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Laufberichte

Auf Formel 1-Kurs

 

Meine Laufstrecke ist diesmal nicht irgendwo, sondern auf dem Hockenheimring. Die Ring Running Series wird bereits zum vierten Mal stattfinden. Die Trailschuhe braucht es nicht, man kann die profillosen Slicks aufziehen, denn allerbester Asphalt wartet auf die Treter. Wer einmal in einem Bergwerk, in den Alpen, auf der Autobahn oder sonst wo auf besonderen Strecken gelaufen ist, wird sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, einmal auf einer F1-Strecke zu laufen.

Zwei Mal im Jahr, im März und im November, erhalten wir Gelegenheit, das Renngelände auf dem Hockenheimring lauftechnisch zu prüfen. Während im Frühjahr ein Halbmarathon veranstaltet wird, kommt im Spätherbst noch ein Marathon dazu. Wer’s nicht weiß: Hockenheim liegt ungefähr 20 Kilometer südlich von Mannheim, hat 22.000 Einwohner und ist mit dem ÖPNV gut erreichbar. Man muss sich lediglich für die letzten 1,5 Kilometer etwas einfallen lassen, denn der dortige Stadtbus verkehrt nur bis zur Zubringerstraße (Continentalstraße) zum Ring. Ausgeschildert ist der Hinweg bereits ab dem Bahnhof und wer Zeit hat, kann sich dabei noch das Stadtzentrum anschauen. Es lohnt sich.

In den Informationen wurde uns mitgeteilt, dass wir etwa 1,5 Stunden vor dem Start am Veranstaltungsgelände sein sollten. So gegen 09.30 Uhr erreiche ich das Gelände des Rings. Willkommen, welcome, bienvenue, heißt es am Zugangstor. Gleich danach sehe ich das Experience Center von Porsche und das auf Stelzen stehende Baden-Württemberg Center.

 

 

Der Start für den Marathon ist um 10.00 Uhr, rund 300 Teilnehmer haben sich angemeldet. Mir genügt heute der Halbmarathon (Start 11.00 Uhr), das sind 4 komplette Runden á 4,4 km plus einer entsprechenden Vorgabe. Finish ist die legendäre Formel 1-Ziellinie. Der Kurs ist vermessen und einem Angriff auf eine PB steht nichts entgegen.

Im Kongress-Pavillon erhalte ich meine Startnummer, einige Accessoires sind käuflich zu erwerben. Verlangt wird zum Erhalt der Startnummer der per Mail zustellte QR-Code, ein Ausweis wird nicht kontrolliert. An den Tischen nebenan liegen noch Einkaufstaschen, in denen man die am Start abzugebende Kleidung verpacken kann, ein Rücktransport zur Kleideraufbewahrung (im Pavillon) ist vorgesehen. Mein Tipp: Nehmt euch warme Kleidung mit, denn der Pavillon ist nicht beheizt. Der Wetterbericht für den Tagesverlauf Niederschlag angesagt hat und windig soll es auch bleiben. Die knappe Stunde verbringe ich im Pavillon sitzenderweise, draußen startet derweil der Marathon, das bekomme ich mit, die Startlinie ist nur etwa 100 Meter entfernt.

Zum Halbmarathon-Start sind es etwa 1,5 Kilometer das sollte man einplanen. Pünktlich bin ich dort, der bekannte Laufsportfotograf Norbert ist bereits bei der Arbeit.  Ausgeschrieben ist ein „Rolling-Start“, nach dem alle drei Sekunden ein Läufer starten darf. Die Spitzengruppe (Halbmarathon bis 1.25 Stunden, beim Marathon sub drei) soll sich vorne einreihen. Dann wird runtergezählt und das Rennen der 800 Halbmarathonläufer beginnt. Eine Uhr gibt das Kommando. Ich ordne mich ein und beginne mein Race nach wenigen Augenblicken. Let’s go!

