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Laufberichte

Sportlich, kulturell und kulinarisch ein Genuss

 

Karlsruhe. Hurra, endlich angekommen! Nach stundenlanger Zugfahrt flüchte ich regelrecht aus dem vermutlich über 30 Jahre alten, stickigen und bis zum Bersten überfüllten IC. „Da waren die DDR-Waggons ja noch bequemer...“, schimpft ein älterer Fahrgast im Abteil. Ja, die Fahrt war keine Freude. Türen öffnen quietschend. Erleichtert springe Ich aufs Gleis, schlendere fröhlich nach draußen. Die Fächerstadt entlohnt mit allerbestem Biergartenwetter an diesem herbstlichen, sonnig-warmen Samstagnachmittag. Ich schließe kurz die Augen, genieße den Moment, tanke frische Luft.  

Meine kurze Hotelroute führt vom Hauptbahnhof durch  den Zoologischen Stadtgarten mit seinen farbenfrohen Blütenarrangements bis in die Innenstadt. Kurzentschlossen entscheide ich mich für den Abstecher durch diese grüne Oase. Wie sagen die Karlsruher doch gern? Mach mal langsam. Numme net huddle. Aber auch im weiteren Verlauf des Nachmittags hat dieses Motto Gewicht. Was habe ich also noch alles unternommen? Ich habe ganz gemächlich im Betzler Garni eingecheckt, anschließend bin Ich gemütlich zum Messegelände gefahren, habe gezielten Schrittes die Startunterlagen in Halle 3 abgeholt...und natürlich ganz genüsslich schwäbische Maultaschen gefuttert. Hergotts B'scheißerle, was für eine Delikatesse. Die sind so lecker!


Nach dem Vortag ist vor dem Marathon


Wer von Euch kann am Marathon-Vortag tiefen-entspannt schlafen? Genau, ich auch nicht. Ich trommele ungeduldig auf den Nachttisch, schaue wiederholt aufs Handy, will doch bloß nur noch eines: aufstehen, anziehen, loslaufen!  Ich habe die Warterei letztlich aufgegeben. Als Erstplatzierter des Tages stehe ich einsam im Frühstücksraum des Hotels, schlürfe einen heißen Espresso und blättere durch den mehrseitigen Veranstaltungs-Flyer aus dem Starterbag. Und das, was ich so lese, steigert meine Vorfreude nochmals.

 

 

Der 35. Fiducia & GAD Baden-Marathon scheint in mehrfacher Hinsicht bundesweit einzigartig: da wären zunächst einmal die rund 100 Tanzgruppen, Tanzvereine und Tanzschulen mit ca. 1500 Aktiven, welche die Läufer entlang des Rundkurses mit talentierten Acts einheizen. Und dann die vielen, kostenfreien Leistungen. Unter anderem ein Finisher-Video, welches sich aus einzelnen Video-Clips aller überschrittenen Zeitmess-Matten zusammensetzt. Gratis-Bilder. Oder eine Portion Maultaschen mit Kartoffelsalat – alles geschenkt! Aber es geht ja noch weiter: Wenn wir Laufsüchtigen ab 9 Uhr an der Messe von der Leine gelassen werden und nach dem Rundkurs wieder zurückkehren, dann werden wir bei einem Indoor-Zieleinlauf auf gelb-rotem Teppich in Halle 2 königlich empfangen.

Habe ich die Karlsruher Marathonengel schon erwähnt, welche ihre Schützlinge die letzten sechs Kilometer ins Ziel begleiten? Ein weiteres, bundesweites Novum. Wer als Engel fungiert, kann jeder Läufer übrigens selbst entscheiden: Partner, Kinder, Freunde. Schließlich geht es darum, die letzten Kilometer und die Zielankunft gemeinsam freudig zu erleben. So, nun aber ab zur Straßenbahn Richtung Messegelände, die Fußsohlen kribbeln ungeduldig.

