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Laufberichte

Marathon in Srch: Zwischen Pardubitz und Königgrätz

23.11.13 Special Event
 

Kein Mensch kennt hierzulande Srch. Woher auch?  Srch ist ein Dorf zwischen Pardubitz und Königgrätz, 100km östlich von Prag. Pardubice: halsbrecherisches Pferderennen, das härteste Galopprennen auf dem europäischen Kontinent. Das sagt einigen etwas. Hradec Králové: Schwere Niederlage der Österreicher und der verbündeten Sachsen gegen die Preußen im Juli 1866, als sich 415.000 Soldaten gegenüber standen. Aber Srch?

Srch bietet dem Mitteleuropäer die Gelegenheit, im November einen Marathon zu laufen, ohne besonders weit fahren oder fliegen zu müssen. Nizza kenne ich, in Florenz war ich auch schon, ebenso in İstanbul. Den Frauenfeld-Marathon bin ich 2011 gelaufen, da drängt sich das unbekannte Srch förmlich auf, kaum 300km von mir zuhause entfernt. Diesen Marathon kann ich machen, ohne einen Urlaubstag in Anspruch nehmen zu müssen.

Mit dabei Mike, bereits bewährter Beifahrer zu anderen „exotischen“ Marathonläufen, die nicht jeder kennt. Die tschechische Autobahnvignette ist nicht erforderlich, denn für die An- und Abreise ein Stückchen Autobahn zu benutzen, wie es der Routenplaner vorschlägt, wäre ein enormer Umweg und brächte kaum Zeitersparnis. Wir übernachten in Königgrätz. Die Stadt an der Elbe hat, so wie das 25km entfernte Pardubitz, etwa 90.000 Einwohner und eine sehr sehenswerte Altstadt.   

Srch ist ein Dorf mit Sportverein. Und dieser Verein hat den umtriebigen Lubomír Jirásko. Lubomir kann heuer mit seinem Team über 200 LäuferInnen an die Startlinie locken, ein Viertel davon zur Marathondistanz die hier zum sechsten Mal gelaufen wird. In der Starterliste finde ich Daniel Orálek aus Brünn, sehr erfolgreicher Ultra-Läufer, Badwater und so. Daniel habe ich schon bei einigen (Ultra-)Marathons angetroffen, meist aber vorm Start, denn mit unter 2Std 30min für den Marathon sehe ich den im Ziel nicht mehr. Heute habe ich diesbezüglich mehr Glück. Denn es handelt sich eine 8 x zu durchlaufende Strecke.         

Anreise Samstag früh von Königgrätz, nachdem wir uns den sehenswerten Velké náměstí (Großen Platz) auch bei Tageslicht angesehen haben. Um 9 Uhr morgens sind wir in Srch. Wir bekommen einen Parkplatz zugewiesen und stellen uns um die Startnummern an. Wie man hört, sind viel mehr LäuferInnen da, als erwartet. Über 200 nutzen das trockene Wetter für ein Rennen im Spätherbst, 50 mehr als vorangemeldet. Die Temperatur von +2°C ist für Ende November wenig überraschend. Es ist bewölkt, am Himmel sind aber Lücken in der Wolkendecke erkennbar und es ist windstill.

Vom Fußballplatz, dem Veranstaltungszentrum, sind es gut 1.000m bis zum Start. Als ich mich auf den Weg dahin mache, sind viele noch nicht so weit. Beim Start angekommen, werden wir auf eine Startverschiebung hingewiesen. 20min etwa, wie mir ein Einheimischer übersetzt, der vor Jahren in Wien gearbeitet hat und ganz gut österreichisch spricht und versteht. Mit Musik vertreibt man uns die Zeit. Als zwecks Startaufstellung die Leute immer enger stehen, kämpft sich ein Mitglied der Organisation durchs Starterfeld und macht viele darauf aufmerksam, die Startnummer auf Brusthöhe anzubringen. Bauchhöhe wäre zu niedrig. In der Startnummer ist die Zeitnehmung eingearbeitet, die wird von oben her erfasst. Ich ziehe die Handschuhe aus, hänge die Kamera ans Handgelenk, fummle unter meinem Shirt mit den fix-points und auf dem Shirt mit der Startnummer rum. Ich schaffe es, als bereits der Countdown läuft. Das war knapp!

Samstag um etwa 10h 20 erfolgt der Start. Die Leute hetzen davon, als wäre es ein Sprintrennen. Einige wenige Zuseher feuern uns an, der Besucheransturm hält sich in Grenzen, viel wärmer ist es seit unserer Ankunft auch nicht geworden.

