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Laufberichte

Mainz lässt laufen und feiert

04.05.08
Autor: Klaus Duwe

 Nicht weniger als sechs große Citymarathons sind am ersten Maiwochenende im Angebot: Salzburg, Luxemburg, Düsseldorf, Hannover, Regensburg und Mainz, wobei im Rahmen des Gutenberg-Marathon in Mainz die Deutschen Marathonmeisterschaften ausgetragen werden. Trotz des Gedränges im Terminkalender waren die Mainzer wie jedes Jahr ausgebucht.

Wie kommt’s? Das fragt man mich und das frage ich mich selber. Mit Sicherheit ist der Mainzer Marathon eine sehr attraktive Veranstaltung, die Stimmung an der Strecke, vor allem in der Stadt, ist großartig. Nach dem Umbau der Rheingoldhalle steht ein ideales  Veranstaltungszentrum zur Verfügung. Sogar Parkplätze gibt es in zu Fuß erreichbarer Nähe (wenn man sich etwas auskennt und wenn man sie vor den vielen Straßensperrungen erreicht).

Zum Millenium „schenkte“ die Stadt Mainz der Bevölkerung den Gutenberg-Marathon, der eine einmalige Veranstaltung sein sollte. Die Resonanz bei Läuferinnen und Läufern und bei der Bevölkerung war so groß, dass das werbeträchtige Event  eine jährliche Fortsetzung fand.

Als dann der SWR mit seiner Aktion „von Null auf 42“ bundesweit für Furore sorgte und damit auch der Mainzer Marathon noch mehr in’s  Blickfeld rückte, war der Boom nicht mehr zu bremsen. Die jährliche mehrstündige Liveübertragung im „Dritten“ tut ein Übriges.

Noch nicht einmal die zumindest teilweise Abkehr vom „Volkslauf“ zur „leistungssportlichen Veranstaltung“ durch die Austragung der Deutschen Meisterschaften sorgte bei den „vergnügungssüchtigen und laufverrückten“ Marathonis für einen Rückgang des Interesses. Auch dieses Jahr hieß es wieder vorzeitig: „Nichts geht mehr.“

Informationen: Gutenberg Halbmarathon Mainz
Veranstalter-WebsiteE-MailHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

Auch die Strecke, ein bei vielen Läuferinnen und Läufer sonst auf wenig Gegenliebe stoßender 21km-Rundkurs, den man zweimal laufen muss, kann den Erfolg nicht bremsen. 

Ok, die zwei Runden sind nicht ganz identisch: die etwas langweilige Weisenau-Schleife läuft man nur einmal. Dafür gibt es in Runde 2 einen Abstecher nach Mainz-Kostheim über die Theodor-Heuss-Brücke. Nach Rückkehr aus Kostheim kann man seinen Lauf mit einem 2/3-Marathon, einer Mainzer Erfindung, beenden. Dazwischen liegt die Mainzer Innenstadt, die am Marathontag eine einzige Partyzone ist, durch die man zum Glück zweimal laufen darf. Ich vertrete ja sowieso die Meinung: lieber eine schöne Strecke zweimal laufen, als sich auf einer großen Schleife zu Tode langweilen.

Wegen meiner Verletzung kann ich auch dieses Wochenende nicht aktiv in das Geschehen im Läuferfeld eingreifen und muss mich mit einer Rolle, Kamera bewaffnet, am Streckenrand begnügen. Wenn meine Verletzung ausgeheilt ist kann es sein, dass ich gar nicht mehr laufen will, so viel Gefallen finde ich daran. Spaß beiseite, mir stinkt es schon gewaltig. Aber schlimmer, als hier an der Strecke zu stehen wäre es, zuhause zu bleiben. Heute könnte ich mir immerhin den Marathon im Fernsehen angucken. Aber das ist wie Rosenmontag auf der Couch.

Ich schaffe es gerade noch, vor den Straßensperrungen das Rheinufer zu erreichen und finde am Hafen problemlos einen Parkplatz. In 15 Minuten bin ich zur Rheingoldhalle gehumpelt. Nach dem Umbau präsentieren sich hier der Saal für die Pastaparty, die Messe, die Startnummernausgabe und das Kleiderdepot auf engstem Raum. Direkt hinter der Halle am Rheinufer sind die Duschzelte aufgebaut. Kurze Wege also in Mainz.

Auf dem Startgelände herrscht schon früh ausgelassene Stimmung. Mit schweren Kameras bewaffnete SWR-Männer sind unterwegs, Musik und ein gut gelaunter Sprecher sorgen für Musik und Informationen. Eine tolle Atmosphäre von Anfang an.

