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Laufberichte

Auf den Spuren der Medici

 

Oder: Wenn einer eine Reise tut...

 

…. dann kann er was erzählen. Zum Beispiel von einem Wochenende in der Toskana, das sich unverhofft in die Länge zieht.

Schon zwei Mal waren wir beim Florenz Marathon: Einmal mit dem PKW, was von München aus machbar, aber anstrengend und mit einer happigen Autobahngebühr verbunden ist, und einmal per Bahn im Liegewagen - eine super Alternative, wenn man am Montagmorgen halbwegs ausgeruht wieder zu Hause sein will.

Dieses Jahr versuche ich zur Abwechslung einen Flug zu ergattern: Nach Florenz ist dergleichen unbezahlbar, aber nach Pisa bekomme ich ein LH-Angebot für rund 100 Euro. Von Pisa aus erreicht man in einer guten Stunde die Marathonmesse in Florenz. Beide Flughäfen teilen sich das Verkehrsaufkommen in der Region. Durchgeführt werden die Flüge von Lufthansa City Line und Air Dolomiti, Tochtergesellschaften, die gottlob nicht vom aktuellen Streik betroffen sind.

Am Samstagvormittag geht es los und nach einer Stunde sehen wir unter uns die weißen Marmorsteinbrüche von Carrara, die goldgelben Strände von Viareggio und Marina di Pisa, Livorno, den Schiefen Turm. Alles zum Greifen nah, doch wir bleiben in der Luft: Direkt vor der Landebahn hat sich eine Nebelbank gebildet. Nach dreißig Minuten geht es endlich abwärts. Oberhalb der Pisa-Marathonstrecke fliegen wir an. Doch kurz vor der Landung muss der Pilot durchstarten, weil sich die Sicht erneut verschlechtert hat. 20 Minuten später sind wir am Boden -  allerdings in Bologna. Der Bustransfer, den die Fluggesellschaft bereitstellt, würde gute zwei Stunden nach Pisa benötigen und dabei auf halber Strecke Florenz passieren. Hatte uns der Flugkapitän noch eine Ausstiegsmöglichkeit in Florenz versprochen, so will das Bodenpersonal von einem zusätzlichen Halt nichts wissen. Bei meiner Anmerkung, dass in Italien inzwischen eine viel schlimmere Bürokratie herrscht als in Deutschland, verfinstern sich die Mienen des Busfahrers und der zuständigen Flughafen-Mitarbeiterin. Vermutlich weil beide wissen, dass dieser Vorwurf nicht ganz unberechtigt ist.

Zusammen mit Pontus, einem Marathoni aus Schweden, entscheiden Judith und ich uns für eine zeitsparende Zugfahrt direkt nach Florenz. Immerhin werden wir nicht zwangsweise in den Bus verfrachtet, damit die Lufthansa  uns auftragsgemäß nach Pisa befördern kann. Statt dessen geht es nun mit dem Hochgeschwindigkeitszug durch den Apennin. Sogar einen Sitzplatz erhalten wir noch 10 Minuten vor Abfahrt. Die Deutsche Bahn plant ein solches System für ihre neuen ICE-Modelle. Bei den alten erfolgt die Reservierung noch per Diskette.

Mit Tempo 300 rasen wir durch viele lange Tunnel. Kurz vor Florenz taucht die Strecke des Mugello-Marathons auf, an dem wir erst im September teilgenommen haben.  Ich liebe Reisen.

Bleibt noch anzumerken, dass hartnäckiger Nebel auch den Rückflug am Montag verhindert. Wir genießen auf Kosten der LH einen Abend in Pisa. Nur mein Chef wird sich darüber ärgern, dass ich einen weiteren Urlaubstag nehmen musste. Ein Pärchen aus Berlin, das wir im Hotel treffen, hat mit seinem annullierten Ryanair-Flug weniger Glück und muss erst mal drei Stunden mit dem Zug nach Rom fahren und von dort  aus nach Hause fliegen. Renommierte Gesellschaften bieten halt doch einen etwas besseren Service. Der Rückflug an einem strahlend schönen Dienstag verläuft dann bei bester Sicht mit „nur“ einer Stunde Verspätung.  Ich liebe Reisen.

 

Nun aber zum Marathon!

 

Florenz, 400 000 Einwohner, Hauptstadt der Toskana, Wiege der Renaissance, mittelalterliches Handels- und Finanzzentrum. In diese Stadt, deren wirtschaftliche und kulturelle Blüte eng mit dem Wirken der  Herrscherfamilie Medici verbunden ist, kommen jährlich 40 Millionen Touristen. Darunter im November auch mehrere Tausend Marathonis aus Nah und Fern zum zweitgrößten italienischen Marathon. Judith und ich sind nach 2009 und 2010 zum dritten Mal dabei.

