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Laufberichte

"Wollt Ihr nicht etwas in der Sonne sitzen?"

29.05.05
Autor: Klaus Duwe

So „bucklig“ habe ich mir den Trollinger nicht vorgestellt

 

Fährt man auf der A 6 nach Heilbronn und sieht die vielen Weinberge, ahnt man sofort, um welche Art Marathon es sich hier wohl handeln wird. Die schnellen Schuhe kann man getrost in der Tasche lassen, auch den Zeitenrechner. Denn hier werden wohl kaum neue Bestzeiten gelaufen, dafür kommen die Geniesser unter den Marathonis auf ihre Kosten. Und von denen gibt es nicht nur im Musterländle mehr als genug. Davon zeugen die Teilnehmerzahlen, die bei der 5. Auflage neue Rekordhöhen erreichen. Über 1.000 haben für den Marathon vorangemeldet, sogar über 5.000 sind es für den Halbmarathon. Auch ein Indiz für die Beliebtheit und die Qualität des Heilbronner Trollinger-Marathon: 320 Teilnehmer sind von Anfang an dabei.

 

Ein weiterer „Bestzeitenkiller“ ist an diesem Wochenende das Wetter. Schon die Tage zuvor brütende Hitze. Das angekündigte Gewitter für Samstagabend bleibt aus, und als ich am Sonntag früh um 6.00 Uhr in mein Auto steige, zeigt das Thermometer schon über 20 Grad. Ich habe schon einige Hitzläufe hinter mir. Unvergessen ist mir bis heute der 100er in Biel 2003, wo selbst in der Nacht die 25-Grad-Marke nicht unterschritten wurde.

 

Ich treffe zeitig in Heilbronn ein, finde problemlos zum Frankenstadion und dort auf dem großen Gelände auch gleich einen Parkplatz. Als erstes hole ich mir die Startunterlagen, die es in einem großen Zelt hinter der Haupttribüne gibt. Einige Verkaufs- und Informationsstände sind hier ebenfalls untergebracht. Alles ist überschaubar und spielt sich einer angenehmen Atmosphäre ab. Schnell habe ich meine Startnummer, das T-Shirt und die obligatorische Flasche Trollinger in Empfang genommen.

 

Jetzt einschmieren. Aufwärmöl ist heute natürlich überflüssig, dafür ist Sonnenschutz mit hohem Lichtschutzfaktor angesagt. Der Start ist in der Badstraße, direkt am Neckar und nur etwa 150 Meter vom Stadion entfernt. Guggemusik spielt und in den Pausen beschwört der Sprecher die Aktiven: Heute ja nicht Überdrehen, langsam laufen, nur auf Ankommen, viel Trinken usw.

 

Es sind noch 15 Minuten bis zum Start, und die in der Sonne liegenden Startblöcke sind vollkommen leer. Alle Läuferinnen und Läufer stehen rechts und links davon unter den Bäumen im Schatten.

 

Dann wird es aber doch Ernst. Pünktlich um 9.00 Uhr fällt der Startschuss. 1.000 Marathonis  traben los. Keine Hektik, kein Gedränge. Die über 5.000 Halbmarathon-LäuferInnen starten in mehreren Zeitabständen 1 ½ Stunden später. Eine sehr gute Lösung.

 

Es geht durch die alleeartige Badstraße und nach gut einem Kilometer rechts über die Böckinger Brücke auf die andere Neckarseite und dort dem Fluss entlang zurück. Das Läuferfeld hat sich schnell auseinander gezogen und es ist angenehm zu Laufen, auch von den Temperaturen her. Die Strecke ist hier meist im Schatten. Weiter geht es durch den Freizeitpark Wertwiesen, wo uns am Eingang eine Fangruppe mit viel Applaus begrüßt. In den Pavillons richten sich die ersten Familien  zum Picknick ein. Wir sind wieder am Neckar und erreichen den Vorort Sontheim.  Zum Geläut der Kirchenglocken bewältigen wir den ersten Anstieg und erreichen nach 5 Kilometern die erste Verpflegungsstelle, die dem Lager eines Getränkehändlers gleicht. Palettenweise steht Mineralwasser und Apfelschorle bereit. Bereits hier stehen vor vielen Häusern die Anwohner mit Wasserkübeln oder verpassen den Marathonis mit Gartenschläuchen eine Abkühlung. Alle haben sie ihren Spaß daran.

