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Laufberichte

„Handmade“ heißt nicht hinter'm Mond

09.12.07
Autor: Klaus Duwe

Mit dem letzten großen Event, dem Frankfurter Marathon Ende Oktober, ist für viele die Saison zu Ende. Dabei stehen noch sehr schöne und interessante Läufe in der Terminliste.

„Handmade“, „Marathon pur“ und „Back to roots“ könnte man sie betiteln. Rahmen- und Unterhaltungsprogramme, Aktionpoints und Animation sucht man nämlich vergebens, und als schnellen Rundkurs kann man die Laufstrecken durch hügelige Wälder, schmale Pfade und matschige Wege auch nicht bezeichnen. Selten findet man im Teilnehmerfeld Läufer oder Läuferinnen, die ihren ersten Marathon machen.

Die meisten Starter haben ihre Bestzeit längst gelaufen, sind zum Sammler, Spaß- oder Genussläufer mutiert. Welcher Spitzenläufer ist schon daran interessiert, sich in Zeil, Werdau, Bad Arolsen oder Aegidienberg schmutzige Schuhe zu holen und mit einer Zeit nach Hause zu fahren, für die er nur verständnisloses Kopfschütteln erntet? Hier haben lokale Laufgrößen ihre Bühne.

Schauplatz dieser Veranstaltungen sind kleine Orte, von denen man oft noch nie gehört hat. Rührige Vereine, die Ortsverwaltung und meist das halbe Dorf sind in die Veranstaltung involviert. Viele der Helferinnen und Helfer sind selbst aktive Marathonis. Man kennt sich. Das schafft eine Atmosphäre, die ich familiär nennen würde, wäre der Begriff nicht so abgenutzt.

Wenn durch das ständig wachsende Angebot demnächst tatsächlich der eine oder andere Marathon aus der Terminliste verschwinden wird, diese Veranstaltungen werden nicht dazu gehören, sie haben einen festen „Kundenstamm“. Auch für Nachwuchs ist gesorgt. Damit sind nicht 20jährige Neulinge gemeint, sondern 40- oder 50jährige Frauen und Männer, inzwischen etliche Marathons gelaufen und auf Bewunderung und Ansporn und außen nicht unbedingt und immer angewiesen.

Auch in diesem Jahr sind wieder fast 600 Läuferinnen und Läufer zum Siebengebirgsmarathon angereist und bringen die kleine Bürgerhalle in Aegidienberg fast zum Bersten. Trotz der Enge läuft alles routiniert und ohne Hektik ab. „Hier sind halt die Profis -  vor und hinter den Tischen“, höre ich einen meine Meinung bestätigen.

Seine Klamotten deponiert man oben auf der Tribüne. „Mir ist noch nie was weggekommen,“ meint Sabine. Ihr Vertrauen in die Menschheit geht so weit, dass sie in Salzburg einmal ihr ganzes Gepäck im Veranstaltungszelt in einer Ecke deponiert hat. Notgedrungen allerdings, sonst hätte sie den Start verpasst.

 


Hier kann das nicht passieren. Knapp eine halbe Stunde vor dem Start ruft der Sprecher dazu auf, zum Startplatz zu gehen. Länger als 10 Minuten braucht man nicht, dann ist man beim „Gangpferdezentrum“ des bekannten Aegiedienberger Gestüts. Die Sonne scheint, die Temperaturen liegen bei 6 Grad. Gute Voraussetzungen für einen schönen Lauf.

Kurz vor 10 Uhr, wie immer richtet Peter Wirtz, im Hauptberuf Bürgermeister von Königswinter, von einem Leiterwagen aus ein paar Worte an die Läuferinnen und Läufer, springt dann von der Karre und ist mit dem Startschuss mitten im Feld, um die 42 harten Kilometer zu bewältigen. Bereits nach knapp 3 ½ Stunden steht er als Finisher unter der Dusche.

 


Nach einer Runde durchs Dorf sind wir unterhalb des Gestüts und laufen zunächst einmal meist bergab. Nach der ersten Getränkestelle bei km 5,5 geht es auf dem Stellweg weiter, bis wir unterhalb der Löwenburg den gleichnamigen Gasthof (km 8,5) und die zweite Verpflegungsstelle erreichen. In diesem Moment kommen die Ersten bereits von der sich anschließenden knapp 5 km langen Lohrberg-Schleife zurück.

 


Fast parallel zu dem jetzt noch ansteigenden Weg verläuft weiter unten der Rückweg. Dann heißt es rollen lassen, 3 Kilometer geht es abwärts. So richtig Freude will nicht aufkommen, denn jedem ist klar, jeder Meter muss wieder ausgeglichen werden. So ist es denn auch. Nach einem Anstieg erreichen wir erneut den Gasthof mit der Verpflegung, um gleich anschließend die Löwenburg zu umrunden. 

Die Burg wurde im 12. Jahrhundert durch die Grafen von Sayn errichtet. Nach Zerstörungen im 16. und 17. Jahrhundert verfielen die Burganlagen immer mehr. Heute sind sie teilweise wieder freigelegt und restauriert und ein beliebtes Ausflugsziel. Von der Burg, aber auch schon auf dem Rundweg hat man herrliche Ausblicke auf den Rhein und das Siebengebirge.

Dabei fällt mir meine Lieblingsgeschichte über die Entstehung des Siebengebirges ein: Es war nicht immer so, dass der Rhein von seinen Quellen in den Alpen schnurstracks ins Meer floss. Vor langer Zeit staute er sich vor einem Höhenzug und die Stadt dahinter (heute Königswinter) hatte dadurch kein Wasser.

