So äußerte sich mein Vereinskamerad Dirk vor 3 Jahren, als wir den Bilstein Marathon hinter uns gebracht hatten. In 2020 wollte ich es dann wissen, die Meldung zum BiMa Ultra mit 57 km und ausgeschriebenen 1500 Höhenmetern versprach die gewünschte Steigerung. Wie bekannt, kam dann alles anders. Drei Anläufe zur 10. Jubiläumsausgabe wurden unternommen, dreimal musste wieder abgesagt werden.
Doch jetzt ist es endlich soweit! Der 08.10.22 steht unter guten Sternen und es kann endlich die 10. Auflage gefeiert werden. Natürlich hat sich das bemühte Orga-Team um Gerno Semmelroth etwas Besonderes einfallen lassen. Zusätzlich zu Halbmarathon, Marathon, Marathon Wandern und Ultra, gibt es einen 100 km Lauf im Programm.
Für mich beginnt die Reise nach Kleinalmerode im Kaufunger Wald direkt zum Feierabend am Freitagabend. 134 km Anreise und ich checke in einer privat vermittelten Übernachtungsmöglichkeit ein. Dann gleich weiter zur legendären Pastaparty im Bürgerhaus. Auf dem Weg dorthin noch schnell die Startunterlagen geholt, vier verschiedene Abholstellen sind eingerichtet und garantieren, dass es kein Gedränge gibt. Der Starterbeutel kann sich sehen lassen. Neben dem berühmten BiMa Brot ist Tee, Duschgel, Magnesium usw. enthalten. Eigentlich ein ganzes Wellness Paket.
Man trifft die üblichen Verdächtigen, wobei sich einige schon früh verabschieden. Eher ungewöhnlich bei den sonst so familiären Carbo-Loading-Abenden. Aber das ist schnell erklärt. Wer 100 km gebucht hat, darf um 3 Uhr schon auf die Strecke. Und so gilt es, vorher wenigstens ein paar Stunden Schlaf zu finden.
Als zweite Startgruppe gehen um 7:30 die Marathon Wanderer auf die Strecke, wir Ultras folgen um 8:30. Um 10 nehmen die Marathonis die Strecke in Angriff und zu guter Letzt geht es um 10:30 für die Halbmarathonis auf die Jagd. Für alle gilt aber dasselbe: Flach ist anders!
Das Wetter hat Nachsicht mit uns. Habe ich Freitagmorgen noch zu Hause die Scheibe frei kratzen müssen, sind es hier zum Start schon 8 Grad. Ein Schauer ist angekündigt und es soll bis 16 Grad steigen. Man sucht im Bürgerhaus noch etwas Wärme und kann schon einmal das phänomenale Kuchenbuffet bewundern, welches in Kleinalmerode immer aufgefahren wird. Ich treffe mich mit Melanie, wir wollen es nach dem Kassel Marathon letzte Woche heute entspannt angehen und zusammen laufen. Bodo habe ich lange nicht gesehen. Aber viel Zeit zum Quatschen bleibt nicht, die Meute drängt nach draußen, die Startzeit naht.
Kurze Ansprache von Gerno mit Hinweis auf die Streckenmarkierungen, man lässt noch die Straße sperren und schon geht es bei blauem Himmel und Sonnenschein los. Damit hat wohl keiner gerechnet. Wir verlassen zügig den Ort, die Feuerwehr hält uns den Verkehr fern, und schon geht es durch die Felder Richtung Wald. Jetzt noch nur leicht ansteigend, aber wir wissen ja, was da noch kommen wird. Nach 1,2 Kilometer kommt der erste VP, aber der ist erst für uns gedacht, wenn wir die erste Runde Richtung Burgberg hinter uns haben – das wird nach weiteren 6,3 km der Fall sein.
Wir haben die ersten Begegnungen, viele Marathon Wanderer kommen uns entgegen welche die Runde mit einer Stunde Vorsprung auf uns, schon hinter sich haben. Aber auch 100 km Läufer sind dazwischen. Michael bekommt von uns eine La-Ola, er hat grob überschlagen in 5:45 h schon 48 km hinter sich gebracht.
Der Rodeberg ist schnell geschafft und wir genießen nach den ersten Höhenmetern, dass es wieder bergab geht. Als wir aus dem Wald kommen, ist der blaue Himmel mit Sonne Geschichte. Es ist komplett zugezogen und in der Ferne können wir bereits Regenwolken identifizieren. An dem vorhin schon passierten VP heißt es durchatmen. Nette Gespräche mit dem Hinweis, dass jetzt ein besonders schöner Streckenabschnitt folgt und eine klasse Verpflegung , wie man sie vom BiMa kennt, erwarten uns.
Der nächste Abschnitt führt uns an der Hasenmühle vorbei und wir folgen dem Hungershäuserbach. Dann folgt ein steiler Anstieg Richtung Buchholzfelsen. Eine Gesteinsformation welche über einen Single Trail und einige Treppen zu umrunden ist. Auf dem dahinter liegenden Bergrücken angekommen, beginnt wieder ein sanftes Bergabrollen und nach 10 km finden wir uns in Kleinalmerode wieder.
