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„Unter allen Edelsteinen ist Salz der kostbarste“. Dieser Satz stammt vom deutschen Chemiker Justus von Liebig. Und weil Diamanten und Co. so gar nicht essbar und deshalb unnütz sind, kann ich Ihm hier nur zustimmen.

In der Steinzeit wurde nachweislich schon mit Salz konserviert. Als Ackerbau und Viehzucht das Nomadenleben ablösten, wurde die Zugabe von Salz bei der menschlichen Ernährung jedoch überlebenswichtig. Leider war in den nördlichen Ländern Salz knapp. Man brauchte ja dafür salzhaltige Quellen oder ein Meer vor der Haustür. Erst durch das Auffinden von Salz im Boden und den Mitteln, dieses auch abzubauen, konnte ab Mitte des 19. Jahrhunderts genügend Salz gefördert werden.

Salz ist aber nicht gleich Salz. Die prähistorischen Meere, die im Boden ihre Ablagerungen hinterlassen haben, bestanden aus verschiedenen Salzen wie Natrium, Kalium und Magnesium, die sich je nach chemischer Zusammensetzung in verschiedenen Schichten absetzten.

Das Werra-Fulda-Kalirevier ist mit 1000 Quadratkilometern eine der größten zusammenhängenden Lagerstätten in Deutschland. Es erstreckt sich von Berka im Norden bis südlich von Fulda und erreicht in Ost-West-Richtung seine größte Ausdehnung zwischen Bad Salzungen und Bad Hersfeld.

1901 wurde in Merkers, das liegt zwischen Fulda und Eisenach, der Schacht in Betrieb genommen und mauserte sich bis 1925 zur größten Chlorkaliumfabrik der Welt. Dazu kamen im Laufe der Zeit eine Glaubersalz-, Bittersalz- und Kaliumsulfatfabrik. 1946 wurde der Betrieb sowjetisch, bis es 1959 der damaligen DDR übergeben wurde. Es kam zum Zusammenschluss aller thüringischen Werra-Werke, die sich von nun an Kalikombinat Werra nannten, der Sitz blieb in Merkers. Nach der Fusion der Kali-Werra AG 1993 mit der Kali und Salz GmbH, wurde der Bergbau in Merkers zu Gunsten des Werkes Unterbreizbach (Thüringen) eingestellt.

Wer auf die Idee kam, aus den weitläufigen Schachtanlagen ein Erlebnis Bergwerk zu machen, weiß ich nicht - aber es wurde ganze Arbeit geleistet. Neben Führungen durch das Bergwerk, einem Museum und dem Bunker, in dem in der Nachkriegszeit zahlreiche Kunstschätze lagerten, wurde 1980 eine in Europa einmalige Kristallgrotte entdeckt. Außerdem gibt es Konzerte, einen unterirdischen Abenteuerspielplatz mit Relaxzone in gleichmäßiger Temperatur. Man kann hier heiraten und sogar diverse Sportveranstaltungen werden ausgetragen.

 

 

Seit 2007 veranstaltet der Triathlon Verein Barchfeld jährlich den „Kristallmarathon“ unter Tage. Der Februar ist ja ansonsten in unseren Breiten eher den hartgesottenen Marathonläufern vorbehalten, und so wundert es nicht, dass die 250 Startplätze für den 42,195 km Lauf schnell vergriffen sind. Auch der Halbmarathon und der 10 Kilometerlauf mit je 250 weiteren Startplätzen, erfreuen sich großer Beliebtheit.

Für mich ist das eher nichts. Enge Räume und Aufzüge kann ich nicht leiden. Weil man so einen besonderen Lauf aber „einmal unbedingt gemacht haben muss“, sind Norbert und ich nun doch beim 13. Kristallmarathon angemeldet. Laura ist gleich Feuer und Flamme, Benedikt, ihr Lebensgefährte auch. Weil Norbert dann kurzfristig erkrankt ist, sind wir doch nur zu dritt. Mit Daniel Steiner, unserem lieben Schweizer Marathon4you-Kollegen, treffen wir uns Vorort.

