Die Wetter-App verspricht zunächst einen kalten, aber sonnigen Wintertag. Im Laufe der Woche verschlechtert sich die Wetterprognose deutlich, Schnee, Regen und überfrierende Nässe sind angesagt. Da ist es gut, dass Silke und ich bereits am Samstag anreisen. So kann ich meine Startnummer ohne Warterei bereits am Vortag in Empfang nehmen. Dazu bleibt genügend Zeit, die Stadt zu erkunden und ausreichend Schlaf vor dem Lauf zu bekommen.
Der Sonntagmorgen kommt, und mit ihm der versprochene Schnee. Der Vorplatz des Hotels liegt weiß vor mir. Von oben kommen noch Flocken nach, die aber schnell in Regen übergehen. Die Parkplätze am Auestadion sind für alle Teilnehmer ausreichend. Die Ordner weisen mir den Weg, schnell habe ich geparkt und mache mich mit der Läuferschar auf den Weg zum Veranstaltungszelt am Zielbereich.
Nicht nur wegen des Wetters ist dieses gut gefüllt, auch die letzten der über 1000 Teilnehmer wollen ihre Nummer haben. Einige buchen aufgrund des Wetters noch auf den angebotenen Halbmarathon um. Es sind auch Staffel-Wettbewerbe ausgeschrieben, bei denen sich bis zu 6 beziehungsweise 3 Teilnehmer die Strecke teilen können. Der Rundkurs über 7,1 Kilometer macht es möglich.
Entspannt nutze ich die verbleibende Zeit, mich noch etwas aufzuwärmen und auf der Heldentafel zu verewigen. Dann warte ich h auf Christian, den ich heute als Einzigen aus der Starterliste kenne. Gemeinsam sind wir Treueläufer in Münster und sind schon mal zusammen gelaufen. Hat gut geklappt, weshalb wir das auch heute planen.
Rechtzeitig werden wir darauf aufmerksam gemacht, uns zum Start zu begeben, der pünktlich um 9.30 Uhr erfolgen soll. Die Halbmarathonis folgen 15 Minuten später. Es wartet bereits ein Moderator, der mit der Bürgermeisterin und dem 1. Beigeordneten der Stadt über den Beginn diese Marathons fachsimpelt. Mir kommt da natürlich der bekannte Schmähspruch aus dem 19. Jahrhundert in den Sinn: „Wie heißt der Bürgermeister von Wesel? Esel!“ Heute nicht mehr passend, denn die Bürgermeisterin trägt einen typisch westfälischen Namen, wie er mir aus meiner Heimatstadt bekannt ist: Weskamp.
Dann wird noch ein wenig Stimmung gemacht und die letzten Sekunden heruntergezählt. Das Marathonfeld inklusive Staffeln ist mit etwas über 120 Startern übersichtlich. Ich entdecke Christian, wie er beim Startschuss von hinten heranstürmt. Ich bin froh, in Gesellschaft laufen zu können, denn die Gespräche lenken von den widrigen äußeren Bedingungen etwas ab.
Die Strecke führt uns im Uhrzeigersinn um den Auesee herum, total flach und extra vor dem Lauf noch einmal vom Schnee geräumt und gestreut. Ob ich besser Trailschuhe hätte wählen sollen? War nicht nötig, wie sich schnell herausstellt. Die ersten Kilometer führen über glänzenden Asphalt, rechts den Auesee im Blick. Entstanden ist er durch Kiesabbau bis in die 1980er Jahre, heute ein beliebtes Naherholungsgebiet, vor allem im Sommer.
Aber auch im Januar wird mit dem Marathon Outdooraktivität geboten. So zieht sich die Schlange der Läufer weit voraus. Es geht geradeaus. Links der Damm, der vor Rheinhochwasser schützt, rechts Wiesen und der See. Ein Wagen des roten Kreuzes markiert den Abschluss der Geraden. Statt Asphalt erwarten uns nun Naturwege. Nach der Hälfte der Runde werden wir mit Wasser versorgt. Noch verzichten wir und laufen ohne Rast weiter, Wiesen, Gebüsch und Bäume wechseln sich ab, ebenso längere Geraden und verschlungene Kurven.
