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Laufberichte

Glänzende Aussichten im Ostallgäu (APM 42 km)

 

Die erste Woche unseres Urlaubs im Allgäu,¬ der mit dem Tegelberglauf (Bericht auf trailrunning.de) begann, ist nach zahlreichen gewanderten und gelaufenen Bergkilometern leider schon zu Ende, der Umzug ins zu Oberstdorf gehörende Tiefenbach erfolgt. Bekanntermaßen ist Bayern ja in vielen Statistiken im Bundesvergleich ganz vorne mit dabei. Und weil das so ist, übt eine Veranstaltung, die bei der letztjährigen Wahl von M4Y zum Marathon des Jahres innerhalb Bayerns zur Nr. 1 noch vor Würzburg, Regensburg, Ulm/Neu-Ulm und vor allem München gekürt wurde, einen unwiderstehlichen Reiz auf mich aus: Der Allgäu Panoramamarathon. Und überhaupt: Sehe ich Bilder alpiner Marathons, bekomme ich regelmäßig feuchte Augen und die Füße beginnen selbständig zu scharren.

Gute 21.000 Menschen leben im Start- und Zielort Sonthofen, der am südlichsten gelegenen Stadt Deutschlands und „internationalen Alpenstadt“. Verschiedene profane und natürlich sakrale Bauten sind in ihr zu bewundern, seit 1923 gibt es sogar eine evangelische Gemeinde mit eigener Kirche. Als katholischer Rheinländer stelle ich fest: auch in Bayern ist nicht mehr alles Gold, was glänzt. Selbst die CSU hat nur 10 von 30 Sitzen im Sonthofener Stadtrat inne. Wir bleiben trotzdem.

Wenn schon, denn schon, sagen wir uns und nehmen am Samstagnachmittag nach der freitäglichen Startnummernausgabe im „Allgäu Outlet“ direkt den vormarathonalen Fünfer, der zwischen dem Sonthofener Südrand und seinem Ortsteil Altstädten ausgetragen wird, mit. 90 Finisher bedeuten eine deutliche Steigerung gegenüber den 47 des Vorjahres und nach harten Positionskämpfen, von denen wir u.a. einen gegen den schnellsten Stöckchenzieher ehrenhaft verlieren, sind wir, zufrieden mit einer hübschen Medaille dekoriert, im Ziel.

So können wir mit gesundem Appetit noch an der qualitativ wie quantitativ guten Pastaparty teilnehmen, die bis 17:30 Uhr angeboten wird. Anschließend gibt’s eine Wettkampfbesprechung, auf der u.a. die Strecken vorgestellt werden und auf eventuelle Gefahrenstellen hingewiesen wird. Seit 2007 veranstaltet der Skiclub Sonthofen (über 200 Helfer) den Allgäu Panorama Marathon (APM). Mit im Boot sind (natürlich) die Stadt Sonthofen, als Wettkampfbüro Axel Reuschs Laufladen, und als Hauptsponsor das Allgäu Outlet, an deren Outlet-Store der Start stattfindet. Das Ziel befindet sich beim Partner des Skiclubs, dem Freizeitbad Wonnemar.

Am Sonntag wird pünktlich um 8 Uhr gestartet, bei mir herrscht die reine Vorfreude auf endlich wieder einmal einen schönen alpinen Lauf. Nach den überaus positiven Erfahrungen aus Jungfrau- und Zermatt-Marathon sowie dem K 78 in Davos bringt mich auch in den Bergen so schnell nichts mehr aus dem Gleichgewicht. Besonders entgegen kommt mir heute bei dem südwestlich von Sonthofen gelegenen Rundkurs, daß der Löwenanteil der Höhenmeter bereits nach dem ersten Streckendrittel abgearbeitet ist. Natürlich weiß ich, daß Höhendiagramme über die erlebte Realität täuschen können und noch so manche Überraschung, insbesondere etwa zehn km vor dem Ende folgen wird. Allerdings möchte ich auch keine unangenehme Überraschung in Form eines DNF aufgrund der noch höheren Anforderung erleben, daher habe ich nicht für den Ultra über 69 km und 3.300 HM gemeldet und überlasse den dem „kleinen“ Klaus. Jaja, Weichei, höre ich Euch rufen! Ihr habt ja so recht. Ein Halbmarathon wird übrigens auch angeboten.

