Lange mussten die Läufer warten, bis sie wieder in Kandel starten durften. Letztes Jahr, die Bananen waren schon gekauft, traf es die Kandler besonders hart, als erster Veranstalter einen Lauf absagen zu müssen. Auch wenn das zu Beginn der Pandemie nicht jeder verstehen wollte, war es im Nachhinein die richtige Entscheidung.
Umso größer ist die Freude, dieses Jahr, wenn auch ein halbes Jahr später, den Bienwaldmarathon ausrichten zu können. Mit dem auferlegten Hygienekonzept, und den ständig wechselnden Vorgaben war eine flexible Planung gefragt. Hier gab es die größte Veränderung bei der Veranstaltung. Nach über 40 Jahren gab der Erfinder des Bienwaldmarathons, Roland Schmidt, den Stab der Organisationsleitung an die nächste Generation weiter. Mit Markus Poth kann sich der Verein glücklich schätzen, einen kompetenten Mann in seinen Reihen zu wissen. Die Zukunft des Bienwaldmarathons scheint gesichert.
„Endlich läuft wieder was“, war der Satz, den man beim Aushändigen der Startunterlagen am häufigsten hörte. Sogar durch die Masken konnte man die Freude der Läufer sehen, endlich wieder bei einem Wettkampf zu starten. Der vorgeschriebene 3G Nachweis stellte überhaupt kein Problem dar. Neben den gesetzlichen vorgeschriebenen 3G Regeln, gelten zusätzlich noch die 3G Regeln des Veranstalters: „Gemeldet, Gestartet und Gefinisht“. Für einige Läufer wird auch noch das vierte G gelten: „Gewonnen“.
Erstmalig komplett im Freien, an einem Samstag in der Herbstsonne fühlte sich der Bienwalmarathon ganz anders an. Der Startbereich war gleichzeitig auch der Zielbereich, da das Bienwaldstadion sich aktuell im Umbau befindet. Pünktlich 10 Uhr, nach Grußworten der Bürgermeister Herrn Niedermeier für die Stadt und Herrn Poss für die Verbandgemeinde fiel der Startschuss und fast 600 glückliche Läufer starten auf die leicht modifizierte Laufstrecke.
Die Entscheidung im Halbmarathon der Männer fiel bei Kilometer 18. Bis dahhin schien es, als könnte der für die LLG Landsstuhl startende Maximilian Kries den Lauf für sich entscheiden, aber dann schmiss der bis dahin zweit Platzierte Sebastian Speiser (LG Karlsruhe) den Turbo an und übernahm die Führung. Diese Führung konnte er bis zum Ziel noch auf 41 Sekunden ausbauen. Seine Siegerzeit von 1:13:40 h stimmte ihn zufrieden, war es für ihn doch die Generalprobe für die Deutsche Meisterschaft HM in Hamburg. Dort will er in 14 Tagen noch eine Schippe drauflegen und schauen, was dabei rauskommt.
Sehr zufrieden zeigte sich der 28-Jährige mit der Streckenführung, die ihm, weil sie eben, asphaltiert und gerade war, sehr entgegen kam. Maximilian Kies, Triathlet und Student der Zahnmedizin, gab im Ziel zu Protokoll, dass er nachdem er die Führung abgeben musste, schnell merkte, das Tempo nicht mitgehen zu können. Seine persönliche Zielvorgabe von 1:14h verfehlte er um 11 Sekunden. Genießen konnte er den Lauf trotzdem.
Bei den Frauen lief Katja Hinze-Thüs (SG Weden) ein einsames Rennen. Obwohl sie alleine unterwegs war, konnte die Goldschmiedin mit 1:25:05 h ihre persönliche Bestzeit um 40 Sekunden unterbieten. Die Kader Ultraläuferin bestritt vor einer Woche den Marathon auf Nizza in 2:58 h und wollte mit dem Kandler Halbmarathon an ihrer Grundschnelligkeit arbeiten. Die Veranstaltung hat ihr so gut gefallen, dass sie auch nächstes Jahr wieder die 300 Kilometer Anfahrt in Kauf nimmt, um in Kandel beim Marathon zu starten.
Zweiter und dritter Platz der Frauenkonkurrenz ging an die LG Region Karlsruhe. Carolin Grauer (1:32:03 h) kam dabei knapp vor ihrer Vereinskollegin Simone Müller (1:32:25 h) ins Ziel.
Ein Grund zur Freude war für den Veranstalter das gute Abschneiden von Thomas Dambach, der mit einer Zeit von 1:35:32 h seine persönliche Vorgabe weit übertraf, und nebenbei die M60 souverän für sich entscheiden konnte. „Es ist einfach gut gelaufen“ lächelte er im Ziel mit der Sonne um die Wette. Gut gelaufen ist es auch bei dem TSV Talent Larsina Herrmann, die bei ihrer Premiere auf dieser Distanz mit 1:39:15 h finishte und ebenfalls ihre Altersklasse gewann. Von der 18-Jährigen wird man mit Sicherheit noch öfter hören.
Einen ungefährdeten Sieg konnte ein in Kandel wohl bekannter Läufer einfahren. Richard Schuhmacher vom Sparda-Team Rechberghausen konnte schon vor 5 Jahren den Bienwaldmarathon für sich entscheiden. Damals mit einer Siegerzeit von 2:30:49 h, reichte ihm dieses Jahr eine Zeit von 2:35:44 h für den Sieg. Nach einigen zweiten Plätzen in Kandel freute sich der Justizwachmeister darüber, doch noch in Kandel gewinnen zu können. Nach den vielen Absagen von Läufen, auf denen er gemeldet war, zeigte er sich überglücklich, endlich wieder starten zu können.