Der Europaplatz ist einer der belebtesten Plätze in der Innenstadt, großer Straßenbahnknotenpunkt des Karlsruher Verkehrsverbundes (KVV) und nur wenige Minuten Fußweg entfernt von meinem Hotel. Läufer aller Altersklassen strömen aus allen Richtungen hierhin, begrüßen und umarmen sich freudig. Untereinander werden so manche Schwaben-Weisheiten oder Witze ausgetauscht; es wird gescherzt und gelacht.


Wellness-Wochenende


Die Messearchitektur hatte mich schon am Vortag zum Staunen gebracht. Und nun stehe ich erneut in dem gigantischen Eingangsbereich der Aktionshalle. Am Empfang wird bereits eine große Gruppe Staffel-Läufer eingenordet. Ich lasse kurz meinen Blick schweifen. Wirklich prächtig, der Bau. Eine rundum verglaste, lichtdurchflutete Konstruktion mitsamt LED-Wand, dahinter ein großzügig angelegtes, begrüntes Atrium. Da hast den vollen Durchblick. Ich schlendere schnurstracks zu Messehalle 3, auch hier ist ein Verlaufen gänzlich ausgeschlossen. Die Halle selbst ist derart überdimensioniert, dass auch hier jede Station sofort erkennbar ist: links die Startnummernabholung, am hintersten Ende der Halle die Gepäck – und Wertsachenaufbewahrung nebst Duschen und Massage, rechts die Maultaschenparty. Hergotts B'scheißerle satt! Von den Dingern kann ich einfach nicht genug bekommen. Aber Ich muss mich noch gedulden. Nachher gibt es ordentlich Nachschlag.

 

 

Gerade beschleicht mich ein ungutes Gefühl bei all dem Service hier: Gönnt sich Marathon-Mario hier etwa ein Wellness-Wochenende ohne Frauchen und Kids, anstelle einer Sportveranstaltung? Ich komme zum Ergebnis, dass für uns Läufer beides doch ein und dasselbe ist. Schlechtes Gewissen? Awa! Irgendwie muss ich aber wohl dann doch getrödelt haben, denn in nicht einmal mehr zehn Minuten ist Marathon-Start. Ich muss jedoch unbedingt noch mal in die Keramikabteilung! Nadierlig: wieder mal lange Schlangen vor jedem Topf. Man staune, auch bei den Herren herrscht  äußerst unruhiges Gezappel. „Komm ma' mit“, flüstert mir einer zu. Ich folge ihm äußerst skeptisch zurück zum Eingangsbereich. Eine Wendeltreppe führt ins Untergeschoss, dort unten ist es recht dunkel. Aha, auch hier ein stilles Örtchen – im wahrsten Sinne. Jedoch nun kein Geheim-Tipp mehr für 2018, denn im Folgejahr zieht der Marathon zurück vor die Europahalle.  I


Komm, wir laatsche!


Achttausend gemeldete Starter wollen sich am Veranstaltungs-Wochenende auf acht Wettbewerben austoben, darunter Drittel-Marathon (15 KM), Power-Walking (21,0975 KM für Walker)  und Inklusionslauf (Sportler mit Handycap, welche zusammen mit einem Partner als Zweier-Team einen Teil der Marathonstrecke absolvieren). Den Auftakt bilden gleich mehrere Disziplinen ab 9 Uhr: Marathon, Halbmarathon sowie Team-Marathon starten in den Blöcken A bis D. Die Power-Walker in Block W. Kaum trete ich ins Freie, muss Ich mich entlang des Zauns durch den Seitengraben nach vorn drängeln. Meiner einer, mal wieder auf den letzten Drücker! Urplötzlich brandet großer Jubel durch das Läufermeer, die Stampede wird auf Karlsruhe losgelassen. Nun muss Ich doch glatt meinem Starterblock C hinterher rennen, der sich bereits auf der Bundesstraße Richtung Weststadt bewegt.

