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Laufberichte

Salz auf unserer Haut

16.02.13

Fotos: Kay Spamer

Deutschland, 16. Februar 2013, 10:00 Uhr. Warme Luft streichelt die weiße Haut, das Thermometer zeigt 21 Grad. Raus aus den Winterklamotten und rein in die kurzen Tops. Es lebe die nabelfreie Mode.

 

Allein im Labyrinth der Unterwelt


An jenen Tag im Dezember 2004 kann ich mich noch lebhaft erinnern. Der Startplatz für den Untertagemarathon im thüringischen Ort Sondershausen war gesichert, ich war gut trainiert und vorbereitet, dann aber doch vom Verletzungspech getroffen. Ein Startverzicht war die unausweichliche Folge. Richtig schwer war der Augenblick des Startschusses, als die grölende und freudig erregte Meute loslief.

Ich dagegen war frustriert und fühlte mich irgendwie  übrig geblieben. So kam ich auf die Idee, verbotener Weise, die etwa 10 Kilometer lange Runde, wenigstens einmal entlang zu gehen. Wer konnte mir das verbieten, ich hatte doch eine Startnummer. Also machte ich mich hinkend auf den Weg in die Dunkelheit der aus dem Fels herausgeschlagenen unterirdischen Katakomben. Die Zeit bis zum Zieleinlauf der Ersten sollte reichen. Trotz des Reizes des Verbotenen trat doch bald Unbehagen auf. Es dauerte auch nicht lange und kein Geräusch war mehr zu hören, keine Menschenseele mehr zu sehen. Schon drang ein Grollen aus dem Inneren der Erde. Ängstlich sprang ich zur Seite. Das Herz klopfte wie wahnsinnig. Mein erster Gedanke in diesem Moment: erwischt! Doch die Aufregung legte sich schnell. Sofort bekam ich die Mentalität der Kumpel zu spüren und saß wenige Sekunden später auf der Rückbank des offenen Geländewagens.

Eine aufregende Fahrt in 800 Meter Tiefe begann. Wir rasten durch holprige Gänge und Tunnel, vorbei an schwitzenden Läufern und Kay, der natürlich seinen Augen nicht traute. So wurde der Tag auch für mich aufregender als erwartet. Was blieb, ist der Wunsch, auch einmal in einem Bergwerk zu laufen.
"Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert."

Eine gute Vorbereitung für einen Marathon-Lauf sieht anders aus. Mich plagen Zweifel. Anstelle von langen Laufeinheiten zählen wir seit Wochen die kühlen Kacheln am Boden des Hallenbades und während die m4you-Autoren bereits über die ersten Läufe in diesem Jahr informieren, schaffen wir es bei diesem Schei…wetter einfach nicht über 20 Kilometer am Stück hinaus. Natürlich weiß ich sehr gut, dass das Spinning-Training am Vorabend eines  Marathons nicht geeignet ist um am nächsten Vormittag einen Marathon mit 750 Höhenmetern zu laufen - aber was soll´s, wenn´s doch Spaß macht! 


Die in die Hölle gehen


Der Erde ist im Winter so müde wie wir. Schmutzige Schneereste am Straßenrand, und die Felder liegen kraftlos, reglos und farblos im kalten Nebel. Kahle Kuppen und wenig fruchtbarer Boden haben die Rhön jahrhundertelang zu einer notleidenden Region Deutschlands gemacht. Wir sind in Merksers am Rande der Thüringer Rhön.

Beißender Wind fegt über den Parkplatz, Kälte zieht durch jede Naht und kriecht uns bis ins Mark. Einige nicht wetterresistente Sportler laufen schnell durch den Schneematsch zum Eingang in die schützende Unterwelt des Bergwerks. Mancher bleibt kurz stehen, schaut auf den Förderturm hinauf, doch die kalte Luft treibt jeden schnell weiter.


Geschlossene Gesellschaft


Jetzt also auch hier - das Teilnehmerlimit von 500 Läufern ist erreicht, eine Nachmeldung nicht mehr möglich. Am Besuchereingang zwischen Kasse und Souvenirshop befindet sich das Restaurant, in dem wir unsere Startunterlagen ausgehändigt bekommen. Mit der Startnummer erhalten wir im Anschluss einen Chip, der an einem Gummiband befestigt ist und um das Handgelenk gezogen wird. Er dient zur Zeitnahme- und Identifikation an der Kontrollstelle des Start- und Zielbereiches.


Nichts für Klaustrophobiker


Um 9:45 Uhr führt die letzte Fahrt nach unten. Wir sind spät dran und gehören zu den letzten Läufern. Die Förderkörbe sind über zwei Etagen angelegt und können mit nur einer Seilfahrt zweimal 25 Personen fassen. Freundlich fordert uns ein Kumpel im weißen Bergmannsoutfit auf, Helme aufzusetzen; für viele ist das auch besser, denn die Decken sind niedrig. Dicht gedrängt stehen wir in dem Förderkorb, der früher die Bergmänner nach unten und das Salz nach oben brachte. Zwischen Himmel und Hölle liegen nur 60 Sekunden und 500 Meter Tiefe. Es ist stockdunkel und ich spüre den Druck in meinen Ohren. Je tiefer wir in den Berg einfahren, desto warmherziger wird die Atmosphäre. Probleme bekommen hier nur Klaustrophobiker. Meter für Meter entziehen wir uns der Winterkälte - von Null auf 21 Grad.


Heilige Barbara

 

Wir steigen aus und stehen in einem kahlen Vorraum. Vor uns eine geschlossene graue Stahltür. Ist das das Tor zur Hölle? Ein Bergmann öffnet die Türe und wir gelangen in ein nur mäßig beleuchtetes Tunnellabyrinth. Rechts stehen in Reih und Glied sauberpolierte, nummerierte, knallgelbe LKWs. Alles, dem wir hier unten begegnen, also auch die gasbetriebenen LKWs, ist auf demselben Weg herabgekommen wie wir selbst. Links von uns sehen wir,  im Salzstein eingelassen und dezent angestrahlt, die Statue der einst grausam gefolterten Heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute, hinter Glas. Wenn einst die Bergmänner unter Tage der  Erde ihre Schätze entrissen, dann beteten die Kinder für ihre Väter: "Sankt Barbara, bei Tag und Nacht, fahr' mit dem Vater in den Schacht! Steh Du ihm bei in jeder Not, bewahr' ihn vor dem jähen Tod!"

 

Grubenfahrt


Wir sitzen auf der Pritsche eines Lastwagens der uns noch weiter hinein in den düsteren Stollen bringt. Die rasante Fahrt bläst uns den Wind um die Ohren und gibt uns einen ersten, schnellen Eindruck von dem was uns hier erwartet. Auf den Sitzen nur freudig aufgeregte Gesichter. Es riecht nach … ja, nach was eigentlich? So ein Geruch von Schwefel? Sind wir etwa doch im  finsteren Reich des Teufels? Ehrlich gesagt, es riecht nach nichts. Aber, bereits seit dem 12. Jahrhundert galt der Teufel traditionell als Hüter und Offenbarer verborgener Schätze und die gibt und gab es hier tatsächlich zu Hauf.

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Informationen: Merkerser Kristallmarathon
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