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Laufberichte

Marathon on Ice

28.02.04

Mit einigen Hundert Läufern laufen wir los. Laufen? Was man so laufen nennt.

 

Winter 2004. Wir planen für das Frühjahr den Ruhr-Marathon von Dortmund nach Essen. Das Marathon-Training beginnt im Februar. Da jedes Wochenende wieder ein LongJog auf dem Plan steht, überlegen wir uns, den Bad Salzuflen Marathon mit zu laufen. Man muss nicht den kompletten Marathon angehen, sondern kann nach dem Baukastensystem nach 18 km, 26 km oder auch nach 34 km aussteigen, je nach Lust und Laune.

 

Am Tag vor dem Marathon bricht plötzlich der Winter ein. In der Nacht fällt in Bad Salzuflen ca. 20 cm Neuschnee. Auf der A2 übernachten viele Autofahrer in ihren Fahrzeugen, weil sich LKWs auf der Autobahn quer gestellt haben. 25 km Stau zwischen Bönen und Beckum. Nachdem sich meine Mitstreiter entschieden haben, nicht anzutreten, überlege ich am Samstag Morgen, wie ich gesund nach Bad Salzuflen komme. Früh genug starten, den Stau umfahren und hoffen, dass die Straßen einigermaßen frei sind. Nach einigen Umwegen und Schleicherei über vereiste Straßen bin ich aber doch noch pünktlich am Start. Ich hole meine Startnummer und staune über den vielen Schnee.

 

12.20 Uhr ist der Start. Mit einigen Hundert Läufern laufen wir los. Laufen? Was man so Laufen nennt. Wir stellen sofort fest, dass es heute nur ein Ziel gibt: Verletzungsfrei irgendeine Strecke in irgendeiner Zeit zu schaffen. Die Strecke ist total vereist. Man rutscht bei jedem dritten Schritt seitlich mit den Füßen weg, schiebt entweder seine eigenen Füße oder die der Mitläufer weg. Das kann ja was werden. Das Feld zieht sich überhaupt nicht auseinander. Auch die Schnellen kommen nicht wirklich weg. Alle quälen sich in einer langen Schlange durch den Salzufler Wald. Ich nehme relativ schnell einen neuen Laufstil an, der ein wenig dem Skilanglauf ähnelt: Arme herunter hängen lassen, die Füße kaum vom Boden abheben und nur vorschieben.

 

Jedes dunkle Stück am Boden wird von allen Läufern gesucht. Jeder Tritt, der einem das Gefühl gibt, festen Boden unter den Schuhen zu haben, tut gut. An der einen oder anderen Stelle geht nichts mehr. Alle gehen, halten sich an Geländern fest... und trotzdem fällt der eine oder andere hin. Manche Wegstellen sind überhaupt nicht passierbar. Mir geht es noch relativ gut. Ich überlege, warum ich nicht meine Schlittschuhe mitgenommen habe. Die hätten mir heute geholfen.


Ich bin so in Gedanken, rutsche so vor mich hin, überlege, wie viele Stunden ich schon unterwegs bin, da sehe ich das 5-Km-Schild. Kaum zu glauben. Ich bin erst bei Km 5. Ich schaue auf die Uhr und rechne meine Km-Zeit aus: 7:40 min. Das kann ja was werden. Wie lange soll dieser Kampf gegen das Eis denn dauern? Ich überschlage und rechne und denke... das wird eine Zeit so um 5 Stunden. Oh Mann.

 

Während ich überlege, ob ich wirklich den ganzen Marathon angehe, rutsche ich endlich mal so richtig aus. Und liege lang am Boden. Die ganze linke Seite tut mir weh. Das gibt blaue Flecken. Aber es geht weiter. Das Fußgelenk schmerzt, aber sonst ist nichts Ernsthaftes passiert. In jeder Runde passieren wir zwei Verpflegungsstellen. Es gibt Bananen, Mandarinen, Schokolade (leider durch die Kälte knochenhart), Tee und Wasser. Top-Verpflegung.

 

Runde 2. Jetzt passe ich aber auf. Ich falle nicht wieder hin. Aber... der Boden ist von den vielen Läufern noch glatter geworden. Und... Zack. Das war ein Rittberger. Eine 5.9 in der B-Note. Dieses Mal lande ich auf der rechten Seite. Glück gehabt. Die tat bisher noch nicht weh. Wenn schon Schmerzen, dann aber überall.

In dem einen oder anderen Gespräch mit meinen Mitläufern höre ich, dass viele nach zwei oder drei Runden aufhören wollen. Der Gesundheit zu Liebe. Aber ich bin eine Eins. Schwarz oder Weiß. Ent oder Weder. Ich will versuchen, durch zu laufen.

 

Ab der 3. Runde wird die Strecke merklich leerer. Viele Läufer sind ausgestiegen. Es gibt Stellen, da sehe ich 200 Meter vor und hinter mir keinen anderen Läufer. Obwohl ich wirklich aufpasse, falle ich noch dreimal richtig hin. Das letzte Mal sogar mit Applaus. Ein älteres Ehepaar kommt mir entgegen, mit Hund. In ihren Gesichtern sehe ich, was sie von uns Läufern halten: Die spinnen, die... Genau als ich bei ihnen ankomme, rutsche ich wieder aus, mit beiden Beinen nach vorne, schwebe in Hüfthöhe in der Luft, drehe mich wie eine Katze mit dem Gesicht zu Boden, und knalle auf das Eis. So´ne Sch...

 

Für 5 oder 6 Sekunden bleibe ich liegen. Ich weiß nicht, ob ich heulen soll, weil mir inzwischen alles weh tut, oder ob ich es genießen soll, mal kurz nicht laufen zu müssen. Das Ehepaar klatscht Beifall. Jetzt sind die beiden sich sicher: Die spinnen, die...

 

Ich kämpfe mich Runde für Runde weiter. Rechnen will ich nicht mehr. Die 5-Stunden-Grenze wird wohl überschritten. So lange war ich noch nie auf den Beinen. Aber egal. In der letzten Runde schaffe ich es tatsächlich noch, vier Läufer zu überholen. Von da an bin ich sicher, dass ich nicht Letzter werde.


Nach 5 Stunden und 3 Minuten komme ich dann endlich an. 5 Stürze, 200 mal weg gerutscht, 50 blaue Flecken, schmerzende Adduktoren, KEINE Brüche und um einen Marathon reicher. Das war ein hartes Stück Arbeit. Platz 108 von 133, die den Marathon durchgehalten haben. Nach dem Duschen gönne ich meinen Beinen noch eine Massage. Toller Service.

 

Bei dem recht geringen Startgeld von nur 8 Euro bin ich ehrlich überrascht. Eine schöne, sehr anspruchsvolle Laufstrecke, gute Verpflegung, Massagen nachher, eine schöne Urkunde,... LC 92, weiter so. Für das Eis auf der Strecke könnt ihr nichts.

 

Informationen: Bad Salzuflen-Marathon
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