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Laufberichte

Von Felsformationen, Raddampfern und Schlössern

 

„Montag, 29. April, 08:30, Team-Meeting in Dresden“ so lautete sinngemäß die Anfrage meiner Chefin. Das Ganze verbunden mit einer Einladung zum Essen am Vorabend. Ich überlege, denn eigentlich wollte ich ja zum Hamburg-Marathon. Aber es gibt an diesem Termin  ja auch den  Oberelbe Marathon von Königstein nach Dresden. Also vertage ich mein Hamburg-Abenteuer um ein Jahr und melde mich in Dresden an, die Startgebühr von 73 € in einer fortgeschrittenen Preisstufe ist nicht zu hoch.

Für auswärtige Teilnehmer bietet der OEM (Oberelbe Marathon) an, gegen eine kleine Zusatzgebühr die Startnummer und den Kleiderbeutel postalisch nach Hause zu schicken, davon mache ich Gebrauch. Dennoch reise ich zeitig am Samstag mit der Bahn an. Gerade noch rechtzeitig fällt mir auf, dass ich zwar die Startnummer habe, aber die Sicherheitsnadeln vergessen habe. Also mache ich mich auf Weg zur Ballsportarena in Dresden, mit der Straßenbahn gut zu erreichen, und besuche die kleine Marathonmesse. Ich bin spät dran, daher ist nicht mehr viel los, und ich mache mich auf die Suche nach einer Möglichkeit, Pasta zu ergattern.

Am nächsten Morgen kann ich noch gemütlich im Hotel frühstücken, denn es liegt nah beim Hauptbahnhof und von dort geht um 07:59 der zweite von drei Zügen für Läufer nach Königsstein. Fahrzeit 40 Minuten, also werde ich rechtzeitig vor dem Start, der für 09:20 geplant ist, in Königstein sein. Die „krumme“ Uhrzeit rührt übrigens daher, dass wir beim Marathon zweimal die Bahnstrecke auf einem Bahnübergang queren müssen und die Bahn ein genaues Zeitfenster zur Sperrung der Bahnstrecke für den Zugverkehr vorgeben hat.

 

 

Angekommen auf dem Bahnsteig wundert mich die große Läufermenge, das hatte ich ganz anderes in Erinnerung. Bei Einfahrt der S-Bahn klärt sich das auf. Diese ist nämlich schon brechend voll, weil der erste Zug um 07:29 ausgefallen ist. Unter Mühen quetschen wir uns in den Zug und stehen dicht gedrängt nebeneinander. An jeder folgenden der etwa 15 Stationen wiederholt sich das Spiel, bis zuletzt einige Läufer zurückbleiben und auf den nächsten Zug warten müssen, der nur 10 Minuten vor dem Start ankommt.

Etwas besser wird es auf halben Weg in Pirna, denn dort ist der Halbmarathonstart und ein Schwall Läufer steigt aus. Der Halbmarathon ist mit 2436 Finishern übrigens mehr als doppelt so stark nachgefragt wie der Marathon mit 1052. Neben diesen beiden Distanzen gibt es noch ein 10 km-, ein 5 km- und ein 2,7 km-Lauf. Insgesamt nehmen 5.642 Läufer teil.

Als wir endlich in Königstein ankommen, dauert es eine ganze Weile, bis der Zug entleert ist, denn der Bahnsteig ist von Läufern überfüllt, alle müssen sich durch eine enge Unterführung quetschen.

Unterhalb sehen wir nun den Elberadweg, an dem ein Schaufelraddampfer, die „Meißen“ von 1885, Angehörige der Läufer auf den Weg nach Dresden mit zurücknimmt. Diese können dann unterwegs bequem ihre Läufer vom Schiff aus anfeuern. Rechter Hand das überschaubar große Startgelände. Viel mehr als 1.000 Starter dürfte das Gelände (und die Bahn) nicht verkraften. Ein LKW nimmt unsere Starterbeutel auf, die wir bis 15.30 in der Eislaufhalle am Zielgelände abholen können.

Dann eine Ansage: der Start wird heute um 5 Minuten verschoben, denn gerade erst ist der letzte Zug mit Teilnehmern angekommen.

Kurz Zeit also, noch einmal die Strecke und Taktik zu reflektieren. Letzteres ist klar, gerade eben erst einigermaßen von Verletzung und Erkrankung kuriert, werde ich wohl das Zeitlimit von 6 Stunden voll auskosten. Zumal es heute mit ca. 25 Grad warm und sehr sonnig wird – ganz anders als das Training bei meist einstelligen Temperaturen. Zur Strecke: diese teilt sich im Grunde genommen in zwei unterschiedliche Hälften ein. Bis Pirna das enge Elbtal mit dem Elbsandsteingebirge, das eindrucksvolle Felsformationen bildet, danach eine eher weitläufige Fluss- und Parklandschaft mit prächtigen Villen.