 


Zuerst gehen die Handbiker auf die Strecke. Dann kommen auch die ambitionierten Eliteläufer von ihren Aufwärmrunden zurück und reihen sich im Starterfeld ein. Stars sind der zweifache Sieger Andrej Naumov aus der Ukraine, Susanne Hahn, die die Olympia-Quali schaffen und natürlich Deutsche Meisterin werden will und Martin Beckmann mit der gleichen Motivation. Schade, dass Stefan Koch,  Mitfavorit auf den Meistertitel, auf die kurzfristige Meldung von Beckmann mit einem Rückzieher reagiert hat. Der Sprecher ist davon übrigens nicht informiert, der kündigt Koch lauthals an. Derweil plagen im hinteren Feld die Hobbyläuferinnen und –läufer ganz andere Sorgen: Wie sieht es nach 4 Stunden mit den Temperaturen aus, gibt es einen Hitzelauf? Die Sonne strahlt schon jetzt vom blauen Himmel, mindestens 20 Grad sind vorhergesagt. Nach einem „interessanten“ Gespräch um den Bart es Ministerpräsidenten geht es dann um 9.30 Uhr auf die Strecke. 


Schon nach wenigen hundert Metern ist man am kurfürstlichen Schloss, wo einst die Mainzer Erzbischöfe residierten. Immer noch auf der Rheinallee geht es durch die Neustadt und dann nach links quer durch das Gelände der Schott AG. Gewusst, dass hier die Ceran-Kochfelder hergestellt werden? Nicht nur auf diesem Markt sind die Mainzer Weltmeister, auch wenn es um Electronic Packaging und spezielle pharmazeutische Primärverpackungen geht, ist man in der Weltspitze mit dabei. Solartechnik, optische Gläser und Glaskeramik sind weitere Betätigungsfelder. Heute spendiert man den  Marathonis Erfrischendes in Plastikbechern.

Nach 5 Kilometern wird das Mombacher Industriegebiet erreicht, dann die Innenstadt, wo kräftig gefeiert wird. Über den Barbarossaring, Bopp- und Kaiserstraße kommt man zur Christuskirche (km 11). Hier ist es fast still, und das ist so gewollt. Pfarrer Matthias Teutsch hat darum gebeten,  den sonntäglichen Gottesdienst nicht zu stören. Mit Hinweisschildern wird dem Wunsch entsprochen.

Austoben tun sich die Mainzer dann in der Innenstadt. Und wie. Ich lege mich am Gutenberg-Platz auf die Lauer. Hier hat man Johannes Gutenberg (1400 – 1468), geboren und gestorben in Mainz, genialer  Erfinders des Buchdrucks und damit Auslöser einer Medienrevolution, ein Denkmal errichtet. Er war praktisch der Tim Berners-Lee des zweiten Jahrtausends. Tim Berners-Lee? Nie gehört? Das ist der Erfinder des Internets - nicht Bill Gates, Kurt Google oder John Ebay. Vielleicht ist das Internet die noch größere Revolution. Wie komme ich bloß auf’s Internet? Teufelszeug.

 


Mit Begrüßungsschildern und beiden Ellenbogen verschafft man sich Platz in der vordersten Reihe. Blasmusik und der SWR 1 sorgen für Unterhaltung, der Riesenbratwurst-Griller für die Verpflegung  - der Zuschauer, wohl bemerkt. Für die Marathonis, die hier ungefähr ein Drittel der Strecke hinter sich haben, gibt es frisches Leitungswasser.

Riesenjubel, als die Begleit- und Führungsfahrzeuge den Läufertross ankündigen. Ehrlich, das hat schon was von Rosenmontag. Das Duo aus der Ukraine, Andrej Naumov und Ivan Babarika liegen vorne. Der Abstand ist groß, dann kommt aber schon Martin Beckmann. Susanne Hahn kommt ungesehen an mir vorbei, sie steckt windgeschützt in einem großen Läuferpulk. Endlich kommt  das große Feld. Die Fans genießen das Bild der verschwitzten Läufer, wie sie das Wasser über sich und in sich hineinkippen. Im Nu sieht die Straße aus, wie nach einem kräftigen Regenschauer. Richtig  lustig wird es, als die Läufer immer langsamer aber dafür entspannter werden. Da wird zurück gewunken, abgeklatscht und umarmt, neue Treffpunkte mit den Fans vereinbart und dann erst weiter gelaufen.

