche Schreibweise eines Standesbeamten in Namborn im nördlichen Saarland der Name Sesterheim daraus.

 

Ständig werden wir jetzt von Läufern überrundet. Darunter ist ein ganz großer, sehr schlanker junger Mann mit einem sehr eleganten Laufstil. Wäre ich Filmregisseur und würde Spiderman-Filme drehen wollen, ihm würde ich die Hauptrolle übertragen. Auch „Spartacus“ = Georg Weiss läuft ständig lockeren Schrittes an uns vorbei und ist nicht viel langsamer als „Spiderman“.

 

Ab und zu laufen wir an Schildern mit Sprüchen von Sri Chinmoy vorbei. Zwei davon habe ich in Erinnerung behalten, da sie mir gut gefallen: „Laufe immer einen Schritt weiter, als Du eigentlich wolltest. Es ist sehr leicht und siehe, Du hast es bereits getan“. „Laufe Läufer, und mit einem starken Willen und gutem Training kannst Du dem Stolz einer Furcht einflößenden Distanz trotzen“.

 

Es schneit wieder etwas und es ist kalt, jedoch die durch das Laufen bedingte Eigenwärmeerzeugung bietet diesem Witterungsunbill Paroli. Ryan Shakal huscht immer wieder an mir vorbei und auch sein Freund Jürgen Köllner, der Aragorn, ist wesentlich schneller, hält sich aber für seine Begriffe zurück, da er eine Rippenfellentzündung gerade erst überwunden hat. Das Beste an diesem Rennen ist die Verpflegungstation, an der wir alle 1,5 km vorbeikommen und mit großer Getränkeauswahl und Naschereien wie Kekse, Salzstangen, Schokolade, Rosinen, Citrusfrüchte, Äpfel etc. bestückt ist. Anfangs trinke ich Orangensaft und an Nahrung nehme ich nur Rosinen zu mir, mit denen ich in Frankreich und französischen Überseegebieten gute Erfahrungen gemacht habe.


Sowohl die Rundezählermannschaft als auch das Verpflegungspersonal besteht ausschließlich aus sehr aufmerksamen, freundlichen und hilfsbereiten Leuten, die größtenteils aus mittelosteuropäischen Ländern kommen.

 

Nach ca. 1,5 Stunden ist dann endlich Eberhard da mit seinem Stammheimer Gefolge: Angelika, Hanna und Jürgen.  Wie ich es geahnt habe, sind sie im Stau stecken geblieben. Nun ja, sie laufen dann halt 4,5 Stunden. Und so vergehen ganz kurzweilig die Stunden. So nach 4 Stunden ist mein lieber Schäferhund schon sehr viel ruhiger geworden und läuft ohne Kommando „bei Fuß“ und auch die vorher kaum wahrgenommene wenige cm-hohe Steigung vor dem Verpflegungszelt entwickelt sich allmählich zu einem Alpinaufstieg. Immer öfter sieht man Läufer, die in die Geherdisziplin überwechseln.

 

5 Stunden sind vergangen und noch immer kann es heißen:“ he and she are still going strong“. Gemeint sind damit Sabine und ich, die ohne nennenswerte Erschöpfungstendenzen ihre Runden drehen. Fast nach jeder Runde trinke ich einen vollen Becher Coca-Cola, ein Getränk, das ich sonst nicht liebe, aber mir jetzt sehr wertvolle Hilfe gegen Ermüdung leistet.

 

Dieses 1,5 km-Rundenrennen ist wirklich ein Forum für Kontakte mit netten Menschen, so wie beispielsweise Frank Ulrich Etzrodt, einem Läufer, der mir schon oft begegnet ist und den ich nur gutgelaunt kenne. In der letzten halben Stunde sichte ich auch Martin Linek, den Alleinorganisator des Vollmondmarathons, der diesmal nur Zuschauer ist und Bilder mit seiner Digitalkamera von uns macht.

 

Wenige Minuten vor Zielschluß bekommen wir vom Rundenzähler Stäbe mit unserer jeweiligen Startnummer ausgehändigt. Nicht ganz schaffen Sabine und ich die letzte Runde und ein Hornsignal ertönt; die 6 Stunden sind vorbei. Wir legen die Stäbe auf den Boden und albern in kindlicher Ausgelassenheit mit Frank-Ulrich und Martin und auch mit dem zwischenzeitlich dazugestossenen Gefährten von Sabine, dem anderen Bernhard herum.