 

Start in Königstein

 

Ungeduldig warten die Teilnehmer auf den verzögerten Startschuss und feuern sich gegenseitig an, dann geht’s los. Nur knapp eine Minute und ich bin schon über die Startmatte gelaufen, die meinen in die Startnummer integrierten Chip ausliest. Vom Ort Königstein sehen wir nicht viel, mit Ausnahme der oben auf einem Berg liegenden namensgebenden Festung.

Unten verläuft der Elberadweg zunächst etwa 2 Kilometer auf einem gepflasterten Weg, eingepfercht zwischen dem Bahndamm und der Elbe. Die langgezogene Rechtskurve erlaubt einen Blick auf die imposante Läuferschlange vor uns.

 

 

Dann geht es unter der Bahn hindurch und uns erwartet, nein, nicht die erste Verpflegungsstelle, sondern die Gaststätte „Kleine Einkehr“. Ein andermal, sag ich mir, und bleibe tapfer auf der Strecke, obwohl ich schon schwitze. Kurz danach werden wir von einer freundlichen Organisationhelferin mit einem Schild vor einer Baustelle gewarnt.

Durch eine idyllische Wiesenlandschaft geht es durch den kleinen Ort „Strand“. Hier gibt es aber keinen solchen, der Name leitet sich viel mehr aus der slawischen Sprache für Abhang ab. Tatsächlich ist es hier und auf den ersten 10 km etwas wellig, aber mehr als 100 Höhenmeter dürften auf dem ganzen OEM nicht zusammenkommen.

 

Erste Versorgung im Kurort Rathen

 

Dann kommen wir nach einer ersten Bahnüberquerung zum Kurort Rathen und sehen auf der anderen Elbseite die beeindruckenden Elbsandsteinformation. Hier, bei km 6, gibt es auch die erste Getränkestation und unmittelbar danach den zweiten Bahnübergang. Geschafft, die Schranken sind noch oben. Aber wohl nicht mehr lange, denn wenige Minuten später sehe ich die ersten Züge fahren. Die Felsformationen werden spektakulärer, mit bloßem Auge ist sogar die Basteibrücke zu sehen, eine gemauerte Brücke in der „Bastei“ genannten Felsformation.

 

 

Schon seit einiger Zeit laufen wir auf einem schattigen Weg durch einen Hangwald. Ich genieße das, schwant mir doch Böses in der Mittagssonne auf später schattenlosen Wegen. Dann erreichen wir die zweite Verpflegungsstelle bei km 9. Hier gibt es Wasser und Tee (erst später Iso und Cola, was ich mir früher wünschen würde) sowie Obst. Kurz darauf sind wir in Wehlen, wie ich am Bahnhofsgebäude lesen kann. Wehlen ist übrigens wie „Kurort Rathen“ Namenspatron für einen Schaufelraddampfer, beide werden wir heute sehen.

 

Auf nach Pirna

 

Unter einer wenig vertrauenerweckenden engen Bahnunterführung, die gerade von einem Zug mit alten Tankwagen überquert wird, wechseln wir wieder direkt an die Elbe, ein hölzernes Schild weist uns darauf hin, dass wir bis Pirna noch 6 km vor uns haben. Bald darauf überholt uns der Dampfer „Stadt Wehlen“ und wir nähern uns der nächsten von insgesamt 8 Verpflegungsstellen.

Nun wird das Flusstal deutlich weiter, die Berge rechts und links zunehmender flacher und die Bebauung nimmt zu.

 

 

Als wir das Schild „Pirnaer Elbschlösschen“ erreichen, wissen wir, dass es bis zur Hälfte nicht mehr sehr weit ist. Aber erst müssen wir noch durch die schöne Altstadt von Pirna, an deren Eingang uns eine Drumband erwartet.

Die nun folgenden 2-3 Kilometer durch die Altstadt sind für mich das schwerste Stück der Strecke. Ständige Richtungswechsel, Kopfsteinpflaster, mal leicht hoch, mal leicht runter. Nur gut, dass wir durch die vielen historischen Gebäude abgelenkt werden. Dann erreichen wir den Marktplatz von Pirna.

