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Laufberichte

Hot Moms run Marathon

 

Der Trollinger ist ein beliebter Rotwein, dessen aus Südtirol stammende und ursprünglich „Tirolinger“ genannte Rebsorte spät reift und tiefgründige, nährstoffreiche Böden, allerbeste Hanglagen und viel Niederschlag in der Zeit zwischen Blüte und Reife benötigt. Das größte Rotweinanbaugebiet in Deutschland liegt um Heilbronn herum – weshalb es nicht verwundert, dass der traditionsreiche dortige Marathon den Trollinger als „Namenspatron“ gewählt hat.

Wir sind nach 2017 zum zweiten Mal am Start. Auch wenn es bei Heilbronn ein bekanntes Autobahnkreuz gibt, reisen wir per Bahn aus München über Stuttgart an. Unser Hotel liegt gleich in Bahnhofsnähe. Zuerst steht eine Besichtigung auf dem Programm. Heilbronn mit seinen 131.000 Einwohnerinnen und Einwohnern gilt als eine sehr reiche Stadt. Und scheint ziemlich Multikulti zu sein. Das Zentrum macht einen sehr gepflegten Eindruck. Mir als Straßenbahnfreund gefällt natürlich besonders, dass mehrere S-Bahnen durch das Zentrum fahren. Es handelt sich um sogenannte Tram-Trains, die als Straßenbahn verkehren und auch Eisenbahnstrecken benutzen dürfen. Heilbronn ist damit an das Karlsruher Netz angebunden.

Die 50 km nördlich von Stuttgart gelegene Universitätsstadt am Neckar besitzt nur wenige historische Sehenswürdigkeiten, da das Zentrum im Dezember 1944 fast vollständig zerstört wurde. An das “Käthchen von Heilbronn”, die Titelfigur eines Ritterschauspiels von Heinrich von Kleist, erinnern das “Käthchenhaus” am Marktplatz und eine 1965 aufgestellte Skulptur des Heilbronner Bildhauers Dieter Läpple.

Im Frankenstadion befinden sich der Start- und Zielbereich sowie die Marathonmesse. Als wir eintreffen, sind die Kinder- und Jugendwettbewerbe in vollem Gange. Da der Lauf zum 23. Mal veranstaltet wird, ist alles bestens organisiert. Auch viele Essensstände, neudeutsch „ Food Trucks“, gibt es hier. Gegen Vorlage des QR-Codes aus der Anmeldungsmail bekommen wir in einem Zelt unsere Startnummer - und sonst nichts. Man möchte unnötigen Müll vermeiden und hatte schon in der Anmeldebestätigung darauf hingewiesen, dass für die Gepäckaufbewahrung ein eigener Kleidersack zu verwenden ist oder auch eine Sporttasche. Wer ein Veranstaltungslaufhemd bestellt hatte, kann es nebenan abholen. Die Marathonmesse ist überschaubar. Leider werde ich am großen Sportschuhstand nicht fündig.

Dann zur Spätzle-Party, inklusive Aussicht auf einen Nachschlag. Allerdings hätte man dazu bei der Anmeldung die Spätzle-Option buchen sollen. Haben wir nicht. Pech gehabt. Dass es für jeden Teilnehmenden vor dem Zelt eine Flasche Wein gibt, fällt uns erst am Sonntag auf. Aber auch dann bekommen wir über den QR-Code auf der Startnummer noch unser flüssiges Präsent von der Genossenschaftskellerei Heilbronn.

Einen wunderschönen, warmen Frühsommerabend verbringen wird dann in einer Pizzeria am alten Neckararm. Wirklich sehr idyllisch ist die benachbarte Parkanlage, in der sich auch das Freizeitbad Soleo und das experimenta Science Center, eine innovative Freizeit- und Bildungseinrichtung, befinden.

 

 

Marathontag

 

Der Start des Marathons ist auf 8:45 Uhr festgelegt. Also brauchen wir nicht allzu früh aufzustehen. Wir gehen zu Fuß zum Startbereich. Dort gibt es auch Parkplätze.