 

 

Zwischen Krautköpfen, Schlofern und Schlauchern

 

Irgendwas Buntes sprintet barfuß an mir vorbei, wer war denn das? Ach ja, den kennst Du doch: Spendenläufer Dietmar Mücke. Er war 2005 Deutscher Meister im 24-Stunden-Lauf. Die Marathonszene kennt Ihn in seiner Verkleidung aber eher als Pumuckl. Zusammen mit seinen bunten Gesellen will er entlang der Strecke Spenden beim Publikum sammeln, welche dann Menschen mit Down-Syndrom zugutekommen. Ach, und Captain Jack Sparrow ist ebenfalls am Start - gerade sichtlich bemüht, einer kleinen Gruppe von Zuschauern ein paar Dublonen abzuluchsen.

Zwei Zugläufer - Waldemar und Oliver vom Karlsruher Lauftreff memler.de – ziehen mit ihren „03:59“ - Ballons ebenfalls an mir vorbei. Ich bin wieder langsam unterwegs, ich merk' schon. Ich mache ausnahmsweise Platz, lasse sie vorbei. „Das letzte Wort ist in dieser Angelegenheit aber noch nicht gesprochen“, rufe ich noch hinterher. Das Ende vom Lied: die beiden hab ich nie mehr wieder geseh'n.

Unbeeindruckt von alledem werde ich von diesem Meer aus Läufern über die Alb gezogen. Besagter Fluss zieht sich entlang durch Rüppurr und Weiherfeld, durch die Günther-Klotz-Anlage bis zum Rheinhafen und über Knielingen bis zur Einmündung in den Rhein. Entlang der Alb gibt es rund 20 Kilometer lange Geh- und Radwege, von reichlich Natur und Grünflächen begleitet. Einen Teil davon werden wir noch kennen lernen. Gerade befinden wir uns jedoch im Stadtteil Daxlanden, welches früher mal ein Fischerdorf war.

Wusstet ihr an der Stelle, dass sich die witzigen Karlsruher damals je nach Stadtteil eigene Spitznamen verpasst haben und die Bedeutung darüber dann teilweise in Vergessenheit geraten ist? Der regionale Neckname der Daxlander lautet jedenfalls Schlaucher. Tja, möglicherweise vom Enten einfangen mit schlauchförmigen Netzen, wer weiß das schon. Auf der Linken winkt uns gerade ein riesiger Michelin-Mann von der Fassade der gleichnamigen Reifenwerke zu. Ja, ich genieße den Lauf in vollen Zügen, umarme wie ein Olaf die Stimmung um mich herum und halte die Momente mit der Kamera fest.

Schnell sind die ersten km auf der badischen Spargelstraße gestochen – pardon, will sagen: gelaufen. Eine sehr heitere Atmosphäre herrscht auch unter den Krautköpfen  entlang der Strecke. Ja genau, nun statten wir den Weststädtern einen Besuch ab. Begeisterter Jubel auch hier zwischen Innenstadt und dem älteren Stadtteil Mühlburg, beidseits der Kaiserallee. Am ersten VP gönne ich mir lediglich einen Becher Selters, denn ich will weiter, mehr von Karlsruhe sehen und erleben. Gitarrenklänge hallen von Balkonen und Dance-Acts liefern heiße Gigs auf dem Trottoir. Es ist erstaunlich, wie schnell ich das erste Viertel der Königsdisziplin abgerockt habe. Ununterbrochene Dauerstimmung entlang der Strecke!

 

 

Einmal Edeltrud und zurück

 

Die ersten Pappschilder werden hochgehalten. Ich muss grinsen, denn darunter ist einer, der mir gerade besonders gefällt: „Mama macht Sie ALLE  Platt“. Jawoll, davon bin ich absolut überzeugt! Wo sind wir jetzt gerade? Ach ja, nun es geht durch den Edeltrud-Tunnel, benannt nach der Ehefrau von Otto Dullenkopf, die Patin des Tunnels war. Wer Dullenkopf war? Nu is aber mal gut, das weiß doch jeder Karlsruher!

