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Laufberichte

High in White Bretten

18.07.15 Night 52
 
Autor: Joe Kelbel

Der Aalkistensee hat seinen Namen von den Mönchen, die die Aale für die Fastenzeit in Kisten im See lagerten. Es war die Zeit, bei der niemand ohne drei Marienerscheinungen in der Saison nachhause ging. Kati wollte hier schon letztes Jahr baden, hatte aber gekniffen, denn statt sommerlichem Blütenfest mit Gänseblümchen gibt es hier höchstens ein Algenblütenfest mit Aaleinlage. Dieses Jahr ist der See schön klar, das Wasser stammt von der Salzach. Für mich unverständlich, wie man Angeln „Sport“ nennen kann, ich mache gegenüber den „Sportlern“ dementsprechende Bemerkungen, nur damit ich eine Ausrede für eine Gehpause habe.

In Knittlingen wurde der Mogeldoktor, Magier, Astrologe und Experimentator Johann Georg Faust, der Hauptdarsteller in Goethes Faust geboren. Es war die Zeit, als Amerika entdeckt wurde und der Halleysche Komet über die pestgebeutelten Landschaft flog. Da trieb sich dieser Faustus in der Poststation der Fürsten von Taxis in Knittlingen herum und fing Nachrichten und Gerüchte auf, die Grundlage für sein prahlerisches Wesen wurden. In Goethes Werk greift Faust, wie Nostradamus nach der Magie und beschwört den Erdgeist: Der Du die weite Welt umschweifst, geschäftiger Geist, wie nah fühl ich mich dir. 

Uhuhuhuhu, wie wird mir…ich habe doch Angst im Dunkeln! Zum Glück hat Besenradler Oli ein eiskaltes Getränk für mich am VP deponiert. Es gibt auch Malzbier. Mensch, es gibt alles, von Gummibärchen, über Kekse bis Leberwurstbrot. Und es gibt die ersten Leichen:  Torven liegt auf der wunderschönen, fussgehäkelten Decke, macht DNF: „Höhö ich bin doch Staffelläufer!“

Die ebene Strecke führt nun durch das Weissacher Tal. Der Blick über die Wiesen des Naturschutzgebiets ist traumhaft. Es ist der Übergang vom Kraichgauer Hügelland zum bewaldeten Stromberg. Ausgedehnte Schilf- und Großseggenbestände am Ufer, uralte Schwarzerlen und Eschen darüber.  Gisi meint, der eine Baum sieht aus wie ein Stinkefinger. Sie hat versaute Fantasie und es wird dunkel.

Aufstieg zum Dertinger Horn: Schöne Weinberge, kleine Hütten, die im Herbst bewirtet werden. Willi Wengertschütz macht hier von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mit seiner Holzrätsche brutalen Krach, um unliebsame Vögel und Zweibeiner aus den Weinbergen zu vertreiben. Mir läuft es eiskalt den Rücken runter, ich habe schiere Angst in der Dunkelheit.

Kurz ein Blick über den Kraichgau bis zum Odenwald, die Ravensburg und die Steinsburg werden angestrahlt. Es gab 1804 eine Untersuchung gegen Ferdinand Horn zu Dertlingen wegen Forstfrevel und Baumringelns. Baumringeln ist, wenn man den Baum ringförmig von der Rinde befreit, damit er abstirbt. Es war 1804: Napoleon war hier und forderte Land, Geld, Soldaten und Nahrung. Wer nicht Napoleon dienen wollte, musste zahlen. Ferdinand zahlte mit geringeltem Holz.

Es ist ein schöner, geruhsamer Lauf in warmer Sommernacht, der schlagartig in Großvillars kurz vor dem VP von der Fangemeinde „gestört“ wird.  Km 33 und es geht los! Partytime! Man erinnert sich genau an mich, 2013. Ich bin berühmt. Klasse Leute hier. Lieben Gruss, ich komme wieder!

Der VP ist 200 Meter weiter. Die Wasser-, Cola und Isoflaschen sind beschlagen, weil sie unverschämt kalt sind. Das Futter ist vom Feinsten. Nüsse, Tuk, Gummibärchen, Melone, oh was liebe ich diese Gastfreundschaft! Und immer wieder diese Partylocations in den Wiesen. Leere Plastikbecher künden davon, was Vorläufer serviert bekamen. Musik und Feuerwerk in lauer Sommernacht, Glühwürmchen und Fledermäuse, die um mich schwirren. Immer wieder Rammstein und Helene Fischer, doch mein „High in white Bretten“ ist der Sommerhit 2015 „never reaching the end“!

Helle Scheinwerfer, Motoren, Staub: Gewaltige Mähdrescher, die aufgereiht die großen Felder abrasieren. Außerirdische, die Kornkreise ziehen?  Im Licht der Maschinen huschen Hasen über meine Laufstrecke und Fledermäuse durch meinen Lichtkegel. Es tut gut, Menschen mitten in der Nacht arbeiten zu sehen. Man hat ein Gefühl der Überlegenheit. Ich bin Ultra!

In Golshausen hat der Fanclub Bacongebäck für mich parat: „Ich kenn dich, du hast mir vor 2 Jahren meine Weinschorle ex getrunken!“ Man liegt sich in den Armen. Es ist toll, sich wiederzutreffen. Der eine ist super gastfreundlich, der andere total bekloppt. Die Kinder kommen gerade frierend aus dem Pool, der hinterm Haus steht. Ich soll doch auch einspringen. Es ist die Nacht der Nächte! Die Leute hier sind der Hammer!

Oliver macht den Besenradler. Auch die kleine Tochter von Kati radelt hin und her, bleibt dann aber lieber bei Catweazle Gerhard, der heute vor Freude dampft. Ach was, wir dampfen alle, so wie damals im Dorian Gray. Wir sind  „High in white Bretten“.

In einem weiten Bogen geht es nun um Bretten herum, wir haben noch nicht genug. Beim VP in Neibsheim( km 44)  kommt Jürgen mit dem Fahrrad an. Platz 11 hat er gemacht. Darauf mal ein eiskaltes Getränk! Ein großer „Laufkäfer“  auf der Strecke zeigt mir, dass ich nicht allein bin.

Der Rest wird gerockt. Alles locker. Super Zieleinlauf im Stadion, Fackeln weisen den Weg. Armin reicht klasse Nudelsuppe und Weisswürstel, Daniel stellt das Fass auf den Tisch. Das  hat jetzt eine Startnummer, damit ich es fotografieren darf. Der Rest ist ein Geheimnis.

Die Sonne geht auf, die Vögel zwitschern, ich pinkel mehr Fackeln aus, als Cartsten. Daniel hat den ganzen Stadionbereich abgeschlossen. Wir kommen nur über den Notausgang raus und der führt durch die Küche, wo die Torten lagern. Noch Fragen?

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Informationen: Night 52
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