Wir nähern uns dem Ende der Runde. Das überholende Fahrrad kündigt den Führenden im Halbmarathon an, die schnellste Frau auf dieser Distanz folgt kurz darauf. Es ist Yvonne van Vlerken, die hier bereits im letzten Jahr den Sieg eingefahren hat. Eigentlich hat man damit gerechnet, dass sie den Streckenrekord brechen kann. Bei diesen Bedingungen keine leichte Aufgabe, aber es wird ihr doch gelingen.
Von solchen Zeiten träumend, nehmen Christian und ich die zweite Runde in Angriff. Die Kamera packe ich derweil erst einmal ein. Ob mir heute einigermaßen ansehnliche Bilder gelingen, ist sowieso fraglich. Konzentration auf die Strecke ist jetzt angesagt. Der Schnee schmilzt, es regnet ununterbrochen, die Strecke wird matschig, überall bilden sich kleinere und größere Pfützen, nasse Füße sind nicht zu vermeiden. Und Scheibenwischer für meine Brille könnte ich auch gebrauchen. Silke, bereist klitschnass, erwartet uns nach 2:06 Stunden bei der Halbmarathon Marke. Deutlich schneller als gedacht. Klar, langsamer werde ich von alleine. Und das recht bald. Als ich in der vierten Runde erste kurze Gehpausen einlege, muss ich Christian ziehen lassen.
Die heutigen Wetterbedingungen setzen meiner Motivation arg zu. Doch aufgeben ist keine Option. Ich beneide die Läuferinnen und Läufer, die jetzt nach links ins Ziel einbiegen dürfen. Auf mich warten noch zwei Runden. Deshalb nach Überquerung der Zeitmessmatte schnell noch einmal warmen Tee fassen und in Bewegung bleiben. Einen gemütlichen Laufrhythmus finde ich auch wieder. Was soll mich da noch vom Finish abhalten. Nur noch einmal am Ziel vorbei, dann die finale Runde.
In freudiger Erwartung laufe ich weiter. Auch wenn die Geraden immer länger erscheinen, bleibe ich durchgehend in Bewegung. Der Stimme des Moderators schallt über den See. Am Verpflegungsstand nehme ich noch einmal warmes Wasser zu mir. Ich umschiffe noch einige Pfützen und erreiche den Asphalt, der den nahen Zielbereich ankündigt. Links markiert ein Wappenschild den 7. Kilometer. Gesäumt von drei Wieseln, wie sie auch im Wappen der Hansestadt Wesel zu finden sind. Ein Hinweis auf den Ursprung des Stadtnamens. Auch die veranstaltenden Lauffreunde Hadi haben sich das flinke Wiesel ins Logo geholt.
Als ich auf die Zielgerade einbiege, haben sich die meisten Zuschauer bereits ins Trockene verzogen. Ich kann es ihnen nicht übelnehmen. Silke erwartet ihren nassen Helden bereits. Das eigentliche Verpflegungszelt steht komplett unter Wasser, ausreichend zu essen und trinken gibt es aber dennoch. Und, nicht zu vergessen, eine schöne Finisher-Medaille.
Den Transponder gebe noch schnell im Veranstaltungszelt ab, das hinterlegte Pfand spende ich den Obdachlosen, denen der heutige Erlös zugedacht ist.
Sieger:
Damen
1. Carina Hubbert, 2:58:46
2. Alexandra Meyer zu Westrup, 3:46:23
3. Eva Gaszek, 3:56:11
Herren
1. Marvin Hillgruber, 2:44:13
2. Janik Morgner, 2:58:28
3. Michael Bielig, 3:03:47