 

Alle sind jetzt froh, dass das Rennen zu Ende ist; am meisten freut sich wahrscheinlich die liebe Cora, die ohne zu murren sichtlich immer schwerfälliger lief, hatte sie doch wegen der schlechten Waldwegeverhältnisse bedingt durch hohen Schnee in den vergangenen Wochen kaum trainieren können. Auch ein Hund braucht sein Training, um seine Ausdauer aufrecht zu erhalten. Sabine und ich haben immerhin so gegen 50 km zurückgelegt. Die Ersten liefen so gegen 80 km. Es ist für Sabine Grund für große Freude, hat sie doch ohne sichtbare Anstrengung das Ganze gemeistert. Ich bin davon überzeugt, dass sie ihr großes diesjährige Ziel, die 100 km Biel ebenfalls schaffen kann. Auch ich bin mit mir zufrieden und bin von Erschöpfungstendenzen weit entfernt und glaube, morgen den Bienwald-Marathon in Kandel, meinen 100sten Marathon und mehr ebenfalls problemlos und mit Freude bewältigen zu können. Nach den wohlig warmen Duschen stehen noch Nudelgerichte und alkoholfreie Getränke für die Laufteilnehmer bereit, die ebenfalls im Preis einbegriffen sind.


Fazit: diesen 6h-SCMT-Selbsttranzendenzlauf kann ich besten Gewissens jedermann empfehlen. Es gibt nichts daran auszusetzen und wird von dem liebenswürdigen Klaus Schulz aus Berlin organisiert.

 

Dia-Show und Maultaschen bei Eberhard

 

Da wir, das sind Eberhard, Martin und ich morgen wieder einen vollen Lauftag haben, schenken wir uns die Siegerehrung; die Medaillen und Urkunden werden geschickt und fahren zu Freund Eberhard nach Stuttgart, wo wir übernachten werden.

 

Beim Eberhard essen wir noch eine Schwäbische Spezialität; nämlich Maultaschen in einer sehr würzigen Brühe. Es ist genau das, was der Körper nach dem vielen süßen Cola jetzt will. Anschließend führt uns der Ostertag Dias, gesteuert von seinem Laptop vor.

 

Der Inhalt der Dias sind natürlich Laufereignisse wie diverse Alpenläufe, 100 km Biel, Isarlauf, Marathon des Sables etc. und für jeden Lauf hat Eberhard die passende Musik dazugestellt und mit interessanten und aussagekräftigen Texten versehen.

 

Martin und ich sind begeistert, hatte Eberhard doch damit bewiesen, dass großartige Regisseur talente in ihm stecken.

 

Ute, die liebe Frau vom Eberhard stellt uns noch Behelfsbetten zusammen, wo wir dann die Nacht verbringen. Meine Schäferhündin Cora ist überglücklich, liegt sie doch jetzt direkt neben mir am Bett, denn zu Hause darf sie nicht zu mir ins Schlafzimmer.

 

Bienwald-Marathon Kandel

Nach einem guten Regenerationsschlaf und einem ordentlichem Frühstück starten wir am frühen Morgen in Stuttgart mit dem Ziel Kandel, das wir dann in der geplanten Zeit ohne Probleme erreichen und auch dort sofort die Turnhalle finden, in der die Startnummern abzuholen sind. Der Hund hat heute lauffrei, denn ich denke, dass er Schwierigkeiten hätte, den Marathon zu schaffen und er bleibt deshalb im Auto zurück. Und für mich ist es schon ein besonderer Tag, denn ich werde heute meinen 100. Marathon absolvieren.

 

Mindestens die Hälfte der Halle ist so gegen 8.00 h schon mit erwartungsfrohen Läufern gefüllt. An den Startnummerausgabeständen haben sich schon lange Schlangen gebildet. An bekannten Läufern aus der Ultra-Szene treffe ich Dr. Hans Drexler, Thomas Wenning, Claudia Weber, Karlheinz Kobus, Klaus Neumann, Klaus Duwe und Marion Potschka-Hermann, die aus gesundheitlichen Gründen schon lange nicht mehr an Wettkämpfen teilgenommen hat.