Am Gemeindehaus erreichen wir VP 2, damit sind nach offiziellen Angaben 11,9 km hinter uns. Wir holen Frank ein und haben auf den nächsten Kilometern noch jemanden zum „Kilometer-platt-quatschen“ gefunden. Ein steiler Anstieg bringt uns hinter dem Ort wieder in die Höhe und es geht Richtung Sportplatz. Hier hat der SG Kleinalmerode einen außerordentlichen Bierstand aufgebaut. Uns ist es noch etwas zu früh dafür, also geht es bei leichtem Nieselregen schnell weiter. Wir verlassen Hessen und laufen nach Niedersachsen, zum Glück gibt es keine Grenzkontrolle.
Es folgt der lange Anstieg auf den Gebirgspass Umschwang, welcher uns bis auf 446 m Höhe führen wird. Ein sehr lebendiger Streckenabschnitt, die schnellen Halbmarathonis ziehen an uns vorbei und sorgen für Kurzweil. Von der oben liegenden Schutzhütte dröhnt uns Musik entgegen und VP 3 ist bei Km 18 erreicht. Zeit für eine Pause und Nahrungsaufnahme. Die Auswahl ist gigantisch und ich weiß gar nicht, womit ich anfangen soll. Ich genieße im Gehen noch einen Eiweißriegel und einen Becher Iso, dann muss ich mich sputen, um Melanie und Frank hinterher zu kommen. Apropos Becher: Es gibt konsequent keine Einwegbecher auf der Strecke. Jeder ist angehalten, sich einen Becher mitzubringen, der BiMa Klappbecher konnte bei der Anmeldung gleich mitbestellt werden und wurde dann im Starterbeutel gefunden. Zur Müllvermeidung eine gute Sache, ich denke an die Plastik-Berge letzte Woche in Kassel zurück.
Nach einem Gebirgspass erwarte ich naturgemäß, dass ein Abstieg folgt. Doch Pustekuchen, das BiMa Orgateam nimmt jeden Höhenmeter mit und wir klettern weiter bergauf. Bis 600 m Höhe soll uns der folgende Abschnitt bringen, wobei wir unauffällig zurück nach Hessen wechseln. Bis Kilometer 23 steigt es an und wir sind auf dem höchsten Punkt der ersten Hälfte im Reich der Windräder angekommen.
Der vierte VP überfordert erneut: Zuviel Auswahl! Von hinten kommt Alex, er begnügt sich heute mal mit 21,1, km. Hinter dem VP trennt sich die Strecke. Die Halben dürfen direkt hoch Richtung Bielsteinturm, für die 42, 57 und 100er gibt es ab hier eine bzw. zwei Zusatzschleifen. Mit einem Auf und Ab verweilen wir auch die nächsten Kilometer auf der Höhe. Über Wurzelpfade statten wir der Roten Niestequelle einen Besuch ab. Ein rostiges Loch, bei dessen Anblick einem der Durst sofort vergeht.
Der nächste Trailabschnitt beginnt am Kleinen Steinbergsee und es geht schlammig durch ein ehemaliges Bergbaugebiet. Vorwiegend Singletrails, auch Treppen gibt es hier mitten im Wald. Hier haben Harvester ihre Spuren hinterlassen und wir müssen da durch. Vorbei an der Steinberghütte passieren wir den Steinbergsee und rollen bergab bis zur nächsten Streckentrennung. Jetzt dürfen die Marathonis den kurzen Weg Richtung Bilsteinturm nehmen. Ultras und 100er steht eine 15km Schleife bevor.
Der VP bei km 28,7 heißt zwar Gläsnertal, liegt aber noch auf ordentlicher Höhe. Die Rauchsäule eines Lagerfeuers weist uns den Weg. Wir quatschen uns mal wieder bei netten Menschen fest und erfahren, dass uns hier der Bayern Fanclub versorgt. Dies ist eine Erwähnung wert, immerhin kommen wir gleich nochmal hier vorbei. Es geht bergab, sehr schön zu laufen und unten im Tal bei Wickerode sogar mal flach. Aber wie zu erwarten, wenn wir zu dem VP Gläsnertal zurück wollen, müssen wir wieder hoch. Es folgt der bisher brutalste Anstieg von rund 100 HM, die Beine brennen.
Wir verlieren Frank, der Gipfel fordert seine Opfer. Nach einigen Flüchen ist das Leiden dann auch irgendwann ist es überstanden und wir bekommen einen flachen Kilometer bis zum VP. Eine erneute längere Pause, Gaby und Ingo kommen auf den 100 km dazu. Die südliche Schleife ist wie eine 8 angelegt. Somit kann man an den Schnittpunkten mit 2 Stellen gleich 4 VPs schaffen. Wir laufen rund 3,5 km meist bergab und nähern uns dem südlichsten Punkt Niedersachsen. Jetzt hat uns leider auch der angekündigte Schauer eingeholt, es fängt stark an zu regnen und der Wind peitscht die Blätter von den Bäumen. Der Herbst grüßt. Kurz vor Niedersachsen biegen wir ab, um auf den nächsten 3 Kilometern wieder stetig empor zu klettern. Der Regen hört so schnell wieder auf wie er gekommen ist und eine durchschimmernde Sonne weckt neue Lebensgeister und hilft die Klamotten zu trocknen.
