„Zwanzig Marathons später“, könnte der Titel auch heißen. Denn seit meiner Teilnahme am Rennsteiglauf im letzten Jahr habe ich 20 weitere Marathons rund um die Welt gesammelt. Nun bin ich wieder hier und das schon zum 3. Mal. Verfalle ich auch langsam dem Rennsteigfieber?
Der GutsMuths Rennsteiglauf hat ja neben dem Laufen noch ganz andere Attraktionen wie z. B. die Kloßparty und das legendäre Zeltfest am Abend nach dem Lauf.
Es April, ich bekomme die Startkarte und merke: Verdammt, ich habe noch kein Quartier. Jetzt noch eins zu bekommen, ist ein Lotteriespiel, denn die Zimmer werden meist schon für das nächste Jahr im Voraus von den Läufern wieder gebucht. Bei meinem (Verletzungs-)Pech in letzter Zeit müsste ich doch jetzt mal Glück haben. Und ist es auch. Ich finde ein Quartier in Stützerbach, nur wenige Autominuten vom Ziel entfernt.
Da es morgen früh rausgeht, heißt es früh schlafen gehen. Der Wecker tut seinen Dienst um 5:30 Uhr. Schlecht geschlafen - aber was soll’s. Frühstücken, dann ab nach Schmiedefeld, wo schon hunderte auf den Bus zum Start nach Neuhaus warten. Für 7€ lasse ich mich gemütlich nach Neuhaus fahren, wo schon richtig was los ist. Rund 3.000 Läuferinnen und Läufer wollen heute von Neuhaus nach Schmiedefeld über den Rennsteig laufen. In der GutsMuths-Halle wird gefrühstückt, gesalbt, umgezogen und viel geschätzt. Jeder bereitet sich auf seine ganz eigene Weise auf den bevorstehenden Lauf vor.
Hier treffe ich wieder viele Marathonis die ich schon seit Jahren kenne. Auch Günter aus Collm ist da. Er wird heute mit seiner Tochter laufen. Die sind mir aber heute viel zu schnell. Ich musste nämlich meinem Physiotherapeuten versprechen, nur ein Drittel zu laufen und zwei Drittel zu marschieren, damit die Zerrung nicht wieder aufbricht.
Eine halbe Stunde vor dem Start ziehen sich große Läuferschlangen in Richtung Sportplatz. Daneben stehen die großen LKW’s, bei denen wir unsere Kleiderbeutel abgeben, um sie ins Ziel nach Schmiedefeld bringen zu lassen.
Auf dem Sportplatz steht wie immer eine große Bühne, von der die Läufer mit Blasmusik beschallt werden. Hans-Peter Müller heizt die Stimmung wie jedes Jahr an und bedankt sich immer wieder, dass die Rennsteigläufer beim M4Y-Voting den Rennsteiglauf 2014 auf Platz 1 gewählt haben. Ich gehe durch die Läuferschar und entdecke meinen Sportfreund Markus aus meinem Laufverein. Er ist schon seit Jahren Stammgast hier und wird heute in eine tolle Zeit von rund 3 ½ Stunden laufen. Viele Läufer haben Sprüche auf ihrem Lauf-Shirt. Zwei sind mit einem Seil verbunden, an dem sie ihre Startnummern der letzten Jahre befestigt haben. Sie werden nach rund 7 Stunden im Ziel sein.
Dann gibt noch einige Ansprachen und wer es noch nicht kennt, es folgt das Rennsteiglied. Verdammt, ich bin jetzt zum 3. Mal hier und kann nur den Refrain mitsingen. Auch so ist es wieder sehr bewegend. Ich kriege Gänsehaut. Ich behaupte mal die fischer-Chöre sind nicht besser. Das war es aber noch nicht. Jeder weiß, dass Hans-Peter Müller die Läuferschar jetzt auffordert, sich beim Nachbarn einzuhaken. Dann ertönt der Schneewalzer und wieder singen alle mit und schunkeln. Die Gänsehaut bleibt.
Die letzten Sekunden werden runtergezählt und dann geht’s los. Nach knapp 100m liegen am Starttor die Zeitmatten von Mika-Timing, um die jeweilige Nettozeit zu ermitteln. Einen knappen Kilometer geht es im Ort aufwärts. Die Stimmung ist der Hammer.