„Zicke-Zacke-hoi-hoi-hoi“ schallt es im Halbdunkel des Tunnels, die Meute nimmt Kurs auf Beiertheim-Bulach, dem Stadtteil Karlsruhes, der zwischen der Ebertstraße, dem Hofgut Scheibenhardt, Oberreut und Weiherfeld-Dammerstock liegt. Man könnte auch sagen, hier wohnen die Schloofers und Nachtwächters. Schon witzig, diese Sache mit den Necknamen hier. Erinnert ein wenig an die Hobbits in Mittelerde. Das blaue Wappen von Bulach mit einem nach links gekehrten Mond in Gold flattert vor einer der Haustüren. Ja, die nach wie vor dörflich geprägten Bulacher pflegen noch ihre Traditionen, seit 1193. Hier laufen die Frauen noch immer in ihren wunderschönen Trachten herum. Ihr glaubt mir nicht? Ich habe den Fotobeweis, schaut Euch die Bilder an.

So, wo befinden wir uns gerade? Ah, km 12, Litzenhardtstraße. Gerade verläuft die Strecke am Friedhof Bulach vorbei. Hmm, wusstet ihr, dass in der Litzenhardtstraße zu bestimmten Zeiten gern mal einige Bulicher Hexen aufgeknüpft werden? Ah sieh an, hier steht ja auch ein buntes Hexenhaus. Wie passend. Und warum klatscht ein riesengroßer Hamster im Blaumann grinsend in die Hände? So, ich geb' hier jetzt mal besser Gummi, im hohen Bogen um Bulach herum. Aus der Luft betrachtet laufen wir tatsächlich symbolisch um das Wappen herum. Ob das Glück bringt? Schließlich geht es wieder zurück durch den Edeltrud-Tunnel (zicke zacke hoi hoi hoi!) und an der schönen Alb entlang.

 

Partyzone „Klotze“

 

Schilder künden vorm ersten Team-Wechsel der Staffel-Läufer in hundert Metern. Wir passieren das Europabad Karlsruhe. In diesem gigantischen Erlebnisbad warten Schlangenbeschwörer und Astronauten in großen Rutschentürmen. Und während die Erwachsenen in der Sauna relaxen, werden die Kiddies in die Inselwelt abgesetzt. Ins Haifischbecken zu Kai – dem Hai. Die Betreiber versprechen jedenfalls Adrenalinkicks und bleibende Erinnerungen...ja, davon bin überzeugt. Im Hintergrund der der Günther-Klotz-Anlage (Spitzname: „Klotze“) kann man auch die Europahalle erkennen. Weiter geht es durch die Grünanlage, hier herrscht an der Wechselstelle ausgelassene Partystimmung. Hier wurden sechs Blöcke für die Staffel-Disziplinen eingerichtet, in die man sich links und rechts, je nach Startnummer, einordnet. Brav stehen die Staffelianer Spalier, klatschen bei den Einzelläufern ab, warten auf Ihre eigenen Kollegen, jubeln, schreien, ziehen freche Grimassen. Auf der Fest-Wiese wird Zumba getanzt und auf dem großen, grünen Rodelhügel im Hintergrund bietet sich einigen sicherlich ein tolles Panorama.

 

Kulinarische Krisensitzung

 

Hinterm Brauhaus Kühler Krug führt uns die Strecke nun nach Südwesten über die Zeppelinstraße zu den Grönländern nach Grünwinkel. Unweigerlich fällt der Blick dabei auf das regelrecht monumentale Eckgebäude. Der bergfriedartige Turm war ein Wasserturm, der früher das Textil-Werk mit dem benötigten Wasser für Wäscherei und Färberei versorgte.