Kurz nach Erreichen der Marathondistanz sind wir wieder am VP „Abzweig 3er Hütte“, wo wir schon einmal durch sind. Hier hat man schon den Feierabend eingeläutet und abgebaut, aber eine Kiste Getränke und Riegel hat man geparkt. Somit sind wir wieder gut versorgt. Jetzt beginnt er auch endlich für uns, der Anstieg zum Namensgeber und höchsten Punkt der Strecke, dem Bilstein. Dieser ist mit 641m der zweithöchste Berg im Kaufunger Wald. Die Vorfreude trägt uns empor, auch der Gedanke, dass es anschließend 5km lang bergab geht. Allerdings ziehen sich die 2 km bis oben wie Kaugummi. Auf der Basaltkuppe, welche ein Naturdenkmal ist, steht ein Aussichtsturm und ein Gastronomiebetrieb.
Für uns ist ein VP mit warmen Tee vorbereitet. Tanja holt uns auf ihrer 100er Runde ein und freut sich über etwas Unterhaltung. Sie war die letzten 20 km unterwegs ohne auch nur einen Läufer zu sehen. Der Weg runter vom Gipfel ist nach dem Regen schlammig und schmierig, einige Abschnitte unmöglich zu laufen. Doch schon nach 700 m kommen wir zum VP „vielarmiger Wegweiser“ wo wir eine Waldautobahn erreichen. Hier steht erneut die volle Verpflegung zur Verfügung, was aus Platzgründen oben auf dem Bilstein nicht möglich ist.
Noch 12 km stehen uns bevor, die nächsten 4 rollen angenehm und gut zu laufen ins Tal. Hier lernte ich 2019 Jerry kennen und wir quatschten den ganzen Berg runter. In Gedanken bin ich bei ihm in der Wüste, er tobt gerade 250 km durch Jordanien. Nach 7 km der nächste VP, bevor es die letzten Kilometer noch einmal wellig wird. In bester Laune werden wir verpflegt, man führt eine Strichliste um zu sehen, wie viele noch im Rennen sind. Kurzes durchzählen, dann stellt man fest, es sind bereits 3 Ultras mehr abgehakt als überhaupt gestartet sind. Das muss noch geübt werden!
Rund 100 Höhenmeter fehlen noch, es geht um Rossbach herum teils sehr trailig über Wurzeln und Steine. Der Abstand zum letzten VP ist nur noch 2,5 km, aber wir sind sehr froh, dass es noch einmal die Chance auf was zu trinken gibt. Beim verlorenen Bach erreichen wir ihn und werden freudig begrüßt. Noch einmal steil bergauf über die Streuobstwiesen und schon ist das Ziel zu hören. Drei 100er nähern sich von hinten, wir machen noch ein schönes Foto von der Überholaktion kurz vor dem Ziel und lassen ihnen den Vortritt. Ehre wem Ehre gebührt.
Lautstark wird jeder Finisher im Ziel begrüßt. Ich fürchtet die Technik brennt, identifizierte den Qualm dann aber aus einer Nebelmaschine kommend – ein ganz spezieller Zieleinlauf. Rechts um die Ecke und wir sind beim Bürgerhaus, genau dort , wo es vor 57 km los ging. Gerno begrüßt jeden Finisher persönlich. Es gibt die wohl verdiente Medaille und im Zelt steht die Zielverpflegung bereit.
Das Weizen zischt, das Glas dürfen wir als Präsent behalten. Es gibt noch eine Ehrung der besonderen Art: Marion ist heute mit Jochen die 100 km gelaufen und hat damit ihren 300. Marathon/Ultra gefinisht. Herzlichen Glückwunsch zum Erreichen des World-Rankings! Im Bürgerhaus läuft die Schlacht am Kuchen Buffet, 75 Torten und Kuchen sollen es am Ende sein, die vernichtet wurden!
Das zweite Mal beim BiMa, das zweite Mal bin ich hellauf begeistert. Die familiäre Atmosphäre, die Mühe, die sich alle geben, damit man sich als Läufer rundum wohl fühlt, sind nicht zu übertreffen. Dies ist keine kommerzielle Massenveranstaltung, sondern eine perfekte Ultraveranstaltung mit viel Herzblut vorbereitet und durchgeführt. Auf meiner Uhr waren es am Ende 1400 HM, 100 weniger als versprochen. Ich bin nicht böse drum. Im Starterbeutel finde ich einen Zettel: “2023 läufts beim BiMa mal anders“ Mehr wird nicht verraten…
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08.07.20 | Da geht noch mehr - Probelauf am Bilstein |