 


Es geht vorbei am Dom in die Altstadtgassen, die tausende Fans noch enger machen. Kein Läufer spürt das lästige Kopfsteinpflaster, sie schweben auf einer einzigen Begeisterungswelle. Ich kann es heute beurteilen: keiner der Schnellen bekommt mehr Applaus als die, die den Marathon nicht nur hier in Mainz ausmachen - die Läuferinnen und Läufer wie du und ich (an besseren Tagen).

Den Euphorieschub können die Marathonis gut gebrauchen, denn jetzt kommt die berüchtigte Weisenauer Schleife, eine knapp 6 Kilometer lange Wendepunktstrecke auf der Weisenauer-/Wormser Straße. Ok, ganz ohne Zuschauer muss auch da nicht laufen werden und ein wenig Aktion ist auch, aber trotzdem ist jeder froh, wenn er kurz nach km 20 den Holzturm sieht und wenig später auf der rechten Bahn ins Ziel laufen kann, sofern er sich für den „Halben“ entschieden hat.

Die Marathonis halten sich in der Mitte. Die linke Bahn wird freigehalten, hier werden gleich die Sieger erwartet. Der Platz ist überfüllt und die Stimmung bombastisch. Ich schaue in die Gesichter meiner Kolleginnen und Kollegen, die jetzt 2 Stunden unterwegs sind. Keine Müdigkeit, kein Zweifel, „wir packen das“, ist da zu lesen.

Nur 11 Minuten und ein paar Sekunden später kommt er angesprintet, Andrej Naumkov - er macht  seinen dritten Mainz-Sieg perfekt und läuft eine sagenhafte Zeit: 2:11:10, natürlich Streckenrekord, natürlich persönliche Bestleistung. Super. Ivan Babarika wird Zweiter.

 


Jetzt geht es um die Deutsche Meisterschaft. Martin Beckmann wird angekündigt, sein Meistertitel ist ungefährdet, aber reicht es für die Olympiaqualifikation? 2:13 muss er laufen. Das wird nichts, das ist vor dem Einlauf schon klar. Aber mit  einer Zeit von 2:18:30 wird er Deutscher Meister und Dritter des Gutenberg-Marathons. Zweiter wird der Regensburger Dennis Pyka (2:21:59), Dritter Theo Sauter (2:22:41).

 


Wer gewinnt die Frauenkonkurrenz? Susanne Hahn läuft ein tolles Rennen und führt. Sie wird als erste Frau angekündigt. Gelingt es ihr, sich für Peking zu qualifizieren? 2:31 will der DLV sehen. Sie liegt gut, sie kann sogar unter 2:30 bleiben. Der Sprecher feuert die Zuschauer an, die machen einen ohrenbetäubenden Lärm und Susanne Hahn gibt alles: 2:29:35 – neuer Streckenrekord und natürlich persönliche Bestzeit. Gratuliere. Ob es allerdings für Peking reicht, wird sich unter anderem auch in Düsseldorf entscheiden, wo heute einige Konkurrentinnen ebenfalls auf Ticketjagd sind.


Derweil geht auf der Nebenbahn der hintere Teil des Marathonfeldes auf die zweite Runde, die mit dem eingangs erwähnten Abstecher über die Theodor-Heuss-Brücke nach Mainz-Kostheim beginnt. Das gibt es nirgendwo in Deutschland. Linksrheinisch liegt Mainz, Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz und gegenüber Wiesbaden, Hauptstadt und Regierungssitz der Hessen. Mainz-Kostheim gehörte bis 1945 tatsächlich zu Mainz, wurde aber dann auf Anordnung der amerikanischen Militärregierung ein Wiesbadener Stadtteil. Die Bezeichnung Mainz-Kostheim hat man aber beibehalten. Deshalb ist auf den Ortseingangsschild auch zu lesen: Landeshauptstadt Wiesbaden – Stadtteil Mainz-Kostheim. Nicht dass einer auf Idee kommt, ganz Mainz wäre ein Stadtteil von Wiesbaden …


Kommt man in den Ort, spürt man sofort, wo die Kostheimer ihre Wurzeln haben. Es gefeiert – wie man es in Mainz als Kind schon lernt. Nach 7 Kilometer ist man zurück – wer „fertig hat“ kann ins Ziel und sich den Mainzer 2/3-Marathon bestätigen lassen. Wer noch nicht genug hat vom Feiern und Laufen, kann noch 14 Kilometer dranhängen. Spätestens bei km 40 bereut das keiner mehr. Es geht noch einmal mächtig rund in der Stadt und auch auf der langen Zielgeraden vom Holzturm bis zum Rathaus wird gefeiert, was das Zeug hält. Mainz lässt laufen und feiert. 

 

Informationen: Gutenberg Halbmarathon Mainz
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