 

 

Wir starten von der Parabolika aus. Damit werden Rennstrecken bezeichnet, deren Verlauf einer Wurfparabel ähnelt. Diese können von den Rennfahrern meist mit Vollgas befahren werden. Entsprechend schnell beginnen auch wir das Rennen, durch den Rolling-Start kann jeder sofort ohne Behinderung seine Geschwindigkeit wählen, es kommt zu keinen Drängeleien. Der leichte Rückenwind ist wirkt sich tempoverschärfend aus. So schnell wie Jochen Rindt, dem ersten Sieger eines F1-Rennens auf dem Hockenheimring 1970, sind wir nicht unterwegs, aber einige wollen heute doch schnelle Zeiten laufen.

Am Ende der Parabolika dreht der Streckenverlauf scharf nach rechts. Ich weiß nicht, wie schnell die Rennboliden um die Ecke rasen, wahrscheinlich deutlich unter 100 km/h. Später wird hier der erwähnte Fotograf mitten auf der Piste auf die Lauer liegen. Die weiß-blauen Randsteine, die am Ende um ein paar Zentimeter nach oben ragen, werden die Rennfahrer bei Berührung gehörig durchschütteln. Wir Läufer sollten knapp daneben unterwegs sein, denn man könnte ins Stolpern kommen.

Es schließt sich wieder eine Gerade an. Tempoverschärfung? Nicht bei mir, denn der Wind kommt jetzt von vorne, also versuche ich, mehr oder weniger Windschatten zu suchen. Zu guter Letzt beginnt es leicht an zu regnen und dann zu Hageln. Einige fluchen bereits. Ich überlege, mir die umgebundene Goretex-Jacke anzuziehen, aber der Schauer lässt nach wenigen Minuten wieder nach. Am Ende der Gerade sehe ich den Startpunkt der Marathonläufer, der jetzt verwaist ist, die Longrunner ziehen schon seit gut einer Stunden ihre Runden. Gleich danach könnten wir uns mit Wasser erfrischen, aber die Helfer sind „arbeitslos“, denn keiner nimmt sich etwas. Die weitere Tankstelle als „Vollsortimenter“ befindet sich gleich hinter der Ziellinie.

Wir laufen auf die Osttribüne zu, tosenden Beifall von den Tribünen herab gibt es heute nicht, aber einige interessierte Zuschauer sind durchaus zu sehen. Der Zutritt ist frei. Ich versuche, trotz des Niederschlags ein paar Aufnahmen mit der Kamera zu bekommen, aber ich habe Probleme, das Objektiv halbwegs trocken zu halten.

Gleich danach geht es am Porsche Experience Center vorbei, schließlich laufen wir auf das Baden-Württemberg Center zu. Das beherbergt die Verwaltungsräume der Hockenheim GmbH und Präsentationsräume  des Landes BW und von Daimler. Am Ende der Linkskurve um das Motodrom traue ich meinen Augen nicht, da schleppt einer einen Prügel Holz auf den Schultern. Das würde mir gerade noch fehlen. Mamo, so heißt der Naturbursche, ist ein bekannter sogenannter Baumstammläufer, der mit diesem Ding schon viele Marathons gefinisht hat. Sachen gibt’s ….

An der Südtribüne und Südkurve mündet unser Kurs nun auf die Zielgerade ein. Der Moderator unterhält und informiert die hier doch zahlreichen Zuschauer. Pylonen und Werbebanner grenzen den Zieleinlauf von der Laufstrecke ab. Ich muss noch vier Mal kreiseln, dann ist der Halbe geschafft.

Ein paar Meter nach der weiß-schwarz karierten Ziellinie ist eine Versorgungsstation aufgebaut, die für alle Bedürfnisse etwas im Sortiment hat: Wasser, Iso, Cola, Gel und Bananen, und bestimmt habe ich nicht alles gesehen. Ich laufe durch, bin weder hungrig noch durstig. Bei den kühlen Bedingungen muss ich auf den 21 Kilometern weder etwas essen noch trinken. Am Ende der Zielgerade verläuft der Kurs in einer leichten Rechtskurve wieder auf eine längere Gerade zu. Am Ende müssen die F1-Driver wieder in die Eisen steigen, während wir in hohem Tempo durchlaufen.