Es geht gleich raus aus Srch, links und rechts Felder, nach einem knappen km der Anstieg über die Schnellstraße von Pardubice nach Hradec Králové sowie eine Eisenbahnlinie, runter, an einem Wäldchen vorbei und ins nächste Dorf, Pohránov, rein. Die Ersten kommen mir schon entgegen, bereits nach 2km ist das Feld in die Länge gezogen. An der Startnummer jener, die einem begegnen, erkennt man den Bewerb, an dem sie teilnehmen. Roter Balken steht für Marathon. Vorneweg der Führende vom Viertel-Marathon, dann kommt schon Daniel Orálek mit zwei Verfolgern im Windschatten. In Pohránov steigt die Straße leicht an, bis zur Wendemarke, einem Lübecker Hütchen, das bewacht wird. Zudem ist der Streckenverlauf auf den Asphalt aufgesprüht.

Nun auf der anderen Straßenseite zurück. Die Straße macht Kurven, einige nehmen den kürzesten Weg. Wieder über die Straße B37.  Angenehmes Wetter, ich bin richtig angezogen. Nun die lange Gerade rein nach Srch. Im Ort 200m scharf links rauf. „Pozor pes!“ steht am Gartenzaun. Wer hier geht, wird angekläfft, Läufer hingegen haben ihre Ruhe vor dem Hund. Dann rechts eine Gerade von einem km, diese steigt leicht an, das fällt mir aber erst später auf.

Da die Straße für den Verkehr nicht gesperrt ist, habe ich mich für mein neo-orange-farbiges  M4Y-Shirt entschieden, so bin ich nicht zu übersehen. Fast ist es ein bisschen nebelig. Am Ende dieser Geraden, in der Nähe des Sportplatzes dann eine Spitzkehre nach rechts und mit leichtem Gefälle geht es zu Start und Ziel. Vorbei an Einfamilienhäusern, da und dort wird Geflügel im Garten gehalten. Das erste Achtel der Strecke geht für mich zu Ende, 28min habe ich dafür benötigt. Die Strecke ist tadellos, keine Schlaglöcher, erstklassiger Asphalt, aber durchaus etwas wellig.

Es geht in die zweite Runde, das Führungstrio ist dicht beisammen. Am Rückweg von Pohránov auf der Brücke weht nun der Wind, der war vorhin noch nicht da. Es ist bewölkt, es sieht aber nicht nach Regen aus. Bei km10 kommt mir im Schritttempo der Gewinner des Viertelmarathons entgegen, er ist heute schon fertig und auf dem Weg zur Dusche.

Gegen Ende der zweiten Runde werde ich vom Führungstrio überrundet. Das ging ja flott, war aber nicht anders zu erwarten. Bei der Labe nach der zweiten Runde verliere ich auf meine unmittelbaren Konkurrenten, die keine sind, da sie auf der Halbdistanz unterwegs sind. Die Becherchen sind sehr sparsam eingeschenkt, ich muss nachfüllen. Es dauert etwas, bis ich dann wieder herangelaufen bin. Mike ist mir auch schon begegnet, wie mittlerweile die meisten im Feld. So kann man gut beobachten, ob man im Vergleich zu  anderen pro Runde verliert oder aufholt. Ich bin nach der 3. Runde aber auf Kurs für unter 2 Std. für den Halbmarathon, das passt für mich.

Der Wind ist stärker geworden. Ich drücke mir mein MulticarboGel rein, die 4. Runde gelingt mir ganz passabel und so habe ich nach 1h59 die ersten 21,1km absolviert. Meine zweitbeste Zwischenzeit in meinem 19. Marathon heuer. Der nächste Aufenthalt an der Labe dauert länger, ich muss einmal ordentlich trinken. Das war zu wenig bisher. Ich bin meist mit einer Trinkflasche in der linken Hand unterwegs. Die letzten Marathons haben mich verwöhnt, da war es nicht notwendig. Denn zwischen den großzügig ausgestatteten Versorgungsposten gab es immer wieder auch Wasserstellen. Die fehlen mir heute. Ich mache mir meine „Cocktails“, den warmen, honigsüßen Tee mische ich mit kaltem Wasser, vorweg zwei Schluck Iso.

Ausgiebig trinken hätte ich früher machen sollen, meine Muskeln sind unterversorgt. Besonders der rechte Oberschenkel oben an der Beuge. Der hat bisher immer klaglos funktioniert, heute schmerzt er, besonders wenn es runter geht. Das ist auf Dauer höchst unangenehm, besonders so bald im Rennen. Wenn ich eine Weile gehe, lässt der Schmerz wieder nach.

