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Laufberichte

Zum Fünfzigsten unter die Erde

20.02.11

Es mag ja Leute geben, die das anders sehen als ich. Und von ihrer geäußerten Meinung auch wirklich überzeugt sind. Ich für meinen Teil kann dem Winter im Allgemeinen lauftechnisch nur wenig abgewinnen, die Witterung geht mir, gerade in diesem langen, harten Winter, dermaßen auf den Senkel, daß ich für jeden Lauf dankbar bin, an dem ich nicht kalt, nass und durchgefroren heimkehre.

Was sagst Du? Einfach schneller laufen? Hahaha... Ein Flug in den Süden ist nicht alle halblang machbar, Laufbandlaufen auch nicht der Hit und das (Wettkampf) Laufen im Winterhalbjahr ganz einstellen? No way.

Vor zwei Jahren hatte ich meinen ganzen Mut zusammengenommen, war nach Sondershausen/Thüringen gefahren, um 700 m untertage einen Marathon bei 25° C und 30% Luftfeuchtigkeit im Salzbergwerk zu laufen. Meine Begeisterung war groß. Diesen Genuß in jeder Hinsicht (trotz der Anstrengung) will ich wieder haben und da ich in der Regel keinen Marathon zweimal laufe, ist in diesem Jahr die Alternative in Merkers, ebenfalls Thüringen, dran.

In meinem letzten Bericht hatte ich angekündigt, ein bestimmtes Ereignis von epochaler Tragweite fände an einem anderen, ebenfalls herausragenden, Ort statt. Diese Aussage widerrufe ich hiermit. Denn der Ort ist gerade eben nicht herausragend, sondern eher tiefergelegt. Die hiesigen Bedingungen ähneln denen in Sondershausen: in 500 m Tiefe sind 13 Runden á 3,25 km bei durchschnittlichen 21° und 30% Luftfeuchtigkeit zu nehmen. Jede Runde bietet knapp 60 Höhenmeter, die sich auf insgesamt stolze 750 summieren. Hossa! Das sind in jedem Fall würdige Bedingungen für meinen fünfzigsten Marathonlauf und länger.

Die Startzeit von 11 Uhr ist prima, denn da kann ich am Morgen zu einer noch christlichen Zeit anreisen. Kurz hinter Philippsthal an der Landesgrenze „grüßt“ linkerhand ein verblichener Wachturm der Dädärä-Grenztruppen. Auch bald 22 Jahre nach dem Mauerfall ziehe ich immer noch das Genick ein. Welch ein Glück, daß das damals gutgegangen ist! Als „Duo Infernale aus dem Wiedtal“ habe ich übrigens mal wieder Jochen im Schlepptau. Er kennt eine ganze Reihe Ultraläufer von besonderer Güte (z.B. Kaderathleten m/w im u.a. 24 Std.-Lauf) und macht mich mit ihnen bekannt. Große Namen, aber ausnahmslos bescheidene und nette Mitläufer. Das liebe ich besonders an unserem Sport.

Angälika und Äberhard halten drei Wochen Marathonpause auch für das maximal Zumutbare und scharren schon mit den Hufen. Beide sind extrem untertageerfahren und hier auch schon zum wiederholten Male dabei. Wenn das kein Qualitätsmerkmal für diesen Lauf ist! Sie haben heute eine Schock-Anfahrt hinter sich: Eine Dreiviertelstunde hinter Stuttgart ging Angälika ein Licht auf. Das soll, insbesondere bei Frauen, ja manchmal nicht schaden, hier aber war es eher unangenehm. Es war nämlich das der Kontrolleuchte für Kühlwassermangel. Äberhard, ganz Mann der Technik und Tat, will darauf den reichhaltigen (Trink)Wasservorrat plündern und nachfüllen, aber ohne Erfolg. Also wieder 45 min zurück und in Äberhards Panda im Tiefflug gen Thüringen. Resultat: Mit der letzten Fahrt gerade noch so untertage gekommen und zwei wunderhübsche Portraits, wohlgeblitzt, sind im Zulauf.

Im Eingangsbereich des Besucherbergwerks empfangen wir unsere Startunterlagen und einen mir unbekannten Chip für die Zeitmessung, der an einem Gummizug am Arm zu tragen ist. Praktisch und zuverlässig, wie sich zeigen wird. Der erste Vergleich zu Sondershausen zeigt sich bei der Seilfahrt. Man steht beim Warten nicht im Zug und wird in einem fast komfortabel zu nennenden Aufzug unnisch de Ääd jebracht. 1:0 für Merkers. Obwohl – so eine Fahrt im nur mit einem Vorhang verschlossenen dreistöckigen Drahtkäfig hat auch etwas für sich und stimmt perfekt auf das kommende Abenteuer ein. Schön, daß nicht alles überall gleich ist!

Unten erwartet uns erst einmal: Wärme! Tolle +21° lassen die obigen –5° schnell vergessen. Die Fahrt vom Ausstieg zum Ort des Geschehens ist wieder abenteuerlich: In drei Sitzreihen hocken wir auf einer Lkw-Ladefläche und der Fahrer düst, angeblich mit 35 km/h, über Stock und Stein Harakiri durch die Gänge, die wir teilweise auch später belaufen werden. Er ist nicht nur eine ausgesprochene Pistensau, sondern auch witzig. „Bitte bleiben Sie in Ihrem eigenen Interesse sitzen. Sie stehen nur einmal auf...“ Die riesige Halle, in der auch Konzerte stattfinden, überrascht mich mit einer umfangreichen Bestuhlung und einem größeren Gastronomiebereich. Hier findet jeder ein Plätzchen zum Umziehen, Warten und Klönen. Vernünftige Toiletten sind auch reichlich vorhanden.

Um 10 Uhr startet der 10 km-Lauf, der in Anbetracht der Rundenlänge von 3,25 km eigentlich nur 9,75 km lang ist. Einige schnelle Hirsche sind dabei, der Sieger ist nach knapp 33 min. im Ziel, und das bei rund 170 Höhenmetern, Respekt.

Um 11 Uhr ist dann auch für uns die Stunde der Wahrheit gekommen. Alle tragen Helme in unterschiedlichsten Versionen und eine Lampe habe ich auch bei jedem gesehen. Um es vorwegzunehmen: meine habe ich nicht ein einziges Mal eingeschaltet. Sehr dunkle Abschnitte, wie teilweise in Sondershausen, gibt es hier nicht, aber wer sich damit wohler fühlt, dem hilft sie bestimmt.

Gleich nach der langen Start-/Zielgeraden kommt die erste von zwei (!) Verpflegungsstationen, die ich auch direkt nutze. Die Erfahrung lehrt, daß es in dieser f..ztrockenen Luft besonders wichtig ist, gut hydriert zu sein. So tanke ich tatsächlich 26 Mal nach und werde insgesamt etwa 4 Liter Wasser, Cola und später Erdinger bleifrei zu mir genommen haben.

Direkt dahinter kommt die erste und auch gemeinste Steigung. In Sondershausen bin ich sofort gegangen, aber hier, bei geradezu lächerlichen knappen 60 HM pro Runde? Nun denn, ziemlich lang ist sie schon, aber man ist ja kein Weichei und so jogge ich locker hoch. Noch. Danach geht es in Wellen auf und ab, an einer Stelle stehen auf der rechten Seite ausrangierte Grubenfahrzeuge, die ich dank besserer Kamera auch einigermaßen vernünftig im Bild festhalten kann.

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Informationen: Merkerser Kristallmarathon
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