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Laufberichte

Auf 42 Kilometern kann viel passieren

 
Autor: Klaus Duwe

Ist man, wie bei MARATHON4YOU üblich, mit der kleinen Kamera auf den Strecken dieser Welt unterwegs, ist das Thema der anschließenden Berichterstattung vorgegeben: Man schildert seine Eindrücke und erzählt Geschichten.

Schwieriger wird es, wenn man aus verschiedenen Gründen derzeit nicht AUF, sondern AN der Strecke unterwegs ist. So wie ich. Erschwerend kommt hinzu, dass es im vorliegenden Fall bereits einen ausführlichen Bericht von mir aus dieser Sicht gibt. Wiederholen will ich mich nicht und die Ergebnislisten kommentieren will ich auch nicht. Ziemlich harte Nuss also.

Aber dann passiert’s. Ein Güterzug fährt, warum auch immer, am Sonntag zu einer Zeit, zu der er es bisher nie tat, eine bestimmte Strecke. An einem Bahnübergang tut die Schranke genau das, wozu sie da ist, um Schlimmes zu vermeiden: Sie schließt sich. Jeder Mensch bremst sein Auto ab und bleibt stehen. Fußgänger und Radfahrer (für die hebe ich nicht die Hand ins Feuer) bleiben stehen. Ist doch normal. Und was machen Läufer?

Am Sonntag stehen bei km 15/16 die vor ungefähr einer Stunde vor der Europahalle gestarteten Marathonläuferinnen und –läufern vor einer geschlossenen Schranke. Wer so schnell unterwegs ist, ist zwar ambitioniert, hat aber dennoch nichts mit dem Ausgang des Rennens zu tun. Aber Altersklassenplatzierung und persönliche Bestzeit sind schließlich auch wichtig.

So wichtig, dass eine geschlossene Schranke ignoriert wird und der herannahende Zug notbremsen muss. Weil jetzt nicht nur die Schranke, sondern der ganze Zug den Laufweg versperrt, wird versucht, zwischen den Waggons die Geleise zu passieren! Helfer und Passanten, auch zwei Polizisten sollen anwesend gewesen sein, versuchen dies zu verhindern.

Saublöd, dass die Bahn da einen Zug auf die Strecke lässt, obwohl sie seit Monaten darüber informiert ist, in welchem Zeitfenster die Läuferinnen und Läufer den besagten Bahnübergang passieren.

Aber was ist mit der Reaktion einiger Läuferinnen und Läufer? Sind ein paar Minuten Zeitverlust es wert, sich und andere nicht unerheblich zu gefährden? Ungeduld und Uneinsichtigkeit der Sportler sind Ursache dafür, dass aus maximal einer Minute Durchfahrtzeit 8 Minuten Standzeit wurden. Denn vor der Weiterfahrt des Zuges musste die vollständige Sicherheit festgestellt werden. Ihr wisst schon, die Vorschriften. Und die gibt es nicht ohne Grund. Denn was passiert, wenn der Zug weiterfährt und zwischen zwei Waggons ist noch ein Läufer damit beschäftigt, das „Hindernis“ zu bewältigen?

Einige Läufer (auch Läuferinnen?) konnten ihren Ärger auch auf den verbleibenden 26 km nicht abbauen und beschimpften im Ziel Helferinnen und Helfer, meinten aber bestimmt den Veranstalter. Der hat ja auch das Startgeld kassiert und einer muss halt herhalten. Die Bahn anzuknurren bringt ja nichts und wenn ich jetzt aus Protest mit dem Auto statt der Bahn nach Berlin fahre, juckt die das auch nicht.

Damit das auch gesagt sei: Die meisten der betroffenen Marathonis nahmen den Vorfall gelassen hin.

„War halt schon blöd, aber was soll’s? Darüber werden wir noch in ein paar Jahren reden“, so ein Kommentar. „Dumm gelaufen, aber hätte mich ein Hund gebissen, wäre es schlimmer gewesen“, meinte ein anderer. Wie recht er hat. Auf einem Marathon kann viel passieren. Auch so was. 2004 bei den Olympischen Spielen in Athen hat ein durchgeknallter Zuschauer den führenden Vanderlei Lima von der Strecke gedrängt, was diesem wahrscheinlich die Goldmedaille gekostet hat.  Er wurde vom Veranstalter nicht irgendwie entschädigt. Die „geschädigten“ Marathonis in Karlsruhe, so höre ich, sollen eine Zeitgutschrift bekommen. Dabei ist ja gar nicht gesagt, dass sie die „offizielle“ Zeit ohne die Zwangspause auch erreicht hätten. Egal, sie haben jedenfalls eine Zeit auf ihrer Urkunde stehen, die sie (warum auch immer) nicht gelaufen sind. Geschmackssache, kann ich da nur sagen.