Heute ist das Gebäude unter anderem ein Wohnhaus für Studenten. Der Bau wurde 1907 von dem bekannten Architekten Levy geplant. Die Textilfabrik erstreckte sich im Bereich zwischen Zeppelinstraße, Griesbachstraße und Benzstraße, wo sich auch heute noch ein Gewerbegebiet befindet. Nach überqueren der langen Brücke tanke ich bei einem Becher Iso wieder auf und mache mich auf dem Weg zum Braustübl Hatz-Moninger. Das alte Eckgasthaus hieß früher "Lokalbahn" und erinnerte mit seinem Namen an die Bahn, die   bis 1937 von Karlsruhe nach Durmersheim fuhr. Drum wurde hier wohl passenderweise die berühmte Marathon-Weiche eingerichtet? Jedenfalls kann hier jeder Läufer noch entscheiden, ob er nach rechts abbiegt und die 42,195 km komplett durchläuft, oder nach links entsprechend der Halbmarathonmarkierung in Richtung Ziel und nur den Halben absolviert.

 

 

Links herum könnte ich also schnell zu meinen lieb gewonnenen Maultaschen hecheln, rechts herum käme ich auf meine eher kulturellen Kosten. Jawohl, sehr schwere Entscheidung! Beides hat seine kulinarischen Reize. Nun gut, schauen wir uns mehr von Karlsruhe an und mampfen nebenher halt ein paar Bananen.

Plötzlich wird es fast mucksmäuschenstill und einsam auf der Strecke. Lediglich beim „Schupi“ werden wir mit herzlicher badischer Gastfreundschaft empfangen. Auf dem flotten Pflaster hat der Square Dance Club das sagen - hier wird getrunken, geflirtet, gefeiert. Dann geht es an der Glockengießerei vorbei an das am Rheinhafen West gelegene Heizkraftwerk. Mein Blick bleibt recht lange an diesem gigantischen Klotz kleben, zumal der Streckenverlauf zunächst erneut zu den Krautköpfen – ja sorry, den Weststädtern - führt und das Spitzenlastkraftwerk somit umrundet wird.

 

Verpasste Chance beim Sightseeing

 

Urplötzlich führt eine scharfe Linkskurve in den Stadtteil Mühlburg, dem Geburtsort von Carl Benz, Erfinder des ersten Automobils. Hier hatte man damals erfolgreich Schweine gezüchtet.  Aufgrund der Zuchterfolge hatten die Mutterschweine oft nicht genug Milch für alle Ferkel, daher musste oft Kuh- oder Ziegenmilch als Ersatznahrung daher. In Anlehnung an diesen Umstand werden die Einwohner daher Millichseihle (Milchschweinchen) genannt. Weitaus seltener wird der Spitzname Schwanzbrigande verwendet.

In der August-Bebel-Straße wird der Marathon von beinahe jedem herzlich-lachenden Anwohner zelebriert, hier wird zugewunken und abgeklatscht. Ein weiterer VP buhlt hier um die Abnahme von Wasser, Iso und Bananen. Nun habe ich also bereits die Halbmarathondistanz in der Tasche, und ich fühle mich wirklich prächtig! Eine bunt bemalte Brücke führt über Bahngleise rüber ins Naturschutzgebiet Alter Flugplatz, zu den Nordweststädtern - dem jüngsten (und daher wohl auch necknamenlosen) Stadtteil von Karlsruhe. Als ehemaliges Militär- und Flughafengelände bietet es mitten in der Stadt eine weite Fläche, die zum Erholen einlädt. Damals wurde hier jedoch exerziert, nicht gechillt. Der Baden-Marathon kann aber auch noch ganz anders, beglückt nicht nur kulturell, sondern auch historisch. Die nächsten zehn km versprechen daher Sightseeing pur. Wieder wetzen wir Richtung Weststadt. Am halbrundförmigen Haydnplatz wird zunächst die nördliche Hildapromenade umrundet, einem Straßenzug mit Grünstreifen und Spielplätzen.