Es ist noch recht frisch, aber wir können uns auf der sonnenbeschienenen Tribüne umziehen und wärmen. Schönes Wetter wurde vorhergesagt, sodass die Trollinger-Reben heute, anders als vor acht Jahren, keinen Regen abbekommen werden. Dann zur Taschenabgabe. Toiletten gibt es im Stadiongebäude, und im hinteren Teil des Startraums steht ebenfalls eine Vielzahl von WC-Häuschen. Von den Marathonis werden nur die vorderen Startbereiche genutzt. Richtig voll wird es dann um 10 Uhr, wenn die Halbmarathonis antreten.

Im hinteren Startbereich wärmt die Sonne, vorne ist Schatten. Kurz vor dem Start gibt es eine kurze Aufwärmsession und schon geht es los. Der Streckenverlauf ist klar umrissen: ein großes Rechteck in Richtung Südwest, dieses Jahr mit leicht veränderter Führung, damit man noch mehr von den Weinhängen sieht.

 

 

Von der Stadt Heilbronn zeigt uns der Trollinger Marathon wenig. Wir laufen am Neckar in Richtung Zentrum, queren den Fluss über die Götzenturmbrücke, natürlich mit Blick auf den gleichnamigen Turm, der, 1392 errichtet, hier das südwestliche Ende der Stadtmauer markierte und im 19. Jahrhundert nach Götz von Berlichingen benannt wurde. Anno 1592 saß der Titelheld von Goethes Schauspiel tatsächlich einen Tag lang ein, allerdings nicht hier, sondern im Bollwerksturm. Auf der anderen Seite des Neckars zurück. Schöne Wohnlage, hier am Fluss. Links ein großes Freibad, in dem schon die ersten Schwimmerinnen ihre Bahnen ziehen. An einem Sportplatz im Wertwiesenpark hängen Schilder mit der Aufforderung „Zurück Biergarten verpasst“. Das gilt natürlich nicht für uns.

Dann wieder Bebauung. Viel Anfeuerung von beiden Seiten. Musikgruppen gibt es heute auch viele. Ich rufe den Leuten zu, dass es heute Vormittag keinen Autoverkehr gibt. Einige applaudieren.

 

 

Wir schlagen noch einen Haken durch Sontheim und dann geht es in die Felder und stetig bergauf. „Nett hier. Aber waren Sie schon mal in der JVA Heilbronn? Wir haben nicht nur Haftplätze, sondern auch Ausbildungsplätze.“ Aufkleber dieser Art sieht man öfter, von vielerlei lokalen Firmen und gerne an Laternenmasten. Der Originalsticker einer gut 20 Jahre alten Werbekampagne mit dem Text „Nett hier. Aber waren Sie schon mal in Baden-Württemberg?“ ist inzwischen ein Exportschlager und auf der ganzen Welt zu finden. Womöglich läuft der Marokkaner, den wir beim Start gesehen haben, heute mit, weil er den Aufkleber in Casablanca oder Marrakesch gesehen hat.

Kurz danach Flein, dort ist es sehr fein. Es geht los mit dem Z47-Kleintierzuchtverein. Viel Anfeuerung. Viele Hände zum Abklatschen. Dann eine große Partyzone. Man trifft sich zum Fleiner Marathon-Brunch. Ja, so macht Marathon Spaß. An der nächsten Straßenecke wieder Party. Eine Band hat sogar ein Klavier auf die Straße gerollt. Martin, einer der 4:45-Pacer, übernimmt die musikalische Gestaltung für einige Minuten. Eine ziemlich ruhige Weise, sehr gefühlvoll gespielt. Nach diesem Intermezzo heißt es den Anschluss nicht zu verpassen - für den geübten Läufer kein Problem. Am großen Kreisel, ohne Autoverkehr, der nächste Party-Hotspot, dann beginnt der große Anstieg. Ich freue mich über einen Herrn, der Kräuterbonbons anbietet, da ich just vor einigen Minuten einen mysteriösen Hustenanfall hatte. Jetzt bloß nichts in den falschen Hals bekommen.