 

Im Startblock begegne ich Dr. Said Khala aus Kirchheimboldanden, der schon letztes Jahr in der runex 123-Gruppe den Badwater-Ultramarathon gefinisht hatte. Auch dieses Jahr wird er wieder dabei sein. Ich befinde mich also in bester Gesellschaft.


Fast 2000 Läufer harren auf den Startschuß, 2/3 davon Halbmarathonläufer, wie man an den hohen Startnummern erkennen kann, der dann auch pünktlich abgegeben wird. Eberhard, Klaus Duwe, Martin Linek und ich starten ganz am Schluß und wollen den Lauf geniessen; sind doch erstmals frühlingshafte Temperaturen fühlbar. Es geht zuerst durch den Ort Kandel, wobei sich die Jubelbegeisterung der spärlich anzutreffenden Zuschauer sehr in Grenzen hält. Berlin-, Hamburg- oder Köln-Marathonläufer, die den Kick durch Anfeuerungsrituale suchen, werden sicherlich tief enttäuscht. Danach geht es durch freies Feld, um dann nach ca. 2 km wieder durch einen Ort zu laufen. Dort gibt es nach 5 km die erste Verpflegungsstelle, wo ich mir gleich 2 Becher Elektrolytgetränke einverleibe. Alles läuft problemlos ab, und ich spüre absolut nichts von den gestrigen 50 km. 1 km nach dem Versorgungspunkt erreichen wir bewaldetes Gebiet, wo ich einige zig Meter seitwärts toilettiere. Dieses Geschäft beansprucht mich etliche Minuten, und als ich auf die Laufstrecke zurückkehre, sehe ich dann vor mir ein sehr langsam fahrendes Kombifahrzeug, das als Besenwagen den Marathonlauf begleitet.

 

Schnell überhole ich den Wagen und auch gleich etliche Läufer davor. Ich stelle zwar überhaupt keinen Anspruch auf eine bestimmte Finisherzeit; aber den Besenwagen im Nacken…, nein das muß nicht sein. Mit einer netten Frau so Anfang 50, bekleidet mit einer 100-km Biel-Finisher-Jacke komme ich ins Gespräch. Sie heißt Grace Sacher, ist Polin und kommt aus Ostpreußen, wohnt aber jetzt in Stuttgart, laufe ein paar km mit ihr zusammen, und verlasse sie dann aber wieder, da sie auf Rücksicht auf 2 andere Damen mit Hund, wahrscheinlich Vereiskameradinnen, doch relativ  langsam läuft.

 

Jetzt kommen die ersten Halb-Marathon-Läufer zurück, und es beginnt für mich ein Schauspiel, das ich sehr liebe. Die Bienwaldstecke ist als solche nicht gerade spannend, da es Streckenabschnitte gibt, die fast 10 km geradlinig durch den Wald führen. Entschädigt wird man jedoch durch die Möglichkeit des Beobachtens der entgegenkommenden Läufer, zuerst die Halbmarathon-Läufer, später auch die Marathon-Läufer, da immer wieder Wendepunkte im Parcours eingebaut sind.

 

Die ersten Halb-Marathon-Läufer laufen zügig und angespannt, aber die Gesichtausdrücke lassen keine Qualmomente erkennen, was sich wenig später extrem ändert. Man sieht und hört Läufer und Läuferinnen, die buchstäblich aus dem letzten Loch pfeifen. Man sieht Personen, die einen ebenso interessiert mustern, welche mit Lächeln auf den Lippen, also wirklich mit Freude laufen, aber auch solche die im Tunnelblick verharren und die Welt um sich herum, wahrscheinlich nur noch mit einen weißen Schleier überzogen, wahrnehmen. Gerade überhole ich einen älteren Läufer, so um die 70; er bewegt sich walkend vorwärts wie Quasimodo, der Glöckner von Notre Dame und gibt Töne von sich, als würde er gerade ausgepeitscht…. Er trägt die Startnummer des Halbmarathons und ich werde ihm nicht mehr begegnen.