 

 

Danach geht es mitten hinein in den Schlossgarten, wo ich bereits am Vortag einen ausgiebigen Spaziergang gemacht hatte. Diese prächtige Gartenanlage mit seinen Brunnen und Denkmälern hinter dem Karlsruher Schloss im Stil eines englischen Landschaftsparks lädt regelrecht zu Sport-Workouts oder zu einem Picknick ein.  Ich bin froh, dass ich gestern hier gewesen bin, denn so konnte ich mir auch einen Eindruck von der Schlossgartenbahn machen, die hier von 13 bis 19 Uhr Ihre Runden dreht. An Wochentagen kommen verschiedene Zugmaschinen zum Einsatz – darunter eine Porsche-Lok oder Dampflok Greif.  

Eine Sache muss ich noch schnell loswerden, bevor ich zusammen mit den übrigen Marathonis einmal den großen Springbrunnen in der Richard-Willstädter-Allee umrunde: Seit 17 Jahren durchschneidet ein auffälliger Strahl aus exakt 1645 blauen Keramik-Fliesen die Wiese des Schlossgartens. Er markiert eine ehemalig existierende Achse, die direkt zur Schlosspark-Mauer und von dort aus weiter zur Staatlichen Majolika-Manufaktur führt. Die Majolika ist ein Aushängeschild für die Stadt Karlsruhe, denn sie ist die einzige noch existierende Keramik-Manufaktur in Deutschland. Der Strahl aus blauen Fliesen ist jedoch nicht der einzig existierende, doch dazu später mehr.

Auch auf dem weitläufigen Schlossplatz bin ich gestern ausgiebig herum flaniert. Plötzlich renne ich Klaus Duwe höchstselbst in die Arme. Ein kurzes, aber freudiges Wiedersehen! Erst nach wenigen hundert Metern  realisiere ich, dass ich gar kein gemeinsames Foto mit Klaus geschossen hatte. Hörbar klatscht meine Hand an die Stirn. Welch eine Gelegenheit. Aber umkehren wäre jetzt auch blöd.

 

 

 

Gönn' Dir ne Fliese!

 

Im Zickzack geht es durch die Innenstadt, vorbei an Geschäften und Lokalen. Markant und in bleibender Erinnerung hier vor allem die Hof-Apotheke, welche mir schon gestern aufgefallen war. Das imposante Gebäude, das von Hermann Billing im Jugendstil erbaut wurde, beeindruckt heute noch durch seine Embleme und Ornamente an der Fassade und prägt das Bild der Karlsruher Fußgängerzone. Eine weitere Besonderheit zieht sich hier durch die Waldstraße: eine Mittellinie aus goldgelben, beschrifteten Fliesen. Genau, die Majolika war auch hier am Werk. Durch diese goldgelben Strahlen soll der einzigartige Karlsruher Fächer im Stadtbild verdeutlicht werden. Bürger können für dieses Projekt eigene Fliesen gestalten und spenden. Eine Fliese kostet je nach Gestaltung 420,- bis 580,- Euro. Ich hatte mir am Vortag viele der Fliesen in Ruhe angesehen. Die Umsetzung weiterer solcher Projekte in anderen Straßen sei bereits Gesprächsthema. Wer demnächst einen Abstecher nach Karlsruhe plant, der sollte Zeit mitbringen und sich das Ganze einmal genauer ansehen. Lohnt!

Ein weiterer VP bei km 32, ich fühle mich großartig. Was ist bloß mit mir los? Warum so fit? Das Zweier-Team Oliver und Waldemar werde ich  aber nicht mehr einholen können, wohl aber habe ich mir auf die Fahne geschrieben,  deren Lauftreff-Kollegen und „04:14“ - Zugläufer Christian und Sigfried nicht vorbeiziehen zu lassen. Sollen die ruhig hinter mir her dabbern. Wir streifen nun den Zoologischen Stadtgarten, man sieht jedoch nicht viel von der grünen Oase. Na gut, eine goldene Giraffe hab ich vor die Linse bekommen. Das arme Tier hat sich in Nachbar's Garten verfranzt – und ja, es gibt auch einen Fotobeweis, guckst Du! Weiter geht es durch die zweispurig ausgebaute Beiertheimer Allee Richtung Alb, an der Alb vorbei und erneut in die grüne Partymeile der Günther-Klotz-Anlage.