Oben wir es flach und aAm Ortsende von Neuhaus läuft eine Gruppe Frauen zu mir auf. Sonja aus Bielefeld ist dabei, wir haben uns beim Hochsauerland Waldmarathon in Bestwig getroffen und sind ein großes Stück zusammen gelaufen. Sie ist heute mit ihrer Laufgruppe vom Teuto Run and Fun unterwegs. Wir unterhalten uns kurz und dann verabschiede ich sie nach vorn, denn ich muss ja langsam machen.
Wir folgen der Landstraße in Richtung Steinheid. In der ersten scharfen Kurve hängt das 5km Schild an einem Baum. Wir hören auch schon die Ansagen bei der ersten Versorgungsstelle. Kurz danach erreichen wir den großen VP Steinheider Hütte.
Vor mir läuft Lauffreund Sven. Er hat einige Kilos zu viel für einen Langstreckenläufer, aber wie er sagt, ist er vorletztes Jahr gut durchgekommen. Ich will mal versuchen, an ihm dranzubleiben. Nach ungefähr 6 km auf der Verkehrsstraße biegen wir rechts ab auf den Rennsteig. Jetzt beginnt das Rennsteig-Abenteuer so richtig. Es folgt ein Schotterweg, der sich bis nach Limbach durch den Wald schlängelt. Hier stehen sogar einige Zuschauer die uns anfeuern. Jetzt geht es aufwärts in Richtung Dreistromstein. Hier gehe nicht nur ich, sondern alle um mich rum, denn es ist ein kurzes Stück ziemlich steil. Dann geht es wieder durch den herrlichen Wald.
Rechts im Wald ist das 10km Schild. Mein Bein hält und ich halte mich an mein Versprechen. Am Dreistromstein, der nach den drei Flüssen Elbe, Weser und Rhein benannt ist, bin ich wieder bei Sven. Neben ihm sind drei Damen, die auf ihren Shirts für den Rennsteig-Etappen-Lauf werben. Es sind wahre Genussläuferinnen, sie kommen nach 9:06 ins Ziel.
Bei der nächsten Versorgungsstelle gibt es den legendären Schleim, DER Energiedrink schlechthin. Ich vertrage ihn besser, als das synthetische Zeuge. Während ich trinke, wird ein Läufer interviewt. Es ist Dieter Rathmann, der in der M75 mit einer Goldenen Startnummer läuft. Eine solche Ehrennummer bekommen Läufer mit über 35 Teilnahmen. Alle Achtung, Dieter läuft auch noch mit ganz normalen Sandalen. Er wird ca. 10 Minuten nach mir ins Ziel kommen und damit den 10. Platz in der M75 erreichen.
Es geht ein kurzes Stück über Asphalt und wieder in den Wald, vorbei an der Friedrichshöhe und weiter in Richtung Masserberg. Ich bin bei Km 17 und das schöne, teils sonnige Wetter schlägt um. Es fängt an zu regnen. Gut, dass ich eine Regenjacke dabei habe.
Jetzt geht es aufwärts zu, Turm auf dem Masserberg. Kurz davor werden wir bei km 18,5 liegt durch eine Zeitmatte erfasst. Dann folgt rund um den Turm eine riesige Versorgungsstation. Wie üblich beim Rennsteiglauf, gibt es auch Wurst- und Käse- und Schmalzbrote. Ich halte mich wieder an den Schleim und Tee.
Hinter dem Turm geht es abwärts zum Ortsrand von Masserberg. Von einer Fan-Gruppe, die gerade am Grillen und feiern ist, bekomme ich eine Bratwurst angeboten. Ich lehne dankend ab, frage aber nach einem Bier. Na klar, kriege ich auch Bier.
Auf Höhe des Skiliftes ist der Halbmarathon erreicht. Kurz danach folgt ein echter Trail, ein langer Hohlweg mit vielen Wurzeln. Hier muss man höllisch aufpassen, denn im Nu haut einen hin. Den Fotoapparat lasse ich lieber stecken. Sven ist nicht mehr da. Ich habe ihn auf dem Weg hoch zum Masserberg abgehängt und er holt mich bergab bisher nicht ein. Am Ende der Stein- und Wurzelschlucht bei km 22,7 sind wir am nächsten Versorgungspunkt, wo ich Mädels vom Teuto Run and Fun einhole.
