Was Kevelaer für die Marathonis am Niederrhein und Rodgau für die Ultras ist, ist für die Laufverrückten im Lippischen der Marathon in Bad Salzuflen.
Zählt man nicht zu dieser Bevölkerungsgruppe, kommt man vielleicht noch wegen seiner eventuellen Atemwegprobleme auf die Idee, in das herrliche Kurstädtchen am Rande des Teutoburger Waldes zu kommen. Dagegen hilft nämlich salzhaltige Luft. Mit der kann Bad Salzuflen reichlich dienen, denn als Überbleibsel aus der Salzgewinnung gibt es noch die zu Kurzwecken betriebenen Gradierwerke. Aber wenn man mal nur relaxen und eine schöne Altstadt mit vielen Fachwerkhäusern genießen will, ist in Bad Salzuflen mit seinen romantischen Hotels und Restaurants auch an der richtigen Adresse.
Und für alle, die sich so früh im Jahr noch nicht an einen Marathon wagen, haben die pfiffigen Macher des LC 92 schon vor über 20 Jahren den Marathon-Baukasten erfunden. Und der geht so:
Man startet um 12.15 Uhr bei der Grundschule West und erreicht nach einem Kilometer einen acht Kilometer langen Rundkurs. Auf dem kann man sich nun austoben und nach 2, 3, 4 oder 5 Runden den wiederum einen Kilometer langen Rückweg antreten und so in die Wertung für 18, 26, 34 oder 42 Kilometer kommen. Bereits um 12.00 Uhr wird ein separater 10km-Lauf gestartet.
Der relativ späte Start erlaubt auch eine weitere Anreise am Veranstaltungstag. Von den großen, ausgeschilderten Parkplätzen aus geht man gut 10 Minuten bis zum Start. Die Startunterlagen bekommt in der Sporthalle, Bratwurst vom Open-Air-Grill und Kaffee und Kuchen in der Schule. Und das alles zu Preisen, dass man glaubt, die haben sich verrechnet. Stimmt aber nicht, die Rechnung geht auf. Der Lauf ist mit 1500 Läuferinnen und Läufer fast regelmäßig ausgebucht.
Obwohl es zum Bad Salzuflen Marathon selten „normale“ und fast nie „ideale“ Bedingungen (mit Ausnahme 2011, wie man meinem damaligen Bericht entnehmen kann) gibt, schlägt der diesjährige Winter mit seinen negativrekordverdächtigen bisher 100 Sonnenstunden den Marathonis so auf’s Gemüt, dass sich viele offenbar in Solarien, Fitnesstempeln und Hallenbäder herumtreiben. Jedenfalls treten diesmal „nur“ 1200 an. Eng wie immer ist es trotzdem, weil auch das noch zu viele sind für die kleinen Räume. Wen stört’s?
Ohne VanMan Jochen Heringhaus läuft hier keiner los. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und durchgängig leichtem Schneeriesel ist er um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Entsprechend ist sein Appell: „Liebe Freunde, 5 ½ Stunden habt ihr für den Marathon Zeit. Es ist Euch aber keiner böse, wenn Ihr alle schon nach 3 ½ Stunden zurück seid.“ Gerade mal vier Läufer tun ihm diesen Gefallen, das sei schon mal verraten. Und nur 143 Marathon-Finisher insgesamt wird es dieses Jahr geben.
Ok, der Reihe nach. Die 10er sind unterwegs, die „Blockstarter“ sind an der Reihe. 100 Metern geht es leicht bergauf, dann scharf nach rechts, dann eine Linkskurve, die letzten Häuser, ein schmaler Waldweg, es wird eng wie zuvor in der Schule. Gleich liegt das kurze Waldstück hinter und die Schützenwiese vor uns. Rechts geht dann auf den schon erwähnten 8 km langen Rundkurs.
Auf dem leicht abschüssigen Waldweg könnte man jetzt locker Fahrt aufnehmen, wäre da nicht der spiegelglatte Untergrund. Schnee und Matsch sind knüppelhart gefroren und verwandeln die streckenweise bequemen Waldwege in anspruchsvolle Trails. Als lupenreiner Trailrun präsentiert sich der Kurs auch weiterhin, denn auf schmalem Pfad geht es parallel zur Verkehrsstraße weiter. Auf einer wackligen Holzbrücke wird ein Bach und kleines Sumpfgebiet überquert, es folgt die nächste kleine Steigung. Als ich den breiten Forstweg erreiche, ist das Läuferfeld fast so licht wie der Buchenwald.