Markierungsschilder sind alle fünf Kilometer aufgestellt, das passt auch, zumal viele ihre Apps mitlaufen haben und so das Tempo kontrollieren können. Meine Kilometersplits und Zwischenzeiten lassen sich auf eine gute Zeit hochrechnen. So um die 1.50 Stunden, wenn ich mich nicht verrechnet habe.

Kilometer sieben, das ist bei einem Halbmarathon immer eine gute Orientierung: Ein Drittel ist geschafft, du bist im Rennen angekommen und kannst schon beurteilen, wie es ausgehen kann. Eine Marke, die entscheidend ist. Meine Kilometersplits sind weiterhin um die 5.15 Minuten, die Beine locker und die äußeren Bedingungen mit leichtem Regen noch tolerierbar. Also weiter. Ich gehe zum zweiten Mal durch den Zielbereich und sehe waschechte Fans. Eine Mutter mit applaudierenden Kindern, eine Frau mit einem Schild zum Abklatschen. Beim zehnten Kilometer sagt mit die App 52 Minuten ein, so kann es weitergehen.

Dritte Runde: Mittlerweile überhole ich einige Läufer, unter ihnen Roland, der fast jede Woche einen Marathon läuft. Wir tauschen uns aus und er schickt mich nach vorne.

 

 

Am Ende der Parabolika überhole ich wieder Mamo mit dem Baumstamm. Gerade wuchtet er das Holz von der der rechten auf die linke Schulter, er lacht, als er den Fotografen bei seiner Arbeit sieht. Liam mit seinem Vater Timo fällt mir auf. Kein laufendes Pärchen, sondern Vater mit Kind. Teenager Liam ist querschnittsgelähmt und sitzt daher im Rollstuhl. Alle paar Wochen nimmt der Vater seinen Sohn mit auf einen Wettkampf. Der Junge hat viel Spaß daran, seinen Vater zu fordern. Sehr rücksichtsvoll verhalten sich beide, denn in der Kurve sind sie außen unterwegs. Das ist Teilhabe.

Die nächsten zwei verrückten sind Daisy und Alex vom A-Team. Mit der Spitze haben beide überhaupt nichts zu tun, aber spitze ist ihre Leistung, denn sie sind auf dem Marathon barfuß unterwegs. Bei Nässe und vielleicht drei, vier Grad kein reines Vergnügen, stelle jedenfalls ich mir vor.

Ich laufe nun zum vierten Mal am Ziel vorbei, die letzten 4,4 Kilometer beginnen. Nun heißt es, Vollgas zu geben, der nächste Kilometerschnitt ist bereits unter fünf Minuten. Letzte Spitzkehre an der Parabolika. Einen fällt auf, dass alle 50 Meter markiert sind. Und die Nulllinie ist eigentlich der Beginn der Kehre, wo auf der anderen Seite ein Dixi steht. „Genug Zeit zum Bremsen für das Geschäft“, meint ein anderer Läufer und lacht. „Lass es oifach laufa,“ höre ich noch einen Betreuer rufen. Kleine Panne bei Kilometer 20, ein Schuhband ist lose. Ich fluche, verliere ein paar Sekunden wie ein F1-Pilot beim Räderwechsel.

 

 

Zu Beginn des Zieleinlaufes wechsle ich frühzeitig auf die rechte Seite und sehe auf der Uhr 1.48 Stunden. Norbert steht hinter der Ziellinie bei seiner liebsten Arbeit. Einer schwenkt noch die schwarz-weiß karierte F1-Zielflagge. Finish! Und schneller, als geplant. Als ich später auf die Ergebnisliste schaue, muss ich staunen, denn ich lande mit 1.48.52 Stunden auf den Klassenplatz drei. Damit habe ich nie und nimmer gerechnet.

