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Laufberichte

Gewaltige Aussichten beim Rheinfall Marathon

11.02.12

In Neuhausen am Rheinfall stürzt der Rhein auf einer Breite von etwa 150 Meter um 23 Meter in die Tiefe und bietet ein imposantes Naturschauspiel. Neben dem Dettifoss aus Island, der zwar doppelt so hoch, aber nur halb so wasserreich ist, ist der Rheinfall damit der größte Wasserfall Europas. Der einzige, der diese gewaltigen Wassermengen aufwärts bezwingen kann, ist der Aal. Der schlängelt sich seitwärts über die Felsen hoch.

Das Runterschippern galt lange Zeit als unmöglich. Trotzdem haben es natürlich schon einige mit Kajaks versucht, was aber seit 1999 offiziell verboten ist und mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Franken bestraft wird. Vermutlich der erste Bezwinger war ein tschechischer Student, der die rechte Route wählte. 1997 gelang einem Österreicher die Abfahrt durch die Mitte und 2006 hat es einer auf der linken Seite geschafft.

Von einer Aussichtsplattform wagen im Sommer regelmäßig tollkühne Springer den sogenannten Känzeli-Sprung in die tobenden Wassermassen des Rheins. 2009 ist das Bild eines jungen Burschen, der vom Känzeli springt, vom TV-Sender Pro7 sogar zum spektakulärsten Foto der Welt gewählt worden.

So ein wagemutiges Abenteuer müssen wir natürlich nicht bestreiten. Wir passieren bei unserem Rheinfall Marathon den Wasserfall zwar auch aus nächster Nähe, aber ohne nass zu werden. Wir laufen außen rum auf Landwegen und dazu braucht’s nur etwas Kondition. In vier Runden á 10,6 km bekommen wir ihn aus allen nur denkbaren Positionen auf den Präsentierteller.

Organisiert wird der Rheinfall Marathon heuer zum zweiten Mal und zwar als Einladungslauf von Daniel Steiner, Stammlesern von marathon4you ja bestens bekannt. Teilnehmen kann man derzeit nur mit einer persönlichen Einladung. Bei der Erstauflage waren 18 Personen dabei, heuer sind schon 28 angemeldet. Einer fällt wegen Krankheit aus und Niels verpennt den Start. So bleiben 26 Laufwillige übrig.

Treffpunkt ist in Neuhausen am Rheinfall im Kanton Schaffhausen/Schweiz vor dem Schulhaus Kirchacker, ca. 20 km von der deutschen Staatsgrenze entfernt. Zugleich ist hier auch Daniel’s Wirkungsstätte im täglichen Arbeitsleben. Den Grundschülern der 1. – 3. Klassen lehrt er das Einmaleins. Eines der Klassenzimmer dient uns kurzfristig als Umkleideraum, dafür wird extra das Schulhaus aufgesperrt. Zum Lauf hat er wunderschöne Retro-Startnummern aus Stoff organisiert von einem mittlerweile aufgelösten Sportverein.



Ein 10-minütiger Fußmarsch führt uns hinunter ans Rheinufer, wo sich wahrscheinlich sonst Heerscharen von Touristen tummeln, um den herrlichem Blick auf das Objekt der Begierde einzufangen. Heute Morgen ist es aber  noch ruhig, kein Wunder bei Temperaturen im unteren zweistelligen Minusbereich. Dazu lässt sich die Sonne auch noch betteln und ist nicht präsent. Aber Daniel verspricht: sie wird kommen.

Bei der Start- und Ziellinie werden zwei Boxen deponiert, wo wir Thermoskannen und andere Getränke einlagern können. Ich habe gleich zwei dabei mit heißem Tee und fülle mir eine Trinkflasche mit dem noch dampfenden Gebräu für die erste Runde auf. Mit leichter Verspätung geht’s um 10.15 Uhr los. Ca. 250 Höhenmeter pro Runde sind uns versprochen, macht summa summarum 1.000 für die den ganzen Kurs. Das ist nicht zu unterschätzen. Die ersten davon dürfen wir gleich vom Start weg einlösen, deftig geht’s nach oben.

Zeitmessung gibt es im Übrigen keine offizielle, dafür muss jeder selber sorgen. Es ist auch kein Gruppenlauf, wie sonst viele der Einladungsläufe, sondern jeder darf nach seiner Façon so schnell oder langsam wie er will. Daniel hat auf der kompletten Runde Abzweigungen mit Trassierbändern versehen und stellenweise auch Markierungen angebracht. Zudem hat jeder eine detaillierte Beschreibung mit Fotos per E-Mail vorab zugesendet bekommen.



Nach einem guten Kilometer haben wir den Uferweg am Rhein erreicht, genau in östliche Richtung schwenkt unsere Laufrichtung, der Kurswechsel ist wie ein kleiner Schock, sibirisch bläst uns der Wind entgegen. Der Wind-Chill-Faktor verdoppelt zumindest gefühlt die Minusgrade. Gut, dass bei Laufveranstaltungen das Vermummungsverbot nicht gilt. Alles Verfügbare wird über‘s Gesicht gezogen.