 

Der erwähnte Anstieg ist der Beginn einer insgesamt ungefähr 5 Kilometer langen, manchmal kaum spürbaren Steigung auf sehr abwechslungsreicher Strecke über Felder, Wiesen und Weingärten nach Flein, wo den Marathonis wieder ein stürmischer und nasser Empfang bereitet wird, und dann zum Talheimer Berg. Das letzte Stück den Weinberg hoch ist  ziemlich steil und viele gehen hier. Bei Kilometer 10 wird schließlich der Scheitelpunkt erreicht. Die Guggemusik hier mitten in den Weinbergen ist sensationell. Die Verpflegung gibt es weiter unten. Wir erreichen Talheim und es geht steil links um eine Haarnadelkurve hinunter in den Ort, über die Hauptstraße und dann vorbei an der Schlossberghalle.

 

Nach dem Ort dann bei Kilometer 12,5 die nächste Verpflegungsstelle. „Wasser! Wasser!“ und „Apfelschorle! Apfelschorle!“ rufen die Frauen und Mädchen  laut und engagiert. Ganz so, als müssten sie die Getränke für viel Geld verkaufen. Ganz hinten am letzten Tisch sitzt dann eine Dame und ruft ganz verschüchtert „Trollinger!“. Ihr Angebot ist heute kaum gefragt. Sie weiß es: es liegt an der Hitze, nicht an der Qualität.

 

In zwei lang gezogenen Kurven geht es hinauf nach Lauffen. Den höchsten Punkt erreichen wir bei einem Bauernhof, dann geht es hinunter in den Ort (Kilometer 15). Guggemusik und Superstimmung auch hier. Die Anwohner sitzen unter Sonnenschirmen oder unter Bäumen im Schatten und werden nicht müde, die Läuferinnen und Läufer anzufeuern und zu erfrischen. Ein paar Kinder sind mit ihren Spritzpistolen zu Gange und bekommen für ihr Tun heute ganz bestimmt nicht geschimpft.

 

Eine junge Läuferin spricht mich an. Es ist Sabine Schneider, die den Hachenburg Marathon mit veranstaltet. Sie ist oft auf marathon4you.de und erzählt mir eine tolle Story. In Heilbronn angekommen, habe sie mit blankem Entsetzen festgestellt, dass sie ihre Laufschuhe zu Hause vergessen hatte. Aufgeregt habe sie von ihrem Malheur erzählt und sei dann irgendwie zum Verkaufsstand von Intersport Saemann geleitet worden. Dort habe sie sich dann ein Paar Nike ausgesucht und wollte zahlen. „Nein, nein, das ist schon in Ordnung“, habe man ihr gesagt. Statt ihr Geld abzunehmen, bekam sie als Zugabe ein Laufshirt, das man auch gleich noch mit ihrem Namen bedruckte. „Jetzt frag ich mich, wieso die Schwaben als geizig gelten“, sagt Sabine,  zuckt die Schultern und nippt am Trollinger.

 

Wir laufen weiter durchs Gewerbegebiet und dann auf dem Radweg parallel zur Hauptstraße nach Hausen. Links die Weinberge, rechts ein Schatten versprechender Wald, und wir in der prallen Sonne. Kilometer 18, auf dem Schild steht: „Schön, Dich zu sehen.“ Wäre es der 40er Schild, ich würde sagen: „Ganz meinerseits“. Die Straße steigt ganz gemächlich an, ich kann sehr gut laufen und bin dauernd am Überholen. Nur manchmal spendet ein Baum oder Strauch etwas Schatten.