 

 

Da Start und Ziel einen knappen km auseinander liegen, parke ich in der Freibadstraße am späteren Ziel, dem Bad Wonnemar, und gehe zu Fuß zum Start am Allgäu Outlet. Dort freue ich mich über viele bekannte Gesichter am Marathonstart, andere sind als  Ultraläufer bereits seit zwei Stunden auf der Piste. Mit Kati, den Co-Autoren Bernie, Greppi und weiteren Team TOMJ-Läufern sowie vielen anderen mehr vergeht die Zeit wie im Fluge und als der Startschuß fällt, habe ich meine Laufuhr noch gar nicht eingestellt.

Schnell haben wir zwei Straßen unter- sowie die Iller überquert und arbeiten uns die ersten Meter parallel dieses Flusses voran. Hinterm Sonthofener See geht’s scharf links ab in die Botanik. Die ersten Höhenmeter leiten uns von Sonthofen weg und im Umdrehen leuchten der Grünten („Wächter des Allgäus“) und die Stadt im leichten Dunstschleier, der sich aber recht flott auflösen und viel Sonnenschein Platz machen wird. Für diejenigen, die diesen Bericht später lesen werden, sei gesagt, dass wir Riesenschwein mit dem Wetter haben. Gerade rechtzeitig hat uns die sibirische Kälte mit tagsüber bis zu schlappen acht Grad im Dauerregen verlassen, daher kann ich in „Kurz“ laufen. Die morgendlichen 14° werden im Tagesverlauf bis auf 24° steigen. Nicht wenige haben dem Wetter nicht getraut, sind viel zu warm angezogen und streifen die überflüssige Kleidung alsbald ab. Wohl dem, der für diesen Zweck einen Rucksack dabei hat (ansonsten benötigt man keinen).

 

 

Asphalt wechselt zum Wiesentrail und zurück. Kaum dass ich knapp zweieinhalb km unterwegs bin, fordert der mir verbliebene Verstand Gehschritt ein, und so ist es. Kraft sparen heißt die Devise. Schon kommt der erste von ungezählten Verpflegungspunkten, er wird direkt zum Nachtanken genutzt. Auf Kies und Wiese geht es weiter stramm aufwärts, rasch gewinnen wir an Höhe und auch an Aussicht. Erstmals verschluckt uns Wald, ein schöner Wurzelweg wie Zuhause im rheinischen Westerwald erfreut meine Sinne, bald sind wir halb im Farn versteckt. Schon haben wir die ersten fünf km abgehakt, so kann es gerne weitergehen. Immer steiler wird der Weg, führt uns am Allgäuer Berghof weiter voran.

 

 

Unterhaltsam ist es, als ob die nette Gegend nicht schon genug Abwechslung böte. Wolfgang Suttner, bisher nur über das Gesichtsbuch bekannt, spricht mich an und auch mit der Saarländerin Uli, deren sehr viel schnellerer Mann immer brav an der nächsten Verpflegungsstelle auf sie wartet, ist unterhaltsam und nett. Die ersten Almweiden mit ungezählten grasenden und bimmelnden Kühen sind sehr schön anzuschauen und schon ist die sog. Weltcuphütte, ein gemütliches Ausflugslokal bei ca. km 7,8 erreicht, an der zwei Bahnen, nämlich die Ossi-Reichert-Bahn und der Weltcup-Express ihre Bergstation haben. Wir umlaufen das Ofterschwanger Horn (Gipfel auf 1.406 HM) und passieren immer öfter Drehkreuze und im Boden eingelassene Viehgatter, die die Rinder dort halten sollen, wo sie hingehören.

Rechterhand liegt die Nagelfluhkette, ein überwiegend in Germanien gelegener Höhenzug mit sechzehn Gipfeln bis 1.834 m Höhe (Hochgrat). Sie gehört zu den letzten höheren Erhebungen der Alpen, ehe sich weiter nördlich das Alpenvorland des Allgäus anschließt. Wieder sind wir auf einem Wurzelweg, als für mich überraschend schon das 10 km-Schild erscheint. 1:20 Std. habe ich bis hierher benötigt, das sieht wohl hinsichtlich des Zeitdrucks ganz gut aus. Auch die Aussichten werden mit der gewonnenen Höhe immer besser, mir geht zunehmend das Herz auf. Immer aufs Neue sind die Trampelpfade in den Hügeln schön anzusehen, auf denen sich der bunte Läuferlindwurm bis zum Horizont windet. Auch das macht für mich den Reiz des Laufens in den Bergen aus.