 

 

Am Laufmorgen herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt, kalt aber sonnig. Da wäre es auch hübsch, draußen zu laufen. Das Parken am Erlebnisbergwerk ist kein Problem. Dann folgen wir den anderen Läufern zum Eingang. Ehrfürchtig betrachten wir das hohe Fördergerüst, das die Gebäude überragt. Drinnen ist es kuschelig warm und ziemlich voll. Zunächst holen wir unsere Startnummern; dazu bekommt man eine Mütze mit Veranstaltungslogo und einen Bon für Wurst oder Kuchen nach dem Lauf. Dann erhalten wir den Zeitmesstransponder, der mit einem Gummiband am Arm befestigt wird.

Nun heißt es Helm auf, das ist Pflicht, ebenso eine Stirnlampe. Unsere Startnummer wird abgehakt und wir werden zu den Aufzügen geleitet. Es handelt sich hierbei um drei übereinander liegende „Körbe“, so heißen die an einer Seite offenen Aufzugkabinen mit Platz für ungefähr 10 Personen. Jeder Korb wird von einem Steiger (Bergwerksbeamten) begleitet, der auch Rede und Antwort steht. In 90 Sekunden gleiten wir hinunter auf die 2. Sohle (2. Ebene), in einer Teufe  (die Tiefe eines Schachts) von 500 m.

Bisher ist für mich alles gut gegangen. Ich habe meine Aufzugphobie im Griff, die ungewohnte Umgebung ist eher interessant als furchterregend und eng ist es bis jetzt in keinster Weise. Die Erdmassen über meinem Kopf blende ich einfach aus. Der Steiger führt uns in einen Bunker, der Eingang wird verschlossen. Bevor jemand Panik bekommt, öffnet er schon wieder die gegenüberliegende Tür und wir befinden uns nun in einem riesigen Tunnel.

Hier erwarten uns lange, gelbe, allradgetriebene, oben offene Lkws zum Aufsitzen. Es geht ein bisschen zu, wie auf einem Bahnhof. Ein Fahrzeug verlässt vollbeladen den Platz, ein anderes kommt leer wieder zurück. Wir steigen entschlossen auf die gepolsterten Bänke. Als alle drei Bankreihen besetzt sind, schließt der Steiger die Tür und los geht es. Ehrlich, eine Achterbahnfahrt ist nicht dagegen. Es geht bergauf und bergab, durch Röhren, die so eng sind, dass gerade ein Fahrzeug durchpasst. Der Fahrtwind pfeift uns ins Gesicht, und in den Kurven klammern wir uns fest so gut es geht.

Gerade als ich denke „jetzt ist es aber genug“, sind wir auch schon da. Mit wackeligen Knien klettere ich aus dem Fahrzeug. Laura, Benedikt und Daniel haben auch überlebt. Nach kurzem Fußmarsch erreichen wir den sogenannten Großbunker des Bergwerkes. Die Halle ist 250 m lang, 22 m breit und 14 -17 m hoch. Bis 1993 diente der Großbunker der Speicherung von bis zu 50.000 Tonnen Rohsalz, um die Lieferung über die Wochenenden aufrecht zu erhalten.

Hier werden mit der Akustik eines gotischen Kirchenschiffes (es gibt regelmäßig Konzerte von Klassik wie die „12 Tenöre“, bis Pop wie „Anastacia“), aber auch Olaf Schubert gibt sich Ende des Jahres die Ehre. Blickfang ist der größte untertägig eingesetzte Schaufelradbagger der Welt. Dahinter haben sich die Läufer auf langen Stuhlreihen bequem gemacht.

Auch wir suchen ein Plätzchen, um erst einmal die Jacken auszuziehen. Es ist wirklich angenehm warm. Ca. 21 °C hat es hier. Einzig der Helm nervt etwas. Hoffentlich gibt sich das noch.