 

Bei Kilometer 20 erreichen wir Hausen. Ich laufe eng an den Haus- und Gartenmauern, um so etwas Schatten abzukriegen. Die Rollläden oder Fensterläden sind geschlossen und kein Mensch ist zu sehen. Fast gespenstisch. Gleich kommen wir in die Ortsmitte und das Rätsel wird gelöst. Die Bewohner haben sich alle hier versammelt. Es wird Musik gemacht und es herrscht eine Riesenstimmung. Die Halbdistanz wird erreicht und die Zwischenzeit genommen: 2:09 Stunden. In Anbetracht der Umstände ganz passabel für mich.

 

Die Straße nach Brackenheim steigt permanent an. Ich habe mir den Trollinger so „bucklig“ nicht vorgestellt. Oder kommt mir das alles nur so extrem vor? Gaukelt mir die Hitze schon Berge vor, wo keine sind? Letzte Woche beim Rothaarsteiglauf fiel mir das Berglaufen noch so leicht. Bei Kilometer 23 ist der Scheitelpunkt erreicht und es geht abwärts. Gleich bei den ersten Häusern stehen die Leute und beklatschen die völlig durchnässten Trollis. Alle suchen den Schatten. „Wollt Ihr nicht ein bisschen in die Sonne sitzen?“, frage ich mit unschuldiger Mine. Die Antwort könnt Ihr Euch denken.

 

Beim nächsten Wasserkübel tauche ich wieder meinen  Schwamm  und kühle Kopf, Arme und Beine. Dann geht’s weiter, links sehe ich das supermoderne Bürgerzentrum, die Strecke geht rechts ab und wir kommen gleich durch eine kleine Fußgängerzone. Die Leute sitzen bei Eis und Weißbier an der Straße, genießen die Sonne, die uns Läufern heute so zusetzt.  Jeder Ort hat hier seinen Berg und so geht es auch hier gleich wieder aufwärts. Nach dem Ort machen wir einen kurzen Schwenk rechts über den Hof der Winzergenossenschaft, wo kräftig gefeiert wird.

 

Wir laufen auf der halbseitig gesperrten Verkehrsstraße immer leicht bergauf in der prallen Sonne. Bei Kilometer 27 wieder eine Verpflegungsstelle und nicht zu übersehen: danach kommt wieder ein Steilstück. Ich schaff  auch das im Laufschritt. Oben habe ich einen herrlichen Blick auf die Burg Neipperg und den Ort. Natürlich gibt es auch dort eine Winzergenossenschaft, bei der sich alles versammelt hat.

 

Wir laufen rechts an den Weinbergen entlang auf welligem Kurs Richtung Nordhausen. Viele gehen inzwischen. Auch mir setzt jetzt um die Mittagszeit die Hitze spürbar zu. Ich bin zwar kaum  langsamer unterwegs und kann alles laufen, aber ich mache öfters und länger Pause an den Verpflegungsstellen. Trinken und erfrischen, das ist jetzt das Wichtigste.

 

Hier, mitten in den Weinbergen, plötzlich ein großes Partyzelt und 50 – 60 Leute, die uns anfeuern und Mut machen. Nach einem etwas steileren Stück erreichen wir Kilometer 30 und die Verpflegungsstelle am „Hörnle“. Beim anschließenden Abwärtslaufen und in dem kleinen Wäldchen gleich danach spüre ich einen leichten Wind auf der nassen Haut, das kühlt und ist sehr angenehm. Endlich Nordhausen, auch hier ein großes Fest. Diesmal gleich am Ortseingang beim Sportplatz. Noch 10 Kilometer ....

 

Nach Nordheim ist es nicht weit. Wir erreichen den Ort auf der Hauptstraße. Gleich beim ersten Haus trifft mich ein Wasserstrahl und kühlt den schon wieder erhitzten Körper. Die Innenstadt ist gut besucht, man feiert: die Marathonis, sich selbst und den verkaufsoffenen Sonntag.