Mühsam schleppten die Bürger das lebensnotwendige Element in Eimern herbei. Da machten ihnen sieben Riesen, die sich gerade in der Gegend aufhielten, das Angebot, einen Durchgang zu graben. Sofort waren die kräftigen Helfer engagiert.

Mit riesigen Spaten und Schaufeln machten sie sich an die Arbeit. 7 Wochen dauerte die Schweiß treibende Buddelei, dann war es geschafft, der Rhein konnte ohne Hindernis fließen und es entstanden blühende Landschaften (kommt mir bekannt vor).

Reich belohnt machten sich die Riesen auf ihren weiteren Weg. Zuvor klopften sie den Dreck von ihren Werkzeugen, der sich zu immer größer werdenden Hügeln und Bergen auftürmte. Schließlich schulterten sie Schaufeln und Spaten und als sie sich zum Abschied umdrehten, sahen sie auf sieben Berge: Großer Ölberg, Löwenberg, Lohrberg, Nonnenstromberg, Petersberg, Wolkenburg und Drachenfels.

 


Auf dem schon bekannten Stellweg geht es zurück, auch unsere nächste Getränkestelle bei km 18 kennen wir schon, es ist die erste bei km 5,5. Die nächsten 12 Kilometer sind sehr abwechslungsreich, man kann auch sagen, es ständig rauf und runter und ein etwas steileres Stück kann auch mal dabei sein. Stellenweise sind die Wege recht matschig und mancher tiefen Lache weicht man besser aus.

Der beschwerlichste Abschnitt kommt genau dann, wenn ihn der Marathoni am wenigsten gebrauchen kann. Fast 4 Kilometer, bis km 36 zieht sich der letzte Anstieg hin, zwingt mich erstmals in den Wanderschritt und vermasselt mir eine Zeit unter 5 Stunden.

 


Auf dem anschließenden bequemen Gefällstück kann keine Zeit  mehr gut machen. Nicht nur die Beine, auch der Kopf ist müde -  das Jahr war lang und ich spüre die vielen Laufkilometer. Von der letzten Verpflegungsstelle (km 38) sind es noch 4 Kilometer. „Nur noch ein kleiner Anstieg, nicht der Rede wert.“ Kann der Helfer Gedanken lesen, spürt er meine Knochen?

Im Stadtwald laufen wir dann rechts um den Himberg und sind auch gleich in dem gleichnamigen Ortsteil. Über Neichen geht es dann auf ebenen Nebenstraßen oder Radwegen nach Aegidienberg. Nach 41 km wäre der Marathon für mich dann fast zu Ende. Aus einer Seitenstraße kommt eine Frau mit ihrem Kleinwagen. Während sie auf die Kreuzung zufährt, sucht sie auf dem Beifahrersitz nach irgendetwas. Von meinem Schrei erschreckt, tritt sie voll auf Bremse, während es mir gerade noch gelingt, zur Seite zu springen. Ihr hättet die Frau sehen sollen: gesteinreich und wütend beschimpft sie mich, zeigt mir den Vogel und macht den Scheibenwischer. Autofahren kann sie nicht, große Klappe hat sie, und feige ist sie. Als ich zu ihr ans Fahrzeug komme wird sie zwar ruhiger, aber die Scheibe dreht sie nicht runter. Hätte mich doch interessiert, was ich ihrer Meinung nach falsch gemacht habe.

Mit zittrigen Knien mache ich mich auf den Weiterweg. Als ich vor dem Bürgerhaus ankomme, habe ich mich erholt und nehme den Applaus der paar Zuschauer entgegen. Das Ziel selbst ist in der Halle. Dieser „Gag“ ist den Veranstaltern lange vor den Frankfurtern eingefallen, die ihre Finisher ja auch in ihrer Festhalle feiern. Drinnen warten der Zielfotograf und die Mädchen mit den Medaillen. Die Verpflegungstische sind groß und reich bestückt: Cola, Tee und Wasser, Laugenbrötchen, Erdnüsse und Studentenfutter. Was willst du mehr?

 

Ergebnisse:

Männer:

1 Hardenack Frank Neuenkleusheim  2:46:47
2 Von Lovenberg Karl-Heinz SSG Königswinter 2:48:04
3 Bullach Andrej LG Hückeswagen 2:48:5

Frauen:

1 Lennartz Birgit LLG St. Augustin 3:25:10
2 Staeves Anne LG Trampeltier 3:31:33
3 Orgeldinger Micaela T-Mobile 3:33:28

 

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Streckenbeschreibung:
Rundkurs, meist auf Waldwegen. Anspruchsvolle Strecke mit 780 HM. Permanentes Auf und Ab.

Auszeichnung:
Medaille, Urkunde


Logistik:
In der Bürgerhalle, wo auch der Zieleinlauf ist, können die Kleidertaschen deponiert werden. Von dort geht man gemütlich in ein paar Minuten zum Startplatz beim Gestüt.


Verpflegung:
8 Getränke- und Verpflegungsstellen mit Tee, Wasser, Iso, Cola, Bananen und Äpfel.


Zuschauer:
Nur gleich nach dem Start stehen in Aegidienberg ein paar Neugierige an der Strecke, unterwegs nur ganz vereinzelt , wie bei Landschaftsläufen halt so üblich.

 

Informationen: Siebengebirgsmarathon
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