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Laufberichte

Geballte Olfaktorik bei der Mutter aller Ultras

12.06.10

Wie lange werde ich heute benötigen? Wenn ich es denn überhaupt überstehen sollte. Ehrlich gesagt: keine Ahnung, in erster Linie zählt das Durchkommen. Da mir aber die Zeit im Falle des Falles natürlich doch nicht völlig gleichgültig ist, habe ich in meiner Unsicherheit Kontakt mit ganz speziellen Lauffreunden aufgenommen. Constanze und Walter Wagner sowie Rainer Frieland machen sich seit Jahren um den Bieler 100er mit ihrem fachkundigen Rat sowie Trainingsplänen für 9, 11 und 13 Stunden verdient. Sie beruhigen mich insoweit, als sie mir als relativ-viel-Starter in ihrer umfangreichen Antwort Mut machen, weiter wie bisher (und eben nicht speziell zielgerichtet auf Biel) zu trainieren. Und mir zustimmen, daß es mit den von mir bei diesem Waden-Woodstock ins Auge gefaßten 13 Stunden nach menschlichem Ermessen hinhauen sollte.

Trotzdem habe ich die Hosen gestrichen voll, muß ich ehrlich gestehen. Vielleicht habe ich mir Biel für meinen ersten Hunderter auch gerade deswegen ausgesucht, weil man nachts das Pack in der Hose nur olfaktorisch (geruchsmäßig) wahrnimmt und es optisch nicht auffällt... Danke, Daniel, für den herrlichen Satz und den Anstoß zum Titel dieses Berichts! A propos Olfaktorik: Auf der Strecke war darm- und geruchsmäßig bei etlichen Teilnehmern jede Menge los!

Interessant ist übrigens, daß es immer noch selbst gestandene Marathonläufer gibt, die einen bei ehrfürchtiger Erwähnung des (W)Ortes „Biel“ verständnislos anstarren. Komisch, daß es für viele jenseits der 42,195 km nichts zu geben scheint. Woran liegt’s? Sicher auch an den Medien, die läuferische Höchstleistungen wie z.B. einen Trans Europe Footrace (4.600 km in 64 Tagesetappen ohne Pause) nicht einmal zur Kenntnis nehmen, geschweige denn darüber berichten. Zweimal hat ihn Ingo Schulze schon durchgeführt (2003 von Lissabon nach Moskau und 2009 von Bari zum Nordkap), aber außer den eingefleischten Fans und den von den Läufen betroffenen Gemeinden kaum einer bemerkt. Viel zu exotisch ist das Ganze.

Biel – Aarberg (km 18)

Nachdem sich die M4y-Autoren- und die RW-Forumsgemeinde ausgiebig beschnuppert haben, geht’s endlich zur Sache. Komischerweise bin ich die Ruhe selber. Kein nervöses Pinkeln alle halblang, nichts dergleichen. Der Startschuß fällt um 22.00 Uhr; langsam, wirklich langsam, setzt sich das Läuferfeld in Bewegung. Im Unterschied zu einem Marathonlauf dürfte die Zahl derer, die auf Rekorde aus sind, deutlich geringer sein. Der Kampf gegen sich selbst, die Natur und die Nacht stehen im Vordergrund. Markus und ich haben nach Abwägung aller Für und Wider beschlossen, so weit wie möglich und sinnvoll zusammen zu laufen.

Die ersten fünf km führen durch die Straßen Biels und sind, wie bei einem großen Stadtmarathon, voller Action, jede Menge Leute an den Rändern und damit Anreiz, zu schnell loszulaufen. Ich habe zu viele Warnungen gelesen, als daß ich mich mitziehen lassen würde. Für die ersten fünf km lasse ich mir gefühlsmäßig viel Zeit, dennoch bin ich mit gut 30 min trotz aller guten Vorsätze zu schnell für mein Vorhaben. Inwieweit das Tempo, selbst deutlich abgesenkt, auch nur ansatzweise durchzuhalten sein wird, steht völlig in den Sternen. Footballspieler (Verkleidete?) sichern die Verkehrsinseln und verhindern Verletzungen auf den ersten Metern.

Ich will mir auf jeden Fall an den Verpflegungsstellen Zeit lassen, in Ruhe trinken und auch essen. Die erste Trankstelle nach 3 km nehme ich noch im Laufschritt wassertrinkend mit, an der zweiten nehme ich mir schon Zeit, denn die nächste wird erst in Aarberg kommen. Komischerweise bin ich heute gar nicht so sehr begeistert vom recht guten Publikumszuspruch und froh, als wir dem größten Trubel entronnen sind. Eigentlich mag ich das sehr gerne, heute bin ich aber wohl zu sehr auf einsamen Kampf in der Dunkelheit eingestellt und will diesen aufnehmen.

Was mir besonders auffällt, ist das unterschiedliche Aussehen vieler Läufer. An vielen Stellen gewohnte Optik, an anderen aber auch Outfits, die eher an Wanderer längst vergangener Tage erinnern. Uralte Rucksäcke, für mich höchst zweifelhaftes Schuhwerk und Bekleidung, die jeder Beschreibung spottet. Vermutlich werden diese alten Haudegen mich blutigen Anfänger unterwegs gnadenlos versägen.

 
 

Informationen: Bieler Lauftage
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