 

Von Pirna zum blauen Wunder

 

„Mist, verdammt“, war hier auf dem Marktplatz nicht eine Verpflegungsstelle? Nein, ich muss mich wohl getäuscht haben. Erst müssen wir die Altstadt verlassen und zur Elbe zurück. Die Umwege durch die Altstadt sind übrigens der Tatsache geschuldet, dass die direkte Strecke von Königsstein bis zum Ziel in Dresden nur ca. 39 km lang wäre. Dann endlich die Verpflegungsstelle und mit frischen Kräften geht es weiter.

Die folgenden 2 Kilometer entlang einer Straße sind etwas eintönig, so dass ich mich über etwas Ablenkung durch den Dampfer „Pillnitz“ und die Halbmarathonmarke freue. Wir kommen an der alten Papierfabrik Heidenau, gegründet 1888, vorbei. Auch heute werden hier noch Spezialpapiere hergestellt.  Dann wird es wieder ländlicher, wir erreichen das Km-Schild 18 (hier wird heruntergezählt).

 

 

Eine kleine Frauen-Drumband ist unermüdlich und heizt uns ein. Am nächsten Versorgungspunkt wird schon etwas abgeräumt, aber der Service steht vollumfänglich zur Verfügung. Nun geht es idyllisch an einem alten Elbarm entlang, das Gartenrestaurant Elbinsel lockt mit Liegestühlen und frischen Kuchen. Oh Mann! Aber es hilft nichts, ich muss weiter.

Rechter Hand ist dann etwas zurückgezogen das Schloss Pillnitz auf der anderen Elbseite zu sehen. Vermutlich sind viele vorbeigelaufen, ohne das Schloss zu beachten, eher die Tafel „noch 14 km“ (und damit 2/3 geschafft) bemerkend. Die nächste Verpflegung erhalten wir dann im Dresdner Stadtteil Laubegast, ebenfalls idyllisch an der Elbe gelegen. Nochmals eine Drumband, Chapeau für Eure Ausdauer. Die Pracht der Villen an der Elbe nimmt zu, ein sicheres Zeichen, dass wir uns dem Stadtteil Blasewitz mit dem berühmten Wahrzeichen „Blaues Wunder“ nähern.

 

Dresdner Panoramen

 

Der Name „Blaues Wunder“ leitet sich von der eigentlich blauen Farbe der 1893 gebauten Stahlbrücke über die Elbe ab. Heute ist sie teilweise grau, wohl nicht wegen des Alters, sondern vielleicht nur wegen einer Grundierung. Hier an der Brücke ist erneut eine Verpflegungsstelle und hier sind heute Morgen die 10 km-Läufer gestartet, allerdings mit einer Schleife, denn bis zum Ziel sind es nur noch 7 km. Die nächsten zwei davon führen uns im Bogen an Weinbergen und Schlösser auf der anderen Elbseite vorbei.

Der Raddampfer „Leipzig“ posiert vor dem mittleren der drei Schlösser, dem Lingnerschloss. Alle drei Schlösser sind erst im 19 Jahrhundert von wohlhabenden Unternehmern gebaut worden, waren also keine historischen Wohnorte von Adelsgeschlechtern. Dann erreichen wir die Waldschlößchenbrücke, deren Bau für die UNESCO der Grund war, der Stadt Dresden den „Welterbe“-Titel zu entziehen. Für mich bleibt Dresden trotzdem einer der schönsten Städte Deutschland, Titel hin oder her.

 

 

Rechter Hand bemerke ich, dass in einem Astloch eines alten knorrigen Baums jemand eine schöne Küchenszene gemalt hat. Wer wohl der Künstler sein mag? Und ist es eine Replik?

Ein bisschen zieht es sich nun schon bis zum Ziel und so bin ich froh, die letzte Getränkestelle bei km 4 zu erreichen, bevor wir die berühme Silhouette von Dresden erspähen. Passend begrüßt uns nun auch der Raddampfer „Dresden“.

Etwa 1 Km vor dem Ziel steht Lauffreund Hartmut vor dem Theaterkahn mit dem Schiffsrestaurant Kahnaletto bereit, uns hier Wein und Sekt zu spendieren. Ich verzichte drauf und mache ich an den „Schlussspurt“. Ein letzter Raddampfer kommt in Sicht, die „Krippen“, und dann bin ich im Ziel im Sportpark Ostra.

 

 

Dort ruhe ich nur kurz aus, hole meinen Kleiderbeutel und fahre mit der Straßenbahn (die Startnummer gilt als Fahrschein) zum Hotel zurück. Jetzt nur noch duschen und ausruhen! Ach nein, ich „muss“ ja noch zum Teamessen.

Und meine Chefin? Ist den Halbmarathon in einer Wahnsinnszeit gelaufen.

 

 

Informationen: Oberelbe-Marathon
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