 

Bald ist die Wendestrecke der Halbmarathonläufer erreicht und es wird einsam. Ich laufe jetzt allein. Sowohl mehrere 100 m vor mir und hinter mir gibt es keine Konkurrenten. Jetzt bin ich gut eingelaufen, die Straße geht minimal bergab und ich laufe meinen Rhythmus… leicht und locker. Es ist jetzt diese Phase während eines Marathons so zwischen 10 km und 25 km, die mir wie meistens große Freude bereitet, ein fast müheloses Dahinschweben, so wie es wahrscheinlich den Kranichen bei ihren Fernflügen ergeht. Es scheint jetzt sogar die Sonne und die Kraft des Winters scheint gebrochen. Diese Wintermacht währte dieses Jahr lange, denn in der Vergangenheit konnte man im Bienwald, einem Mischwald, bei dem die Laubbäume dominieren und es viele Tümpel und Teiche gibt, die Frösche beim Laichen beobachten. Heute jedoch befinden sie sich noch in Winterstarre, ein Zustand, der aber nicht mehr lange anhalten wird, denn bereits 3 Tage später werde ich Frösche im Bach vor meinem Haus bei Gruppensexorgien, begleitet mit Geräuschen, die an weit entfernt fahrende Motorräder erinnert, betrachten können.

 

Bald kommen wieder Marathon laufende Kameraden entgegen und das Schauspiel, das Lesen in den Gesichtern und am Laufstil beginnt auf’s Neue. Viele bekannte Läufer sind dabei. Jetzt ist der Ort Schaidt erreicht und am Ortseingang, den wir Läufer umgehen, hat sich eine cirka 50köpfige enthusiastische Zuschauergruppe mit einer Musikkapelle eingefunden, die die Marathonis temperamentvoll anfeuert. Nun kommt mir leichtfüßig mit einem Lächeln auf den Lippen Klaus Duwe von “marathon4you“ entgegen, wenig später auch Eberhard, ebenfalls in gutem Zustand und dann Martin Linek, der anscheinend Problem mit seinem sichtbaren „Winterspeck“ hat. Er hat gelobt, es heute zu Ende zu bringen, koste es was es wolle. Auch den einen oder anderen unbekannten Läufer mustere ich mit Interesse, erkenne sofort ihr beginnendes Schwächeln und male mir aus, wann und wo ich sie überholen werde.

 

Der Wendepunkt ist erreicht und es geht zurück. Ich beobachte einige noch hinter mir kommende Teilnehmer, die alle einen guten Eindruck machen. An der Blaskapelle mit den Zuschauern geht es wieder vorbei und dann die lange Gerade, jetzt ein wenig bergauf, um dann nach ca. 2 km wieder nach rechts abzubiegen, wo jetzt wieder dichte Läuferschlangen entgegenkommen. Darunter ist auch mein Lauffreund Bruno Witt, der unter 3.30 h finishen wird. Auch Dr. Hans Drexler, alias Schneggi ist dabei, sein Gesichtsausdruck wirkt nicht gerade erheiternd, und trotzdem rufe ich ihm lobende Worte zu. Eric Thuerlings, ein sympathischer Zeitgenosse holländischer –Pardon- niederländischer Provinienz, der immer wieder behauptet, dass jede Freude ohne Alkohol künstlich sei, kommt leichtfüssig, strahlend und sicherlich alkoholfrei entgegen.

 

Martin Linek geht gerade spazieren, als ich ihn überhole. In seinem Gesicht sind durchlittene Qualen erkennbar; trotzdem behauptet er, dass er finishen kann und auch finishen wird. Er sollte Recht behalten. Er hatte zwar zu guter Letzt 16 km den Besenwagen unmittelbar hinter sich, aber er kam ins Ziel… Und nur das zählt …. Vor mir sehe ich Thomas und Claudia, deren Abstand zu mir schmilzt. Auch für sie ist es heute ein Doppeldecker, denn sie finishten gestern einen 6h-Lauf bei Amsterdam.


Kurz vor der erneuten Wende kommt mir auch Freund Eberhard entgegen. Er meint, ich solle ein wenig schneller werden, um bei ihm aufrücken zu können. Doch ich will und kann nicht schneller werden. Nun erreiche auch ich den letzten Wendepunkt und betrachte interessiert die relativ wenigen noch hinter mir laufenden Kameraden. Aha, eine Dame in rotem Dress kann mir also noch gefährlich werden, das erkenne ich sofort an ihrem Laufstil. Nach 2 km überholt sie mich, denn sie wäre bei der 2. Hälfte immer schneller. Vor mir läuft jetzt ein Mann Ende 40, mit einem Camel-Bag auf dem Rücken, der die Hauptrolle in einem Gladiatorenfilm aus altrömischer Zeit überzeugend spielen könnte.