 

 

Einige ortsansässige junge Damen laufen mit uns mit, bis wir rechts in die Weinberge abbiegen. Jetzt geht es dramatisch bergauf, wobei der Weg gut laufbar bleibt. Oben wabert der Nebel. Aber nur künstlicher aus einer Maschine. Es gibt Traubenzucker. Nach dem Verpflegungspunkt beschwingt ins Tal. Wirklich schön in Talheim. Das Schloss liegt auf einem kleinen Hügel. Und auch für uns geht es wieder hinauf. Staffelwechsel. Ein Stück Landstraße mit markanten Hochspannungsleitungen. Mein Star-Trek-Zitat „Scotty, Energie“ kommt bei den Mitläuferinnen nicht so recht an.

Die Oskar-von-Miller-Straße bringt uns hinunter an den Neckar. Schöne Felsformationen an der linken Seite. Dann hinein in das große Betonwerk. Mir macht es immer Spaß, im Rahmen von Marathons an Orte zu kommen, die sonst nicht ohne weiteres zugänglich sind. Die LKW-Waage ist eingeschaltet. Die Anzeige lautet 0,04. 40 Kilogramm? Ich muss wohl dringend etwas essen. Die Verpflegungsstellen sind gut ausgestattet mit Bananen, Äpfeln, Wasser, Iso-Getränken, später Spezi. Und ganz vielen freundlichen Helfern. An den Wechselpunkten Toilettenhäuschen.

In Lauffen, Geburtsstadt des Dichters Friedrich Hölderlin und Startpunkt der weltweit ersten Fernübertragung von Wechselstrom, gibt es viel zu sehen, beispielsweise die Burg auf einer Insel im Neckar. Zuschauer prosten uns aus den Fenstern zu. Dann über die Neckarbrücke mit Blick auf die Regiswindiskirche auf einem Felsvorsprung.

 

 

„Hot Moms run Marathon“ werden wir oder vielmehr die Mütter im Teilnehmerfeld angefeuert. Ja, heute ist Muttertag und oft sieht man Väter mit Kindern und Blumen und Präsenten an der Laufstrecke entlang gehen. Die Hüpfburg lasse ich links liegen. Am Hölderlin-Denkmal vorbei. Nun sind wir mitten im Weinanbaugebiet bei den Jahrhunderte alten Steillagen und Trockenmauern. Die Mauern sichern den Boden, reflektieren die Sonne und geben auch zu späterer Stunde noch Wärme ab. Gegen Schädlinge wie den Traubenwickler werden Pheromonfallen eingesetzt. Die braunen Plastikfallen hängen oft an den Seilen bei den Rebstöcken. Es liegt nahe, dass ich mir den Sachverhalt an einem Verpflegungspunkt, wo ein guter Tropfen ausgeschenkt wird, kurz erklären lasse. Wein - der Name des Marathons verpflichtet – kann man jetzt immer mal wieder verkosten. Ich nippe aber nur kurz.

Ich genieße die Strecke und freue mich trotzdem auf die Halbmarathonmarke. Ein Stück auf dem Radweg an einer großen Straße, dann drehen wir wieder ab. In Hausen an der Zaren dann endlich die Hälfte und Wechselstelle für den Duo-Marathon. Dessen Teilnehmer sind aber alle schon weg.

An einem großen Hersteller von Fenstern vorbei - mal was anderes - , dann wieder in die Weinfelder.

 

 

Vor uns auf einem Hügel die gelben Sonnenschirme der Waldschänke auf dem Brackenheimer Hörnle. Sicher ein schöner Aussichtspunkt. Und dann sehe ich darunter viele farbige Punkte. Da wird gelaufen. Wir tangieren Dürrenzimmern. Sehen eine Pappmaché-Kuh an der „Milchtankstelle“ und viele Kräne. Vater und Sohn als Streckenposten haben große Sombreros an. Ich rufe dem jungen Mann ein „Speedy Gonzales, die schnellste Maus von Mexiko“ zu. Er ist ganz happy. VP am Mönchsbergsee, den ich aber nicht entdecken kann,

Die Streckenführung ist perfekt: Nur ganz langsam geht es nach oben. Eine kurze Begegnungsstrecke vor Neipperg, dann zurück und weiter in die Weinberge. Tief unten noch Laufende am Mönchsbergsee, der nun doch noch in mein Blickfeld gerät.