Auf der Bühne vor den Stuhlreihen ergreift nun einer der Veranstalter das Wort. Er begrüßt die Läufer und Zuschauer und kündigt eine Überraschung an. Das Licht wird ausgehen, wir sollen aber Ruhe bewahren. Was folgt ist eine in dieser Location außergewöhnliche Laser- und Musikshow. Die Projektionen laufen über das Publikum und reflektieren auf den Helmen, um dann die Tunnelwände hinaufzuklettern. Die großartige Tonkunst tut ihr Übriges.  Jeder ist ergriffen von Klang und Licht.

Als das Spektakel endet, erzittert die Halle vom donnernden Applaus der über 750 Anwesenden. Das Steigerlied, die Hymne der Bergleute, wird angestimmt: „Glück auf, der Steiger kommt“. Mir fehlt hier Textsicherheit und so kann ich die flotte Melodie nur mitsummen, finde es aber großartig. Wo, wenn nicht hier, passt dieses Lied.

 

 

Dann wird es ernst, aber erst mal für die 10 km Läufer. Sie werden in die Startaufstellung gerufen, es wird heruntergezählt und dann laufen sie los. Weil die Runde 3,25 km beträgt, müssen sie 3 Mal an uns vorbeilaufen. Nach 33:48 Min gewinnt mit einem ungefährdeten Start Ziel/Sieg Daniel Rosenberg. Den Rest bekommen wir nicht mit, denn wir müssen die anderen Läufer anfeuern, die zum Teil deutlich langsamer laufen.

Um kurz vor 11 dürfen wir auch ran. Wir lassen eine Gasse für die 10er und stellen uns auf. Benedikt will 4 Stunden laufen und geht weiter nach vorne, Laura und ich bleiben hinten. Dann zählen auch wir herunter und dürfen uns auf die Strecke machen.

Nach der ersten Kurve wartet auf mich eine böse Überraschung: ein Berg - ein richtiger Berg. Es geht steil hinauf und ein Ende ist nicht abzusehen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich wusste von den 750 Höhenmeter, dachte aber eher an sanfte Steigungen. Oben angekommen, geht es auch gleich wieder runter und dann erneut hoch. Als ich nach 3 km in die große Halle zurückkomme, bin ich platt und mir sicher, dass heute ein dickes DNF fällig ist.

Hinter der Zeitnahme auf dem Bildschirm, wo die durchkommenden Läufer erscheinen, suche ich nach meiner Rundenzeit. Ich habe meine Uhr Zuhause vergessen und will einfach nach Gefühl laufen. Es dauert eine Weile, bis ich in meinem Kopf die Informationen verarbeitet bekomme. Ich bin die Runde in 21 Minuten gelaufen, geplant hatte ich jedoch 23. Also viel zu schnell!

Ich biege um die Kurve, wo, wie ich ja jetzt weiß, der erste Berg lauert. Oh, hier ist ja auch eine VP. Die hatte ich in der ersten Runde glatt übersehen. Schnell einen Becher Wasser geschnappt, zwei Schlucke getrunken, der Rest übers T-Shirt. Ich bin schon heiß gelaufen. Dann Tempo gedrosselt, schnelles Gehen muss am Berg reichen. Oben kann ich nun in meinem Tempo hinunterlaufen. Schnell merke ich, dass das nun ein ganz anderes Laufen ist. Ich werde locker und habe Zeit, mir die Umgebung genauer anzusehen.

Obwohl es ein Tunnel ist, gleicht kein Abschnitt dem anderen. Mal sind der Boden und die Wände glatt, mal rauh und mit tiefen Rillen durchzogen. Mal liegt Sand auf der Strecke und dann ist es wieder so gleichmäßig, dass man sich fast spiegeln möchte. Mal ist die Steigung kurz, dann wieder länger, bergab geht es immer so, dass ich flott hinunter komme. Es gibt noch eine zweite VP, die auch durchaus nötig ist. Man schwitzt unheimlich und die Luft ist, vermutlich wegen des hohen Salzgehalts, extrem trocken.

Zwischen erster und zweiter VP befindet sich ein kleiner Tunneldurchbruch, wo sich die Strecken treffen. Hier verhindert ein Flatterband und die beiden Streckenposten das Abkürzen. Nach der zweiten VP kommt eine lange, lange Gerade mit leichter Steigung. Dahinter geht es dann aber nur noch bergab.

