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Laufberichte

Wie viel Platz braucht ein Marathon?

24.10.10

 

4. Lost Places Marathon auf der alten Rheinbrücke bei Wesel

 

Die Marathonstrecke beträgt bekanntermaßen 42,195 km und bei vielen Veranstaltungen wird diese Strecke in ein  oder zwei Runden geschafft. Im letzten Jahr war ich beim Zeitsprung Marathon in Bremen Vegesack. Da kamen auf der Weserpromenade 21 Runden zusammen. Das war bisher für mich der Rekord, aber es geht immer noch besser.

Ende September zeigte mir mein Lauffreund Viktor einen großen Bericht in der  örtlichen NRZ über einen geplanten Marathonlauf auf einer Rheinbrücke bei Wesel. Einen kleinen Bericht hatte ich schon am Vortag in der WAZ entdeckt, aber erst einmal wieder verdrängt.

Nun aber war meine Neugier geweckt. Eine alte Rheinbrücke bei Wesel war nach 56 Dienstjahren in den Ruhestand versetzt und durch eine neue Brücke ersetzt worden. In Kürze soll sie nun abgerissen werden.

Bevor es soweit ist, will aber noch Christian Hottas hier einen Marathonlauf veranstalten. Er hat schon über 1600 Marathonläufe absolviert und veranstaltet öfters selbst Marathonläufe. Wenn man so viele Marathonläufe hinter sich hat, ist man wohl auf der Suche nach dem Außergewöhnlichen. So kam er nun auf die Idee der „Lost Places Marathonserie“ Hierfür sucht er Plätze und Bauwerke, auf denen in Kürze nicht mehr gelaufen werden kann. Der Lauf auf der Rheinbrücke soll nun die Nummer 4 dieser Serie werden.

481 Meter Länge bietet die Rheinbrücke zwischen Büderich und Wesel. Donnerwetter, da müssen wir ja 44 Mal hin und zurück laufen. Mein Interesse an diesem Lauf steigt immer mehr, da die Brücke auch nur eine halbe Autostunde von uns entfernt ist.

Als ich dann abends noch eine Einladung zu diesem Lauf von Christian bekomme, steht mein Entschluss fest „Da bin ich dabei“ Die Teilnehmerzahl ist auf 50 Läufer begrenzt und die Startgebühr beträgt 42 Euro. Dafür gibt es neben dem einmaligen Erlebnis eine Ergebnisliste, Urkunde und Medaille.

Die Anmeldung erfolgt problemlos über das Internet und in der Teilnehmerliste finde ich schon einige Bekannte.

Mit meiner Frau Inge und ihrer Freundin Christiane mache ich mich dann am Sonntag um 8:30 Uhr auf den Weg. Über die B58 erreichen wir Wesel und erkennen schon von weitem die neue Rheinbrücke. Daneben liegt wie ein hässliches Entlein die alte Brücke, welche heute nochmals einen besonderen Tag erleben darf.  Da die Vorbrücke rechtsrheinisch bereits abgerissen ist, müssen wir den Rhein mit der neuen Brücke überqueren.

Linksrheinisch in Büderich können wir dann direkt auf die alte Brücke fahren und dort parken. Es sind bereits etliche Läufer da und ich kann neben Christian auch Joe Kelbel begrüßen. Joe  ist heute allerdings zum Zuschauen verurteilt, denn seine Genesung zieht sich doch länger hin als geplant. Trotzdem möchte er heute hier mal wieder ein wenig Marathonluft schnuppern. Natürlich würde er am liebsten mitlaufen.

Frank Pachura und Claus Braam lassen sich die Gelegenheit für diesen einmaligen Lauf auch nicht entgehen. Frank arbeitet schon wieder an einem zweiten Band über das Laufen im Revier. Der heutige Lauf wird auch darin vorkommen. Der WDR ist auch hier und interviewt gerade die Weseler Lauflegende Helmut Boury. Inzwischen ist er bereits über 80 aber noch immer am Laufsport interessiert. Insgesamt haben sich heute 34 Teilnehmer eingefunden.

Um 10 Uhr gibt Christian mit einer Drucklufthupe den Start frei und wir machen uns auf  den Weg in die erste Runde.  Wir laufen Richtung Wesel und haben einen schönen Blick auf den Rhein und die neue Brücke. Mit dem Wetter haben wir Glück. Die Vorhersagen waren unklar, von sonnigen Abschnitten und gelegentlichen Schauern war die Rede. Jetzt scheint die Sonne und es ist fast warm.

481 Meter sind schnell geschafft und es geht wieder zurück. Jetzt haben wir allerdings Gegenwind und ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke schnell wieder hoch. Am Ende der Runde haben wir die Möglichkeit uns zu verpflegen. Also praktisch 44 Verpflegungsstände, und die sind ausgezeichnet bestückt. Mit Wasser, Tee, Cola, Apfelschorle, Kuchen, Weingummi, Rosinen, Salzstangen Iso,  Cola und Käsestücke ist für alles gesorgt.  Wann gibt es so ein Angebot bei einem Citymarathon?