 

Noch 7 Kilometer und wieder eine Steigung. Dann geht’s aber ziemlich flach nach Kirchberg. Unten sehe ich im Hitzedunst die Vororte in den Weinbergen  und dahinter die Hochhäuser von Heilbronn. Ich überhole einen Läufer, der wie in Trance im Takt seiner Schritte vor sich hinstöhnt: „Weiter! Weiter! Weiter!“

 

Gleich nach Klingenberg wird es lebhaft auf der Strecke. Viele Walker sind noch auf dem Halbmarathon unterwegs und auch die Läuferinnen und Läufer, für die die 21 Kilometer,  zumindest bei den heutigen Bedingungen, noch zuviel sind. Ich bin dauernd am überholen, und ich bin ehrlich, es baut mich etwas auf.

 

Kilometer 38, 39, 40, es sind fast nur noch Geher vor mir. Wir sind in Böckingen. Ich schaue so oft zur Uhr, wie nie zuvor. Sieben Minuten im Schnitt für den Kilometer, rechne ich mir aus. Jetzt hat es mich auch erwischt. Ich gehe 100 Meter und trabe dann weiter. 8 Minuten für den Kilometer. Dann eine Unterführung. Ich genieße die angenehme Kühle und will am liebsten bleiben. 

 

Gleich kommt die Brücke über die B 27, dann der Neckar. Jetzt  erst kenn ich mich aus: das ist die Böckinger Brücke, vor mir liegt das Startgelände und links ist das Frankenstadion, das Ziel. Nichts hält mich auf. Erst als es schattig wird, stehen die ersten Menschen und empfangen die Läuferinnen und Läufer. Wie selten zuvor haben sie sich den Applaus verdient. Immer dichter werden die Reihen und als es endlich links ab ins Stadion geht, kennt der Jubel keine Grenzen. Ein kurzes Stück noch, dann bin ich auf der Aschenbahn und laufe auf den Zielbogen zu. Als der Sprecher meinen Namen ruft und ich die Anfeuerung und den Applaus des Publikums höre, ist es wie beim ersten Mal: Gänsehaut und Glücksgefühle pur.

 

In prachtvolle Kostüme gekleidete Burschen und Mädchen verteilen die Medaillen. Ich beneide sie nicht, bei der Hitze. Da laufe ich lieber halb nackt 42 Kilometer.

 

Auf dem Rasen ein buntes Völkchen beim Relaxen. Wer will, kriegt eine Massage. Das gute Ensinger Mineralwasser und Apfelschorle gibt es in rauen Mengen. Kistenweise stehen Bananen und Äpfel bereit.

 

Wie ist denn mein Hitzelauf zeitmäßig so verlaufen? Ich vergleiche ja immer 1/3 = 14 Kilometer.

1. Drittel 1:26 - 2. Drittel 1:31 - 3. Drittel 1:38  - Gesamtzeit 4:35 Stunden.
oder: 1. Hälfte 2:09  2. Hälfte 2:26.

 

Streckenbeschreibung:

Rundkurs, durchgängig asphaltiert, gut zu laufen. Allerdings nie ganz eben, immer hügelig mit einigen spürbaren Steigungen

 

Weitere Veranstaltungen:

Halbmarathon

 

Rahmenveranstaltungen:

Pastaparty am Vorabend auf dem Schiff.
Gottesdienst im Freien vor dem Start.

 

Zeitnahme:

Champion-Chip

 

Auszeichnung:

Medaille, Urkunde, T-Shirt

 

Logistik:

Das Frankenstadion ist gut zu erreichen. Großer Parkplatz direkt beim Stadion. Startunterlagen und Startgelände in unmittelbarer Nähe. Zieleinlauf im Stadion.


 

Informationen: Heilbronner Trollinger Marathon
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