Wenigstens kommt immer öfters die Sonne raus, dafür wird auch der Wind stärker, der mir meine schweißnassen Shirts, eines davon mit langen Ärmeln, an den Oberkörper klebt. Große Teile der Strecke sind dem Wind ausgesetzt. Es wird mühsam, bleibt aber erträglich. Seit die Halbmarathonis im Ziel sind, ist viel Platz auf der Strecke. Dafür feuern mich nun die beiden Streckenposten an der Wendemarke in Pohránov an. Sie bringen jedes Auto zum Stillstand, bevor es in die Laufstrecke einfahren darf. Das ist gut, denn die meisten Autofahrer sind viel zu schnell unterwegs. Jeder Läufer, der jetzt vorbei kommt, ist für die Helfer nun ein Ereignis, man kommt sich näher. 

Die Fotografen knipsen immer noch eifrig. Der in Sportplatznähe knipst mich jedes Mal bis inklusive Runde 6, dann ist er weg. Auch an der einzigen Labestelle hat der Andrang nachgelassen. Wegen der Temperatur, nun 7°C, hält man sich als Finisher dort nicht lange auf. Die Musik ist noch laut, immerhin. Die gebrauchten Becher sind längst in gelben Säcken verstaut. Selten ein Marathon, wo nach weniger als 4 Stunden nach dem Start schon fast alle Spuren des Events beseitigt sind. Als ich zum letzten Mal dort Halt mache, nimmt man mir die leeren Becher direkt aus der Hand.  

Ich mache mich auf die letzte Runde. Ein weites Land, dieses Tschechien - und so menschenleer!  Die Sonne scheint, sehr freundlich. Über die B37 drüber sehe ich, dass auch noch andere unterwegs sind. Ein letztes Mal nach Pohránov, ich verabschiede mich von den Jungs an der Wendemarke. Ein letztes Mal raus aus Pohránov, ein letztes Mal über die B37 und endlich der aufgesprayte 40er auf der Fahrbahn. Gesehen habe ich diesen 40er heute schon sieben Mal, aber jetzt gilt er endlic mir.

Dunkle Wolken vor mir am Horizont, die sich bald vor die Sonne schieben, aber sie halten dicht. Ein letztes Mal der Anstieg in Srch, dann die lange Gerade, die Spitzkehre vor dem Ziel. Bin ich froh im Ziel zu sein:  4h 21min 27sec  meine achtbeste Zeit heuer. Gleich trinke ich mich durch das Angebot von Tee, Iso und Wasser, da ein Keks und ein Stück Banane. Mit dem Veranstalter wechsle ich ein paar freundliche Worte. Ich muss aber bald ins Warme, vor allem raus aus dem verschwitzten Zeug. Es ist bewölkt und windig und bis zur Dusche am Fußballplatz ist es noch ein Stück.

Aus der Dusche kommt warmes Wasser, welche Wohltat! Ich gebe es zu, ich bin Warmduscher!  In der Gaststätte gibt es eines der besten Wiener Schnitzel überhaupt, noch dazu eine große Portion und Bier, auf Wunsch ohne Alkohol. Die Siegerehrungen haben mittlerweile ohne mich statt gefunden. Eh klar, es hat Daniel Orálek gewonnen. Das war absehbar. Die in der Starterliste angeführten Äthiopier sind gar nicht erst aufgetaucht.

52 Finisher Marathon
112 Finisher Halb-M
41 Finisher Viertel-M

Sieger Marathon
Daniel Orálek   2h 39min 32sec
Alexandr Borovec   2h 44min 13sec
Radek Toman   2h 52min 46sec

Siegerinnen Marathon
Blanka Masničáková  3h 21min 05sec
Lada Zrzavecká   3h 34min 05sec
Iva Pachtová      3h 34min 15sec
 

Als Startgeld sind etwa  € 17,- (= 400 ČK) fällig, man bekommt dafür


Startnummer mit integrierter Zeitnehmung
Ein BW-Shirt in gewünschter Größe und Wappen des Sportvereins SK SRCH
8  Labestellen mit warmem Tee, Iso, Wasser,  Bananen, Salz, Keks, EnergieGels
eifrige HelferInnen, Garderobe + Duschen
hinterher Wiener Schnitzel (gar nicht fettig) mit Getränk nach Wahl

 

 


 
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