Einige Rindviecher (mit Euter) stehen mitten im Weg, manche(r), einschließlich des Autors, geht mit einem leicht mulmigen Gefühl an ihnen vorbei, denn man hat gerade in der letzten Zeit von einigen tödlichen Zwischenfällen gehört. Aber die hier sind brav. Die bald passierte Fahnengehren Alpe ist eine für das Allgäu ganz typische, die nur von Mai bis Mitte September bewohnt und bewirtschaftet ist. Und zwar ebenso lange, wie die Jungtiere, die sogenannten Schumpen, die Bergfrische und die saftigen Kräuter genießen dürfen, bevor es im Herbst wieder Richtung Tal geht.

 

 

Wenig später ist der Gipfel des Weiherkopfes auf 1.650 HM erreicht, an dessen Gipfelkreuz wir unter dem Beifall einiger rastender Wanderer den ersten längeren Bergabweg nehmen. Eng ziehen sich die Serpentinen und holzbalkengesicherten Treppen dahin. An einigen weiteren Alpen, u.a. dem Berghaus Schwaben bei ca. km 14,7 vorbei, erreichen wir den nächsten VP, der wieder allerlei Flüssiges und Obst (Bananen und Melonen) bietet. Wellig geht es auf und ab, der Untergrund wird ob des vielen Regens der vergangenen Tage und der zahlreichen schweren Kühe immer matschiger. „Sauber!“ spornt uns mancher Wanderer und Fan an, jedoch unsere unteren Hälften können das zunehmend nicht mehr bestätigen. Weit reicht der Blick ins Tal, dann erblicke ich ein wichtiges Zwischenziel.

 

 

Die Grasgehrenhütte bei ca. km 18,2 auf 1.447 HM bietet Vollverpflegung: Wasser, Iso, Cola, Gels, Riegel, Kuchen, Brot, Salz etc., alle anderen Verpflegungspunkte haben Wasser, Iso, Obst und am Ende auch Cola im Programm. Erstaunt bin ich, tatsächlich noch Kuchen zu bekommen, schließlich ist der berüchtigte Kuchenvernichter Klaus Klein vor etwa zwei Stunden hier vorbeigekommen. Klausi, Du bist so gut zu mir, danke! Obwohl – verstehen kann man ihn, denn Kuchen hat nur wenige Vitamine, daher muss man relativ viel davon essen. Ich vergaß übrigens zu erwähnen, dass die ersten 22,5 km der Marathon- und Ultrastrecke identisch sind. Nach 2:35 Std. und ausgiebiger Verpflegung ziehe ich weiter, auf den Cut off von 3:15 Std. habe ich also 40 min. Luft und bin deutlich auf der sicheren Seite.

Nach gesicherter Überquerung einer Straße ist km 20 erreicht. Wunderschöne Wege führen um die Schönberg Alpe und den Schafkopf (1.627 HM). Überhaupt bestätigt dieser Lauf sämtliche Klischees, die für das Allgäu stehen: Traumhafte Aussichten, wunderbare Berge, Häuser, Almen, Kühe mit Glocken, blauer Himmel, es fehlen wirklich nur noch Heidi, Ziegenpeter und der Alm-Öhi. Dann heißt es: „Marathon links, Ultra rechts“ und schon bald folgt das Grauen. Jedoch nicht die Freiburger Alpe bei ca. km 23,8, die Keller Alpe, die Untere Grund Alpe oder die Lochbach Alpe, nein, es ist das Lochbachtal, das wir zwischen den km 23 und 30 auf steilem Asphaltweg herunterdonnern. OK, mancher hat Spaß daran, reihenweise werde ich überholt, aber für meine Oberschenkel ist das nur furchtbar. Wie die anderen das folgenlos machen, ist mir ein Rätsel. Am Folgetag wird die mir immanente jugendliche Geschmeidigkeit doch arg getrübt sein, vor allem bergab.

