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Laufberichte

TRULY: Reunited!

27.02.11
Autor: Joe Kelbel

Conny sagt, der schwierigste Schritt sei der vor die Tür. Aber wenn man 9 Monate Laufpause hatte, dann ist jeder Schritt schwierig, und gerade heute Morgen komme ich nicht aus den Federn, es geht mir nicht gut. Aber ich muss aufstehen, mein Kopfkissen ist nassgeschwitzt, und meine Eigenverpflegung ist gepackt, also nix wie los nach Hemsbach.

Klar, was ihr denkt. Das letzte Mal, als mir jemand sagte das sei gesund, war es meine Mutter. Vor über 30 Jahren sagte sie: „ Joe, iss einen Apfel, das ist gesund!“

Also ist der Joe so früh am Schützenhaus Hemsbach, dass er vor dem offiziellem Startbeginn schon mal ne 5km Runde läuft. Das ist offiziell erlaubt und geht in die Wertung ein.

Auf den letzten 1,5 km der 5km-Runde bin ich fast krepiert. Nasser Schlamm klebt unter meinen Schuhen, ich bin schon total unterzuckert, mir ist saukalt, ich will nicht mehr.

Ich beende diese schreckliche Runde und begebe mich zu meiner Kofferraumverpflegung. Dadurch vermeide ich Fragen zu meinem Gesundheits-und Trainingszustand. Will darüber nicht mehr reden.

Mittlerweile sind alle Läufer eingetroffen. Noch 10 Minuten bis zum offiziellen Startbeginn des diesjährigen TRULY.

Der TRULY wird am letzten Feb-Wochenende  weltweit ausgetragen, könnte also auch zeitgleich in München, Berlin oder Hamburg stattfinden, aber  doch lieber in der Hauptstadt der Marathonläufer, bei meinen Freunden  in Hemsbach, am Rande des Odenwaldes.

Man läuft wahlweise 25 oder 50 km und wird in eine weltweite Ergebnisliste eingetragen. Der LT Hemsbach stellt dafür wie jedes Jahr eine vermessene Laufstrecke zur Verfügung. Für Verpflegung und wahrheitsgemäße (truly) Zeitmessung hat jeder selbst zu sorgen.

Ich laufe also nochmal 5 km. Macht ja jetzt auch Spass mit all den Bekannten und Freunden zu laufen. Geht jetzt auch besser.

Dritte Runde war o.k. Boxenstop am Kofferraum, ich lasse mir Zeit. Vierte Runde laufe ich andersherum, ist auch offiziell erlaubt. Gelegenheit für Fotos von den Läufern. Boxenstop.

Fünfte Runde beendet. Ich trage mich in die 25-km-Wertungsliste ein. 2:46 Std, nicht die Welt, aber das ist heute mein Wunschziel gewesen. Boxenstop. Schluß, aus Basta! Ich ziehe  mir trockene Klamotten an und genehmige mir ein blondes Nahrungsergänzungsmittelchen und bin zufrieden.

Da fällt mit Matilda ein!  Wir hatten keine Gemeinsamkeiten mehr. Das letzte Mal als ich sie sah, da hing sie über der Stuhllehne, meine  Matilda. Ich nenne sie  Matilda nach der heimlichen Nationalhymne von Australien, in welcher der Tramp, der auf der Walz ist,  seine Reisematte  besingt. 

Nach neun Monaten war Matilda unter einem Berg von schmutzigen und weniger schmutzigen, also noch tragbaren Kleidungsstücken verschwunden gewesen. Doch heute Morgen war ich Howard Carter auf der Suche nach dem ollen Tutanchamun und fand Matilda unter der Pyramide.

Mit dem Daumen rieb ich den weißen Flaum von Matildas rauer Haut. Edle, salzige Zeichnungen kamen auf schwarzem Untergrund zum Vorschein, weckten Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse in fernen Städten.

Matilda ist kein Boxenluder, sie ist meine Gürteltasche. Der Verschluss macht „ klack“ und ich spüre Matildas kräftigen Druck an meinen Hüften. Wir passen immer noch gut zusammen, denke ich mir. Zugegebenermaßen hat die Stuhllehne eine tiefe Narbe hinterlassen. Aber es passt immer noch alles.

Matilda - es geht los!  Der TRULY ruft! Und Brigitte sagt, ein Halber geht immer. Also Runde 6. Geht auch gut. Runde 7, blöder Schlamm. Die Bronchien brennen, zuviel gehustet die letzten Tage. Alle, die jetzt noch laufen, fragen mich, ob es mir gut geht. Mir eigentlich egal, ob es mir gut geht, ich will nur laufen „Ihr solltet mich doch kennen, 35 km sind doch normal für  Joe“. Boxenstop. Geheimverpflegung. Ich will nur weiterlaufen, immer weiter!

Jaja, eim Apfel ist gesünder als ich, aber ich hab wenigstens keine Würmer!

Was hatte ich heute Morgen nicht für Schätze in Matildas Taschen gefunden: korridierte Euros, abgelaufene Power-Gels, ein verhunztes Pflaster, eine Schmerztablette  und einen Essensgutschein aus Biel. Und jetzt hüpft sie in meinem Rythmus fröhlich auf meinen Hüften rum! 

Runde 8 beendet. Boxenstop. 40 km! Ich will weiter! Niemand hat mich auf der Agenda, nicht mal ich. Jeder Bagel ist gesünder als ich, aber auch ich spüre nun dieses Loch im Bauch. Magen und Co wollen nicht mehr.

Runde 9 . Matildas Bewegungen werden langsamer, als die Wasserflasche leer ist.

Runde 10 beendet. 50 km. Punkt aus, Basta! Zusammen mit Matilda „Reunited and it feels so goooooood!“

 


 
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