Ich will Euch noch eine kurze Geschichte erzählen, die am gleichen Wochenende passiert ist, am Samstag nämlich, beim Wörthersee Trail. Oder besser, Klaus Sobirey, er war dabei, soll sie selber erzählen:

Ganz gemütlich trabe ich mit einer anderen Läuferin einen morastigen Pfad dahin. Urplötzlich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, kommt er über uns: ein laut brummender Schwarm. Ich weiß im ersten Moment gar nicht, was los ist. Doch als ich einen brennenden Schmerz am Hals spüre, ahne ich es schon. Mit wild fuchtelnden Armen jagen wir davon, bis wir uns einigermaßen in Sicherheit wähnen. Meine Mitläuferin hat es am Kopf erwischt und wenig später, an der Labestelle in Auen (km 31), weiß ich, dass wir keinesfalls die einzigen Opfer sind.

Ein völlig aus dem Häuschen geratener, aggressiver Hornissenschwarm fällt über jeden vorbeikommenden Läufer her und fast niemanden gelingt es, da unbeschadet heraus zu kommen. Den ankommenden Läufern sieht man sofort an, wo es sie erwischt hat. Die meisten halten sich den Kopf und versuchen mit kaltem Wasser, das Brennen zu kühlen. Am ärgsten erwischt es einen Läufer mit zehn Stichen. Da ein Kollaps befürchtet wird, kommt vorsichtshalber gar ein Rettungshubschrauber. Im Ziel höre ich aber später, dass auch er die Attacke gut überstanden hat.

Alle anderen hindert das nicht am Weiterlaufen. So mancher nimmt es mit Galgenhumor ("Dann habe ich wenigstens eine Ausrede, wenn ich eine Stunde länger brauche").

Den ganzen Bericht findet Ihr hier auf TRAILRUNNING.DE

Der Vorfall in Karlsruhe hat übrigens unter Umständen weitreichende Folgen und es ist noch nicht gesagt, ob und wie es in Karlsruhe weitergeht. Nicht, dass der Veranstalter die Prügel, die er jetzt einstecken muss, nicht aushalten würde. Nein, aber wenn die Bahn solche Dinge nicht ausschließen kann, hat Karlsruhe nach Aussage der Organisatoren keine Marathonstrecke mehr. Es gibt, Stand heute, keine Alternative. Und man kann eine solche in einer 300.000 Einwohner-Stadt auch nicht aus dem Hut zaubern. 

Das nur noch dazu, falls jemand meint, Fried-Jürgen Bachl und sein Team würden den Vorfall auf die leichte Schulter nehmen.

Zum Lauf will ich jetzt noch sagen, dass die ca. 10.000 Läuferinnen und Läufer ein Fest bei herrlichem Spätsommerwetter erlebten. Gegenüber dem Jubiläumsjahr hat man einen kleinen Teilnehmerrückgang zu verzeichnen, aber einen deutlichen Zuwachs gegenüber 2011.  Die zwei unterschiedliche Runden und das Angebot zweier Halbmarathonstrecken und –starts kommen gut an. Und dass Karlsruhe kein reiner Citymarathon ist, sondern auch durch dörfliche Vororte und beschaulich der Alb entlang geht, sehen viele eher als  Vorzug. Und mit den vielen Tanzdarbietungen auf der Strecke scheint man auch richtig zu liegen.

Siegerinnen und Sieger gibt es auch, aber nicht die Zeiten, die man sich besonders von den Frauen erwartet hatte. Das lag nicht an der Bahn und auch nicht an der Strecke, sondern an den Athletinnen, die trotz prominentem Pacermaker (Sören Kah) teilweise gravierend eingebrochen sind.

Was hat mir in einem solchen Fall mal jemand empfohlen? „Du musst mehr trainieren!“

So, jetzt schaut Euch die Bilder an und freut auch auf den nächsten Lauf. Und wenn euch ein Feuerwehrauto, ein Krankenwagen, ein Polizeiauto oder eine geschlossene Schranke „behindert“, denkt daran: Laufen ist bestimmt der schönste Sport, aber nicht die wichtigste Sache der Welt.

 

Start

 

 

Erster Kilometer

 

 

Halbdistanz

 

 

Schloss

 

 

Schlossgarten

 

 

Ziel

 

 

Ergebnisse / Marathon

 

Männer

1 Kisang, David (KEN) 02:12:11
2 Kigen Cosmas, Cosmas (KEN) 02:13:20
3 Kipkemboi, Horsea (KEN) 02:16:16

Frauen

1 Boku, Zherfe Worku (ETH) 02:34:50
2 Demse, Alemtsehay (ETH) 02:35:18
3 Kandie, Joyce (KEN) 02:40:26


1184 Finisher

 

Informationen: Baden-Marathon
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