 

 

Wir müssen zum Bahnhof Campo Marte im Nordwesten der Altstadt von Florenz. Der dortige Sporthallen-Komplex ist Sitz des Marathonveranstalters und an diesem Wochenende auch Schauplatz der Messe. Am Samstagnachmittag ist hier viel los. Es gibt Informationsstände von Lauf-Events in ganz Europa und wie immer die Gelegenheit, Sportartikel aller Art zu erwerben. Die Abholung der Startunterlagen geht schnell vonstatten. Wir hatten uns mit unserer deutschen Sportvereinsnummer anmelden können und benötigen zur Abwechslung weder Gesundheitszeugnis noch Runcard. Das Gesundheitszeugnis haben wir zur Sicherheit immer dabei. Näheres zu den Vorschriften in Italien auf der M4Y-Homepage. Dann durchs Gedränge zur Ausgabe der Starterbeutel samt schönem Laufhemd. Auf der Rückseite informativ beschriftet, aber leider nur ab Größe M und in Männerversion.  

Unser anschließender Stadtspaziergang findet im Dunkeln statt, denn inzwischen ist es 17:00 Uhr. Viele Lokale bieten am Abend eine sogenannte „apericena“ an: Für 7- 10 Euro gibt es einen Aperitif und so viele gute Sachen vom Buffet, wie man essen kann. Natürlich auch Nudeln.

Frühes Aufstehen ist am Sonntag angesagt, denn der 33. Firenze Marathon beginnt schon um 8:30 Uhr. Unser Hotel, in dem viele Läufer abgestiegen sind, bietet neben einem zeitigen Frühstück einen Transportservice zum Startbereich bei der Kirche Santa Maria Novella an. Die ebenfalls hier nächtigenden Spitzensportler werden aus dem Shuttlebus für „normale Sterbliche“ wieder hinauskomplimentiert und zum Einstieg in ein kleineres, exklusiveres Fahrzeug genötigt. Dieses trägt allerdings die Aufschrift "polizia penitenziaria", wird also üblicherweise für Gefangenentransporte verwendet. Kein Wunder, dass da zunächst niemand mitfahren wollte!

 

 

Es ist kalt an diesem Morgen: 6 Grad. Die aufreißenden Wolken lassen einen schönen Tag mit Temperaturen bis 15 Grad erhoffen. Vorerst jedoch sieht man viele Läufer in ihren Plastiksäcken schlottern. Auch ich habe den Anflug einer Erkältung noch nicht überwunden. Karl vom Forstenrieder SC treffen wir zufällig vor den Toilettenhäuschen. Der sportbegeisterte Arzt, den ich aus München kenne, kommt wie gerufen. Nach kurzer Beschreibung meiner fast abgeklungenen Symptome gibt er mir grünes Licht für den Start unter der Voraussetzung, bei auftretenden Schwierigkeiten sofort auszusteigen. Im Gegenzug wünsche ich ihm, dass er bei seinem sechsten Marathon in diesem Jahr die 3:30 h unterbieten möge. Das hat geholfen.

Ich bleibe dick angezogen, da ich nach einem möglichen Rennabbruch nicht frieren möchte. In diesem Fall habe ich vor, die Hotspots der Innenstadt gemäßigten Schrittes aufzusuchen und dort zu fotografieren. Die Wege zum Start sind gut beschildert. Die Aufstellung erfolgt in der Via dei Calzaiuoli direkt vor dem Dom. Hohe Gitter sperren die einzelnen Bereiche ab. Judith und ich müssen zum grauen Abschnitt für Zeiten unter 4 Stunden. Die Farbe findet sich auch auf der Startnummer und auf den Ballons der Pacemaker. Wer jetzt noch mal zur Toilette muss, hat nur die Wahl, zur Piazza della Repubblica zurückzukehren oder es sich zu verkneifen. Die Türsteher von Prada, Tiffany & Co würden einen wohl schnell von der Hausfassade vertreiben.

Kurz nach 8:30 Uhr geht es dann für uns los. Durch viele alte Kleidungsstücke hindurch, die ihre Warmhaltefunktion vor dem Start nun erfüllt haben. Beeindruckend schon die erste lange Gerade. Viele herrschaftliche Palazzi, bevor wir auf eine Ringstraße einschwenken. Dann solltet ihr mal sehen, was am ersten Grünstreifen los ist. Ein dichtes Spalier von sportlichen Herren.

 

 

Rechts die Fortezza da Basso, dann durch zwei Unterführungen, bevor es an der Porta al Prato bei km 3 wieder in eine kleinere Straße geht. Eine erste Sambatruppe, Verpflegungsstelle bei km 5 und dann sind wir im Parco delle Cascine. Ein schmaler Park am Rande des Flusses Arno, in dem wir ein paarmal hin und her laufen müssen und dabei auch immer wieder Mitstreiter vor und hinter uns sehen. Das geht über zehn Kilometer so, vorbei an einem Hippodrom, an der Scuola di Guerra Aerea (dem heutigen Institut für militärische Luftfahrtwissenschaften) und an der agrarwissenschaftlichen Fakultät.  

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Informationen: Firenze Marathon
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