 

"Also, der Trompeter blost hitt widder viehmäßig ludd!"

 

Ich habe mittlerweile Kilometerschild 36 passiert, und was soll ich sagen? Mir geht es immer noch ausgesprochen gut! Sind es etwa die schwäbischen Maultaschen, die mich beflügeln? Eine Anwohnerin hält – kurz vor meinem langen Schlusssprint auf der B36 – einen ganz besonderen Laufspruch in die Höhe: „Schmerz vergeht – Stolz bleibt!“. Diesen nehme ich persönlich, denn er gehört zu mir wie mein erster Marathon von vor  sechs Jahren. Auf der letzten, langen Geraden renne ich daher nochmal auf Teufel komm raus: Vorbei an einer Gruppe Blechbläser, im Anschluss über den Messeparkplatz und immer weiter und weiter Richtung Messehalle 2. Hier stehen nochmals viele Zuschauer, aber auch Finisher gratulieren, motivieren.

 

 

Der Zieleinlauf, nun zum Greifen nahe! Von weitem brandet mir bereits der Jubel entgegen. Der Moderator schreit meinen Namen, als ich die größte Indoor-Partyhalle aller Zeiten auf dem gelb-roten Teppich Richtung Zieleinlauf betrete. Der Beifallssturm auf der Zuschauertribüne will nicht abebben. Emotionen kochen hoch.

 

 

Gaumenfreuden in Runner's Heaven

 

Ich genieße die letzten Marathonmeter, die magischen Marathonsekunden. Und dann gebe ich mir nochmals einen Ruck nach vorn, renne durch den Torbogen, zelebriere meinen Schlusssprint, mache ihn zu meinem ganz persönlichen Marathonmoment. Die Zielanimation ist berauschend. Ich bin unbestreitbar glücklich, nehme die goldglänzende Medaille dankbar in Empfang und schwebe regelrecht in Runner's Heaven nebenan, der reichhaltigen Zielversorgung für alle Finisher.

Was für ein schöner Tag, was für ein herrlicher Moment! Diese Glücksgefühle kann man nur schwer beschreiben. Und weil sich jede neue Dosis Glück auch über andere Sinnesorgane ankündigen kann, habe ich sie schon von weitem riechen können, diese ganz bestimmte, kulinarische Köstlichkeit.

„Hey, Glückwunsch zum Marathon! Möchtest Du...?“ - „JA, ICH WILL!!!“, unterbreche ich sehnsüchtig, reiße dem grinsenden Helfer die Schale mit den Maultaschen  aus der Hand und suche mir einen freien Sitzplatz. Die Frage, welche Füllung in die Teigtaschen gehört und welche nicht, soll schon Familien entzweit haben. Fleisch und Spinat sind jedenfalls die klassischen Zutaten. Als weitere Säulen der badisch/schwäbischen Küche zählen übrigens Spätzle und Schupfnudeln (Bubespitzle). In diesem Moment huscht ein kurzer Gedanke durch den Kopf. Der Magen hüpft freudig. Dreimal dürft Ihr raten, was ich mir für September 2018 vorgenommen habe!

 

 

Impressionen rund ums Karlsruher Schloss

 

(Klaus und Margot Duwe)

 

 

 

 

Birgits Bilder vom "Halben"

 

 

 

Marathonsieger

 

Männer

1.    Stützel, Simon    02:25:50
2.    Tareq, Omar    02:27:02
3.    Lehmann, Jochen    02:44:07

 

Frauen

1.    Raatz, Simone    02:54:13
2.    Papadopoulos, Judith    03:10:54
3.    Kollmann, Alin    03:12:54

 

Informationen: Baden-Marathon
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