 

 

Bei ca. km 29,6 ist die Qual überstanden und das Ende des Lochbachtals erreicht. Nach einem Felsdurchbruch biegen wir nach links in den Wald ab. Was vorher als Warnung gedacht war, nämlich für die jetzt folgenden ca. hundert Höhenmeter noch ein paar Körner übrig zu behalten, erweist sich für mich als Segen. Endlich nämlich darf ich bergauf gehen! Ehrlich, es ist eine Erlösung. Erst etwas über einen schönen Trail durch den Wald, dann auf Asphaltweg durch wunderbare Wiesen führt der weitere Weg. Durch die Ortschaft Obermaiselstein über die Straßenkreuzung Bolsterlang bei ca. km 34,1 sind schließlich 35 km abgearbeitet und es geht flach entlang des Baches Weiler Ach bis zu dessen Mündung in die Iller weiter.

Schon am letzten VP ist mir innerlich der Kragen geplatzt: Warum eigentlich schaffen es so viele Laufkollegen trotz vorheriger intensiver Hinweise des Veranstalters nicht, ihre Becher an der Verpflegungsstelle zu leeren? Ist es die Angst, entscheidende fünf bis zehn Sekunden im hinteren Drittel zu verlieren, die sie dazu veranlasst, ihre Becher manchmal nur zehn Meter hinter dem VP am Wegrand zu entsorgen und den Helfern so noch mehr und vor allem unnötige Arbeit zu machen? Wirklich ärgere ich mich über die Deppen, die ihre Geltütchen unterwegs leeren und auf Wiesen entsorgen.

Heiß ist es mittlerweile geworden, ich erwische mich dabei, die Wegseite nach dem meisten Schatten zu wählen. Am Illerdamm bei Weiler sind 38 km geschafft und bei der letzten Verpflegung steht ein nettes Mädel, das einem, wenn man möchte, mit einer Gießkanne Abkühlung bietet. Entlang der Iller geht es weiter, das Terrain wird bekannt, denn hier sind Elke und ich gestern beim Fünfer durchgelaufen.

 

 

700 m vor dem Ziel höre ich dann die Zielmoderation, kurz darauf sehe ich das Wonnemar, werde namentlich genannt und nach 5:25 Std. und guten anderthalb Stunden „Luft“ zur Maximalzeit ist es geschafft. Höchstpersönlich steht Axel Reusch, der Chef, wie schon gestern im Ziel und begrüßt jeden Finisher persönlich mit Handschlag. Jeden. Das finde ich höchst bemerkenswert und diese nette Geste unterstreicht die sehr persönliche, herzliche Atmosphäre dieser Veranstaltung. Läufer stimmen mit den Füßen ab: Die Teilnehmerzahlen steigen, kein Wunder.

Im Ziel laufen neben zahlreichen weiteren Marathonern die Spitzenläufer des Ultras ein. Rein optisch gesehen schauen diese frischer aus, trotz mehr als doppelter Höhenmeter und der über anderthalbfachen Strecke. Die Vollverpflegung im Ziel lasse ich, wie fast immer, links liegen. Das aber nur, weil ich unmittelbar nach einem anstrengenden Lauf nichts essen kann. Sehr gerne aber halte ich mich ans alkoholfreie Bier, das in Strömen fließt und, gut gekühlt, ein wirklicher Genuss ist. Auch eine Massage wird geboten, die offensichtlich auch gerne in Anspruch genommen wird.

 

 

Der Lauf hat alles bestätigt, was ich vorher an Gutem über ihn gelesen und gehört habe. Durch den Mix aus hügeligen und flachen Abschnitten, den wechselnden, teils wirklich anspruchsvollen Untergründen in unterschiedlichem Gelände, nie jedoch zu lange zu heftig, ist er ein idealer Einstieg ins alpine Marathonlaufen. Seine Qualität macht ihn zum idealen Urlaubsbegleiter. Jederzeit gerne wieder.

 

Einen ausführlichen Laufbericht
vom Allgäu Panorama Ultra Trail (APUT)
gibt es hier auf Trailrunning.de


Strecke:
Rundkurs mit 1.425 Höhenmetern, Zeitlimit 7 Stunden. Zeitlimit Marathon bei Grasgehren (km 19, ca. 1.150 HM) 11:15 Uhr (nach 3:15 Std).

Startgebühr:
44 - 55 € bei Nachmeldung.

Logistik:
9 Verpflegungspunkte

Auszeichnung/Leistungen:
Nudelparty, Sponsorengaben, Eintritt Wonnemar am Wettkampftag, Massage im Ziel,  Finishermedaille, APM-Teilnehmergeschenke (Kleider- und Schuhbeutel, APM-Kappe), Preise für die ersten 3 der AK und Gesamt.

 

Informationen: Allgäu Panorama Marathon
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