Dann heißt es mal wieder Höhenmeter gewinnen. Vorbei am Lassmannstein erreichen wir die Höhe und kurz danach das Km-Schild 25. Weiter geht’s nach Kahlert und durch freies Feld in Richtung Neustadt am Rennsteig. Bis zum Ortsrand geht es abwärts und dann lange im Ort wieder aufwärts. Km 29,2 wird erreicht und wieder eine Versorgungsstelle. Es geht ein Stück durch den Ort und dann wieder über eine Wiese raus in die Natur. An einem Baum hängt das Km-Schild 30.
Es geht wieder in den Wald, wo wir wie jedes Jahr auf den Orgelspieler treffen. Hier mache ich ein schönes Gruppenfoto mit den Damen. Weiter geht’s in Richtung Dreiherrenstein, den man über den Burgberg mit seinem rund 800m Anstieg erreicht.
Km 33,8 Dreiherrenstein, Versorgung. Zwei kleine Mädels präsentieren stolz ihre tollen Medaillen. Der Vater knipst mich und weiter geht es. Es sind jetzt nur noch knapp 10km. Die Frauen sind mal wieder weg, aber noch in Sichtweite. Beim Kilometer 35 wird erneut die Zeit genommen. Und wieder geht es aufwärts und dann runter nach Allzunah, einer kleinen Siedlung.
Es folgt km 37 und wieder geht es aufwärts in Richtung Frauenwald. Hier geht einigen Mitstreitern die Puste aus und ich kann strammen Schrittes einige Plätze gutmachen. Km 38 und wieder gibt es eine sehr gute Versorgungsstation. Diesmal mit Bier. „Pils oder Schwarzbier“, werde ich gefragt.
Jetzt bin ich wieder an den Frauen dran. Wir überqueren die Straße an einem großen Gedenkstein, der uns „nur noch lumpige 5km bis zum Ziel.“ verspricht. Wir folgen ein Stück der Straße und sind dann gleich wieder im Wald. Km 40, km 41, in Schmiedefeld dann bei exakt 42,195 km die Zeitnahme. „Meine“ Frauen sind rund 200m vor mir und ich werde leichtsinnig. Ein längeres Stück Abwärtsstück, und ich habe sie eingeholt – fast. Bis hier ging alles gut, jetzt aber zieht es im Bein. Ich hoffe, es wird nicht schlimmer.
Es folgt der Aufstieg zum Sportplatz. Ich gehe ganz, ganz langsam und mache nur kleine Schritte. Es kommt ja nur noch die Ehrenrunde auf dem holprigsten Sportplatz, den ich kenne und das legendäre, schönste Ziel der Welt. Von rechts kommen die Supermarathonis und mit ihnen gemeinsam geht’s ins Ziel. Die Stimmung ist der Hammer. Gänsehaut. Ich kaputt und weiß genau, nächstes Jahr komme ich wieder.
Vor dem Einschlafen kommt mir der Refrain des Rennsteiglieds in den Sinn:
Diesen Weg auf den Höhen bin ich oft gegangen
Vöglein sangen Lieder.
Bin ich weit in der Welt, habe ich verlangen,
Thüringer Wald nur nach Dir.
Laufbericht und Bilder vom Supermarathon
gibt es hier auf Trailrunning.de
Männer
1 Jurkschat, Wolf (GER) GutsMuths RSLV - 05:41:45
2 Lynas, Matthew (GBR) GutsMuths RSLV - 05:43:44
3 Blasbichler, Josef (ITA) SG Eisacktal - 05:44:58
Frauen
1 Hempel, Kristin (GER) KS-Sportsworld - 06:16:50
2 Ahrendts-Konold, Silke (GER) LT Herbrechtingen - 06:26:23
3 Giesen, Britta (GER) Laufwerk Hamburg - 06:33:25
2080 Finisher
Männer
1 Seiler, Christian (GER) GutsMuths RSLV - 02:43:01
2 Weigel, Christoph (GER) USV Erfurt - 02:53:04
3 Militzke, Martin (GER) TV 1848 Coburg - 02:55:39
Frauen
1 Kusterer, Nora (GER) SV Oberkollbach - 03:01:31
2 Herzberg, Anna (GER) KS-Sportsworld - 03:21:05
3 Rottenbach, Christina (GER) KS Sportsworld - 03:21:24
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