 

Nach wenigen Minuten ziehe ich an ihm vorbei. Ich esse jetzt ständig die sogenannten Gelchips von ULTRASPORTS, die mir wirklich neue Kraft geben. Auch beginne ich jetzt mit dem Trinken von Coca-Cola an den Verpflegungsstellen. Nur ca. 5 Minuten durchlebe ich bei km 28 ein kurze Verlangsamungsphase. Aber danach habe ich wieder meinen Rhythmus gefunden und trabe unentwegt weiter. Eine Frau, Anfang 50 sehe ich vor mir. Sie macht Gehpausen, um dann wieder relativ schnell anzulaufen. Sie kämpft jetzt, so scheint es mir, gegen das Überholtwerden von mir, heftig an. Gerade bin ich neben ihr, läuft sie wieder flott an. So geht es eine ganze Weile. Doch bald kann sie durch schnelleres Laufen nur noch gerade bei mir aufrücken, um dann wieder in den Gehschritt zu verfallen. Einige Minuten später gelingt ihr auch das nicht mehr und sie fällt zurück.

 

Ganz in der Ferne kann ich schemenhaft einen Radfahrer und Läufer ausmachen, die gerade eine Pause machen. Sie tauschen ihre Jacken und setzen sich dann wieder in Bewegung. Der eine Rad fahrend, der andere laufend….

 

Immer noch fühle ich mich wohl, 35 km sind geschafft und ich komme schon in Finisherstimmung. Hurra, ich werde also meinen 100sten Marathon in absehbarer Zeit völlig problemlos geschafft haben. Die lange Gerade hat nun ein Ende und links geht es jetzt ab in Richtung Kandel.

 

Den mit Radfahrbegleitung laufenden Kontrahenten überhole ich noch, ohne auf das Gesehene einzugehen. Die müssen selber wissen, was sie tun und ob sie sich wirklich auch beim Zieleinlauf richtig freuen können, bleibt ihnen überlassen.

 

Kandel ist jetzt erreicht, das km Schild 40 wird sichtbar und ich freue mich schon auf den nahenden Zieleinlauf im Stadion. Einige 100 m vor mir läuft eine Frau und der Abstand wird immer kürzer. Vor dem Stadion hat sich eine kleine Schar von Läufern versammelt, die schon geduscht haben und die jetzt einlaufenden Athleten anfeuern. Darunter ist auch Angela Ngamkam, eine quirlige und enthusiastische Läuferin, die mir von verschiedenen Ultras wie Marathon des Sables, Isarlauf etc. wohlbekannt ist.

 

Das Stadion ist erreicht und ich erkenne am Eingang Eberhard Ostertag, Klaus Duwe und Klaus Neumann. Aha, gute Kameraden, sie warten auf mich…

 

Ich laufe jetzt auf die eben genannte Frau auf und beginne ein Gespräch mit ihr. Sie ist 66 Jahre alt und ist gerade im Begriff ihren 1. Marathon zu vollenden. Der Zielsprecher tönt durch’s Mikrofon:“ Es kommen jetzt zwei ganz besondere Läufer, die eine ist 66 Jahre und finisht ihren 1. Marathon und der andere hat gestern bereits 50 km absolviert und beendet seinen 100. Marathon…“

 

Zieleinlauf… ladys first. Mit einem Strahlen im Gesicht wird die Marathonfrau von ihren Bekannten begrüßt und bejubelt.

 

Ich werde von Eberhard, Klaus Duwe und Klaus Neumann umarmt und im Club 100 willkommen geheißen. Klaus Duwe, der Chef von „marathon4you“, hat eine Überraschung für mich. Es ist ein hochwertiges weißes Funktionshirt mit marathon4you-Emblem und Aufdruck BERNHARD 100 Marathon-Club. Ich bin gerührt und freue mich wie ein kleines Kind….

 

 

 

Informationen: Bienwald-Marathon
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