Zwei Drittel sind geschafft. Ich düse den Anstieg hoch. Der Ausblick ist wunderbar. Party bei der Privatkellerei Rolf Willy. Ein Helfer ruft mir zu, dass es nun über drei Kilometer bergab geht. Super.

 

 

Nordhausen, irgendwie bleiben wir auf Wegen am Rande der Ortschaft. Dann hinter Nordheim zurück auf die Landstraße. Klingenberg. Das „Berg“ im Namen verrät, dass es hier noch mal rauf und runter geht. Km 36 das Kilometerschild verkündet:„Ihr seid die wahren Helden“ Mann, bin ich fertig. Aufheiterung durch einen jungen Radler, der die leere Straße ausgiebig nutzt. Nochmals Wein-Verköstigung: Heuchelberg Weißherbst und Rosé. Die „Gundelsheimer Guggenmusik“ macht richtig Stimmung. Hier kommen von rechts auch die Halbmarathonis und 10er hinzu- Wir sind so spät dran, dass da niemand mehr stört oder wir keinen mehr stören..

Böckingen samt Musikvereinigung: An der Neckarbrücke erwartet mich eine Brasilianerin. Aufmunterndes Schulterklopfen. Mein Plan, die Pacer noch zu überholen, ist heute leider gescheitert. Vielleicht war es zu heiß, wobei im Schatten durchaus angenehme Temperaturen herrschten und auch ein laues Lüftchen wehte.

Den letzten Kilometer gehe ich mit mehr Schwung an. Ich passiere den Bereich der Startaufstellung, dann laufe ich links durchs Marathontor ins Frankenstadion. Die Zuschauenden applaudieren, denn es findet gerade eine Siegerehrung statt. Aber auch für mich gibt es Beifall. Erschöpft, aber glücklich erreiche ich das Ziel. Die Medaille zeigt natürlich Weinreben und Weinflasche, was sonst.

 

 

Kurz danach läuft auch Judith durch den Zielbogen. Sie hat ihren verletzungsbedingten Trainingsrückstand fast aufgeholt und wird Zweite der Altersklasse, was ihr zwei zusätzliche Flaschen Trollinger einbringt. Die AK-Erste Vera, mit der wir lange zusammen liefen, konnte sich kurz vor dem Ziel noch von mir absetzen. Gratulation.

Wir ratschen noch ein wenig mit Bekannten, aus unserer Leistungsklasse und genießen das „Frei-Bier“, sowie viele Getränke und Obst. Jetzt fehlt noch ein Weinchen. Aber die Trollinger Marathonflasche hat ja einen Drehverschluss.

Dann zu den Duschen im Container, im Stadion oder im Freibad. Massagen gibt es auch.

Ein schöner Landschaftslauf mit vielen Stimmungspunkten in netten kleinen Ortschaften. Ein wenig hügelig und damit auch schöne Ausblicke. Und dann noch sehr günstig, mit maximal 59€. Da lohnt sich die Teilnahme.

 

Siegerinnen Marathon

1. SEEGER Antonia              GER    2:56:45          

2. WEBER Lisa                     GER    2:59:46          

3. OCHS Katrin                     GER    3:10:15

 

Sieger Marathon

1. LEMINSKII Vasilii                       RUS    2:24:32          

2. MIERECZKO Maciek       GER    2:31:03

3. CHALUPSKY Michael     GER    2:34:35

 

Finisher

Marathon          583    plus 23 3er Staffeln und 19 Duo-Staffeln

Halbmarathon 3.133

10 Km             1.551   plus Walker

4,5 km             ca. 300

Kinder und Jugendläufe am Samstag

 

 

 

Informationen: Heilbronner Trollinger Marathon
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