Nur kurz lässt mich der Wind noch an der Strecke verweilen, dann zieht es mich in den Verpflegungsbereich, wo in den Garagen besonders der warme Tee Abnehmer findet. Weiter wartet Cola, Obst und Nusszopf uns. Am Bierstand draußen steht eine Schlage Läufer. Da mir mittlerweile kalt geworden ist, ist mit auch der Durst auf das Hopfengetränk vergangen. Das kommt selten vor. Im Kongress-Pavillon ziehe ich mir trockene Sachen an.

Nach einem Haferl Kaffee marschiere ich schließlich zum Bahnhof Hockenheim. Der drei Kilometer lange Weg führt mich komplett durch die Stadt und kann auf diese Weise noch einige Sehenswürdigkeiten bestaunen.

 

Mein Fazit:


Wer zum Saisonschluss noch eine schnelle Zeit rennen will, oder einfach nur ein nicht alltägliches Event erleben will, ist hier genau richtig. Mir passte die Strecke und das ganze Drumherum, zu kritisieren habe ich nichts. Außer vielleicht das Wetter, aber bei wem soll ich mich darüber beschweren?

 

Der Hockenheimring

 

1932 wurde hier im Hardtwald innerhalb weniger Monate ein 12 Kilometer langer Dreieckskurs angelegt. Anfangs noch auf unbefestigten Waldwegen als Teststrecke, später als Rennstrecke. Im gleichen Jahr besuchten bereits 60.000 Zuschauer das erste Rennen für Motorräder.

Der Kurs wurde später zuerst auf 7,725 Kilometer, später auf 4,5 Kilometer verkürzt. Man kann sich das gar nicht vorstellen, dass kurz nach dem Zweiten Weltkrieg 310.000 Zuschauer zu einem Jubiläumsrennen erschienen sind. Lange Jahre stand der Hockenheimring auf der Agenda des F1-Zirkus, zuletzt im Jahr 2019. Die letzten Sieger eines F1-Rennens waren Max Verstappen, Lewis Hamilton und Nico Rosberg.

Ob der Rennzirkus F1 nochmal nach Hockenheim zurückkehren wird, steht in den Sternen. Wie so vieles im Sport hängt das wohl von den Finanzen ab.


Sieger Marathon
Frauen:

1. Lina Kabsch, LAZ Ludwigsburg, 2.59.02
2. Katrin Ochs, LG Filder, 3.14.34
3. Julia Heinz, TV Goldbach, 3.20.49
 

Männer:

1. Timo Schmidt, LG Florstadt, 2.44.30
2. Christian Kunisch, TV Ochsenfurt – Lauf mit der Maus, 2.47.41
3. Andreas Dietz, LLG Wustweiler, 2.50.51

 

Sieger Halbmarathon
Frauen:

1. Sylvie Müller, engelhorn sports team/MTG Mannheim, 1.23.04
2. Michelle Hassel, MTG Mannheim, 1.27.20
3. Alexandra Kraienhorst, TV Bedburg, 1.30.40

Männer:

1. Tom Holzmann, LLG Wonnegau, 1.09.31
2. Andreas Dietrich, TSV Bad Wörishofen, 1.10.41
3. Maximilian Walter, engelhorn sports team – TV Schriesheim, 1.10.57

Finisher:
Marathon: 218
Halbmarathon: 745

Nächste Termine:
02.04.2024 Halbmarathon,
23.11.2024 Marathon und Halbmarathon

Streckenbeschreibung:
4,4 km flacher Rundkurs, vier bzw. neun Runden plus Anlauf.

Streckenversorgung:
Wasser auf der Hälfte, Vollversorgung hinter Start/Ziel.

Auszeichnung:
Medaille. Urkunde im Internet.

Leistungen/Logistik:
Alles nah und bestens beieinander, reichlich Platz.

 

Informationen: Ring Running Series
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