Die Kälte ist aus dem Körper, der Lauf ein Genuss. Trotz der Null Grad kann ich sogar auf die Handschuhe verzichten. Nur auf den Weg muss man höllisch aufpassen. In den Fahrspuren rechts und links ist es glatt, am besten läuft man im losen Laub in der Mitte oder am Wegrand. Vor der ersten Getränkestelle ist dick mit Sägemehl gestreut. Trotzdem haut es einen Kameraden genau dort auf den Allerwertesten, als er sich beide Hände am Teebecher wärmen und den Service loben will. Sofort wird Streugut nachgelegt, um weitere Unfälle zu verhindern.
Absolut rätselhaft ist mir, wie die schnellen Läufer (die ersten sind jetzt im Anflug) mit ihren Laufschlappen unfallfrei über diese Eispiste fliegen. Zumindest sieht es so aus. Tatsache aber ist, dass 99 nach 4 Runden (34 km) und 369 nach 3 Runden (26 km) aussteigen, etliche davon „außerplanmäßig“ oder aus „Sicherheitsgründen“, wie zu hören ist. Von den 425 2-Runden-Läufern (18 km) hatten bestimmt auch einige mehr vor und von denen, die nach einer Runde (wie ich) ausgestiegen sind, wird gar nicht gesprochen. Für die gibt es keine Wertung.
Der Weg steigt nun kontinuierlich an. Nur leicht, so richtig spüren das die Läufer erst ab der dritten Runde. Insgesamt kommen übrigens beim Marathon rund 800 Höhenmetern zusammen. Auch aus dieser Sicht ist die Strecke eine echte Prüfung, Standortbestimmung oder abwechslungsreiche Trainingseinheit, je nach Gusto. Entsprechend locker ist Atmosphäre. Auch die Schnellen hört man nicht lautstark freien Lauf einfordern, es gibt auch keinen „Führungsradler“ oder so was. Es eine große Lauffamilie, die sich zum zwanglosen Wettkampf trifft. Wenn das die Philosophie des Marathons in Bad Salzuflen ist, dann kann ich zum wiederholten Male bestätigen, dass sie vorbildlich gelebt wird.
Die zweite Verpflegungsstelle (km9, 17, 25, 33, 41) markiert gleichzeitig das Rundenende. Hier wird auch die Zeit genommen und es gibt sogar ein paar Zuschauer, die die Läufer entweder auf die nächste Runde oder ins Ziel verabschieden. Immer gibt es viel Applaus, Aufmunterung und Anerkennung. Zurück bekommen die verfrorenen Fans und Helferinnen und Helfer ein ehrlich gemeintes „Danke“ und ein „Aufwiedersehen“.
Wer nicht aufpasst, kann sich auf dem letzten Kilometer problemlos noch einen Sturz und eine Verletzung einhandeln. Denn erst auf der Teerstraße am Ortsrand kann man erleichtert aufatmen und den Lauf abhaken. VanMan Jochen moderiert (vorübergehend) vom Fahrzeug (inklusive Standheizung) aus, mischt sich aber gleich wieder solidarisch unter die Finisher.
In der proppenvollen Schule werden nach und nach die Siegerehrungen abgehalten. Wer medaillengeschmückt sogleich den Heimweg antritt, ist niemanden böse. Er macht lediglich Platz für die Nachrückenden.
Das letzte Stück Kuchen geht lange vor „Ladenschluss“ über die Theke. Ich habe mein liebstes Gebäck, wie alle, die sich auskennen, schon vor dem Lauf genossen.
Männer
1. Bröker, Uwe 03:25:47,0
2. Kannenberg, Lutz Haxter Lauffreunde Paderborn 03:26:22,0
3. Bartkowski, Markus 1Herford 03:28:15,0
Frauen
1. Deters, Ute, TuS Eversten Oldenburg 03:50:04,0
2. Warner, Stephanie 03:51:38,0
3. Wittler, Marion TSVE 1890 Bielefeld 03:52:28,0
143 Finisher