Der Zweitplatzierte Timo Striegel (Die Praxis Ludwigsburg) freute sich mit 2:38:50 h über eine neue persönliche Bestzeit. „Ist halt eine schnelle Strecke und wenn dann noch das Wetter stimmt, kann nichts schief gehen“ so sein Statement im Ziel. Dass er gegen Richard Schuhmacher keine Chance hatte, sah er mehr als gelassen. Toll auch, dass der Lauf dieses Mal an einem Samstag stattfand, bleibt noch ein Tag zur Erholung. Das wird aus organisatorischen Gründen vermutlich die Ausnahme bleiben.
Bei den Frauen gab es eine faustdicke Überraschung. Die gerade 28-Jährigen Julia Pieper (TV Waldstraße Wiesbaden) wählte ebenfalls Kandel für ihren ersten Marathon und wollte eigentlich nur die magische 3 Stundengrenze knacken, was für eine Premiere schon ein ambitioniertes Ziel ist. Dies Ziel unterbot sie sogar noch um 6 Minuten. Mit einer Siegerzeit von 2:54:09 h machte sich die Controllerin kurz vor ihrem 29. Geburtstag selbst das größte Geschenk. „Ohne meinen persönlichen Pacemaker Fabian, wäre das heute nicht möglich gewesen“ zeigte sich Julia dankbar im Ziel.
Nicht weniger glücklich gab sich die Zweitplatzierte Silke Piri. Wie ihr Mann Christan, beide Triathleten auf der Langdistanz, entschieden sie sich spontan für einen Start in Kandel, um an ihrer Marathonzeit zu arbeiten. Überhaupt schon wieder laufen zu können, macht sie überglücklich, hatte die zierliche Läuferin doch erst vor acht Monaten Zwillinge entbunden. Dass sie dabei ihre bisherige Bestzeit von 3:11 h mit 2:59:28 h um 11 Minuten unterbieten konnte, erstaunte sie selbst. „Babyjogger machen halt schnell“, war ihre lachende Erklärung dafür. Sieben Minuten später durfte sie ihren Mann im Ziel begrüßen.
Nicht nur ihre Zahnarztpraxis in Lembach, sondern auch den Pfalzmeistertitel teilen sich neuerdings Jens und Verena Becker, beide vom TV Lemberg. Jens, eigentlich ein Radsportler, hatte nach einem Schlüsselbeinbruch keinen Spaß mehr am „um die Kirche radeln“ wie er sagte. Er ließ sich von der Laufbegeisterung seiner Frau anstecken und erreichte dank guter Grundkondition schnell gute Zeiten.
2019 wollten beide ihren ersten Marathon in Kandel laufen, was aber durch die Absage nicht möglich war. Damals, so war der Plan, wollte Jens noch den Pacemaker für seine Frau geben. Jetzt eineinhalb Jahre später, war er nicht mehr zu bremsen. Mit einer Siegerzeit von 2:43:45 h hatte er noch ausreichend Zeit, seiner Frau den roten Teppich auszurollen. Nach 3:22:39 h durften sich Verena mit ihrem Mann über die mehr als gelungene Marathonpremiere freuen. Auf Anhieb als Paar, die Pfalzmeisterschaft zu holen, gibt es auch nicht alle Tage.
Die Vizemeisterschaft bei den Herren sicherte sich Sascha Jeric (TV Rodalben) mit einer Zeit von 3:28:07 h. Ihm folgte Lokalmatador Dirk Karl (TSV 1886 Kandel), aktuell noch Meister in der Mannschaft seiner Altersklasse im 100 km Lauf mit einer Zeit von 3:32:13 h.
Den zweiten Platz der Pfalzmeisterschaft der Frauen belegte Jessica Göttel (Benefizteam 42x42,195) vor Angelika Hoffmann (1. FC Kaiserslautern).
Es war vieles anders bei der diesjährigen Veranstaltung. Mit 553 Finnischer, nahezu ein Viertel der üblichen Teilnehmerzahlen, hatte man leider nicht weniger Unkosten oder Arbeit.
Trotzdem war es eine rundum gelungene Veranstaltung, die viele Läufer glücklich machte. Immer wieder wurde die tadellose Organisation gelobt, das tut gut. Umgekehrt muss man aber auch den Läufern ein großes Kompliment machen. Es gab überhaupt keine Probleme bei der Umsetzung der Hygienebestimmungen. Dank dem optimalen Wetter stellte es auch kein Problem dar, dass alles outdoor stattfinden musste. Auch wenn die Zahnrädchen dieses Jahr etwas kleiner waren, griffen sie tadellos ineinander und brachten was Großes zum Laufen.
Besonderes Lob an der Stelle gilt dem neuen Organisationsleiter Markus Poth, der seine Feuerprobe mit Bravur meisterte. Jetzt kann er sich endlich seinem nächsten großen Projekt widmen, seiner kirchlichen Hochzeit in 14 Tagen.
„Früher gab es im Ziel Medaillen, jetzt gibt es Masken“: hörte ich einen Läufer im Ziel. Besser könnte man die Situation nicht beschreiben. "Hoffen wir, den nächsten Lauf in seiner ursprünglichen Form durchführen zu können. Dann wird neben der schnellen Strecke und der Naturverbundenheit auch das Familiäre in Kandel wieder seinen Platz bekommen", meint der Veranstalter.