Wer denkt, so ein kleiner Rundenkurs ist langweilig, liegt falsch. Man sieht doch dauernd seine Mitläufer.  Entweder laufen sie vor mir oder sie kommen mir entgegen. Am Ende der Runden stehen dann erstaunlich viele Zuschauer, welche sich aus den Angehörigen und vielen Neugierigen zusammensetzen. Hier haben die Vorberichte in der regionalen Presse und das überraschend  schöne Wetter wohl mitgeholfen. Sie können hier am Wendepunkt bequem die Läufer auf jedem Kilometer beobachten.

Die Runden werden für alle Läufer festgehalten, denn bei solch kleinen Runden kommt es schon bald zu Überrundungen und man würde sonst schnell die Übersicht verlieren.Ich nehme immer an der Wende meine Zwischenzeit und da meine Uhr 50 Laps speichern kann, behalte ich auch den Überblick.

Bei den Begegnungen der Läufer gibt es immer ein aufmunterndes Wort oder zumindest ein wohlwollendes Lächeln. Getreu dem Motto von Christian „Marathon laufen ist Lebensqualität“ steht hier ein entspanntes Laufen mit zahlreichen Gesprächseinlagen im Vordergrund. So macht Laufen auch Spaß. Das Zeitlimit ist auf 6 Stunden festgelegt und ein wenig Toleranz wird auch noch bei Bedarf gewährt.

Mehrmals ziehen Schwärme von Wildgänsen über uns hinweg. Auch sie fühlen sich hier am Niederrhein wohl. 

Nach Runde 22 habe ich eine Zeit von 2:07 auf der Uhr und ich fühle mich prima. Inge und Christiane haben sich zur Kaffeepause ins Auto zurückgezogen, denn für die Zuschauer kann hier  nicht viel geboten werden, und für sie ist es doch schnell kalt.

Ein Führungstrio hat mich schon bald überrundet. Es besteht aus Werner Kamps, Ulrich Fischell und Bernd Diekmann. Bisher haben sie sich bei der Führungsarbeit  immer abgewechselt, aber jetzt setzt sich Werner Kamps langsam nach vorne ab. Er wird den Vorsprung immer weiter ausbauen und klar mit 3:03:07 siegen. Wann kann man als Teilnehmer mal so schön den Spitzenkampf verfolgen?

Mein Fanclub hat sich inzwischen noch mit meinen Vereinsfreunden Carla, Bernd, Monika, Helmut und Marita verstärkt und Joe betätigt sich als Einpeitscher für die Anfeuerungswelle. Das gibt wieder Kraft für die nächsten Kilometer.   

Die Strecke kenne ich inzwischen bestens und kann meine Gedanken ein wenig schweifen lassen. Der Rhein ist ja eine Art Schicksalsfluss für uns Deutsche und wird gerade hier bei uns im Rheinland vielfach besungen. Mit 1233 km hat er einen weiten Weg bis zur Nordsee. Hier am Niederrhein hat er bereits eine beachtliche Breite von über 400 Meter und bietet uns heute eine tolle Kulisse. Prima Idee hier, einen Marathon anzubieten. Einmal im Jahr sollte man ruhig mal einen Marathon außerhalb des Üblichen machen.

Wie immer werden natürlich auch hier die Beine mit jeder Runde etwas schwerer, aber das gehört zum Marathon wie die Brücken zum Rhein. Hier sind nur Läufer am Start, die zur Bewältigung der Strecke weder Musikgruppen noch Cheerleader brauchen. Auch über den kurzen Regen in Runde 41 können wir nur lächeln. Das hätte heute doch auch schlimmer kommen können.

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Werner Kamps hat schon längst das Ziel erreicht. Aber er bleibt noch hier und schaut sich den  Lauf bis zum Ende an. Dann wird auch für mich die letzte Runde eingeläutet und nach 4:30:09 überquere ich die Ziellinie. Das ist Platz 2 in meiner Altersklasse und Platz 19 im Gesamteinlauf. Ich erhalte meine Medaille und kann bereits um 18 Uhr die Urkunde und die Ergebnisliste aus dem Internet ausdrucken. Joe und die Fans gratulieren mir.

Ich ziehe mich am Auto um und schaue mir den restlichen Zieleinlauf an. Man freut sich zusammen über jeden Finisher und hat hier auch noch die Möglichkeit zum Austausch mit Gleichgesinnten. 

Noch ein letzter Blick auf  Vater Rhein und die alte Brücke. Bald wird sie verschwunden sein und für einen Marathonlauf nicht mehr zur Verfügung stehen. Gut, dass wir heute hier nochmals die Gelegenheit zu einem ganz besonderen Lauf nutzen konnten.

 


 
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