Am Flurlinger Steg gibt es leider eine kleine Kursänderung, der Rheinuferweg wurde wegen dringenden Arbeiten der Kraftwerksbetreiber gesperrt, so müssen wir etwas links davon durch‘s Industriegebiet weiter. An der imposanten Schrägseilbrücke der Autobahn A4 sind in etwa 4 km absolviert und die Stadtgrenze von Schaffhausen erreicht. Wir wechseln auf der direkt daneben liegenden Brücke über. Durch einen Felstunnel erreichen wir den Spazierweg auf der rechten Rheinseite.

Gegenüberliegend ist das Stadtpanorama von Schaffhausen bewundern. Daniel betätigt sich als Fremdenführer und zeigt mir die alten Stadttürme und erzählt was sonst noch wissenswert ist. Wie z.B. von der Bombardierung Schaffhausens im Zweiten Weltkrieg. Am 1. April 1944 wurde die Stadt versehentlich das Ziel von Bombenangriffen mehrerer Geschwader der US-Air Force. Sie hatten eigentlich Ziele in Deutschland auf dem Plan. Die US-Streitkräfte entschuldigten die Bombenabwürfe später mit Navigationsfehlern. Einen der Bomberpiloten hat er persönlich kennen gelernt und... das erzähle ich jetzt nicht weiter. Ihr könnt ihn ja persönlich nächstes Jahr danach fragen.



An der nächsten Rheinbrücke (KM 5) verlassen wir den Uferweg. Nach rechts führt uns die Strecke durch Flurlingen in die Höhe. Fast 4 km und 150 Höhenmeter beinhaltet der Aufstieg zum höchsten Punkt des Kurses, wo wir einen herrlichen Überblick über unsere Laufstrecke, die Stadt und die Landschaft haben. Einige Male unterqueren und passieren wir die Autobahn, bevor es wieder runter geht. Die Graffiti-Künstler haben an den Autobahnbrücken gute Arbeit geleistet, diverse Kunstwerke sind zu begutachten.

Der Aufstieg macht durstig. Es bleibt aber beim Versuch, mir einen Schluck warmen Tee einzuverleiben. Es schwimmen bereits Eisberge in meiner Trinkflasche und Eistee zählt gerade nicht zu meinen Favoriten. Ich bin da aber nicht der einzige der jammert, bei den meisten sind die Trinkrucksäcke zugefroren. Aber wenigstens kommt langsam die Sonne durch, Daniel hat mit seiner Prognose recht behalten.

Runter geht’s bedeutet schneller. In einem Rutsch werden alle Höhenmeter wieder egalisiert. Zwischen den Bäumen kann man wieder den Rheinfall ausmachen. Am Kassenhaus zur Aussichtsplattform herrscht noch immer gähnende Leere. Über eine Million Besuchern pro Jahr finden sich hier ein und damit ist es eine der touristischen Hauptattraktionen der Schweiz. Vorbei an Schloss Laufen geht’s direkt runter ans Ufer des Rheins. Die nächste Brücke lässt uns wieder die Seite und Laufrichtung wechseln. Der schmale Pfad am Fluss auf Wasserhöhe ist ein Genuss, aber ein Fehltritt würde schon nasse Füße bedeuten, also Vorsicht auf dem Schneeboden. Tolle Eisgebilde haben sich auf dem Wasser an der Uferkante und um Bootsbefestigungen gebildet. Die Eiszeit hat auch schöne Seiten.

Kurz nach Schlössli Wörth ist die erste Runde beendet und auf mich wartet nun endlich mein heißer Tee. Meist sonnig geht’s weiter, zur körperlichen Erwärmung kann das heute aber nur bedingt beitragen. Gegen Osten bleibt‘s grausam, nur mit dem Wind im Rücken ist es verträglich und einigermaßen angenehm. So kommt’s dann auch wie’s kommen muss, in der 3. Runde funktioniert meine Kamera nur mehr beschränkt, die meisten Funktionen sind eingefroren.



Kurz vor Beendigung meines Marathons werde ich noch von Carmen Hildebrand überholt. Glaubt jetzt aber nicht, ich sei ihr die ganze Zeit voraus gelaufen. Sie hat eine fünfte Trainingsrunde drauf gepackt. Sie steht praktisch schon in den Startlöchern für ihren nächsten Etappenlauf.

Ich vermute, ich bin so ziemlich der Letzte auf der Piste, genau weiß ich es aber nicht. Eberhard hat schon beim Start angekündigt, dass seine Finger bei den Temperaturen nicht warm werden und er daher früher aufhört. Könnte aber sein, dass Christoph noch hinter mir ist und mir den letzten Rang streitig macht. Er verläuft sich nämlich heute schon mal und ist bereits einmal von hinten aufgetaucht, obwohl er vor mir sein sollte.

Nach getaner „Arbeit“ ist Treffpunkt bei Daniel. Er hat Nudeln gekocht und ein Kuchenbuffet steht auch bereit. Jeder bekommt noch eine Urkunde.

Alles war super organisiert von Daniel, mir hat’s Spaß gemacht, an dieser tollen Lokation zu laufen. A bisserl wärmer hätt’s halt sein können. Im Vorjahr konnte man abschnittsweise schon im Shirt laufen.


 

 


 
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