Bei der zweiten Zeitnahme sehe ich, dass ich gut in der Zeit bin und einem Durchlaufen der insgesamt 13 Runden bis zum Ziel des Marathons nun doch nichts im Wege steht. An der nächsten VP mache ich eine längere Trinkpause und entdecke neben Apfel und Banane auch Schmalzbrote, Salzgebäck und saure Gurken. Wie schön.

Das Streckensystem im Bergwerk Merksers ist insgesamt 4600 km lang. Man sollte die abgesperrte Strecke also auf keinen Fall verlassen. Unsere Runde ist alle paar Meter beleuchtet, so dass ich meine Lampe gar nicht brauche. Es gibt zwar dunkle Ecken, aber am Anfang ist immer einer mit Licht in meiner Nähe.  Irgendwann ist man das so gewohnt, dass kurze Dunkelheit nichts ausmacht. Direkt an der Strecke befinden sich Toiletten.

In meiner dritten Runde überholt mich Benedikt mit Kurs auf 4 Stunden, von Laura sehe ich die ganze Zeit nichts. Das erste Zeitlimit ist nach Runde 7. Diese muss man spätestens mit 2h45 passiert haben. Mir bleibt noch genügend Zeit. Nach bereits 2:49:28 erreicht der Sieger Johannes Plöttner das Ziel.

Im Zielbereich ist ganz schön was los. Viele Läufer und Begleiter stehen an der Strecke und klatschen den Vorbeikommenden Beifall. Unterwegs kommen mir nun Gruppen von Finishern des 10 km Lauf und des Halbmarathons, später auch des Marathons, unter Führung eines Steigers entgegen. Die Shuttlefahrzeuge fahren hier ab. Außerdem wird eine interessante Bergwerksführung angeboten. Immer wird applaudiert und angefeuert.

Irgendwann komme ich dann beim Berechnen meiner Rundenzeit durcheinander und merke erst spät, dass ich wichtige Minuten verloren habe. Während die Strecke immer leerer wird, muss ich Zeit aufholen. Mittlerweile gibt es Bier an der VP. Noch ein Grund, schneller zu laufen, die Trinkpausen sind kürzer. Benedikt überholt mich zum zweiten Mal, auch bei Daniel läuft es gut. Benedikt überholt mich zum dritten Mal und ist mit 3h56 im Ziel! Glückwunsch.

Für den Cutoff muss ich vor 16 Uhr, also nach 5 Stunden meine letzte Runde begonnen haben. Ich habe noch 12 Minuten Luft. Laura läuft mit 4:58 ins Ziel - ebenfalls Glückwunsch. In der letzten Runde sind die Helfer bereits mit Aufräumen beschäftigt. Aber es gibt noch genügend zum Essen und Trinken und Anfeuerungen obendrauf. Die Streckenposten entfernen jetzt die Absperrbänder. Ich hab die Tunnel nun fast für mich alleine. Schaurig schön.

Dann erreiche ich das Ziel, die Zeit wird ein letztes Mal gestoppt und der Transponder abgenommen. Wir sind die Letzten, die sich auf den Weg machen und werden direkt in der großen Halle abgeholt. Unsere Startnummer wird erfasst, so kann keiner vergessen werden. Draußen angekommen, scheint immer noch die Sonne und es ist wieder frisch. Wir nehmen die ersten tiefen Atemzüge und setzten den Helm ab.

 

Daniels Bildgalerie

 

 

 

Fazit:


Der Kristallmarathon ist etwas ganz Besonderes. Die Organisation ist perfekt und ich habe mich unter Tage sehr wohl gefühlt. Den Helm habe ich beim Laufen nicht als störend empfunden. Die Verpflegung ist toll, die Leute alle nett. Im Februar in kurzer Hose, das hat was. Der Merkerser Kristallmarathon  ist wirklich ein Lauf, den man „mal unbedingt gemacht haben muss“. Und nicht nur einmal.

 

Informationen: Merkerser Kristallmarathon
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